Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 334/06
(BPatG: Beschluss v. 30.11.2009, Az.: 15 W (pat) 334/06)
Tenor
Das Patent 103 57 363 wird widerrufen.
Gründe
I Auf die am 9. Dezember 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 103 57 363 mit der Bezeichnung
"Verfahren und Anlage zum Gießen und unmittelbar anschließenden Walzen von Gießsträngen aus Metall, insbesondere aus Stahlwerkstoffen, vorzugsweise Dünnsträngen"
erteilt und die Erteilung am 9. Februar 2006 veröffentlicht worden. Die Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Streitpatent haben folgenden Wortlaut: Gegen die Erteilung des Patents ist Einspruch erhoben worden von:
S... GmbH & Co in L..., Ö... (Einsprechende 1), mit Schriftsatz vom 30. März 2006, eingegangen am gleichen Tag, und der S...AG in D... (Einsprechende 2), mit Schriftsatz vom 9. Mai 2006, vorab als Telefax eingegangen am gleichen Tag.
Die Einsprechenden stützen sich u. a, auf folgenden Stand der Technik:
E1 US5156800A.
Die Einsprechende zu 1) macht geltend, dass das Verfahren und die Vorrichtung des angegriffenen Patents nicht neu seien und auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten. Anspruch 2 gäbe außerdem keine eindeutige Lehre zum technischen Handeln.
Die Einsprechende zu 2) macht geltend, dass das Verfahren und die Vorrichtung des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten und die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 9 nicht so deutlich und vollständig offenbart seien, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten. Insbesondere ist sie der Auffassung, dass die Argumente beider Einsprechenden nicht überzeugend seien und die Entgegenhaltungen mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit nicht begründeten. Die Patentinhaberin beantragt schriftsätzlich, das Patent unter Abweisung der Einsprüche aufrecht zu erhalten.
Zur mündlichen Verhandlung am 30. November 2009 erschien bei Aufruf niemand für die Patentinhaberin, die ordnungsgemäß geladen war.
Die Einsprechenden beantragen in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1.
Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH, GRUR 2007, 859 -Informationsübermittlungsverfahren I und BGH, GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II, BGH, GRUR 2009, 184 -Ventilsteuerung).
2.
Die rechtzeitig und formgerecht eingelegten Einsprüche sind zulässig, denn es sind im Hinblick auf den druckschriftlich belegten Stand der Technik innerhalb der Einspruchsfrist die die Widerrufsgründe der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass der Patentinhaber und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).
3.
Der Gegenstand des Patents geht nicht über den Inhalt der Anmeldung hinaus, in der sie beim Deutschen Patentund Markenamt ursprünglich eingereicht worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Patentanspruch 1 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 1 mit dem Zusatz "dieselben" nach "Längsabschnitte (4b)" in Zeile 3 des Patentanspruchs, was auf S. 7 Abs. 2 der ursp. Beschreibung offenbart ist. In Anspruch 3 wurde "einheitlich" gestrichen, was sich aus der S. 7 Abs. 3 der urspr. Beschreibung herleiten lässt. Vorrichtungsanspruch 9 sowie die Unteransprüche 2, 4 bis 8 und 10 bis 13 entsprechen den urspr. Ansprüchen 9, sowie 2, 4 bis 8 und 10 bis 13.
4.
Der zuständige Fachmann ist hier ein Diplomingenieur der Fachrichtung Verfahrenstechnik, der mit der Verbesserung von Verfahren und Vorrichtungen zur Herstellung von Blechen durch Gießen und Walzen betraut ist und sich langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet erworben hat.
5.
Dem Antrag der Einsprechenden zu 1) und zu 2) auf Widerruf des Streitpatents ist stattzugeben, denn der Vorrichtung gemäß Patentanspruch 9 fehlt es bereits an der erforderlichen Neuheit gegenüber der Lehre der vorveröffentlichten Druckschrift US 5 156 800 A (E1).
Die Vorrichtung nach Patentanspruch 9 lautet nach Merkmalen gegliedert:
1 Anlage zum Gießen und Walzen von Gießsträngen (4) aus Metall, 1.1 wobei der Gießstrang (4) oder von diesem abgeteilte Längsabschnitte (4b) in einen Temperaturausgleichsofen (10) eingeführt, 1.2 durch induktive Heizung auf Walztemperatur eingestellt 1.3 und am Ofenausgang (10c) unmittelbar in eine Fertigwalzstrasse (14) einführbar sind, wobei 1.4 eine Induktionsheizung (11)
1.4.1zwischen einer Schneideinrichtung (8) und dem Temperaturausgleichsofen (10) vorgesehen ist, 1.4.2die in ihrer Länge einen Eingang (10b) des Temperaturausgleichsofens (10) bildet.
In der Druckschrift US 5 156 800 A (E1) ist eine Vorrichtung zum Gießen und Walzen von metallischen Gießsträngen (Merkmal 1) beschrieben -vgl. dort Sp. 1 Zn. 8 bis 11. Sie umfasst eine kontinuierlich arbeitenden Gießpfanne 10, eine Schneidevorrichtung 14 für die Dünnbramme (Dünnstrang) 12 und eine Induktionsheizung 16 mit einem Temperaturausgleichsofen 18 -vgl. Sp. 2 Zn. 46 bis 56 u. Sp. 3 Zn. 13 bis 17. Wie aus der Figur ersichtlich ist, bildend Induktionsheizung 16 und Temperaturausgleichsofen 18 eine Einheit. An dem Ofenausgang schließt sich unmittelbar eine Fertigwalzstrasse mit den Walzen 20 an (Merkmal 1.3) -vgl. Sp. 4 Zn. 22 bis 24.
Die abgeteilten Längsabschnitte des Gießstrangs sind in den Temperaturausgleichsofen 18 mit der Induktionsheizung 16 am Eingang -vgl. die Figur -einführbar und werden durch induktive Heizung auf Walztemperatur eingestellt (Merkmale 1.1 u 1.2) -vgl. Sp. 2 Zn. 14 bis 19. Weiter ist aus der Figur ohne weiteres ersichtlich, dass die Induktionsheizung 16 zwischen der Schneideeinrichtung 14 und dem Temperaturausgleichsofen 18 angebracht ist (Merkmale 1.4 u 1.4.1)
vgl. auch Sp. 2 Zn. 49 bis 52 u. Sp. 3 Zn. 15 bis 17 -und in ihrer Länge den Eingang des Temperaturausgleichsofens bildet (Merkmal 1.4.2).
Damit sind alle Merkmale 1 bis 1.4.2 des Gegenstandes des Patenanspruchs 1 aus E1 bekannt. Der Gegenstand des Patentanspruchs 9 ist somit nicht neu und hat daher keinen Bestand.
6. Die Patentinhaberin hat sich sachlich ausführlich zum Einspruch geäußert und schriftsätzlich beantragt, das Patent unter Abweisung der Einsprüche aufrecht zu erhalten. Somit hat die Patentinhaberin die Patenterteilung erkennbar im Umfang eines Anspruchssatzes beantragt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthält. Deshalb war das Patent zu widerrufen. Auf die übrigen Ansprüche brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH "Informationsübermittlungsverfahren II" GRUR 2007, 862; Fortführung von BGH "Elektrisches Speicherheizgerät" GRUR 1997, 120).
Feuerlein Harrer Egerer Lange Bb
BPatG:
Beschluss v. 30.11.2009
Az: 15 W (pat) 334/06
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