Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 18. Januar 2006
Aktenzeichen: AnwZ (B) 79/04
(BGH: Beschluss v. 18.01.2006, Az.: AnwZ (B) 79/04)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. September 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wurde im Januar 2001 erneut zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief die Zulassung mit Verfügung vom 29. April 2004 nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.
Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.
a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. März 1991 - AnwZ(B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschluss vom 21. November 1994 - AnwZ(B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Gegen den Antragsteller waren zum Zeitpunkt des Widerrufs von zwei Gläubigern wegen Teilforderungen von 15.000 €, 10.000 € und 60.000 € Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden. Den wiederholten Aufforderungen der Antragsgegnerin, zu seinen Vermögensverhältnissen konkret und detailliert Stellung zu nehmen und die hierzu erforderlichen Nachweise vorzulegen, ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Dies geht zu seinen Lasten.
b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.
2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.
Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht dargetan. Er hat am 3. August 2004 vor dem Amtsgericht G. die eidesstattliche Versicherung abgegeben, so dass der Vermögensverfall nunmehr gesetzlich vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, § 915 ZPO). Diese Vermutung hat der Antragsteller nicht zu widerlegen vermocht. Auch im Beschwerdeverfahren hat er es - trotz der ihm im Senatstermin vom 14. November 2005 hierfür nochmals eingeräumten Frist - an der hierfür grundsätzlich unerlässlichen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse fehlen lassen.
Dem Beschwerdevorbringen kann nicht einmal die derzeitige Höhe der Forderung der Hauptgläubigerin, der D. B. AG, entnommen werden. Legt man insoweit die Angaben des Antragstellers in der eidesstattlichen Versicherung vom 3. August 2004 zugrunde, betrug diese vor der Zwangsversteigerung seiner Grundstücke insgesamt ca. 550.000 € (vgl. Ziffer 12 des Vermögensverzeichnisses: "valutierte Grundschulden"). Selbst wenn man dem - nicht weiter belegten - Vortrag des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 21. Juli 2005 folgt, wonach sich dieser Betrag durch den Erlös aus der Verwertung der Grundstücke und durch Verrechnung mit einem Restkontoguthaben um insgesamt 330.000 € verringert hat, würde die Restverbindlichkeit ohne Berücksichtigung angefallener Zinsen immer noch ca. 220.000 € betragen. Die vom Antragsteller angeführte vergleichsweise Regelung - Zahlung von 30.000 € gegen Verzicht auf die Restschuld - erscheint nach dem vorgelegten Schriftverkehr höchst ungewiss. Eine entsprechende Zusage der D. B. AG hat der Antragsteller nicht vorgelegt.
Ähnlich verhält es sich mit der Forderung der weiteren Gläubigerin, der LPG S. , in ursprünglicher Höhe von 55.398,47 € zuzüglich Zinsen. Deren aktueller Stand wird vom Antragsteller ebenfalls nicht benannt. Insoweit hat er zwar im Senatstermin vom 14. November 2005 ein Schreiben der Gläubigerin vom 11. November 2005, in welchem sich diese mit der Begleichung der noch offenen Gesamtverbindlichkeit im Wege von Ratenzahlungen einverstanden erklärt hat, sowie einen vom 10. Oktober 2005 datierenden Darlehensvertrag vorgelegt, in dem sich die Darlehensgeberin, die "Delikatfleischerei W. Frau Ines S. ", zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 40.000 € verpflichtet, von denen 30.000 € zur Zahlung an die D. B. und 10.000 € zur Zahlung an die LPG S. bestimmt sind. Die tatsächliche Umsetzung dieses Vertrages hat der Antragsteller aber ebenfalls nicht innerhalb der ihm vom Senat eingeräumten Frist nachgewiesen.
Das Beschwerdevorbringen ist auch nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu belegen, in dem eine Gefährdung der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall verneint werden könnte. Weder der Umstand, dass der Antragsteller den Vermögensverfall nicht verschuldet hat, noch der Gesichtspunkt, dass es bisher bei ihm zu keinen Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Mandantengeldern gekommen ist, reichen hierfür aus. Die Möglichkeit neuer Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt, über die seine Gläubiger auf für seine Mandanten bestimmte Gelder zugreifen können, begründet regelmäßig eine Gefährdung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Ein Sonderfall, vergleichbar mit dem, der der Senatsentscheidung vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03 (NJW 2005, 511) zugrunde lag, ist hier ersichtlich nicht gegeben.
3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten im Senatstermin vom 14. November 2005 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.
Hirsch Otten Ernemann Schmidt-Räntsch Schott Wosgien Frey OLG Naumburg, Entscheidung vom 10.9.2004 - AGH 6/04
BGH:
Beschluss v. 18.01.2006
Az: AnwZ (B) 79/04
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