Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 174/02
(BPatG: Beschluss v. 03.08.2004, Az.: 24 W (pat) 174/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke BALSAN ist nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses noch für die Waren
"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege ohne chemischpharmazeutische Wirkstoffe, nämlich Lotionen, Bäder, Puder und Sprays für die Fußpflege, Hand- und Fußpflegecremes, Kräutercremes und Lotionen für die Haut, Kräuterbalsame und -öle für die äußere Anwendung; Präparate für die Gesundheitspflege, nämlich Balsam, Badesalze und -zusätze für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial, Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne, orthopädische Artikel, chirurgisches Nahtmaterial"
unter der Nummer 397 01 570 im Markenregister eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung ist am 30. Mai 1997 erfolgt.
Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren
"Chemischpharmazeutische Präparate, Desinfektionsmittel, diätetische Nährmittel"
am 16. März 1917 eingetragenen Wortmarke 216 297 Kalzan Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit einem Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch wegen fehlender Glaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke habe mit Schreiben vom 10. Mai 1998 die Benutzung der Widerspruchsmarke gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG zulässigerweise bestritten. Der Wille der Inhaberin der jüngeren Marke, sich mit der Nichtbenutzungseinrede gegen die Widersprechende zu verteidigen, sei in diesem Schriftsatz durch die Bitte um Prüfung, ob die Widersprechende das Widerspruchszeichen benutzt habe, hinreichend deutlich geworden. Die Widersprechende habe in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 14. September 1998 Umsatzzahlen für den Zeitraum von 1993 bis 1996 angegeben sowie Kopien einer Verpackung und einer Gebrauchsinformation beigefügt. Es fehlten jedoch Unterlagen für die Benutzung in den letzten fünf Jahren vor der am 5. März 2002 ergangenen Entscheidung, also für den Zeitraum zwischen Februar 1997 und Februar 2002.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die zur Glaubhaftmachung der Benutzung eine weitere eidesstattliche Versicherung sowie Kopien von Rechnungen für den Zeitraum 1997 bis 2001 einreicht und im übrigen auf das bereits der Markenstelle vorgelegte Glaubhaftmachungsmaterial Bezug nimmt. Die Widersprechende ist der Meinung, die angegriffene Marke komme der Widerspruchsmarke verwechselbar nahe. Die Marken könnten sich auf relativ ähnlichen Waren begegnen und wiesen markante klangliche Ähnlichkeiten auf. Etwaige Sinnanklänge der Markenwörter seien sehr undeutlich und könnten Verwechslungen nicht ausschließen, da eine analysierende Betrachtungsweise nicht zu erwarten sei.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 216 297 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Benutzungsunterlagen könnten allenfalls eine rechtserhaltende Benutzung für "Mineralstoffpräparate" belegen. Diese Waren aber seien den Waren des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke in der neuen Fassung nicht ähnlich, zumindest bestehe ein sehr großer Abstand, so daß die relativ geringfügigen Ähnlichkeiten der Marken nicht ausreichten, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn zwischen den Marken besteht keine Gefahr von Verwechslungen gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG zulässigerweise bestritten, nachdem die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke abgelaufen war. Nach Auffassung des Senats hat die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für die Ware "Mineralstoffpräparat", die unter den Oberbegriff "chemischpharmazeutische Präparate" fällt, für den die Widerspruchsmarke eingetragen ist, in den entscheidungserheblichen Zeiträumen vom 30. Mai 1992 bis 30. Mai 1997 und vom 3. August 1999 bis 3. August 2004 glaubhaft gemacht. Die eidesstattlichen Versicherungen des (stellvertretenden) Geschäftsführers der Widersprechenden vom 14. September 1998 und vom 24. April 2002 belegen mit jährlichen Umsätzen zwischen knapp ... ... DM und ... ... DM in den Jahren 1993 bis 2001 einen ausreichenden Umfang der Benutzung. Die Warenverpackungen, Beipackzettel und Rechnungen, auf die die eidesstattlichen Versicherungen Bezug nehmen, geben keinen Anlaß, an einer rechtserhaltenden Form der Benutzung zu zweifeln. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, daß die Marke als Kennzeichnung für ein mineralstoffhaltiges Präparat zur Vorbeugung und Behandlung von Calciummangelzuständen verwendet wurde. Demnach ist nach der herrschenden "erweiterten Minimallösung" nicht vom im Warenverzeichnis enthaltenen weiten Oberbegriff "chemischpharmazeutische Präparate", sondern von dem engeren Unterbegriff "Mineralstoffpräparat zur inneren Anwendung" auszugehen (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 26 Rn. 212 ff.).
Zwischen den Marken besteht jedoch keine Verwechslungsgefahr. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Marca/Adidas"; BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlußstück"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen nicht gegeben.
Zwischen der Ware "Mineralstoffpräparat zur inneren Anwendung", von der bei der Widerspruchsmarke auszugehen ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG), und den Waren der angegriffenen Marke besteht nur teilweise Warenähnlichkeit und im übrigen große Warenferne. Da der Begriff der Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke auszulegen ist, kommt es für die Annahme von Warenähnlichkeit darauf an, ob die Waren von den angesprochenen Verkehrskreisen demselben Unternehmen zugeordnet werden. Von vornherein ausgeschlossen werden kann dies nur bei absolut unähnlichen Waren (BGH GRUR 1999, 731, 732 "Canon II"), d.h. bei solchen, die vom Publikum auch bei großer Bekanntheit der älteren Marke und bei unterstellter Zeichenidentität unterschiedlichen und auch nicht miteinander verbundenen Unternehmen zugeordnet werden (BGH GRUR 2001, 507, 508 "EVIAN / REVIAN"). Die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise wird dabei teilweise durch die regelmäßigen tatsächlichen Herkunftsstätten der Waren und Dienstleistungen geprägt (vgl. BGH aaO "EVIAN/REVIAN"), teilweise durch die Faktoren, die das Verhältnis zwischen den einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen selbst kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 Rdn 23 "Canon"). Parfümerien, chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne, orthopädische Artikel, chirurgisches Nahtmaterial unterscheiden sich in der Art der Herstellung, den verwendeten Materialien, üblichen Herstellungsbetrieben sowie Art und Zweck so stark voneinander, daß nach ständiger Rechtsprechung von Unähnlichkeit ausgegangen wird (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 257 re. Sp., 258 li. Sp., 54 m. Sp., 59 re.Sp., 60 li. Sp.). Allein daraus, daß Mineralstoffpräparate und viele der Waren der Inhaberin der angegriffenen Marke in Drogerien oder Apotheken vertrieben werden, kann keine Warenähnlichkeit oder Warennähe hergeleitet werden. Hinsichtlich der übrigen Waren der angegriffenen Marke läßt sich eine entfernte Ähnlichkeit nicht ausschließen, wobei aber eine große Warenferne besteht. Dies ergibt sich bei Zahnputzmitteln bzw. Zahnpflegemitteln, Zahnfüllmitteln, Verbandmaterial, Pflaster und ätherischen Ölen schon aus der unterschiedlichen Beschaffenheit, Wirkungsweise und dem unterschiedlichen Anwendungsbereich. Die weiteren Waren der jüngeren Marke weisen ebenfalls einen großen Abstand von den Präparaten der Widersprechenden auf. Während die Mineralstoffpräparate der Widerspruchsmarke Arzneimittel darstellen, die dazu dienen, Mangelzustände des Körperstoffwechsels und Mineralstoffhaushaltes zu behandeln, enthalten die Mittel zur Körper- und Schönheitspflege der angegriffenen Marke nach Einschränkung des Warenverzeichnisses keinerlei chemischpharmazeutische Wirkstoffe. Auch in der äußeren Form und der Art der Applikation unterscheiden sich das chemischpharmazeutische Präparat der Widersprechenden und die Kosmetika der angegriffenen Marke grundlegend. Mineralstoffpräparate kommen in Tabletten-, Pulver- oder Granulatform vor und werden vom Patienten eingenommen. Dagegen handelt es sich bei den Waren der jüngeren Marke um Flüssigkeiten, Sprays, Cremes oder Lotionen ausschließlich zur äußeren Anwendung. Ein großer Unterschied besteht auch hinsichtlich der Zweckbestimmung - einerseits Heilmittel, andererseits Mittel zur Körper- und Schönheitspflege - der sich gegenüberstehenden Waren. Entsprechendes gilt für die Präparate für die Gesundheitspflege der jüngeren Marke.
Die Waren der sich gegenüberstehenden Marken richten sich an relativ breite Verkehrskreise. Das Mineralstoffpräparat der Widersprechenden muß nicht rezeptpflichtig sein und kann gegen leichtere Leiden eingesetzt werden. Jedoch ist auch zu berücksichtigen, daß Mittel, die der Gesundheit dienen, in der Regel mit einer erhöhten Aufmerksamkeit empfohlen und erworben werden (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 168).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als normal einzuschätzen. Insgesamt reicht angesichts des großen Warenabstands bereits ein geringer Abstand der jüngeren Marke von der Widerspruchsmarke aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Dieser erforderliche Abstand ist nach Auffassung des Senats hier gewahrt. Die beiden Marken stimmen zwar in der Silbenanzahl, in der Betonung und in den Lautfolgen "al - an" überein. Jedoch ergibt sich durch die Abweichungen in den übrigen Konsonanten ein unterschiedliches Gesamtklangbild. Am Anfang der jüngeren Marke steht ein weicher, stimmhafter Mitlaut, während die Widerspruchsmarke mit einem harten, prägnanten Sprenglaut beginnt. Auch die Konsonanten in der Wortmitte differieren deutlich. Das "S" in der angegriffenen Marke ist ebenso wie der Anfangskonsonant eher klangschwach und stimmhaft, während das wie "ts" gesprochene "z" in der Widerspruchsmarke eine harte, klangstarke Komponente enthält. Aus diesen Unterschieden resultiert bei der jüngeren Marke ein weicher, fließender und bei der Widerspruchsmarke ein wesentlich härterer, mehr rhythmischer Gesamtklang, was nicht zu überhören ist.
Schriftbildlich fallen vor allem die stark abweichenden Formen der jeweiligen Anfangsbuchstaben auf.
Hinzu kommen begriffliche Anklänge, die eine gewisse Unterscheidungshilfe geben (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 223 ff.). Die angegriffene Marke lehnt sich stark an das Wort "Balsam" an, während die Widerspruchsmarke eher auf "Kalzium" hindeutet.
Aus diesen Gründen ist auch unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen und aus der unsicheren Erinnerung heraus eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben.
Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Ströbele Hacker Guth Bb
BPatG:
Beschluss v. 03.08.2004
Az: 24 W (pat) 174/02
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