Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Februar 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 35/04
(BPatG: Beschluss v. 23.02.2006, Az.: 33 W (pat) 35/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der farbigen Wort-/Bildmarke 2 904 721 Wort-/Bildmarke 2 904 721 für Entwicklung von Unternehmens- und Vertriebsstrategien, nämlich Organisations- und Personalentwicklung; Vertriebscoaching, nämlich Durchführung von Verkaufstrainingsist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 1 081 339 SYNCON für Druckerei-Erzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Bücher, Lehrmittel in Form von Fachbüchern, sämtliche vorgenannten Waren auf dem Gebiet des Marketing und der Betriebswirtschaft; Unternehmensberatung, Marketing, Marktforschung.
Mit Beschlüssen vom 26. November 1999 und 20. November 2003, letzterer davon im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Nach Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen. Die beiderseitigen Dienstleistungen seien miteinander ähnlich. Dies gelte zunächst für die auf Seiten der jüngeren Marke eingetragene Dienstleistung "Entwicklung von Unternehmens- und Vertriebsstrategien, nämlich Organisations- und Personalentwicklung". Diese Dienstleistung gehöre zum Bereich der Unternehmensstrategien, während die für die Widerspruchsmarke geschützte Dienstleistung "Unternehmensberatung" das Arbeitsgebiet der Prüfung und Beratung des Unternehmens auf allen Funktionsgebieten, insbesondere in Fragen des Vertriebs, einschließlich der Entwicklung von Vertriebsstrategien und des Personalwesens umfasse. Insoweit kämen sich die Dienstleistungsangebote der beiden Marken nahe. Zudem umfasse das für die Widerspruchsmarke geschützte "Marketing" auch das Verkaufsmanagement, einschließlich der gezielten Schulung des Verkaufspersonals und Werbung. Auch werde - so die Erinnerungsprüferin - die Dienstleistung "Marktforschung" der Widerspruchsmarke von der Rechtsprechung als ähnlich mit "Unternehmensberatung, nämlich Personalberatung" angesehen. Gleiches gelte für das Verhältnis von "Managementschulung" mit der für die Widersprechende geschützten Dienstleistung "Unternehmensberatung". Die beiderseitigen Marken seien in klanglicher Hinsicht sehr ähnlich. Die angegriffene Marke werde vom Verkehr als "SYNCOM" erkannt und benannt werden. Beide Markenwörter wiesen die gleiche Silbenzahl auf und stimmten im Betonungs- und Klangrhythmus überein. Sie unterschieden sich ausschließlich durch die Endbuchstaben "M" und "N", die sich als klangschwache Konsonanten jedoch derart nahe stünden, dass eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke. Zur Begründung führt er aus, dass es ihm bereits bei der Anmeldung seiner Marke nur um Dienstleistungen psychologischer und pädagogischer Natur, insbesondere im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, gegangen sei. Er habe daher in der Anmeldung ursprünglich die Dienstleistungsbegriffe "Organisationsentwicklung, Personalentwicklung, Vertriebscoaching" aufgeführt, wobei er davon ausgegangen sei, dass sie dem in der Klasseneinteilung aufgeführten Begriff "Dienstleistungen, die nicht in andere Klassen fallen" unterfielen und damit in die Klasse 42 einzuordnen seien. Diese Bezeichnungen, die auch in Wissenschaft und Praxis üblicherweise verwendet würden, hätten nicht im Ansatz etwas mit Marketing, Marktforschung, Unternehmensberatung oder Betriebswirtschaft zu tun.
Erst der Sachbearbeiter der Markenstelle habe den Anmelder in einem Telefonat am 31. Oktober 1994 dazu bewegt, die angemeldeten Dienstleistungen entsprechend dem später eingetragenen Dienstleistungsverzeichnis umzuformulieren, damit eine - vom Sachbearbeiter für richtig gehaltene - Einordnung der Dienstleistungen in die Klasse 41 ermöglicht werde. Erst durch die Eintragungsurkunde habe der Markeninhaber erfahren, dass das Patentamt die angemeldeten Dienstleistungen auch in die Klasse 35 eingeordnet habe. Damit seien die damals unbedachten Änderungen des Sachbearbeiters Ursache für das anhängige Kollisionsverfahren. Es dürfe nicht zulasten des Markeninhabers gehen, dass in den amtlichen Auflistungen der Waren- und Dienstleistungsklassen gängige und weit verbreitete Berufsgruppen und deren Dienstleistungen fehlten. Dies gelte im Übrigen auch für die Dienstleistungen des Widersprechenden, die in der Klasse 35 fehlten und auch nicht dorthin eingeordnet werden könnten. Im Übrigen bestehe zwischen den beiderseitigen Dienstleistungen nicht vom Ansatz her eine Ähnlichkeit. Die Dienstleistungen des Markeninhabers seien ausschließlich psychologischer und pädagogischer Natur, während die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke den vollkommen verschiedenen Gebieten des Marketings, der Betriebswirtschaft, der Marktforschung und entsprechender Unternehmensberatung zugehörten. Hiermit habe der Markeninhaber rein gar nichts zu tun. Aufgrund der unterschiedlichen Betätigungsfelder der Beteiligten bestehe nicht einmal die theoretische Gefahr von Verwechslungen der Marken. Der Markeninhaber beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 1 081 339 zurückzuweisen.
Der Widersprechende hat sich auf die ihm zugestellte Beschwerde und auf die Beschwerdebegründung nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers ist nicht begründet. Die Markenstelle hat zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, da zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 - BANK 24 m. w. N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV; GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus).
a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte als normal zu beurteilen.
b) Entgegen der Auffassung des Inhabers der angegriffenen Marke sind die beiderseitigen Dienstleistungen zumindest mittelgradig, teilweise sogar bis hin zur Identität hochgradig ähnlich. Dabei können die Vorbehalte des Markeninhabers hinsichtlich der für seine Marke eingetragenen Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses nicht berücksichtigt werden. Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sind - wie schon aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hervorgeht - die "durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen" in den zeichenrechtlichen Vergleich einzubeziehen. Auf Seiten der angegriffenen Marke sind also die Dienstleistungen zugrunde zu legen, wie sie im Register eingetragen sind und damit den Schutz der Marke bestimmen. Irgendwelche Einschränkungen, Vorbehalte o. Ä. können daher nur Berücksichtigung finden, soweit sie sich aus der Fassung des eingetragenen Waren- oder Dienstleistungsverzeichnisses selbst ergeben. Alles andere wäre nicht mit dem Prinzip des Registermarkenschutzes vereinbar, bei dem sich der Gegenstand der Marke und der Umfang der Waren und Dienstleistungen, für die sie geschützt ist, für die Öffentlichkeit aus dem Register ergeben muss.
Da der Markeninhaber als Herr des Verfahrens im Anmeldeverfahren den Formulierungsvorschlägen des Sachbeabeiters zugestimmt hat, muss er sich, mögen diese Vorschläge im Hinblick auf das aus § 14 MarkenV a. F. folgende Erfordernis der eindeutigen Zuordenbarkeit einer Ware oder Dienstleistung in eine bestimmte Klasse sachgerecht gewesen sein oder nicht, die eingetragene Fassung im Widerspruchsverfahren auch zurechnen lassen. Der Inhaber einer mit dem Widerspruch angegriffenen Marke hat daher nur die Möglichkeit, sein Waren- oder Dienstleistungsverzeichnis von sich aus oder nach Absprache mit dem Widersprechenden weiter zu beschränken, um so eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden oder den Verfahrensgegner zur Rücknahme des Widerspruchs zu bewegen.
Damit ist auf Seiten der angegriffenen Marke zunächst die Dienstleistung "Entwicklung von Unternehmens- und Vertriebsstrategien, nämlich Organisations- und Personalentwicklung" zugrunde zu legen. Diese liegt mit der für die Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistung "Unternehmensberatung" nicht nur im Bereich einer engeren Ähnlichkeit, sondern sogar im Identitätsbereich. Denn Unternehmensberatung umfasst auch die Entwicklung von Unternehmens- und Vertriebsstrategien, insbesondere auch, soweit es sich um Organisations- und Personalentwicklung handelt.
Außerdem ist die weiter für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung "Vertriebscoaching, nämlich Durchführung von Verkaufstrainings" zumindest mittelgradig ähnlich mit der für die Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistung "Marketing", da insoweit eine gemeinsame Zweckrichtung besteht (Förderung des Waren- oder Dienstleistungsabsatzes) und eine gleichgerichtete Qualifikation der Erbringer im Bereich der Absatzförderung erwartet werden muss. Auch wenn sich die konkrete Art der Erbringung unterscheidet, da die Dienstleistung der jüngeren Marke pädagogisch, die der Gegenmarke als unmittelbare Absatzförderung erbracht wird, so wird der Verkehr dennoch in beachtlichem Umfang davon ausgehen, dass Überschneidungen bei den Erbringern der beiderseitigen Dienstleistungen bestehen. Damit ist eine zumindest mittelgradige Ähnlichkeit festzustellen.
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommen kann (s. o.), sei angemerkt, dass auch die Zugrundelegung der ursprünglich beantragten Dienstleistungsbegriffe "Organisationsentwicklung; Personalentwicklung; Vertriebscoaching" in gleicher Weise zur Feststellung einer zumindest mittelgradigen Ähnlichkeit geführt hätten, da die o. g. wirtschaftlichen Überschneidungen und Berührungspunkte hierbei in gleicher Weise festzustellen gewesen wären. Selbst eine noch weiter gehende Einschränkung der o. g. Dienstleistungsbegriffe, etwa mit dem Zusatz "in psychologischer und pädagogischer Hinsicht", hätte - unabhängig von ihrer Zulässigkeit - keine nennenswerte Herabsetzung der festgestellten Identität bzw. Ähnlichkeit bewirkt, da es hierbei um die Schulung bzw. Betreuung berufstätiger Personen im Organisations-, Personal- und Vertriebsbereich gegangen wäre. Im Übrigen hat der Widersprechende bereits im Erinnerungsverfahren mit seiner Eingabe vom 23. Mai 2000 deutlich gemacht, dass ihn auch eine derart eingeschränkte Benutzung der jüngeren Marke stören würde, so dass der Senat keinen Anlass sah, auf eine dahingehende gütliche Einigung hinzuwirken.
c) Die angegriffene Marke hält den danach erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein. Sie wird von überwiegenden Teilen des Verkehrs unproblematisch allein als "Syncom" gelesen und benannt, wofür auch die weiteren, optisch untergeordneten Wortbestandteile "Synergie durch Communication" sprechen, die eine verkürzende Benennung mit "Syncom" nahe legen. Dieser Markenbestandteil prägt damit den klanglichen Gesamteindruck der angegriffenen Marke.
Die Markenwörter "Syncom" und "Syncon" unterscheiden sich allein durch die Buchstaben "m" und "n", die als klangschwache Nasal-Dauerlaute wiederum eng klangverwandt sind und sich zudem am regelmäßig weniger beachteten Wortende befinden. Ansonsten sind die maßgeblichen Markenwörter völlig identisch, was insbesondere für Kriterien wie die Vokalfolge, Silbengliederung, Anfangslaute, Betonung und Sprechrhythmus gilt. Dies bewirkt eine schon am Rand der Identität liegende klangliche Ähnlichkeit der Marken. Damit ist ohne Weiteres eine Gefahr klanglicher Verwechslungen der beiderseitigen Marken festzustellen, so dass der Beschwerde des Markeninhabers der Erfolg versagt bleiben muss.
BPatG:
Beschluss v. 23.02.2006
Az: 33 W (pat) 35/04
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