Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juli 2007
Aktenzeichen: 33 W (pat) 104/05

(BPatG: Beschluss v. 24.07.2007, Az.: 33 W (pat) 104/05)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Februar 2005 und vom 28. Juni 2005 aufgehoben.

Gründe

I Am 8. Juni 2004 ist die Wortmarke EQUIFORUM für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:

Klasse 35: Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder zu Werbezwecken;

Klasse 39: Vermietung von Pferden;

Klasse 41: Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; Veranstaltung von Ausstellungen für Unterrichtszwecke; Organisation und Durchführung von sportlichen Veranstaltungen im Bereich des Reitsports; Reitunterricht; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Workshops; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Workshops im Bereich des Reitsports.

Mit Beschlüssen vom 28. Februar 2005 und vom 28. Juni 2005 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung nach § 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft, da sie einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Charakter aufweise. Die angesprochenen Verkehrskreise würden in der Marke keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern einen Hinweis auf die Bestimmung, den Gegenstand und thematische Ausrichtung des Angebots sehen. Der Wortbestandteil "EQUI" sei eine erkennbare Ableitung aus dem lateinischen Wort "equus" für "Pferd". Darüber hinaus sei er dem Verkehr infolge seiner häufigen Verwendung als beschreibende Angabe bzw. als Bestandteil von "geschäftlichen Bezeichnungen und Drittmarken", wie z. B. "Equi-Treff", "Equi Life", "EQUI vital" oder "EQUI-Sports" ohne weiteres als Hinweis auf "Pferd" verständlich. Dazu verweist der Erinnerungsprüfer auf verschiedene Internetbelege und die Kollisionsentscheidung BPatG, 25. Senat vom 21. November 1996 - Equifit/EQUI-VITAL.

Das weitere Markenelement "Forum" bezeichne je nach Sachzusammenhang einen geeigneten Personenkreis, der eine sachverständige Erörterung von Problemen und Fragen garantiere bzw. eine Plattform oder einen geeigneten Ort für Diskussionen, Aussprachen usw.. Unter diesen Umständen stelle die angemeldete Wortverbindung für die beanspruchten Dienstleistungen einen sinnvollen Sachhinweis auf den inhaltlichen Zuschnitt (Pferde) und die angesprochene Zielgruppe (Pferdeliebhaber) dar. Der Verkehr werde bei entsprechend gekennzeichneten Dienstleistungen bildende, sportliche und kulturelle Angebote zum Thema "Pferde" erwarten, nicht jedoch einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft erkennen. Soweit eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit bestehe, könne diese erforderlich und gewollt sein, um einen möglichst weiten Bereich dienstleistungsbezogener Eigenschaften, Vorteile oder Leistungsinhalte zu erfassen bzw. eine positive Erwartungshaltung des Kunden zu fördern.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Zur Begründung führt er aus, dass die Markenstelle sowohl den an die Unterscheidungskraft zu stellenden großzügigen Maßstab als auch die Bedeutung des Fremdwortcharakters der angemeldeten Marke verkannt habe. Zwar habe die Markenstelle richtig erkannt, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine Kombination der aus dem Lateinischen stammenden Begriffe "EQUI" und "FORUM" handele, unzutreffenderweise habe sie die Anmeldemarke jedoch für eine sprachübliche Kombination von bekannten und zum deutschen Sprachschatz gehörenden Wortbildungselementen gehalten. Dabei sei die Markenstelle nicht den Hinweisen des Anmelders nachgegangen, wonach die Unterscheidungskraft von der Rechtsprechung zwar bei Wortkombinationen verneint worden sei, die sich aus bekannten Wörtern der deutschen Umgangssprache zusammensetzten, wie "marktfrisch", "anti KALK", "Cityservice", diesen entspreche die aus den Begriffen "EQUI" und "FORUM" gebildete Anmeldemarke aber nicht. Die von der Markenstelle angeführte Entscheidung EuGH - BIOMILD betreffe hingegen eine Kombination der weithin bekannten und somit beschreibenden einzelnen Bestandteile "BIO" und "MILD". Zudem widersetze sich die Markenstelle der Erkenntnis, dass sich Dienstleistungen wie "Vermietung von Pferden" oder "Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen" nicht nur an das Fachpublikum richteten, sondern vorwiegend an Freizeit- und Hobbyreiter bzw. Kinder, denen lateinische Begriffe keineswegs bekannt sein müssen. Etwas anderes folge auch nicht aus den von der Markenstelle angeführten Drittmarken und Geschäftsbezeichnungen, die den Bestandteil "EQUI" als beschreibende Angabe enthielten, z. B. "Equifit" oder "EQUIVITAL". Bei diesen Marken möge für Fachkreise der Hinweis auf das Thema "Pferd" allgemein verständlich sein, jedoch zeige gerade auch die Eintragung dieser Marken durch das Deutsche Patent- und Markenamt, dass sie offenbar unterscheidungskräftig seien, zumal sie die weiteren tatsächlich beschreibenden und in der deutschen Umgangssprache bekannten Bestandteile "fit" und "VITAL" aufwiesen. Aufgrund ihrer Eigenart, insbesondere wegen ihres unwiderlegbaren Fremdwortcharakters und des großzügigen Maßstabs, der nach der Rechtsprechung an die Unterscheidungskraft zu stellen sei, sei die Anmeldemarke als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen zu verstehen und werde so auch vom Verkehr erkannt werden.

II Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Weder konnte ihr ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird.

Mit der Markenstelle ist allerdings davon auszugehen, dass der ursprüngliche, aus dem Lateinischen stammende, inzwischen aber längst eingedeutschte Markenbestandteil "...-FORUM" für den Verkehr ohne weiteres verständlich sein dürfte. Er wird als Diskussionsplattform, -kreis oder -ort (in erster Linie im Internet) verstanden, in dem Beiträge eingereicht und diskutiert werden können. Ob darüber hinaus vorliegend auch noch die ursprüngliche lateinische Bedeutung im Sinne eines - nicht nur virtuellen - Versammlungsorts, zugleich auch Marktplatz, in Betracht kommt, kann dahingestellt bleiben.

Ebenfalls aus der lateinischen Sprache entstammt der vorangestellte weitere Markenbestandteil "EQUI" mit der Bedeutung "Pferd". Im Gegensatz zum anderen Markenbestandteil "FORUM" ist er jedoch Teil der lateinische Sprache geblieben, d. h. nicht eingedeutscht worden. In die deutsche Sprache sind nach den Erkenntnissen des Senats allenfalls reine Fremdwörter wie "Equidae"/"Equiden" (= pferdeartige Tiere) und der veraltete, über den Umweg der französischen Sprache eingeführte Begriff "Equipage" (elegante Kutsche, auch Besatzung, Ausrüstung) übernommen worden (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl.; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl.). Dies gilt auch für weitere (reine) biologischveterinärmedizinische Fachbegriffe, die etwa zur Bezeichnung von Krankheiten oder Parasiten verwendet werden, die Pferde befallen (z. B. Oxyuris equi (= Pfriemschwanz), vgl. www.reiterrevue.de/msvc_forum/viewtopic...).

Andere eingedeutschte Wörter wie "Equipe", "Equipment" weisen nicht bzw. nicht (mehr) zwingend auf einen Zusammenhang mit Pferden hin.

Als weitere beschreibende Variante kommt noch ein offenbar weitgehend unbekannter italienischer Ort Equi in Betracht, der allerdings als Grabungsstätte nur noch eine gewisse archäologische Bedeutung hat (www.cinqueterreedintorni.it/ita/htm...), so dass dort keine Dienstleistungen der angemeldeten Art erbracht werden, insbesondere nicht gegenüber deutschen Verkehrsteilnehmern.

Ansonsten wird der Markenbestandteil "EQUI-..." im deutschsprachigen Internet zwar umfangreich verwendet, allerdings nur innerhalb von Wortverbindungen, die erkennbar einen kennzeichnenden Charakter haben oder jedenfalls nur ein ganz bestimmtes (kommerzielles oder nicht kommerzielles) Internetangebot o. Ä. bezeichnen. Dies gilt gerade auch für die vom Erinnerungsprüfer angeführten Belege, in denen entweder eine bestimmtes (Veranstaltungs-)Produkt benannt wird ("... Equi-Treff nennt sich ein neues und außergewöhnliches Veranstaltungskonzept mit dem ...", vgl. www.pferdetheater.de/EquiTreff/PressInfo.htm), oder in denen "Equi-..."-Wortverbindungen wie "EQUI-Sports", "EQUI vital", "Equi Life" nach der Art ihrer Präsentation (herausgehoben, in Alleinstellung, teilweise grafisch ausgestaltet, mit der Internetseitenüberschrift und/oder -adresse übereinstimmend oder mit Hinweisen im laufenden Text auf einen Betrieb) erkennbar als Unternehmenskennzeichen verwendet werden.

Auch der Senat hat im Bereich der beanspruchten Dienstleistungen nur solche ausschließlich kennzeichnenden Verwendungen aufgefunden (z. B. "EQUI-THEK", "Via Equi", "Equi-Zentrum-Pferdepensionsbetrieb", "EQUITUS", "EQUI BALAN-CE"). Insbesondere wird auch die größte deutsche Pferdesportmesse (EQUITANA) von Verkehrsteilnehmern im informellen Sprachgebrauch zu "Equi" verkürzt (vgl. www.appcluster09.com/App/homepage.cfm€...), ebenso wie ein schmerz- und entzündungshemmendes Pferdemedikament "Equi" heißt oder in einschlägigen Internetforen zumindest so genannt wird (vgl. www.reitsportforum.de/showthread.php€...). Weder der Senat noch die Markenstelle haben damit in Zusammenhang mit den angemeldeten Dienstleistungen auch nur einen einzigen Beleg für eine beschreibende Verwendung des Markenelements "EQUI" in Alleinstellung oder in Kombination mit weiteren Bestandteilen auffinden können.

Ein im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt der Anmeldemarke, der einer Zuerkennung der erforderlichen Unterscheidungskraft entgegenstehen würde, könnte daher im Regelfall nur noch dann bejaht werden, wenn die Marke allein schon aufgrund der Art und Bedeutung ihrer Einzelbestandteile vom Verkehr ohne weiteres als beschreibend verstanden wird. Dabei kann es dahinstehen, ob maßgebende Teile des Verkehrs aufgrund ihrer Lateinkenntnisse oder durch den Umgang mit z. B. veterinärmedizinischen Fachwörtern überhaupt ohne weiteres den Bedeutungsgehalt von "EQUIFORUM" i. S. eines Pferde-Forums erkennen würden. Denn solchen Verkehrsteilnehmern wird in der Regel bewusst sein, dass zumindest der Anfangsbestandteil "EQUI" der lateinischen, mithin einer toten Sprache entnommen worden ist. Damit erwartet der Verkehr grundsätzlich nicht, dass die Verwendung eines solchen Worts in sachlichbeschreibender Weise erfolgt, da die betreffende Sprache gerade hierfür nicht (mehr) verwendet wird. Die "Totsprachlichkeit" eines Worts, und mag es noch so beschreibend sein, kann diesem - ähnlich wie ein zusätzlicher Bildbestandteil - eine Eigenart verleihen, die über den Charakter einer rein beschreibenden Angabe hinausgeht und eine Mindesteignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung begründet. Dementsprechend werden Begriffe toter Sprachen nach ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts nur dann als nicht unterscheidungskräftig oder freihaltungsbedürftig angesehen, wenn sie entweder in den allgemeinen oder den Fachwortschatz eingegangen sind, oder aber die betreffende Sprache auf dem einschlägigen Waren- und Dienstleistungsgebiet nach wie vor Fachsprache ist (vgl. BPatG Mitt. 1983, 115 - LEGALITER; Mitt. 1987, 76 - ARS ELECTRONICA; GRUR 1998, 58 - JURIS LIBRI; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8, Rdn. 259).

Dass eine dieser beiden Ausnahmen vorliegt, hat sich hier nicht feststellen lassen. Wie bereits oben ausgeführt, hat sich weder das Wort "equi" in Alleinstellung noch das Gesamtwort "Equiforum" als Wort der (allgemeinen) deutschen Sprache feststellen lassen. Auch auf dem Gebiet des Messewesens, Reitsports und entsprechender Lehr- und Veranstaltungsdienstleistungen haben sich die Wörter "equi" oder "equiforum" nicht als Sachwörter oder wenigsten als solche feststellen lassen. Vielmehr tauchen "Equi-..."-Wortverbindungen in diesen Dienstleistungsbereichen lediglich als Produkt- oder Unternehmenskennzeichen auf. Eine eventuelle sachlichbeschreibende Bedeutung im Bereich der Veterinärmedizin, Pharmazie oder Biologie hat hier unberücksichtigt zu bleiben, da hierauf gerichtete Dienstleistungen nicht angemeldet sind. Damit kann nicht festgestellt werden, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Vielmehr reiht sie sich in Angaben wie die bereits oben erwähnten "EQUITANA, "EQUI-THEK", "EQUI BALANCE" o. Ä. ein, die dem Verkehr nur als Kennzeichnungen entgegentreten. Damit kann das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht festgestellt werden.

Gleiches gilt für das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Das Wort "EQUIFORUM" hat sich weder aktuell als beschreibende Angabe feststellen lassen, noch gibt es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich in absehbarer Zukunft zu einer solchen Angabe entwickeln wird. Die Zugehörigkeit des Anfangsbestandteils der angemeldeten Marke zu einer auf dem vorliegenden Dienstleistungsgebiet toten Sprache spricht sogar deutlich dagegen.

Der Beschwerde war damit stattzugeben.






BPatG:
Beschluss v. 24.07.2007
Az: 33 W (pat) 104/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e6156d5fc4f6/BPatG_Beschluss_vom_24-Juli-2007_Az_33-W-pat-104-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share