Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. August 1997
Aktenzeichen: 6 U 225/96
(OLG Köln: Urteil v. 13.08.1997, Az.: 6 U 225/96)
1. Ein Vertragsstrafeversprechen kann auch im Rahmen eines Prozeßvergleichs abgegeben werden; der Klage auf Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe fehlt in diesem Falle nicht das Rechtsschutzbedürfnis. 2. Der -strafbewehrt- übernommenen Verpflichtung, bestimmte Àußerungen in einer Publikation künftig nicht zu wiederholen, genügt der Schuldner nicht, wenn er die betreffenden Passagen lediglich so schwärzt bzw. schwären läßt, daß sie bei normalem Tageslicht durchschimmern und lesbar bleiben. 3. Zur Erfüllung einer übernommenen Unterlassungsverpflichtung genügt es nicht, Mitarbeiter zu unterrichten; erforderlich ist vielmehr, konkrete Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Verstöße anzuordnen und effektiv zu überwachen. 4. Die Einholung anwaltlichen Rates entbindet den Unterlassungsschuldner jedenfalls nicht von der Einhaltung ihm selbst obliegender Sorgfaltspflichten. 5. Zur Frage der Herabsetzung einer Vertragsstrafe. 6. Die Tatsache, daß ein Unterlassungsgläubiger seine Mitglieder auffordert, das künftige Wettbewerbsverhalten zu überwachen und etwaige Verstöße mitzuteilen allein, rechtfertigt nicht den Vorwurf rechtsmißbräuchlichen Handelns.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 18. September 1996 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 16 O 14/96 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die mit diesem Urteil für den Beklagten verbundene Beschwer wird auf DM 20.002,-- festgesetzt.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist zwar zulässig. In der Sache hat
das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Die auf Zahlung der Vertragsstrafe gerichtete Klage ist
zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis,
weil - da die Unterlassungsverpflichtung nebst
Vertragsstrafeversprechen in einem gerichtlich protokollierten
Vergleich enthalten sind - für den Kläger die Möglichkeit zur
Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der §§ 794, 890 ZPO bestünde. Zwar
handelt es sich bei der zwischen den Parteien im Verlauf der
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bonn seinerzeit
getroffenen Unterlassungsvereinbarung um einen Prozeßvergleich im
Sinne des § 794 ZPO. Anhaltspunkte dafür, daß lediglich eine zu
Beweiszwecken protokollarisch festgehaltene, aus Anlaß einer
Gerichtsverhandlung getroffene, im übrigen aber "außergerichtliche"
zivilrechtliche Vereinbarung der Parteien geschlossen werden
sollte, bestehen in bezug auf die hier fragliche
Unterlassungsverpflichtung nicht (vgl. Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Kap. 12 Rdnr. 4 f.).
Dagegen spricht zunächst nicht nur der Umstand, daß die in Rede
stehende Vereinbarung gerade den Titel "Vergleich" trägt, was -
wenn dies im Rahmen einer Gerichtsverhandlung geschieht - auf den
Abschluß eines von den Parteien so gewollten Prozeßvergleiches
hindeutet. Für den Abschluß eines Prozeßvergleichs im Sinne des §
794 ZPO spricht darüber hinaus indiziell aber auch der Umstand, daß
dem Kläger eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt wurde.
Hinsichtlich des hier allein interessierenden
Vertragsstrafeversprechens, welches einer Vollstreckung nach
Maßgabe des § 890 ZPO ohnehin nicht zugänglich ist, fehlt der
Zahlungsklage gleichwohl nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn eine
Zwangsvollstreckung insoweit ist aus dem Prozeßvergleich, der
lediglich das grundsätzliche Zahlungsversprechen für den Fall der
Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht, hingegen nicht
einen bereits auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme
gerichteten Titel darstellt, nicht möglich.
Die Klage ist weiter auch begründet.
Der Kläger kann auf der Grundlage des in dem Prozeßvergleich
enthaltenen Vertragsstrafeversprechens Zahlung der geltend
gemachten Summe in Höhe von DM 20.002,-- verlangen.
Die materiellen Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die
Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe gemäß dem oben
genannten Prozeßvergleich eingreifen soll, wurden in zwei Fällen
vom Beklagten selbst oder aber zumindest in objektiv und subjektiv
ihm zurechenbarer Weise durch Dritte verwirklicht. Denn der
Beklagte hat sowohl durch das Verteilen des P.-Reports - Ausgabe
August 1995 - am 5. November 1995 anläßlich der Renergie-Messe in
Sontheim als auch durch die im Dezember 1995 erfolgte Versendung
dieser Publikation der unter Ziffer 1. des Prozeßvergleichs
formulierten Unterlassungspflicht zuwidergehandelt.
Daß die hier in Rede stehenden Ausgaben des P.-Reports - August
1995 - überhaupt bei den oben genannten Gelegenheiten verteilt bzw.
zugesandt wurden, steht nach dem Ergebnis der in I. Instanz hierzu
durchgeführten Beweisaufnahme auch zur Óberzeugung des Senats fest.
Zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit wird auf die
überzeugenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen
Urteil der I. Instanz Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Irgendwelche Anhaltspunkte, die Anlaß zu einer abweichenden
Würdigung der Bekundungen der Zeugen Baumann und Urbaschek sowie
der schriftlichen Angaben der nach Maßgabe von § 377 Abs. 3 ZPO
gehörten Zeugin Matheisen bieten, lassen sich dabei weder den
Ausführungen des Beklagten, noch dem aus der übrigen Akte
ersichtlichen Sachverhalt entnehmen.
Ist danach aber erwiesen, daß der Zeuge B. anläßlich der
Renergie-Messe in Sontheim am 5. November 1995 eine "geschwärzte
Ausgabe" des P.-Reports August 1995 an einem dortigen Messestand
erhielt, steht damit zugleich ein Verstoß des Beklagten gegen die
in dem Prozeßvergleich titulierte Unterlassungsverpflichtung fest,
selbst wenn der Messestand nicht von ihm, sondern von einem seiner
Mitarbeiter gemietet und betrieben worden sein sollte. Gleiches
gilt im Ergebnis hinsichtlich der ebenfalls bewiesenen Óbersendung
des verfahrensbetroffenen P.-Reports August 1995 an den Zeugen
U..
Soweit der Beklagte einen Verstoß gegen die
Unterlassungsverpflichtung von vornherein deshalb in Abrede stellt,
weil die Zahlenangabe "22.000,-- DM" "überstrichen" wurde, vermag
das nicht zu überzeugen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob -
wie der Kläger dies aber meint - die gesamte Textpassage, so wie
sie in den Prozeßvergleich aufgenommen ist, zu streichen war. Das
ist hier deshalb nicht von streitentscheidender Bedeutung, weil die
vom Beklagten oder auf seine Veranlassung hin vorgenommene
Streichung jedenfalls unzulänglich ist. Denn auch wenn es, wie der
Beklagte dies vertritt, zur Erfüllung der vertraglich übernommenen
Unterlassungspflicht ausgereicht haben sollte, die vorbezeichnete
Zahlenangabe aus dem Text zu streichen, so war hierfür ein
vollständiges Unkenntlichmachen erforderlich. Das aber ist - wovon
sich der Senat überzeugt hat - im Hinblick auf den Umstand, daß die
Zahlenangaben "22.000,-- DM" durch beide offenkundig mit
Filzschreiber vorgenommenen "Óberstreichungen" jeweils bei normalem
Tageslicht besehen noch durchschimmern, nicht der Fall.
Der Beklagte hat die beiden, ihren objektiven Voraussetzungen
nach mithin gegebenen Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung
auch im Subjektiven zu vertreten.
Soweit sich der Beklagte deshalb für entschuldigt hält, weil er
sich beim "Óberstreichen" der vorbezeichneten Zahlenangaben auf den
eigens eingeholten Rat seines Rechtsanwaltes verlassen habe, wonach
die "Schwärzung" (nur) der Zahlenangabe ausreiche, um dem Verbot zu
entkommen, vermag er hiermit nicht durchzudringen. Denn selbst wenn
dem Beklagten ein derartiger anwaltlicher Rat erteilt worden sein
sollte und weiter unabhängig davon, inwiefern ihn sein Vertrauen
hierauf überhaupt entlasten konnte, hatte er danach jedenfalls die
vollständige Unkenntlichmachung der Zahlenangabe vorzunehmen. Aus
den oben dargestellten Gründen ist letzteres hier aber gerade nicht
der Fall.
Der Beklagte kann sich weiter auch nicht etwa damit entlasten,
daß er - soweit der P.-Report August 1995 nicht von ihm selbst,
sondern durch seine selbständigen Mitarbeiter verteilt worden ist -
alles Erforderliche und Zumutbare getan habe, um die übernommene
Unterlassungsverpflichtung zu erfüllen. Hierfür reicht es nicht
aus, daß der Beklagte seine Mitarbeiter über den Abschluß des
gerichtlichen Vergleichs bzw. die darin übernommene
Unterlassungsverpflichtung informiert und Anweisung erteilt hat,
den P.-Report August 1995 - wenn überhaupt - nur noch mit
geschwärzter Zahlenangabe zu verteilen. Der Beklagte mußte vielmehr
darüber hinaus auch Maßnahmen ergreifen, die sicherstellen, daß
diese Information und Anweisung tatsächlich und effektiv umgesetzt
werden. Daß der Beklagte überhaupt derartige Organisations- und
Óberwachungsmaßnahmen - gegebenenfalls welche - ergriffen hat,
lassen sich aber weder seinem Vortrag, noch dem Sachverhalt im
übrigen entnehmen.
Es liegen weiter auch zwei Verstöße gegen die
Unterlassungsverpflichtung vor. Eine "Zusammenfassung" der beiden
in Rede stehenden Einzelverstöße am 5. November 1995 und im
Dezember 1995 zu nur einer rechtlichen Handlungseinheit nach den
Grundsätzen des Fortsetzungszusammenhangs (vgl. Baumbach/Hefermehl,
19. Auflage, Rdnr. 290 UWG Einleitung) kommt hier nicht in
Betracht. Denn die beiden Verstöße sind nicht nur ihrer
Begehungsart nach verschieden gelagert (Verbreitung auf einer Messe
einerseits und Versenden auf Anfrage andererseits), sondern es
fehlt vor allen Dingen die für eine Zusammenziehung mehrerer
Verstöße zu einer einheitlichen Zuwiderhandlung vorauszusetzende
"räumlichzeitliche Verknüpfung" (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdnr.
375 UWG Einleitung m.w.N.). Es lassen sich auch der
Unterlassungsvereinbarung selbst oder den zu ihr hinführenden
Umständen keinerlei Anhaltspunkte für eine Óbereinkunft der
Parteien entnehmen, daß Einzelverstöße der vorliegend zu
beurteilenden Art lediglich als eine Zuwiderhandlung gegen die
Unterlassungspflicht behandelt werden sollten.
Es besteht ferner auch kein Anlaß, die Vertragsstrafe nach
Maßgabe von § 343 Abs. 2 BGB herabzusetzen. Denn die verwirkte
Strafe ist nicht unverhältnismäßig hoch. Zwar ist es richtig, daß
in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des
Vertragsstrafegläubigers Berücksichtigung finden kann, welches -
beispielsweise wenn die Zuwiderhandlung "provoziert" wird - das Maß
des Verschuldens des Vertragsstrafeschuldners als gering erscheinen
läßt mit der Folge, daß dies wiederum bei der Beurteilung der als
angemessen zu erachtenden Vertragsstrafe seinen Niederschlag finden
kann. Anhaltspunkte dafür, daß die hier konkret betroffenen
Verstöße auf eine derartige Aktivität des Klägers zurückzuführen
sind, liegen jedoch nach den Bekundungen der erstinstanzlich
vernommenen Zeugen U. und B. nicht vor. Sie ergeben sich auch nicht
aus dem Umstand, daß der Kläger in Publikationen bzw. in seiner
Zeitschrift D.-Aktuell Mitglieder dazu aufgefordert hat, sich
August-Ausgaben des P.-Reports zu besorgen. Zwar ist in diesen an
seine Mitglieder ergangenen Aufforderungen unverhohlen zum Ausdruck
gebracht, daß der Kläger auch ein finanzielles Interesse mit der
Vereinnahmung von Vertragsstrafen verbindet. Daß dies jedoch sein
einziger, das Interesse an der Óberwachung und Sicherstellung der
Vertragstreue des Beklagten völlig verdrängender Beweggrund sei und
die im Streitfall zu beurteilenden Zuwiderhandlungen gegen die
Unterlassungsverpflichtung von diesem finanziellen Interesse
getragen durch den Kläger bzw. von durch ihn motivierten Personen
erst herausgefordert wurden, läßt sich dem nicht ohne weiteres
entnehmen.
Aus diesem Grund scheidet schließlich auch die Annahme einer
"rechtsmißbräuchlichen" Vorgehensweise des die Vertragsstrafe
fordernden Klägers aus.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert
sich am Wert des Unterliegens des Beklagten im vorliegenden
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 13.08.1997
Az: 6 U 225/96
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