Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 187/02

(BPatG: Beschluss v. 30.09.2003, Az.: 24 W (pat) 187/02)

Tenor

Der Antrag der Widersprechenden, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Inhaberin der angegriffenen Marke aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wort-Bildmarke 397 34 392 Grafik der Marke 39734392.2 für die Waren

"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten); Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren

"Cl 03: Savons; parfumerie, huiles essentielles, cosmetiques, lotions pour les cheveux ; dentifrices.

Cl 18 : Cuir et imitations du cuir et produits en ces matières non compris dans d'autres classes ; valises et sacs.

Cl 25 : Vêtements, y compris bottes, chaussures et pantoufles.

international registrierten Marke 635 586 BonGiorno Widerspruch erhoben.

Mit Beschluß einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 8. Oktober 1999 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 635 586 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 397 34 392 für alle Waren, ausgenommen "Schleifmittel; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke", angeordnet, da insoweit Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke hat dieselbe Markenstelle, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, durch Beschluß vom 1. Juli 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, daß, trotz einer geminderten Kennzeichnungskraft der aus einer verständlichen italienischen Grußformel bestehenden Widerspruchsmarke, im Hinblick auf die mögliche Identität bzw engste Ähnlichkeit der Waren und die klangliche Identität der Widerspruchsmarke mit dem den Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägenden Wortbestandteil "BON GIORNO" eine beachtliche Verwechslungsgefahr bestehe.

Hiergegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke am 1. August 2002 Beschwerde eingelegt. Eine Begründung der Beschwerde wurde nicht eingereicht. Mit Schreiben vom 6. Mai 2003 hat sie die Löschung der angegriffenen Marke 397 34 392 beantragt.

Die Widersprechende hat daraufhin ihren Antrag, der Inhaberin der angegriffenen Marke die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, aufrechterhalten.

Zur Begründung führt sie aus, daß die Inhaberin der angegriffenen Marke im Hinblick auf die Identität der Marken bzw ihrer prägenden Bestandteile und die Identität der beanspruchten Waren hätte erkennen müssen, daß die Beschwerde bei verständiger Würdigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Daß sie keine Beschwerdebegründung eingereicht habe, sei zumindest ein Indiz für das Fehlen neuer Argumente gegen die Verwechslungsgefahr. Es entspreche der Billigkeit, der Beschwerdeführerin, die die Beschwerde zurückgenommen habe, entsprechend dem Grundsatz der §§ 515 Abs 3, 566 ZPO die Kosten der Beschwerdeinstanz aufzuerlegen (Fezer, Markenrecht, 3. Aufl, § 71 Rdn 6).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich durch den Verzicht die angegriffene Marke (§ 48 Abs 1 MarkenG) in der Hauptsache erledigt (vgl hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 48 Rdn 18 f).

Der Kostenantrag der Widersprechenden ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet (§ 71 Abs 1 und 4 MarkenG).

Nach § 71 Abs 1 MarkenG kann das Patentgericht bestimmen, daß die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Eine Kostenentscheidung ist dabei nach § 71 Abs 4 MarkenG auch dann möglich, wenn das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache nicht durch eine Entscheidung abgeschlossen wird, sondern sich, wie vorliegend, durch den Verzicht auf die angegriffenen Marke erledigt hat.

Anders als die Zivilprozessordnung, in welcher der Grundsatz gilt, daß die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (§ 91 Abs 1 Satz 1 ZPO), geht das Markengesetz von dem in § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG hervorgehobenen Grundsatz davon aus, daß jeder Beteiligte die ihm durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten selbst trägt und nur bei Vorliegen besonderer Umstände von dieser Regelung abgewichen werden soll. Der Verfahrensausgang allein, also die bloße Tatsache des Unterliegens, rechtfertigt daher noch nicht die Überbürdung der Kosten auf den jeweils Unterlegenen. Auch stellt der Verfahrensausgang insoweit noch keine Vermutung für die Billigkeit der Kostenauferlegung dar (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 71, Rdn 25; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 71 Rdn 13). Die abweichende, von Fezer vertretene Auffassung (Fezer, Markenrecht, 3. Aufl, § 71 Rdn 4, 5), wonach in kontradiktorischen Verfahren namentlich der Ausgang des Verfahrens maßgeblich sei und es in der Regel der Billigkeit entspreche, dem Unterlegenen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, kann nicht gefolgt werden, da sie in mehrseitigen Verfahren letztlich darauf hinauslaufen würde, entgegen dem og Grundsatz der eigenen Kostentragung die Kostenauferlegung zu Lasten des Unterlegenen als den Regelfall anzusehen.

Die Kostenauferlegung rechtfertigende, von der Norm abweichende besondere Umstände sind in erster Linie in einem Verhalten zu sehen, welches mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgrundsätzen aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder dem Erlöschen des Markenrechts durchzusetzen versucht (vgl BGH GRUR 1972, 600, 601 "Lewapur"; GRUR 1996, 399, 401 "Schutzverkleidung"; BPatG Mitt 1974, 17; Mitt 1977, 73, 74; Ströbele/Hacker, aaO, § 71 Rdn 25; Ingerl/Rohnke, aaO, § 71 Rdn 16). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da der Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht von vornherein jede Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden konnte. So erscheint vor allem die Frage, ob der mit der Widerspruchsmarke weitgehend übereinstimmenden italienischen Grußformel "BON GIORNO" in der angegriffenen Marke angesichts ihrer von der Markenstelle festgestellten Kennzeichnungsschwäche neben den weiteren Wort- und Bildelementen eine im Gesamteindruck prägende Bedeutung zukommt, durchaus zweifelhaft, zumal der zusätzliche - zweimal - enthaltene Wortbestandteil "MODE-VILLA", der zugleich das Firmenschlagwort der Inhaberin der angegriffenen Marke darstellt, nicht ohne weiteres als für den Gesamteindruck der Marke zu vernachlässigen angesehen werden kann (vgl BGH GRUR 1998, 927, 929 "COMOPO-SANA"; GRUR 2002, 342, 344 "ASTRA/ESTRA-PUREN"). Insoweit ist weiterhin von Bedeutung, daß der Erfahrungssatz, wonach eine bloße Herstellerangabe als Bestandteil eine Marke gegenüber sonstigen Merkmalen markenmäßiger Kennzeichnung weitgehend in den Hintergrund tritt, gerade auf dem hier auch betroffenen Modesektor nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ausnahme erleidet, weil der Verkehr auf diesem Warengebiet aufgrund weitverbreiteter Übung daran gewöhnt ist, den Herkunftshinweis und die Warenindividualisierung, die durch die Markierung bewirkt werden, insbesondere auch in dem Unternehmenskennzeichen zu sehen (vgl BGH GRUR 1996, 774, 775 "falkerun/LE RUN"; GRUR 1998, 1014, 1015 "ECCO II").

Daß die Inhaberin der angegriffenen Marke ihre Beschwerde nicht begründet hat, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht als eine die Kostentragung nach sich ziehende Sorgfaltswidrigkeit zu werten. Das Markengesetz sieht für die Beschwerde keine Begründungspflicht vor. Außerdem schreibt das Markengesetz für die Verfahren vor dem Bundespatentgericht den Untersuchungsgrundsatz vor (§ 73 Abs 1 MarkenG), nach dem das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt und weder an das tatsächliche noch an das rechtliche Vorbringen der Beteiligten gebunden ist. Die Inhaberin der angegriffenen Marke durfte daher auch ohne weiteres Vorbringen im Beschwerdeverfahren auf eine umfassende sachliche und rechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidungen vertrauen, zumal sie ihre Rechtsauffassung bereits im Erinnerungsverfahren vor der Markenstelle ausführlich dargelegt hat.

Schließlich rechtfertigt der Umstand, daß die Inhaberin der angegriffenen Marke im anhängigen Beschwerdeverfahren auf ihr Markenrecht verzichtet (§ 48 MarkenG) und damit der Beschwerde ihre sachliche Grundlage entzogen hat, für sich allein ebenfalls nicht die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Verweisung des § 71 Abs 4 MarkenG auch auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG bedeutet, daß in diesen Fällen Ausgangspunkt für Billigkeitserwägungen gleichermaßen die gesetzgeberische Grundentscheidung gegen eine generelle Kostenerstattung ist. Für eine entsprechende Anwendung der §§ 516 Abs 3 Satz 1, 565 ZPO (nF), wonach die Zurücknahme der Berufung oder der Revision die Verpflichtung zur Folge hat, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen, ist wegen der insoweit anderen gesetzlichen Regelung des § 71 Abs 4 u 1 MarkenG und der Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht kein Raum (§ 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG). Es bedarf also auch in diesen Fällen neben dem Unterliegen durch Rücknahme, Verzicht etc zusätzlicher Gründe für die Kostenauferlegung (vgl Ingerl/Rohnke, aaO, § 71 Rdn 22). Solche besonderen Umstände liegen hier jedoch, wie dargelegt, nicht vor.

Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 30.09.2003
Az: 24 W (pat) 187/02


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