Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 11. Oktober 2004
Aktenzeichen: 1 U 83/04

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 11.10.2004, Az.: 1 U 83/04)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.02.2004 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Wegen des Tatsachenvortrages der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Zur Verdeutlichung ist zu ergänzen, daß die Klägerin das Mandat zur Fortführung des Rechtsstreits vor dem Finanzgericht Hamburg im Dezember 1998 auf ihre jetzigen Prozeßbevollmächtigten übertrug. Das Mandat des Beklagten endete im September 1999. Die jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wandten sich mit Schreiben vom 15.09.1999 (Bl. 57 d.A.) an den Beklagten, wiesen diesen auf die ihm bekannte Übertragung des Mandates hin und baten um Übersendung der bereits zuvor fernmündlich angeforderten Unterlagen. Ferner wiesen die Prozeßbevollmächtigten die Klägerin darauf hin, daß offensichtlich ein Zulässigkeitsproblem hinsichtlich der Klagefrist bestehe, und baten auch insofern um Informationen. Mit weiterem Schreiben vom 01.10.1999 (Bl. 59 d.A.) erinnerten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten an die Bitte um Übersendung der angeforderten Unterlagen und verwiesen darauf, daß das beklagte Hauptzollamt die Verfristung der Klageerhebung geltend gemacht hatte. Dem Beklagten wurde eine Frist zur Übersendung der entsprechenden Unterlagen bis zum 07.10.1999 gesetzt und angekündigt, daß anderenfalls der Vortrag des Hauptzollamtes als zutreffend angenommen und dem Mandanten die Inanspruchnahme des Beklagten empfohlen werde.

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme vor dem Finanzgericht Hamburg am 24.09.2002 machte die Klägerin mit Schreiben ihrer jetzigen Prozeßbevollmächtigten vom 02.10.2002 gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche wegen der Verfristung der Klageerhebung geltend (Bl. 132 ff. d.A.). Da der Beklagte sich auf dieses Schreiben nicht erklärte, wurde er erneut mit Schreiben vom 04.11.2002 (Bl. 138 d.A.) aufgefordert, sich mit seiner Anwaltshaftpflichtversicherung in Verbindung zu setzen, wie er dies fernmündlich in Aussicht gestellt habe. Ihm wurde eine Frist bis 04.12.2002 gesetzt, sich schriftlich über seine Einstandspflicht zu erklären. Mit weiterem Schreiben vom 10.02.2003 (Bl. 139 d.A.) wurde der Beklagte zur Zahlung von 192.533,83 Euro bis zum 10.03.2003 aufgefordert. In mehreren Telefonaten erklärte der Beklagte gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, er bzw. seine Haftpflichtversicherung werde für den Schaden aufkommen.

Mit Klageschrift vom 27.03.2003, bei Gericht eingegangen am 31.03.2003, hat die Klägerin Klage eingereicht, die nach Anforderung des Kostenvorschusses gemäß Verfügung vom 07.04.2003 (Bl. 152 d.A.) und Zahlung der angeforderten Kosten am 16.07.2003 (Vorblatt I) aufgrund richterlicher Verfügung vom 22.07.2003 (Bl. 155 d.A.) dem Beklagten in der Folgezeit zugestellt wurde.

Das Landgericht hat der Klage durch am 24.02.2004 verkündetes Urteil lediglich wegen der aufgrund der Beweisaufnahme vor dem Finanzgericht Hamburg entstandenen Kosten in Höhe von 2.195,60 Euro stattgegeben, die Klage im übrigen jedoch abgewiesen, weil der Klägerin der geltend gemachte weitere Schaden nicht entstanden sei (Bl. 338 - 348 d.A.). Die Klägerin hat gegen das ihr am 08.03.2004 zugestellte Urteil am 08.04.2004 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 10.05.2004 (Montag) begründet.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung die erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche im Umfang der Klageabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen, daß ihr aufgrund des anwaltlichen Fehlverhaltens des Beklagten der geltend gemachte Schaden entstanden und der danach bestehende Anspruch nicht verjährt sei.

Sie behauptet, die offizielle Kündigung des Mandates gegenüber dem Beklagten durch die Klägerin sei erst Mitte November des Jahres 1999 erfolgt. Bereits vor dem 24.09.2002 habe der Beklagte den Prozeßvertretern der Klägerin mehrfach fernmündlich versichert, er werde im Fall einer negativen Gerichtsentscheidung den Fall seiner Versicherung vortragen, die den Schaden regulieren werde. Auf das Schreiben der Klägerin vom 02.10.2002 habe der Beklagte telefonisch angekündigt, sich mit seiner Anwaltshaftpflichtversicherung in Verbindung zu setzen. Diese Ankündigung habe er telefonisch am 10.12.2002 wiederholt. Im Januar und Februar 2003 habe der Beklagte behauptet, daß ein Schreiben seiner Berufshaftpflichtversicherung an die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin abgesandt worden sei, er jedenfalls annehme, daß dies geschehen sei. Die Klägerin habe ihre Rechtsschutzversicherung um Kostenübernahme für die eingereichte Klage gebeten. Trotz Ablehnung der Kostenübernahme seien zwischen ihren Prozeßbevollmächtigten und Vertretern der X-Gruppe in folgenden Verhandlungen über die Einstandspflicht der X-Berufshaftpflichtversicherung geführt worden. Mit Rücksicht auf die wiederholten Erklärungen des Beklagten und die späteren Verhandlungen mit seiner Berufshaftpflichtversicherung sei der Ablauf der Verjährung jedenfalls gehemmt worden. Die Hinhaltetaktik des Beklagten sei als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin im Sinne des § 826 BGB zu werten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 24.02.2004

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 264.117,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 192.533,83 Euro seit dem 17.03.2003 und auf den Betrag von 68.270,90 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Versäumung der Klagefrist gegen den Rückforderungsbescheid des Hauptzollamtes Hamburg - Jonas vom 13.01.1994 Nr.M3500B- 1132, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.12.1998, Nr.S0613B- 1125, Rb.-Nr. 84/94, durch den Beklagten entstanden sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Akten des Finanzgerichts Hamburg (Aktenzeichen: IV 22/99) waren zu informatorischen Zwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Allerdings geht das Landgericht zu Recht davon aus, daß der Beklagte die gegenüber der Klägerin bestehenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag schuldhaft dadurch verletzt hat, daß er die Anfechtungsklage gegen den Rückforderungsbescheid des Hauptzollamtes Hamburg-Jonas vor dem Finanzgericht Hamburg erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben hat. Es kann jedoch offen bleiben, ob der Klägerin der mit der Berufung geltend gemachte über die erstinstanzliche Verurteilung des Beklagten hinausgehende Schaden entstanden ist. Denn in diesem Umfang ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 51 b BRAO jedenfalls verjährt.

Es spricht viel dafür, daß der - hier unterstellte - Schaden der Klägerin bereits mit dem Ablauf der Klagefrist gegen den Rückforderungsbescheid am 25.01.1999 eintrat und damit die Verjährungsfrist nach § 51 b 1. Alternative BRAO in Lauf setzte (so ausdrücklich OLG Hamm NJW-RR 2001, 1142; tendenziell, wenn im Ergebnis auch offen lassend, BGH NJW 2000, 1265, 1267). In diesem Fall endete die Verjährung mit Ablauf des 25.01.2002.

Hier kann jedoch offen bleiben, ob der Schaden der Klägerin bereits mit Versäumung der Klagefrist am 25.01.1999 eintrat und die Verjährung in Lauf setzte. Denn der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist auch dann verjährt, wenn man mit der Klägerin als Datum des Schadenseintrittes auf die Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht Hamburg am 24.09.2002 abstellt. In diesem Fall begann der Lauf der Verjährungsfrist nach § 51 b 2. Alternative BRAO mit der Beendigung des Auftrags im September 1999. Die Klägerin hat in der Klageschrift selbst vorgetragen, daß das Mandat des Beklagten zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren vor dem Finanzgericht Hamburg im September 1999 endete. Dieser Sachvortrag wird belegt durch die Schreiben der bereits im Dezember 1998 beauftragten jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 15.09.1999 und vom 01.10.1999, mit welchen der Beklagte zur Übersendung der bei ihm vorhandenen Unterlagen für das Verfahren vor dem Finanzgericht aufgefordert wurde.

Die von der Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Behauptung, daß das Mandat des Beklagten erst im November 1999 gekündigt worden sei, ist neu und deshalb nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Gründe für die Zulassung dieser Behauptung sind weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht.

Wegen der Beendigung des Mandates des Beklagten im September 1999 endete somit die Verjährungsfrist nach § 51 b 2. Alternative BRAO im September 2002.

Die Verjährung wurde nicht durch Verhandlungen nach § 203 BGB gehemmt. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB findet § 203 BGB vorliegend für die Zeit ab dem 01.01.2002 Anwendung. Verhandlungen im Sinne dieser Norm sind bis zum Ablauf der Verjährung im September 2002 jedoch nicht geführt worden. Soweit der erstinstanzliche Sachvortrag der Klägerin von Telefongesprächen mit dem Beklagten berichtet, geht es um den Zeitraum ab Oktober 2002. Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Behauptung der Klägerin, bereits vor dem 24.09.2002 habe der Beklagte den Prozeßvertretern der Klägerin mehrfach fernmündlich versichert, er werde im Fall einer negativen Gerichtsentscheidung den Fall seiner Versicherung vortragen, die den Schaden regulieren werde, ist neu und deshalb nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Zulassungsgründe sind weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht. Im Übrigen kann die Ankündigung, den Haftpflichtversicherer zu informieren, nicht als Schweben von Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB angesehen werden. Zwar ist der Begriff der Verhandlung im Sinne des § 203 BGB weit auszulegen. Es genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung abgelehnt wird (BGH NJW-RR 2001, 1168). Ein derartiger Meinungsaustausch kann in der Erklärung, den Haftpflichtversicherer zu informieren, nicht gesehen werden. Eine Erklärung dieses Inhalts beschränkt sich auf die Ankündigung, die entsprechende Obliegenheit aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag wahrnehmen zu wollen. Eine darüber hinausgehende Bedeutung im Sinne eines Meinungsaustauschs über den geltend gemachten Anspruch kann ihr nicht entnommen werden.

Die Klage ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines so genannten sekundären Ersatzanspruches gegen den Beklagten begründet. Der Mandant, dessen ursprünglicher (primärer) Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages verjährt ist (§ 51 b BRAO), hat dann einen weiteren (sekundären) Ersatzanspruch, wenn der Rechtsanwalt den Schaden in Gestalt der Primärverjährung verursacht hat, indem er im Rahmen der umfassenden vertraglichen Beratungspflicht eine bis zum Mandatsende entstandene (sekundäre) Pflicht, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regresshaftung und deren kurze Verjährung gemäß § 51 b BRAO hinzuweisen, schuldhaft verletzt hat und der Mandant bei ordnungsmäßiger Aufklärung die Primärverjährung verhindert hätte (BGH NJW 2000, 1263, 1264 m.w.N.).

Hier bestehen zwar keine Bedenken, das Bestehen eines so genannten sekundären Schadensersatzanspruches der Klägerin gegen den Beklagten zu bejahen. Der Beklagte hatte Anlaß, sein früheres Verhalten im Zusammenhang mit der Rechtzeitigkeit der Erhebung die Anfechtungsklage zu überprüfen. Denn in dem Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Hamburg hatte das beklagte Hauptzollamt Hamburg - Jonas in der Klageerwiderung vom 03.03.1999 ausdrücklich die Unzulässigkeit der Klage wegen Versäumung der Klagefrist geltend gemacht. Hätte der Beklagte die danach veranlasste Prüfung seines Verhaltens vorgenommen, hätte er die von ihm zu vertretende Unzulässigkeit der Klage erkennen müssen. Somit hat der Beklagte die bis zum Mandatsende entstandene (sekundäre) Pflicht, die Klägerin auf die Möglichkeit seiner eigenen Regresshaftung und deren kurze Verjährung gemäß § 51 b BRAO hinzuweisen, schuldhaft verletzt.

Jedoch ist auch der sekundäre Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten verjährt. Das gilt unabhängig davon, ob die Verjährungsfrist für den primären Ersatzanspruch nach § 51 b 1. Alternative BRAO am 25.01.1999 oder im September 1999 in Lauf gesetzt wurde. Ist - wie hier - das Mandat des Rechtsanwalts vor der Verjährung des Primäranspruchs beendet, beginnt die Frist für die Verjährung des Sekundäranspruchs gemäß der Hilfsregelung des § 51 b BRAO mit dem Mandatsende, da der Rechtsanwalt verpflichtet ist, spätestens mit Mandatsende auf einen etwaigen Primäranspruch hinzuweisen (BGH NJW 2000, 1263, 1265; NJW 2002, 1414, 1416; NJW 1985, 2250, 2252).

Die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Beklagten kann im Ergebnis auch nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden. Allerdings kommt der Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber der Verjährungseinrede hier deshalb in Betracht, weil der Beklagte, nachdem ihm mit Schreiben der jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 09.10.2001 Regressansprüche angedroht worden waren für den Fall, daß er weiterhin keine konkreten Tatsachen über den Zugang des Rückforderungsbescheides zur Begründung von Zweifeln an der gesetzlichen Zugangsvermutung mitteilen werde, in seinem Antwortschreiben vom 05.11.2001 die falsche Angabe machte, daß seine Sekretärin damals werktäglich im Büro vorbeigeschaut habe. Mit dieser unrichtigen Auskunft veranlasste der Beklagte die Klägerin, bei dem Finanzgericht Hamburg Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid vom 07.09.2001 zu stellen und von der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn (vorläufig) abzusehen. Im Rahmen seiner nachvertraglichen Pflichten hätte der Beklagte der Klägerin eine falsche Auskunft nicht erteilen dürfen. Durch diese (erneute) Pflichtverletzung hielt der Beklagte die Klägerin davon ab, gegen ihn in unverjährter Zeit Regressansprüche geltend zu machen. Es stellt eine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung dar, wenn eine in dieser Weise unredlich erworbene Verjährungseinrede erhoben wird (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Auflage, § 242, Rdnr. 38, 43; Überblick vor § 194, Rdnr. 16 ff. m.w.N.). Gleichwohl ist die Erhebung der Verjährungseinrede hier im Ergebnis nicht als rechtsmißbräuchlich anzusehen. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung schließt die Verjährungseinrede nur für den Zeitraum aus, in welchem die Klägerin durch das unredliche Verhalten des Beklagten an der Geltendmachung des Regressanspruchs in verjährungshemmender Weise gehindert war. Nach Wegfall der die Unzulässigkeit der Rechtsausübung begründenden Umstände beginnt keine neue Verjährungsfrist. Vielmehr bestimmt sich die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs nach den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs und den Umständen des Einzelfalls. In der Rechtsprechung wird angenommen, daß die zeitliche Höchstgrenze in der Regel bei 4 Wochen liegt (OLG Düsseldorf NJW 1983, 1435; Palandt/Heinrichs a.a.O., Überblick vor § 194 Rdnr. 20) und bei 6 oder 5 ½ Wochen in der Regel überschritten ist (BGH NJW 1991, 975). Nach diesen Grundsätzen kann der Verjährungseinrede der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nicht entgegengehalten werden. Vielmehr hat die Klägerin die Klage zur Hemmung der Verjährung verspätet erhoben. Aufgrund der Beweisaufnahme vor dem Finanzgericht Hamburg am 24.09.2002 waren der Klägerin seit diesem Tag die Umstände bekannt, aus denen sich die schuldhafte Versäumung der Klagefrist durch den Beklagten und die Unrichtigkeit seiner Angaben im Schreiben vom 05.11.2001 ergaben. Dementsprechend machten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 02.10.2002 auch Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend. Gleichwohl wurde die Klage erst am 31.03.2003 bei Gericht eingereicht und dem Beklagten nach dem 24.07. zugestellt. Diese Zustellung erfolgte nicht demnächst im Sinne des § 167 ZPO. Denn die Verzögerung der Zustellung wurde dadurch von der Klägerin verursacht, daß sie den mit Verfügung vom 07.04.2003 angeforderten Kostenvorschuß erst am 16.07.2003 bei Gericht einzahlte. Die Voraussetzungen für die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO liegen danach nicht vor. Somit ist die Klage erst mehr als 9 Monate nach Wegfall der die Unzulässigkeit der Rechtsausübung begründenden Umstände erhoben worden. Eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB konnte hierdurch nicht mehr eintreten.

Eine andere Beurteilung ergäbe sich selbst dann nicht, wenn der neue Sachvortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 08.10.2004 über die Erklärungen des Beklagten im Anschluß an das Schreiben vom 02.10.2004 und über die Verhandlungen mit Vertretern seiner Berufshaftpflichtversicherung entgegen § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre. Diese neu vorgetragenen Umstände konnten eine Hemmung der Verjährung nicht bewirken, weil diese bereits abgelaufen war. Das von der Klägerin - wohl zu Recht - als €Hinhaltetaktik€ gewertete Verhalten des Beklagten hinderte die Klägerin nicht daran, ihren Regressanspruch in verjährungshemmender Weise geltend zu machen.

Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung läßt sich mit dem Verhalten des Beklagten nach dem Schreiben der Klägerin vom 02.10.2002 nicht begründen. Erst recht kann in dem Verhalten des Beklagten nicht eine zum Schadensersatz verpflichtende vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB gesehen werden. Es war vielmehr Sache der anwaltlich vertretenen Klägerin, die Klage rechtzeitig zu erheben, um der Verjährungseinrede des Beklagten mit dem auf seiner Falschauskunft im Schreiben vom 05.11.2001 beruhenden Mißbrauchseinwand begegnen zu können.

Da das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg hat, hat sie die Kosten der Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 11.10.2004
Az: 1 U 83/04


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