Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 21/02
(BPatG: Beschluss v. 12.12.2002, Az.: 15 W (pat) 21/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Auf die am 18. Juli 1996 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentamt das Patent 196 30 557 mit der Bezeichnung
"Verfahren zum Nachweis von Antikörpern aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit Gewebe-Transglutaminase (tTG) sowie die Verwendung von tTG in Diagnose und Therapie"
erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 2. Juli 1998.
Nach Prüfung der erhobenen drei Einsprüche wurde das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 52 vom 17. April 2002 widerrufen. Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 5, eingegangen am 9. Juni 2000, zugrunde. Sie hatten folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie, dadurch gekennzeichnet, dass Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit Gewebe-Transglutaminase, deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga nachgewiesen werden, wobei die Immunreaktion nicht mit einem Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes durchgeführt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass humane IgA- und/oder IgG-Antikörper nachgewiesen werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die tTG humanen, tierischen, rekombinanten oder synthetischen Ursprungs ist.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Nachweis in einem an sich bekannten Immunoassay durchgeführt wird, vorzugsweise in einem ELISA.
5. Verwendung von tTG, deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga als Antigene in einem immunologischen Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie, wobei kein Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes verwendet wird."
Der Widerruf des Patents wurde damit begründet, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, wobei sich die Patentabteilung auf folgende Druckschriften stützte:
Dieterich, W. et al.: Characterization of the Autoantigens in Coeliac Disease. In: Gut, 4th United European Gastroenterology Week, 17-21 Sept. 1995, Abstract No. 773, S A76-A77 (13);
Barsigian, C. et al.: Tissue (Type II) Transglutaminase Covalently Incorporates Itself, Fibrinogen, or Fibronectin into High Molecular Weight Complexes on the Extracellular Surface of Isolated Hepatocytes. In: J. Biol. Chem. 266 (1991) 22501-22509 (8);
D'Argenio, G. et al.: Human Serum Transglutaminase and Coeliac Disease: Correlation between Serum and Mucosal Activity in an Experimental Model of Rat small Bowel Enteropathy. In: Gut 30 (1989) 950-954 (4);
Ichinose, A. et al.: Structure of Transglutaminases. In: J. Biol. Chem. 265 (1990) 13411-13414 (72);
Maury, C.P.J., Teppo, A.-M.: Demonstration of Tissue 90 kD Glycoprotein as Antigen in Circulating IgG Immune Complexes in Dermatitis Herpetiformis and Coeliac Disease. In: The Lancet (1984) 892-894 (36);
Teppo, A.-M., Maury, C.P.J.: Enzyme Immunoassay of Antibodies to Epithelial Glycoprotein: Increased Level of Antibodies in Coeliac Disease. In: Journal of Immunological Methods 74 (1984) 327-336 (37).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
In der mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2002 überreichte die Patentinhaberin einen Hauptantrag mit den Patentansprüchen 1 bis 5, die bereits dem Widerrufsbeschluss der Patentabteilung zugrunde lagen (siehe oben).
Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den in der mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2002 überreichten Hilfsanträgen 1 bis 4. Die Anspruchsfassungen gemäß dieser Hilfsanträge haben folgenden Wortlaut:
Hilfsantrag 1:
"1. Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie, dadurch gekennzeichnet, dass Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit aufgereinigter Gewebe-Transglutaminase, deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga nachgewiesen werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass humane IgA- und/oder IgG-Antikörper nachgewiesen werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die tTG humanen, tierischen, rekombinanten oder synthetischen Ursprungs ist.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Nachweis in einem an sich bekannten Immunoassay durchgeführt wird, vorzugsweise in einem ELISA.
5. Verwendung von aufgereinigter tTG, deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga als Antigene in einem immunologischen Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie."
Hilfsantrag 2:
"1. Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie, dadurch gekennzeichnet, dass Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit aufgereinigter humaner Gewebe-Transglutaminase oder gereinigter tTG aus Meerschweinchen, deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga nachgewiesen werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass humane IgA- und/oder IgG-Antikörper nachgewiesen werden.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Nachweis in einem ELISA durchgeführt wird.
4. Verwendung von aufgereinigter humaner tTG oder gereinigter tTG aus Meerschweinchen, deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga als Antigene in einem immunologischen Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie."
Hilfsantrag 3:
"1. Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie, dadurch gekennzeichnet, dass Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit aufgereinigter Gewebe-Transglutaminase oder deren immunreaktiven Sequenzen nachgewiesen werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass humane IgA- und/oder IgG-Antikörper nachgewiesen werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die tTG humanen, tierischen, rekombinanten oder synthetischen Ursprungs ist.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Nachweis in einem an sich bekannten Immunoassay durchgeführt wird, vorzugsweise in einem ELISA.
5. Verwendung von aufgereinigter tTG oder deren immunreaktiven Sequenzen als Antigene in einem immunologischen Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie."
Hilfsantrag 4:
"1. Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie, dadurch gekennzeichnet, dass Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit aufgereinigter humaner Gewebe-Transglutaminase, gereinigter tTG aus Meerschweinchen oder deren immunreaktiven Sequenzen nachgewiesen werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass humane IgA- und/oder IgG-Antikörper nachgewiesen werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Nachweis in einem ELISA durchgeführt wird.
4. Verwendung von aufgereinigter humaner tTG, gereinigter tTG aus Meerschweinchen oder deren immunreaktiven Sequenzen als Antigene in einem immunologischen Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie."
Die Patentinhaber vertreten die Auffassung, der Gegenstand gemäß geltendem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sei gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik nicht nur neu, sondern auch erfinderisch. Sie führen insbesondere aus, die Druckschrift (13) nehme ein Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie unter Einsatz einer Gewebe-Transglutaminase als Autoantigen weder neuheitschädlich vorweg noch lege diese Druckschrift ein solches diagnostisches Verfahren nahe. Vielmehr habe die Patentabteilung in ihrem Widerrufsbeschluss aufgrund der Tatsache, dass die Anmelder und Erfinder des Streitpatents Mitautoren der Druckschrift (13) sind, die Erfindung gemäß Streitpatent unzulässigerweise in die Druckschrift (13) hineingelesen.
Die Einsprechenden bringen demgegenüber im wesentlichen übereinstimmend vor, die Lehre des Streitpatents sei bereits durch die Druckschrift (13) neuheitsschädlich vorweggenommen, jedoch demgegenüber zumindest nicht erfinderisch.
Die Patentinhaber stellen den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhaltengemäß Hauptantrag mit den Ansprüchen 1-5, gemäß 1. Hilfsantrag mit den Ansprüchen 1-5, gemäß 2. Hilfsantrag mit den Ansprüchen 1-4, gemäß 3. Hilfsantrag mit den Ansprüchen 1-5, gemäß 4. Hilfsantrag mit den Ansprüchen 1-4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, mit einer jeweils noch anzupassenden Beschreibung und mit 3 Seiten Zeichnungen mit den Abbildungen 1-4 gemäß DE 196 30 557 C2.
Die Einsprechenden stellen den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (PatG § 73). Sie führt jedoch nicht zum Erfolg.
Die Offenbarung der Patentansprüche sämtlicher Anträge ist gegeben. Ein Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie unter Einsatz von Gewebe-Transglutaminase als diagnostischem Reagenz gemäß Patentanspruch 1 sowie die Verwendung von Gewebe-Transglutaminase zur Diagnose oder zur Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie gemäß Patentansprüchen 5 bzw. 4, jeweils nach Haupt- und Hilfsanträgen, lassen sich sowohl aus den ursprünglichen Patentansprüchen iVm der ursprünglichen Beschreibung (vgl urspr Anspr 1 iVm urspr Beschr S 10 Punkt 4.1.3., S 18 ff. Punkt 4.6., insbes 4.6.1. und 4.6.2., sowie S 21 Z 31 bis S 22 Z 4) als auch aus den Patentansprüchen iVm der Beschreibung des Streitpatentes herleiten (vgl StrP Anspr 1 bis 8 iVm Sp 10 Z 16 bis 43, Sp 12 Z 50 bis Sp 13 Z 36, sowie Sp 8 Z 3 bis 11).
Was etwaige Bedenken zur Offenbarung der Disclaimer "...,wobei die Immunreaktion nicht mit einem Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes durchgeführt wird" und "..., wobei kein Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes verwendet wird" gemäß Patentansprüchen 1 und 5 des Hauptantrags anbelangt, so greifen diese im Hinblick auf den Inhalt der ursprünglichen Beschreibung bzw. der Beschreibung des Streitpatents nicht. Die Eigenoffenbarung der betreffenden Disclaimer ergibt sich aus den ursprünglichen Unterlagen in Verbindung mit dem dort zitierten Stand der Technik betreffend Immuntests zum Zöliakie-Nachweis mit Schnitten von tierischem Gewebe als auch von humanem Nabelschnurgewebe (vgl urspr Beschr S 5 Z 29 bis 31 iVm S 24 Z 16 bis 20 sowie S 7 Z 16 bis 24 und S 23 Z 11 bis 13; vgl Streitpatent Sp 2 Z 56 bis 62 iVm Sp 14 Z 41 bis 47). Ausgehend von diesem Stand der Technik ist es zulässig, einen entsprechenden Disclaimer extrapoliert auf tierisches und menschliches Gewebe zu formulieren.
Die nachträgliche Aufnahme des Merkmals "aufgereinigter" und "gereingter" gemäß Patentansprüchen 1 und 5 bzw. 4 der Hilfsanträge 1 bis 4 ist dadurch gedeckt, dass das beanspruchte diagnostische Verfahren gemäß Beispielen mit einem nach Reinigungsschritten zellfreien, aufgereinigten oder gereinigten Autoantigen bzw. Protein und nicht mit Gewebe, ganzen Zellen oder Zelllysaten ausgeführt wurde (vgl urspr Beschr S 10 4.1.3. sowie S 12 Z 3 bis 6; vgl Streitpatent Sp 10 Z 16 bis 43 sowie Sp 11 Z 41 bis 46).
Dabei ist unbeachtlich, dass ursprünglich ein Verfahren zur Diagnostik der Sprue bzw. Zöliakie mit Hilfe von IgA-Antikörpern der Patienten als diagnostischem Reagenz beansprucht worden war. Denn das nunmehr beanspruchte Verfahren mit Gewebe-Transglutaminase als diagnostischem Reagenz und damit der Umkehransatz ist in den Beispielen (vgl urspr Beschr S 18 Punkt 4.6., insbes. 4.6.1. und 4.6.2.) ausgeführt.
Die Ausführbarkeit der beanspruchten Lehre wurde seitens der Einsprechenden zu 2) im Hinblick auf die Verfügbarkeit der Zelllinie HT 1080 und deren vorschriftsmäßige Hinterlegung sowie hinsichtlich der stofflichen Beschaffenheit des Proteins bzw. seiner Abbauprodukte (vgl die Merkmale immunologisch aktive Sequenzen und Analoga), welche als Nachweisreagenz im beanspruchten Verfahren einzusetzen sind, in Frage gestellt (vgl Schriftsatz v 2. Okt. 1998 S 13, 14 Punkt 5). Desweiteren bringt die Einsprechende zu 1) vor, es sei unklar, aus welcher Quelle, wenn denn nicht aus Schnitten tierischen oder menschlichen Gewebes, die für den Immunoassay notwendige Gewebe-Transglutaminase stamme (vgl Schrifts v 24. Januar 2001 S 3 Abs 4 und 5 iVm Schrifts v 9. Dezember 2002 S 2 Abs 1).
Nach Ansicht des Senats ist die Beurteilung durch die Patentabteilung, die im Widerrufsbeschluss unter Verweis auf handelsübliche Transglutaminase aus Meerschweinchen die Ausführbarkeit anerkannt hat, nicht zu beanstanden in Anbetracht der aktuellen Entscheidung des BGH "Taxol", wonach es für die Ausführbarkeit genügt, dass nachweislich ein Weg zum Ziel führt, und unmäßige Anspruchsbreite kein Nichtigkeits-, hier Widerrufsgrund ist (vgl BGH GRUR 2001, 813 - Taxol). Denn in den Beispielen des Streitpatents ist der Immunoassay mit handelsüblicher Meerschweinchen-Transglutaminase als ELISA ausgeführt und damit jedenfalls ein Weg zum Nachweis der Zöliakie mit Patientenseren nacharbeitbar beschrieben (vgl aaO Sp 12 Z 50 bis Sp 13 Z 58).
Was die Zelllinie HT 1080 anbelangt, so handelt es sich dabei, wie die Einsprechende zu 3) anhand der eingereichten vorveröffentlichten Druckschriften Rasheed et al., Cancer 33 (1974) 1027 bis 1033 (80) sowie ATTC Cell Lines and Hybridomas, 8. Aufl. (1994), Eintrag für HT 1080 (81) bestätigt hat (vgl Schrifts v 3. Dezember 2002 S 1 unten bis S 2 Ende), um vor dem Anmeldetag des Streitpatents allgemein verfügbare und auch kultivierbare Fibrosarkom-Zellen.
Dagegen betreffen sowohl die von der Einsprechenden zu 2) vorgebrachten Bedenken zur Offenbarung der stofflichen Beschaffenheit des Proteins bzw. seiner Abbauprodukte, Fragmente oder immunologischen Sequenzen und damit des diagnostischen Reagenzes als auch die Bedenken der Einsprechenden zu 1) zur Herkunft bzw. Identifizierung der Transglutaminase nicht allein die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens sondern vor allem dessen Abgrenzbarkeit vom Stand der Technik über das einzusetzende diagnostische Reagenz und damit die Frage der Neuheit.
Zur Frage der Neuheit eines Verfahrens zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, auf die im Widerrufsbeschluss nicht eingegangen wurde, führt die Einsprechende zu 1) unter anderem aus, es sei davon auszugehen, dass ein Teil der bereits bekannten potentiellen antigenen bzw. autoantigenen Peptide und Proteine Analoga, Sequenzen oder Bruchstücke der Gewebe-Transglutaminase sein müssten, da sie alle mit humanen Antikörpern mit der Spezifität gegen Endomysium und nicht mit Anti-Gliadin Antikörpern reagierten (vgl Schrifts v 30. September 1998 S 9 le Abs). Sie verweist hierzu auf A. Marttinen, M. Mäki: Purification of Fibroblast-Derived Celiac Disease Autoantigen Molecules, Pediatric Research 34 (1993) 420 bis 423 (5) und M. Mäki et al.: Reaction of human noncollagenous polypeptides with coeliac disease autoantibodies, The Lancet 338 (1991) 724 bis 725 (6) sowie die nachveröffentlichte, gemäß § 3 (2) PatG zu berücksichtigende DE 195 20 480 A1 (14) (vgl Schrifts d Einspr zu 1) v 9. Dezember 2002 S 2 I. iVm Schrifts d Einspr zu 1) v 30. September 1998, S 5 erster Abs zu Punkt 1 und S 9 Abs 3). Im übrigen bringt sie vor, auch zelluläre Transglutaminase, für die bereits eine Immunreaktion mit monoklonalen Antikörpern gegen Gewebe-Transglutaminase vorbeschrieben sei, werde von dem Begriff "Analoga" umfasst (vgl Schrifts v 30. September 1998 S 5 erster Abs zu Punkt 1).
Die Patentinhaber berufen sich demgegenüber darauf, diesen Druckschriften sei kein Hinweis dahin entnehmbar, dass es sich bei den darin beschriebenen Autoantigenen um Gewebe-Transglutaminase handeln könne, da letztere mit 80 bis 85 kDa demgegenüber ein deutlich höheres Molekulargewicht habe. Zudem verweisen sie unter anderem auf Homologien der N-terminalen Sequenzen solcher Autoantigene mit Casein, Gliadin, Fibrinogen und Kollagen, wobei sie offenbar bezug nehmen auf die auf (14) zurückgehende, jedoch nachveröffentlichte und daher ggf. nur gutachtlich heranzuziehende Arbeit H. Börner et al.: Isolation of antigens recognized by coeliac disease autoantibodies and their use in enzyme immunoassays of endomysium and reticulin antibodypositive human sera, Clin. Exp. Immunol. 106 (1996) 344 bis 350 (10) (vgl Schrifts d Patentinhaberin v 17. März 1999 S 1 le Abs bis S 12 Abs 2).
Im übrigen stütze sich die Neuheit des beanspruchten Verfahrens auf die erstmals gewonnene Erkenntnis, dass die Transglutaminase das Autoantigen der Sprue bzw. Zöliakie darstelle.
Die Analyse des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag
(1) Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie
(2) wobei Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) nachgewiesen werden
(3) aus Körperflüssigkeiten
(4) durch eine Immunreaktion mit
(4.1) Gewebe-Transglutaminase,
(4.2) deren immunreaktiven Sequenzen
(4.3) oder Analoga,
(5) wobei die Immunreaktion nicht mit einem Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes durchgeführt wird.
enthält als Merkmal eine Immunreaktion mit einem Reagenz (4), das alternativ entweder Gewebe-Transglutaminase (4.1), deren immunreaktiven Sequenzen (4.2) oder Analoga (4.3) sein kann. Dagegen sind Gewebeschnitte eines tierischen oder menschlichen Gewebes als Reagenz per Disclaimer (5) ausgeschlossen.
Das Merkmal (4), das durch seine drei Alternativen (4.1), (4.2) und (4.3) gekennzeichnet ist, stellt neben dem gattungsbildenden Merkmal (1) nicht nur das maßgebliche Merkmal des beanspruchten Verfahrens dar, sondern es legt auch das Merkmal (2) fest. Ob allerdings die Voraussetzungen für eine Immunreaktion im Rahmen des beanspruchten Verfahrens gegeben sind, hängt vom Vorhandensein eines zum Immunreagenz passenden Reaktionspartners in der Körperflüssigkeit (3) ab. Denn in Abhängigkeit von der Struktur des Reagenzes, hier des (auto)antigenen Proteins, finden sich in einer Körperflüssigkeit (3) möglicherweise passende Antikörper, im Fall von (4.1) gegen Gewebe-Transglutaminase (2), im Fall (4.2) oder (4.3), mangels offenbarter stofflicher Merkmale, gegen Antigene bzw. antigene Determinanten unbekannter Struktur. Das Merkmal (2) hat somit in Bezug auf die Alternativen (4.2) und (4.3) des anspruchsgemäßen Verfahrens keine einschränkende Wirkung, in Bezug auf (4.1) ist es dagegen redundant.
Die Neuheitsprüfung gegenüber (5), (6), (14), aber auch gegenüber der unter anderem auf die Patentinhaber zurückgehenden Vorveröffentlichung W. Dieterichet al.: Characterization of the Autoantigens in Coeliac Disease. In: Gut 4th United European Gastroenterology Week 17-21 Sept. 1995, S A76 bis A77, Abstract 773 (13), hat sich somit in erster Linie an den maßgeblichen alternativen Merkmalen 4.1, 4.2 und 4.3 zu orientieren.
In (5) sind mehrere aufgereinigte Polypeptide aus Fibroblasten beschrieben, die aufgrund ihrer Eigenschaft als Autoantigene der Zöliakie an IgA aus Sera von Zöliakiepatienten binden, wobei die antigene Spezifität im ELISA auch mit Patientensera, und damit wie beim beanspruchten Verfahren mit Körperflüssigkeiten, bestätigt wurde (vgl aaO Abstract iVm S 421 re Sp bis S 422 li Sp "results"). In (6) wird über vergleichbare experimentelle Ergebnisse wie in (5) berichtet.
In (13) werden aus der humanen Fibrosarkom-Zelllinie HT 1080 zwei native Autoantigene der Zöliakie mit MW 90 000 bzw. 300 000 nach Immunpräzipitation mit IgA Antikörpern von Patienten mit aktiver Zöliakie isoliert und teilweise charakterisiert. Die Anwendung dieser Autoantigene in einem Immunoassay wird darin zwar nicht expressis verbis beschrieben, ist aber nach Ansicht des Senats in (13) implementiert wegen der darin als Stand der Technik abgehandelten Möglichkeit der indirekten Immunfluoreszenzmethode oder des ELISA mit der extrazellulären Matrix von beispielsweise Endomysialgewebe.
In (14) wird ein ELISA mit aufgereinigten antigenen Polypeptiden aus verschiedenen Tiergeweben und Patientensera zur Diagnostik von Zöliakie beschrieben, der sämtliche Verfahrensschritte des beanspruchten Verfahrens umfasst (vgl aaO Anspr 1 iVm Anspr 8).
Als Vergleichs- bzw. Kontrollverfahren dient in den genannten Druckschriften der indirekte Immunfluoreszenztest des Standes der Technik mit geeigneten Gewebeschnitten zum Nachweis der IgA-Antikörper gegen Endomysium in Patientensera und somit ein Test, den auch die Patentinhaber unter anderen zur Bestätigung der Gewebe-Transglutaminase als das Endomysium-Autoantigen verwendet haben (vgl Streitpatent Sp 12 Z 20 bis 46).
Nach Ansicht des Senats lässt sich das beanspruchte Verfahren gemäß Hauptantrag schon wegen des alternativen Merkmals 4.3 "Analoga" nicht von den Verfahren zum immunologischen Nachweis der Sprue oder Zöliakie der Druckschriften (5), (6), (14), aber auch nicht von (13) abgrenzen.
Unter einem Analogon ist üblicherweise ein entsprechendes, gleichartiges, oder vergleichbares Stück zu verstehen, welches eine gleiche oder vergleichbare Funktion oder Anwendung besitzt, anhand der das gleichartige oder vergleichbare (analoge) Verhalten festgestellt werden kann.
Mangels Definition oder Erläuterung des Merkmals "Analoga" in der Beschreibung des Streitpatents ist darunter ein Peptid bzw Protein zum immunologischen Nachweis der Zöliakie zu verstehen, das eine gleichartige oder vergleichbare immunologische Funktion wie die Gewebe-Transglutaminase ausüben kann. Eine weitergehende Bedingung hinsichtlich der Struktur der Analoga ist damit jedoch nicht verbunden. Da im Patentanspruch darüber hinaus stoffliche Merkmale oder Vorgaben bzw. Einschränkungen hinsichtlich seiner Beschaffenheit nicht enthalten sind, erstreckt sich das Merkmal "oder Analoga" auf alle Stoffe bzw. diagnostische Reagenzien, welche eine zu Gewebe-Transglutaminase gleichartige oder vergleichbare Immunfunktion erfüllen.
Im Fall der antigenen Peptide bzw Proteine der Druckschriften (5), (6), (13) und (14) ist diese Bedingung dadurch erfüllt, dass sie gerade an diejenigen Antikörper binden, die gegen körpereigenes, zB endomysiales Ösophagusgewebe gebildet werden und bei der Zöliakie-Diagnostik mit entsprechenden Gewebeschnitten per Immunfluoreszenztest nachgewiesen werden (vgl zB (14) Sp 1 Z 17 bis 35 iVm Sp 3 Z 7 bis 30). Die Patentinhaber selbst haben anhand solcher Bindungsstudien experimentell bestätigt, dass es sich bei dem Endomysium-Autoantigen der Gewebeschnitte, die gemäß Stand der Technik im Immunfluoreszenztest auf Zölikie gegen antiendomysiale Antikörper eingesetzt werden, um Gewebe-Transglutaminase handelt (vgl Streitpatent Sp 12 Z 20 bis 46).
Demgemäß sind die als (Auto)Antigene der Sprue oder Zöliakie beschriebenen Proteine, Peptide oder deren Fragmente der Druckschriften (5), (6), (13) und (14), dem Vorbringen der Einsprechenden zu 1) entsprechend (vgl Schriftsatz v 30. September 1998 S 9 le Abs), als Analoga einer GewebetTG im Sinne der anspruchsgemäßen Funktion als Immunreagenz anzusehen.
Betreffend das alternative Merkmal "oder Analoga" ist das Vorbringen der Patentinhaber, dass die Erkenntnis, es handle sich bei dem Autoantigen der Sprue bzw. Zöliakie um Gewebe-Transglutaminase, die Neuheit bzw. die Patentfähigkeit des beanspruchten diagnostischen Verfahrens begründe, ohne Wert. Denn das beanspruchte Verfahren und dessen Ausgang wird ausschließlich von der Funktionsfähigkeit des Analogons als diagnostisches Reagenzes und nicht von einer weiteren Funktion, hier einer enzymatischen in vitro oder in vivo Funktion, bestimmt. Die physiologische Grundfunktion einer Gewebe-Transglutaminase, nämlich die Katalysatorfunktion einer Transferase, leistet zur Immunreaktion keinen Beitrag und ist im übrigen bei immunreaktiven Sequenzen gemäß Merkmal (4.2) in der Regel auch nicht mehr vorhanden.
Demzufolge ist dann auch belanglos, dass, wie die Patentinhaberin ausführt, die N-terminalen Sequenzen von Bruchstücken von Autoantigenen des Standes der Technik Homologien zu Proteinen aufweisen, die nachweislich keine Transglutaminaseaktivität besitzen.
Das beanspruchte Verfahren ist somit über das Merkmal "oder Analoga" vom Stand der Technik nicht zuverlässig abzugrenzen. Die Erteilung eines Patentes gemäß Hauptantrag würde indessen auch Schutz für ein Verfahren gewähren, welches solche Peptide oder Proteine des Standes der Technik einsetzt, die bereits vor dem Anmeldetag des Streitpatents als Autoantigene der Zöliakie/Sprue und damit als diagnostisches Reagenz zur Verfügung standen (vgl hierzu BGH GRUR 1972, 80, 84 li Sp Abs 3 - Trioxan; BGH GRUR 1986, 163, 164 re Sp Abs 3 - Borhaltige Stähle).
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher mangels Neuheit nicht gewährbar.
Dementsprechend ist auch Patentanspruch 1 jeweils nach Hilfsanträgen 1 oder 2 wegen mangelnder Neuheit nicht gewährbar. Denn mittels der gegenüber dem Hauptantrag zusätzlich aufgenommenen Merkmale "aufgereinigter" bzw. "gereinigter" und "human" ist eine Abgrenzung des alternativen Merkmals "oder Analoga" nicht erreichbar, da die bereits vorbeschriebenen Autoantigene der Druckschriften (5), (6), (13) und (14) sowohl aufgereinigt sind als auch, sieht man von (14) ab, aus menschlichen Zellen stammen.
Zur Frage der Patentfähigkeit von Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 3 und 4, die im Gegensatz zu den Verfahren gemäß Haupt- sowie Hilfsanträgen 1 und 2 das alternative Merkmal "oder Analoga" nicht mehr aufweisen, ist zu untersuchen, ob aus den vorgebrachten Druckschriften bereits ein Immuntest zum Nachweis der Zöliakie mit einer aufgereinigten Gewebe-Transglutaminase jedweder Herkunft einerseits (Hilfsantrag 3) oder aufgereinigter humaner Gewebe-Transglutaminase oder gereinigter Gewebe-Transglutaminase aus Meerschweinchen andererseits (Hilfsantrag 4), jeweils unter Einbezug immunreaktiver Sequenzen derselben, als diagnostischem Reagenz zu entnehmen war oder nahegelegen hatte.
Was die Frage der Neuheit betrifft, so kann dahinstehen, ob sämtliche Verfahrensmerkmale, entweder expressis verbis oder implement, einer einzelnen der bereits abgehandelten Druckschriften (5), (6), (13), oder (14) zu entnehmen sind. Insbesondere ist der Senat aufgrund fehlender geeigneter Daten nicht in der Lage festzustellen, ob es sich bei den in (5), (6) oder (14) beschriebenen Antigenen bzw. Autoantigenen der Zöliakie, die ein deutlich geringeres Molekulargewicht aufweisen als native Transglutaminase jedweder Herkunft, um Proteine und damit Reagenzien handelt, die hinsichtlich ihrer Aminosäuresequenz ganz oder teilweise mit einer immunologisch aktiven (Aminosäure)Sequenz von Gewebe-Transglutaminase übereinstimmen und, wie die Einsprechende zu 1) vorgibt, somit tatsächlich immunologisch aktive Bruchstücke eines Gewebeproteins mit Transglutaminasefunktion sind (vgl Schrifts v 30. September 1998 S 9 le Abs).
Ebenso braucht nicht entschieden zu werden, ob die Druckschrift (13) wegen eines der Größenordnung nach mit nativer Transglutaminase übereinstimmenden Autoantigens der Zöliakie mit MW 90 000 sowie einer implementen Anweisung zur üblichen Aufreinigung und zum Einsatz als Reagenz im Immuntest auf Zöliakie das beanspruchte Verfahren neuheitschädlich vorwegnimmt, auch wenn in (13) von einer Transglutaminasefunktion des betreffenden autoantigenen Proteins ersichtlich nicht die Rede ist.
Denn das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 sowohl nach Hilfsantrag 3 als auch nach Hilfsantrag 4 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die sich aus der Beschreibung des Streitpatents ableiten lässt und darin besteht, einen nichtinvasiven, spezifischen, quantitativen, schnellen, leicht und kostengünstig durchzuführenden immunologischen Test zum Nachweis der Sprue bzw. Zöliakie und zu deren Therapiekontrolle bereitzustellen und zwar unter besonderer Berücksichtigung des Standes der Technik betreffend den Einsatz von geeigneten Schnitten tierischen oder humanen Gewebes im Immunfluoreszenztest (vgl Patentschrift Sp 3 Z 37 bis 40 iVm Sp 3 Z 30 bis 35 sowie Sp 2 Z 56 bis 60 und Sp 8 Z 32 bis 36).
Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren unter Verwendung einer Gewebe-Transglutaminase in aufgereinigter Form als diagnostischem Reagenz in einem Immunoassay durch Immunreaktion mit Körperflüssigkeiten.
Diese Lösung war indessen für den Durchschnittsfachmann - nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit der Patentabteilung (vgl Widerrufsbeschluss S 6 Mitte) und entgegen der Ansicht der Patentinhaberin (vgl Schrifts v 28. Oktober 2002 S 5 Abs 3 und 4) ein mit der Entwicklung von immunologischen Nachweisverfahren befasster und damit vertrauter Chemiker oder Biochemiker - ausgehend von (13) naheliegend.
In der Druckschrift (13) werden zwei native Autoantigene der Zöliakie identifiziert. Es handelt sich dabei um zwei Proteine, die aus Zellkulturen der Human-Fibroblasten-Zelllinie HT 1080 nach Immunpräzipitation mit IgA Antikörpern von Patienten mit aktiver Zöliakie und SDS-PAGE aufgetrennt wurden. Für das zellgebundene der beiden Proteine wird ein Molekulargewicht von 90 000, für das im Kulturmedium zu findende lösliche Protein ein Molekulargewicht von 300 000 angegeben (vgl aaO S A77 li Sp Abs 2 bis Ende des Artikels). Als Ausgangspunkt für diese Arbeit ist in (13) der bekannte Nachweis von Antikörpern unter anderem gegen Endomysium mittels Immunfluoreszenz oder ELISA und Gewebeschnitten als diagnostischem Reagenz angegeben (vgl aaO S A77 li Sp Abs 1 Satz 2 und 3). Des weiteren ist ausgeführt, dass bis jetzt die für die Immunreaktion verantwortlichen Antigene nicht identifiziert worden sind, wobei sich diese Aussage insbesondere auf Endomysium bezieht (vgl aaO S A77 li Sp Abs 1 Satz 4).
Für den Senat besteht demgemäß kein Zweifel, dass der Fachmann zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe auch die Druckschrift (13) in Erwägung ziehen musste und davon ausgehend auf übliche Weise ohne weiteres zu einem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 sowohl nach Hilfsantrag 3 als auch 4 gelangen konnte. Denn mittels der Angaben in (13) gelingt ihm nicht nur die Anzucht der verfügbaren Humanzellen, sondern auch die Aufreinigung beider identifizierter Proteine mit autoantigenen Eigenschaften. Es lag für ihn auch auf der Hand, diese Proteine in einem üblichen immunologischen Verfahren, zB in einem ELISA, mit Patientensera zum Nachweis der Zöliakie nicht nur in Betracht zu ziehen, sondern auch tatsächlich einzusetzen.
Nach Ansicht des Senats greift somit weder die Argumentation der Patentinhaber, der Fachmann hätte nur in Kenntnis der vorliegenden Erfindung die Druckschrift (13) als Ausgangspunkt für die Entwicklung des beanspruchten Verfahrens gewählt, noch deren Vorwurf, die Patentabteilung habe die Druckschrift (13) immer unter dem Gesichtspunkt der Teilidentität der Verfasser mit den vorliegenden Erfindern gesehen und daher falsch bewertet.
In der Sache bringen die Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung demgegenüber vor, die Druckschrift (13) liefere keine nacharbeitbare Lehre, da die einzelnen Bedingungen, auf die es ankomme, darin nicht beschrieben seien. Es handle sich dabei vor allem um drei Bedingungen:
- die Bedingungen zur Anzucht der Zellen und der Erntezeitpunkt,
- die geeignete Auswahl von Patientensera,
- die Durchführung der Immunpräzipitation.
Insbesondere führen sie hierzu in der mündlichen Verhandlung aus, die Erfindung führe die Anzucht im Gegensatz zur Lehre der Druckschrift (13) über einen längeren Zeitpunkt bis kurz vor der Apoptose der Zellen und inkubiere darüber hinaus den Zellkulturansatz davon die überwiegende Zeit ohne Zusatz von fötalem Kälberserum. Demzufolge könne man bei der Nacharbeitung der Druckschrift (13) auch nicht zu einem Autoantigen gelangen, das eine Gewebe-Transglutaminase ist. Dies werde schon aus dem unterschiedlichen Molekulargewicht deutlich. Vielmehr handle es sich bei dem Protein gemäß (13) mit MW 90 000 um ein Glykoprotein gleichen Molekulargewichts, das bereits in C.P.J. Maury et al.: "Autoantibodies to gliadinbinding 90 kDa glycoprotein in coeliac diesease", Gut 27 (1986) 147 bis 152 (84) vorbeschrieben sei.
Zum Autoradiogramm I führen die Patentinhaber unter anderem aus, ob eine Bande bei MW 90 000 bzw. 85 000 sichtbar sei, hänge vom Patientenserum sowie davon ab, ob die Elektrophorese unter reduzierenden oder nichtreduzierenden Bedingungen durchgeführt werde. Da in (13) weder die Herkunft des Patientenserums noch die Bedingungen der Elektrophorese angegeben seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die in (13) beschriebene Bande bei MW 90 000 diejenige ist, die im Autoradiogramm I beim Zöliakiepatienten 1 unter nicht reduzierenden Bedingungen aufgefunden werde, während die Bande MW 85 000 nur bei reduzierenden Bedingungen auftrete.
Aus dem Autoradiogramm II, das nach einem weiteren Versuch der Erfinder angefertigt wurde, ergebe sich darüber hinaus, dass HT 1080 Zellen ein zellassoziiertes Glykoprotein enthalten, das über eine Concanavalin A-Sepharoseangereichert werden könne und ebenfalls mit Serum-IgA von Zöliakie-Patienten reagiere.
Der Senat kann nicht feststellen, dass eine Nacharbeitung der Druckschrift (13) daran scheitern muss, weil dort nur spärliche oder gar keine Informationen zur genauen Durchführung der Anzucht der Zelllinie HT 1080, der Isolierung der Autoantigene und eines immunologischen Test auf Zöliakie vorhanden sind. Denn wie die Einsprechende zu 3) zutreffend ausführt, war die Zelllinie bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents öffentlich verfügbar und unter Literaturbedingungen kultivierbar (vgl hierzu Schrifts v 3. Dezember 2002 S 2, sowie dort abgehandelte (81) und (82)). Um der Anweisung in (13) folgen und die kultivierten Fibrosarcom-Zellen mit 35 S-Methionin für proteinanalytische Zwecke per Autoradiographie markieren zu können, stehen dem Fachmann - wie auch die Einsprechende zu 3) in der mündlichen Verhandlung unter Verweis auf die Druckschrift J. Biol. Chem. 261 (1986) S 2274 bis 2278 (60) ausführt - bereits übliche Arbeitsweisen zur Verfügung. Demgemäß wird er die Zellkultur ohne weiteres 16 bis 18 Stunden in Methioninfreiem Medium ohne fötales Kälberserum mit radioaktivem 35S-Methionin (vgl (60) S 2274 re Sp Abs 4) und damit vergleichbar dem Streitpatent inkubieren (vgl Streitpatent Sp 9 Z 15 bis 35). Entsprechendes gilt auch für die Durchführung der Immunpräzipitation (vgl (60) S 2274 re Sp vorle Abs iVm S 2275 li Sp Abs 1 und Fig 3).
Was die Bedingung der Auswahl geeigneter Patientensera anbelangt, so wird sich der Fachmann nicht mit einem einzigen Patientenserum begnügen wollen, sondern er wird - entgegen der Auffassung der Patentinhaberin - selbstverständlich die Sera mehrerer Patienten mit aktiver Zöliakie einbeziehen, wie in (13) auch vorgesehen (vgl aaO S A77 li Sp Abs 2 "patients"). Die damit verbundene Frage hinsichtlich der Qualität verfügbarer Körpersera in Bezug auf das Vorhandensein von Antikörpern von IgA- oder nur IgG-Typ ist insofern ohne Belang, als es darauf im Hinblick auf den Patentanspruch 2 sämtlicher geltender Anträge ersichtlich nicht ankommt.
Der Ansicht der Patentinhaber, schon anhand des Molekulargewichtsvergleichs, wonach gemäß Streitpatent ein autoantigenes Protein mit einem Molekulargewicht von 85 000 und damit einer um 5 000 geringeren Größe aus HT 1080 isoliert werde, sei offensichtlich, dass die von (13) vermittelte Lehre nicht zur Erfindung führe, kann sich der Senat nicht anschließen. Zum einen liefert eine Bestimmung per Gelelektrophorese bekanntlich nur ein ungefähres Molekulargewicht und zum anderen hat die Patentinhaberin selbst im Streitpatent unter anderem auch ein Autoradiogramm angegeben, aus dem sich ein Molekulargewicht von etwa 90 000 für das erfindungsgemäße autoantigene Protein aus HT 1080 ergibt (vgl Streitpatent Abb 1 Spur c).
Auch die nachgereichten Autoradiographien I und II (vgl hierzu den Schriftsatz der Patentinhaber vom 28. Oktober 2002 S 9 unten bis S 12 Mitte) lassen nicht erkennen, inwiefern der Fachmann ausgehend von (13) nicht zu einem Autoantigen der Zöliakie habe kommen können, das eine Gewebe-Transglutaminase ist.
Die seitens der Patentinhaber für kritisch erachtete Auswahl geeigneter Patientensera einerseits sowie die Bedingungen zur Durchführung einer Polyacrylamidgel-Elektrophorese andererseits können den Fachmann nicht wirklich in Verlegenheit bringen. Denn in den Rahmen solcher Arbeiten werden, wie auch der Druckschrift (13) im Hinblick auf die Verwendung des Plurals "patients" zu entnehmen, üblicherweise Serumproben mehrerer verschiedener Patienten einbezogen, während eine Polyacrylamidgel-Elektrophorese, insbesondere ausgehend von Immunpräzipitaten, für den Fachmann selbstverständlich gerade unter reduzierenden Bedingungen, üblicherweise wie auch im Streitpatent mit Dithiothreitol als Reduktionsmittel, durchgeführt wird (vgl Katalog Immunoassays der Pierce Chemical Co. 1994 (47) Text auf der Seite von Fig 19 und Tab 17 iVm Schrifts d Einspr zu 2) v 5. Dezember 2002 S 8 le Abs; Streitpatent Sp 10 Z 24 bis 28). Unter Berücksichtigung der Aufgabe stellen sich dann, in Übereinstimmung mit dem Ergebnis des Autoradiogramms I, auch zwingend die Ergebnisse des Streitpatents ein, da gleiche bzw. vergleichbare Arbeitsweisen in der Regel zu gleichen bzw. vergleichbaren Ergebnissen führen. Was das nach einem weiteren Versuch der Patentinhaber zur Nacharbeitung der Druckschrift (13) erhaltene Autoradiogramm II anbelangt, so bestand für den Fachmann kein Anlass, vom Vorgehen gemäß (13) abzuweichen und zunächst eine Affinitätschromatographie an Lektinen, speziell an Concanavalin A-Sepharose durchzuführen, die bekanntlich als Affinitätsmaterial bei der Anreicherung von Glykoproteinen, speziell für Mannosyl- und Glucosylreste, Einsatz finden.
Die Auffassung der Patentinhaber, der Fachmann habe hinter dem in (13) beschriebenen Autoantigen mit MW 90 000 eher das Gliadinbindende 90 kDa Glykoprotein der Druckschrift (84) vermutet und wäre daraufhin bei der Nacharbeitung von (13) abgewichen und dann nicht zur Gewebe-Transglutaminase, sondern zu einem anderen Autoantigen der Zöliakie, nämlich dem in der Druckschrift (84) beschriebenen gelangt, kann der Senat schon insofern nicht teilen, als das Antigen gemäß (84) nicht aus der Zelllinie HT 1080 isoliert wird (vgl aaO S 148 li Sp Abs 2). Zudem geht die Druckschrift (13) ebenso wie das Streitpatent von der Aufgabe, aus Gewebeschnitten des Standes der Technik einen einfachen immunologischen Test zu entwickeln und damit von einem anderen Standpunkt aus als die Druckschrift (84).
Nach Ansicht des Senats reicht für den Fachmann vielmehr die aus der Druckschrift (13) entnehmbare Information aus, um zwecks Identifizierung des Autoantigens der Gewebeschnitte zu dem zellgebundenen der beiden Autoantigene der humanen Zelllinie HT 1080 zu gelangen. Insbesondere ist es ausgehend von den Informationen der Druckschrift (13) ohne weiteres möglich, das betreffende Protein aus Humanzellen nicht nur in analytischen Mengen sondern, wie dort angedeutet, auch in ausreichenden Mengen zur Bestimmung der Primärsequenz herzustellen. Hierzu brauchte der Fachmann lediglich die beiden Grundoperationen der Druckschrift (13), Immunpräzipitation und SDS-Polyacrylamidgel-Elektrophorese, in den präparativen Maßstab zu übertragen, wofür ihm bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents handelsübliche Hilfsmittel, zB die präparative SDS-Polyacrylamidgel-Elektrophorese, zur Verfügung standen.
Über die Auswertung der Ergebnisse und einem Vergleich in Datenbanken gelangt der Fachmann dann zwangsläufig zu einem genaueren MolekuIargewicht und zur Identifizierung des Proteins als Gewebe-Transglutaminase, wofür es keines erfinderischen Zutuns bedarf. Aufgrund bereits bekannter Zusammenhänge zwischen Transglutaminase und dem Auftreten von Zöliakie sowie der Nützlichkeit der Bestimmung dieser Enzymaktivität im Serum von Zöliakiepatienten zur Remissionskontrolle (vgl Gut 30 (1989) S 950 bis 954 (4) insbes Table 1 und Fig 1 iVm S 953 re Sp Abs 2) wird er davon nicht einmal überrascht sein.
Im übrigen kommt es nach Ansicht des Senats für die Ausführung des Immunverfahrens auf die Erkenntnis bzw. Entdeckung, dass es sich bei einem der beiden oder möglicherweise bei beiden in (13) als Autoantigene der Zöliakie identifizierten Proteinen um Gewebe-Transglutaminase bzw. um Transglutaminasen allgemein handelt, nicht an. Denn die physiologische Grundfunktion einer Gewebe-Transglutaminase, nämlich die Katalysatorfunktion einer Transferase bei der Umsetzung von peptid- bzw. proteingebundenen freien Amidgruppen mit Aminen bzw. peptid- bzw. proteingebundenen freien Aminogruppen, ist für die Immunreaktion und damit für die Funktion im beanspruchten Verfahren nicht erforderlich, liefert zur Problemlösung keinen Beitrag und vermag somit die Patentfähigkeit des beanspruchten Verfahrens nicht zu begründen.
Patentanspruch 1 sowohl gemäß Hilfsantrag 3 als auch gemäß Hilfsantrag 4 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.
Mit den Patentansprüchen nach Hauptantrag bis Hilfsantrag 4 fallen auch alle anderen Patentansprüche der jeweiligen Anträge, ohne dass es einer Prüfung und Begründung dahin bedarf, ob diese übrigen Patentansprüche etwas Schutzfähiges enthalten (BGH, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).
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BPatG:
Beschluss v. 12.12.2002
Az: 15 W (pat) 21/02
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