Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Januar 2009
Aktenzeichen: 17 W (pat) 16/05

(BPatG: Beschluss v. 22.01.2009, Az.: 17 W (pat) 16/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden vom 9. Dezember 2004 und die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin vom 2. Juni 2006 wird der Beschluss der Patentabteilung 1.53 des Deutschen Patentund Markenamts vom 28. Oktober 2004 aufgehoben.

Das deutsche Patent 199 00 895 wird widerrufen.

Gründe

I.

1. Auf die am 13. Januar 1999 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Patentanmeldung 199 00 895.7 -53 wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F unter der Bezeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zum Fernzugriff auf einen Zielcomputer"

ein Patent erteilt und dies am 15. März 2001 veröffentlicht.

Ein gegen das Patent erhobener Einspruch hatte teilweise Erfolg: das Patent wurde durch Beschluss der Patentabteilung 1.53 vom 28. Oktober 2004 beschränkt aufrechterhalten. Die Patentabteilung gelangte zu dem Schluss, der Patentanspruch 1 der erteilten Fassung enthalte nichts, was über den Offenbarungsgehalt zweier (alternativ benannter) Druckschriften im Rahmen durchschnittlichen fachmännischen Könnens und Handelns hinausgehe; um zum Verfahren nach diesem Patentanspruch 1 zu gelangen, bedürfe es keiner erfinderischen Tätigkeit. Für den Patentanspruch 1 in den Fassungen nach Hilfsantrag I und Hilfsantrag II begründete sie dies ebenfalls. Hingegen wurde das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag III als erfinderisch anerkannt und das Patent in diesem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende am 9. Dezember 2004 Beschwerde eingelegt. Zur mündlichen Verhandlung ist sie -wie angekündigt -nicht erschienen. Sie beantragt im Beschwerdeschriftsatz, den angefochtenen Beschluss insofern aufzuheben, als das Patent in beschränktem Umfang gemäß Hilfsantrag III aufrechterhalten wurde, den vollständigen Widerruf des Patentes zu beschließen, sowiehilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Der Beschluss der Patentabteilung 1.53 des Deutschen Patentund Markenamts vom 28. Oktober 2004 wird aufgehoben und das Patent gem. Hauptantrag vom 22. Januar 2009 beschränkt aufrecht erhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1-8 wie in der mündlichen Verhandlung überreicht, Beschreibung Spalte 1-4 gem. Streitpatentschrift, 1 Blatt Zeichnungen mit Figur 1 gem. Streitpatentschrift.

hilfsweise entsprechend dem Hilfsantrag:

Die Patentinhaberin hat am 2. Juni 2006 eine unselbständige Anschlussbeschwerde eingelegt und beantragt:

mit Patentansprüchen 1-5 überreicht in der mündlichen Verhandlung, sonstige Unterlagen wie Hauptantrag.

Sie trägt vor, die vom Senat als wesentlich betrachtete D1 (DE 198 08 616 A1, s. u.) sei bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigt und in die Patentschrift (siehe dort Spalte 2 Absatz 1) aufgenommen worden. Sie lege den Schwerpunkt auf eine Ansteuerung von Videokameras, so dass wesentliche Unterschiede zur nunmehr beanspruchten Lehre bestünden; es habe für einen Fachmann keinesfalls nahegelegen, gerade diese Schrift heranzuziehen, und es sei ferner zu bezweifeln, dass er aus ihr eine klare Lehre in Richtung auf den nunmehr beanspruchten Gegenstand habe entnehmen können.

2.1 Der Patentanspruch 1 gemäß geltendem Hauptantrag, hier mit einer erweiterten Gliederung versehen und hinsichtlich des Bezugszeichens in Merkmal f) korrigiert, lautet:

" Verfahren zum Fernzugriff auf einen Zielcomputer (5), welches die Schritte aufweist:

a) Aufbau einer Internetverbindung von einem entfernten Computer (1) zu einem zentralen Computer (2);

b) Auslösen eines Verbindens des zentralen Computers (2) mit dem Zielcomputer (5) in Reaktion auf den Aufbau der Internetverbindung, indem der zentrale Computer (2) durch Wählen der Telefonnummer des Zielcomputers (5) an diesen ein Rufsignal sendet;

c) Ändern von Daten auf dem Zielcomputer (5) in Reaktion auf von dem entfernten Computer (1) empfangene Steuersignale;

d) Übertragen der geänderten Daten zum zentralen Computer (2) bereits im Verlauf der Änderung;

e) Speichern der übertragenen Daten auf dem zentralen Computer (2);

f) Darstellen der geänderten Daten auf der am entfernten Computer (1) dargestellten Internetseite bereits im Verlauf der Änderung, g) so dass auf der am entfernten Computer dargestellten Internetseite die selben Daten dargestellt werden wie auf dem Monitor des Zielcomputers und eine uneingeschränkte Steuerung des Zielcomputers ermöglicht wird. "

Wegen der Unteransprüche 2 -7 und des formal nebengeordneten, jedoch auf die Verfahrensansprüche zurückbezogenen Vorrichtungsanspruchs 8 wird auf die Akte verwiesen.

2.2 Gemäß geltendem Hilfsantrag lautet der Patentanspruch 1, mit einer entsprechenden Gliederung versehen und ebenso hinsichtlich des Bezugszeichens in Merkmal f*) korrigiert (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag unterstrichen):

" Verfahren zum Fernzugriff auf einen Zielcomputer (5), welches die Schritte aufweist:

a) Aufbau einer Internetverbindung von einem entfernten Computer (1) zu einem zentralen Computer (2);

b) Auslösen eines Verbindens des zentralen Computers (2) mit dem Zielcomputer (5) in Reaktion auf den Aufbau der Internetverbindung, indem der zentrale Computer (2) durch Wählen der Telefonnummer des Zielcomputers (5) an diesen ein Rufsignal sendet;

c) Ändern von Daten auf dem Zielcomputer (5) in Reaktion auf von dem entfernten Computer (1) empfangene Steuersignale;

d) Übertragen der geänderten Daten zum zentralen Computer (2) bereits im Verlauf der Änderung;

e) Speichern der übertragenen Daten auf dem zentralen Computer (2);

f*) Darstellen der geänderten Daten auf der am entfernten Computer (1) dargestellten Internetseite bereits im Verlauf der Änderung, wobei der Zielcomputer (5) in Reaktion auf das Rufsignal ein weiteres Rufsignal an den zentralen Computer (2) sendet, welcher in Reaktion auf das weitere Rufsignal die Verbindung zum Zielcomputer (5) herstellt, insbesondere durch einen dem Abheben beim Fernsprechgerät entsprechenden Vorgang, wobei ferner der Zielcomputer (5) in Reaktion auf das Rufsignal eingeschaltet wird, g) so dass auf der am entfernten Computer dargestellten Internetseite die selben Daten dargestellt werden wie auf dem Monitor des Zielcomputers und eine uneingeschränkte Steuerung des Zielcomputers ermöglicht wird. "

Wegen der Unteransprüche 2 -4 und des formal nebengeordneten, jedoch auf die Verfahrensansprüche zurückbezogenen Vorrichtungsanspruchs 5 wird gleichfalls auf die Akte verwiesen.

3. Die Aufgabenstellung soll darin bestehen, ein neuartiges Verfahren zum Fernzugriff auf einen Zielcomputer, sowie einen neuartigen zentralen Computer zum Durchführen eines derartigen Verfahrens zu schaffen (siehe Streitpatent Spalte 2 Zeile 42 -45).

II.

Die Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptund nach Hilfsantrag mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist (§§ 1, 4 PatG). Hingegen kann der Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin nicht gefolgt werden.

1.

Die Einspruchsbeschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Auch die Anschlussbeschwerde (vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage (2008), § 73 Rdnr. 160 ff.) ist zulässig, da eine besondere Frist nicht erforderlich ist. Der Einspruch war mit nachprüfbaren Gründen versehen und ebenfalls zulässig.

2.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Fernzugriff auf einen ("Ziel-") Computer von einem entfernten, insbesondere mobilen Computer aus. In der Beschreibungseinleitung ist ausgeführt, dass ein Bedürfnis bestehe, von unterwegs auf E-Mails, Telefaxe und Dateien seines Bürocomputers Zugriff zu nehmen.

Dafür wäre es vorteilhaft, auf den kompletten Computer so zugreifen zu können, als würde man diesen direkt bedienen.

Eine bekannte Lösung für diesen Wunsch, ein sog. "Remote Access-System", ermögliche einen solchen kompletten Zugriff mittels einer Telefonverbindung: Man wähle mittels eines mobilen Computers den Bürobzw. Ziel-Computer an und habe dann eine stehende Verbindung zu diesem, könne wie in einem Netzwerk alle Funktionen des Zielcomputers steuern bzw. überwachen. Nachteilig dabei sei zum einen, dass dauernd eine Telefonverbindung zwischen dem mobilen und dem Zielcomputer bestehen müsse, was -etwa aus dem Ausland - sehr hohe Kosten verursachen könne; zum anderen müsse auf dem mobilen Computer eine entsprechende spezielle Software installiert sein, und es müsse eine Verbindung zu einem Telefonnetz oder Mobilfunknetz aufgebaut werden können.

Zur Behebung dieser Nachteile gibt das Streitpatent die Lehre, einen Internet-Server ("zentraler Computer 2") einzurichten, welcher sehr einfach von jedem Computer aus über das Internet - und somit zu vergleichsweise niedrigen Kosten - erreicht werden kann. Von diesem Server aus wird mittels einer auf dem entfernt angeordneten mobilen Computer dargestellten Internet-Seite nach entsprechender Aufforderung durch automatisches Wählen einer Telefonnummer eine Telefonverbindung zu dem Bürobzw. Ziel-Computer hergestellt. Damit lässt sich der Zielcomputer so wie gewünscht bedienen: auf der am mobilen Computer dargestellten Internet-Seite werden nun dieselben Daten dargestellt wie auf dem Monitor des Zielcomputers, so dass eine uneingeschränkte Steuerung möglich ist. Beispielsweise können so auch Dateien vom Zielcomputer zum mobilen Computer hin und zurück übertragen werden.

Der eigentliche Vorteil dieses Verfahrens könnte sonach darin gesehen werden, dass im Gegensatz zu einer dauernden Telefonverbindung der Aufruf einer Internet-Seite von einem mobilen Computer aus - vor allem auch im Ausland - meist relativ einfach und kostengünstig möglich ist, und für die speziell angewählte Telefonverbindung zum Zielcomputer wegen der Möglichkeit, den Internet-Server in dessen Nähe einzurichten, nur noch relativ geringe Kosten anfallen. Zudem wäre für den mobilen Computer keine spezielle Software erforderlich, vielmehr könnte ein Standard-Internet-Browser eingesetzt werden.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Verfahren gemäß Streitpatent das Potential hat, den Zugriff aus der Ferne auf einen Zielcomputer (den eigenen Büro-Computer) zu vereinfachen und zu verbilligen.

Als Fachmann für das Konzipieren eines solchen Verfahrens sieht der Senat einen Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Hochschuloder Fachhochschulabschluss oder einen entsprechend ausgebildeten Informatiker mit Erfahrung im Bereich von Datenübertragungsnetzen an.

3.1 Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptwie nach Hilfsantrag ist zulässig. Von der Fassung des Streitpatents unterscheidet sich der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch die Ergänzung "bereits im Verlauf der Änderung" in Merkmal d), welche auf die ursprünglich eingereichte Fassung des Merkmals zurückgeht, sowie durch das zusätzliche Merkmal g), das sich auf Spalte 3 Zeile 66 -Spalte 4 Zeile 2 der Streitpatentschrift stützt. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist in Merkmal f*) zusätzlich noch um die unterstrichene Passage (s. o.) ergänzt, welche den erteilten Unteransprüchen 3 und 6 entspricht.

3.2 Die konkreten Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hauptund nach Hilfsantrag sind teilweise interpretationsbedürftig. Dies hat nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH BGHZ 105, 1, 10 "Ionenanalyse" u. a.) aus der Sicht des Fachmanns unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen der Streitpatentschrift zu geschehen.

So sollen gemäß Merkmal c) in Reaktion auf von dem entfernten (mobilen) Computer empfangene Steuersignale "Daten" auf dem Zielcomputer geändert werden. Dies könnte prinzipiell jede Art von dort vorhandenen Daten umfassen. In Verbindung mit den Merkmalen d) und f) bzw. f*), wonach die "geänderten Daten" bereits im Verlauf der Änderung über den zentralen Computer (Internet-Server) zurück an den entfernten Computer übertragen und dort unmittelbar dargestellt werden, wird für den Fachmann aber deutlich, dass es sich nur um Daten mit direktem Bezug zu der Darstellung auf dem Monitor des Zielcomputers handeln kann; dies könnten gemäß der Beschreibung Spalte 4 Zeile 2 -11 beispielsweise die Daten des dortigen Mauspfeils bzw. sich dadurch verändernde Daten (aufgeklappte Menüs, ausgelöste Funktionen usw.) sein -alles vor dem Hintergrund, dass der Zielcomputer vom entfernten Computer aus vollumfänglich gesteuert werden soll (Spalte 4 Zeile 11 -15).

In diesem Zusammenhang erkennt der Fachmann auch, dass dem Merkmal e) ("Speichern der übertragenen Daten auf dem zentralen Computer") keine besondere, irgendwie ungewöhnliche Bedeutung zukommen kann. Es ist für ihn völlig selbstverständlich, dass von einem Zielcomputer über einen zentralen Computer an einen entfernten Computer übertragene Daten während der Übertragung in irgendeinem Register des zentralen Computers (zumindest kurz) zwischengespeichert werden. Dass hier mehr gemeint sein könnte, etwa dass diese Daten dauerhaft im zentralen Computer als Datei abgelegt würden, ist der ursprünglichen Offenbarung in keiner Weise entnehmbar. Zwar ist in der Streitpatenschrift Spalte 4 Zeile 15 ff. u. a. beschrieben, dass "Dateien" übertragen und ggf. auf dem zentralen Computer zwischengespeichert werden; dies passt aber nicht in den Kontext von Merkmal f), nämlich der Darstellung der geänderten Daten am entfernten Computer bereits im Verlauf der Änderung, und stellt somit eine nicht unter den Patentanspruch 1 fallende Alternative dar.

4. So verstanden, ergeben sich die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hauptund auch nach Hilfsantrag bereits weitgehend aus der im Zurückweisungsbeschluss angegebenen (im Prüfungsverfahren noch als D6 bezeichneten)

D1 DE 198 08 616 A1.

4.1 D1 betrifft ein Verfahren und System zur Fernsteuerung beliebiger Geräte (siehe Spalte 6 Zeile 36 ff.), insbesondere von Kameras, mittels eines Internet-Servers. Das zu steuernde Gerät, das über eine Datenübertragungsleitung angesprochen wird, umfasst nach dem Verständnis des Fachmanns zweifellos irgendeine Art von Mikroprozessor und entspricht dem "Zielcomputer" des Streitpatents; die Steuerung erfolgt mit dem "Web-Browser des Benutzers" von dessen Computer aus, welcher somit dem "entfernten Computer" des Streitpatents entspricht. Verschiedene Szenarien werden angedeutet. Hier ist die Konfiguration von besonderem Interesse, bei welcher der dort benötigte Verbindungs-Server und Web-Server in einen einzigen Rechner integriert werden (Spalte 3 Zeile 21 -23; Figur 5; Spalte 6 Zeile 25 -35); er entspricht dem "zentralen Computer" gemäß Streitpatent. Der beschriebene Ablauf gemäß Spalte 3 Zeile 40 ff. und Figur 1 nimmt dann die Merkmale a) bis e) aus dem Streitpatent unmittelbar vorweg; insbesondere wählt der "zentrale Computer" gemäß Spalte 3 Zeile 48 -52 den Zielcomputer (im Beispiel die Kamera) über eine Telefonleitung an.

Eine weitere Option gemäß D1 sieht vor, nicht ein einzelnes Kamerabild zu übertragen, sondern eine kontinuierliche Übermittlung vorzusehen, siehe Spalte 5 Zeile 25 -35. Bei diesem Vorgehen ist fraglos sichergestellt, dass sich ändernde Daten bereits im Verlauf der Änderung auf dem entfernten Computer (Benutzerterminal) dargestellt werden, so dass hierbei auch Merkmal f) vollständig erfüllt ist.

Bezüglich Merkmal g) ist zwar festzustellen, dass der Zielcomputer in D1, soweit er als "Kamera" verstanden wird, keinen Monitor haben dürfte; D1 ist jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht auf "Kameras" beschränkt. Angesichts der Intention, den Zielcomputer vom entfernten Computer aus zu steuern, liegt es nach Überzeugung des Senats für den Fachmann nahe, wenn der Zielcomputer mit einem Monitor ausgestattet ist, dessen Monitorbild am entfernten Computer darzustellen.

Damit sind alle Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag für den Fachmann ohne Weiteres aus der D1 direkt entnehmbar oder ableitbar.

4.2 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass die Lehre der D1 i. W. auf die Steuerung von Kameras gerichtet sei. Wenn man dort beispielsweise in Spalte 1 Zeile 14 -Spalte 2 Zeile 14 die äußerst ausführliche Darstellung einer Kamerasteuerung betrachte, sei nicht im Geringsten nachvollziehbar, wie dies den Fachmann veranlassen könnte, auf einer Internet-Seite den Bildschirminhalt eines fernzusteuernden Computers anzuzeigen. Im Gegenteil ergebe sich die Frage, warum der Fachmann D1 überhaupt heranziehen sollte, und sich aus ihr überhaupt irgendeine klare Lehre bezüglich des beanspruchten Gegenstands ziehen lasse.

Eine solche Betrachtungsweise wird der technischen Lehre der D1 nicht gerecht. Hier muss berücksichtigt werden, dass die Anmeldung selbst bereits die Fernsteuerung eines Computers z. B. mittels eines "Remote Access-Systems", so dass man von unterwegs auf den kompletten Computer zugreifen kann, als würde man diesen direkt bedienen, als vorbekannt beschreibt (vgl. dazu - rein beispielhaft - die aus dem ersten Prüfungsbescheid bekannte D4: DE 195 22 185 A1, insbesondere Spalte 2 Zeile 25 -37). Das dem Streitpatent zugrundeliegende objektive Problem ist demgegenüber darin zu sehen, die nachteilige dauernde Telefonverbindung und die ggf. erforderliche spezielle Software zu vermeiden. Genau dafür liefert aber D1 eine Lösung, siehe dort Spalte 2 Zeile 42 -59; und diese Lösung entspricht insoweit exakt dem, was im Streitpatent beansprucht wird. Nachdem sich D1 ausdrücklich nicht auf eine Kamerasteuerung beschränkt, sondern auf beliebige fernsteuerbare Geräte anwendbar ist (siehe Spalte 6 Zeile 36 ff.), liegt auch die Fernsteuerung eines Computers im Rahmen möglicher Anwendungen.

Die Argumentation der Patentinhaberin konnte daher nicht zu einer anderen Beurteilung führen.

4.3 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag umfasst gemäß Merkmal f*) zwei zusätzliche Maßnahmen, nämlich:

1.

Wenn der Zielcomputer das Rufsignal des zentralen Computers (siehe Merkmal b)) erhält, stellt er nicht direkt eine Verbindung her, sondern sendet statt dessen von sich aus ein Rufsignal an den zentralen Computer zurück, welcher erst daraufhin die Verbindung herstellt.

2.

Der Zielcomputer wird (erst) bei Erhalt des Rufsignals eingeschaltet.

Eine Erläuterung oder Begründung für die beiden Maßnahmen ist der Streitpatentschrift nicht zu entnehmen.

Dem Fachmann ist indessen klar, dass es sich bei der ersten Maßnahme um das bekannte "Callback"-Verfahren handelt, welches einen gewissen Schutz vor unbefugten Verbindungsversuchen mit dem Zielcomputer bietet, vgl. hierzu die im Beschluss der Patentabteilung angeführte D19 oder - ausführlicher - die vom Senat nachträglich benannte D20 US 4 876 717 A (insb. Zusammenfassung, Spalte 1 Zeile 17 -46).

In gleicher Weise vorbekannt war auch die Möglichkeit, einen Zielcomputer nur bei Bedarf einzuschalten, insbesondere in Reaktion auf ein Rufsignal einer Datenübertragungsleitung hin, vgl. die von der Patentabteilung angeführte D11 ("Wake-Up on LAN") oder bezüglich einer Telefonleitung die vom Senat nachträglich benannte D21 DE 195 12 204 A1 (insb. Zusammenfassung, Patentanspruch 1).

Sonach handelt es sich um zwei bekannte Maßnahmen, die jeweils (nur) genau den erwarteten Erfolg liefern. Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit können sie aber nicht begründen, denn beide Maßnahmen wirken offensichtlich jeweils für sich allein ohne irgendeinen kombinatorischen Effekt. Durch eine Aggregation solcher Maßnahmen kann eine Erfindung grundsätzlich nicht begründet werden.

Die Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag liegen daher ebenfalls im Rahmen des Wissens und Könnens des Durchschnittsfachmanns, ohne dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedarf. Der Patentanspruch 1 hat somit auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag keinen Bestand.

III.

Bei dieser Sachlage brauchte über den jeweiligen nebengeordneten Vorrichtungsanspruch und über die Unteransprüche nicht mehr befunden zu werden (BGH GRUR 2007, 862 "Informationsübermittlungsverfahren II"; GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

Damit konnte die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin keinen Erfolg haben; vielmehr war dem Antrag der Einsprechenden zu folgen und das Patent zu widerrufen.

Dr. Fritsch Frau Dr. Mittenberger-Huber steht für die Unterschrift nicht zur Verfügung, da sie mit Wirkung vom 1. Februar 2009 für 18 Monate an das Oberlandesgericht München abgeordnet worden ist. Baumgardt Wickborn Dr. Fritsch, 17. Februar 2009 Fa






BPatG:
Beschluss v. 22.01.2009
Az: 17 W (pat) 16/05


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