Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 3. April 2002
Aktenzeichen: 2 VA (Not) 10/01
(OLG Köln: Beschluss v. 03.04.2002, Az.: 2 VA (Not) 10/01)
Tenor
Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung vom 02.07.2001 und auf Er-lass einer einstweiligen Anordnung vom 27.06.2001 werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und die dem Antragsgegner entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen.
Der Geschäftswert wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der am 12.09.1959 geborene Antragsteller legte am 28.01.1986 bei dem Landesjustizprüfungsamt N.-W. die Abschlussprüfung der einstufigen Juristenausbildung mit der Note "sehr gut" ab und promovierte am 01.10.1990 "summa cum laude" an der Universität B., wo er nach seinem Examen als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Am 02.01.1989 wurde er als Notarassessor in den Notaranwärterdienst des Landes N.-W. aufgenommen.
Mit Schreiben vom 19.12.1990 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, dass er sich in T. um eine Notarstelle beworben habe, und erbat für den Fall seiner Notarbestellung in T. eine verbindliche Rückkehrzusicherung binnen einer Frist von 5 Jahren. Durch Schreiben des Antragsgegners vom 03.01.1991 wurde dem Antragsteller wunschgemäß zugesagt, im Fall einer Notarbestellung in T. innerhalb von 5 Jahren seit dem Ausscheiden aus dem Anwärterdienst des Landes N.-W. ohne Angabe von Gründen zurückkehren und die Ausbildung als Notarassessor in N.-W. unter Anrechnung der Notarzeit in T. auf das Dienstalter fortsetzen zu können. Mit Wirkung zum 01.04.1991 wurde der Antragsteller zum Notar in T. mit Amtssitz in E. bestellt, wo er seitdem als Notar tätig ist.
Der Antragsgegner schrieb im Justizministerialblatt N.-W. vom 15.01.2001 mit einer Bewerbungsfrist bis zum 15.02.2001 eine Notarstelle in G. aus, da dem bisherigen Amtsinhaber mit Wirkung zum 01.05.2001 eine Notarstelle in M. übertragen werden sollte. Auf die ausgeschriebene Stelle in G. bewarben sich neben dem Antragsteller 5 Notarassessoren aus N.-W. und ein Notar aus S.. In seinem Bericht vom 14.05.2001 schlug der Präsident des Oberlandesgerichts D. in Übereinstimmung mit dem Präsident der R. Notarkammer eine Notarassessorin aus A., ersatzweise einen Notarassessor aus B. und weiter ersatzweise Notarassessor F. aus M. zur Besetzung vor. Zum Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung am 31.05.2001 hatten sich die Bewerbungen der Notarassessorin aus A. und des Notarassessors aus B. anderweitig erledigt, weshalb sich der Antragsgegner für eine Besetzung der Stelle mit Notarassessor F. entschied.
Der am 04.03.1966 geborene Notarassessor H. F. legte in den Jahren 1992 und 1996 die beiden juristischen Staatsprüfungen in N.-W. jeweils mit der Note "vollbefriedigend" ab. Nach etwa 2-jähriger Tätigkeit bei einem Verband wurde er mit Wirkung zum 01.07.1998 als Notarassessor in den Notaranwärterdienst des Landes N.-W. aufgenommen. In der letzten dienstlichen Beurteilung des Präsidenten der R. Notarkammer vom 16.03.2001 wurden auf der Grundlage eines Beurteilungsbeitrags des damaligen Ausbildungsnotars die Fähigkeiten und fachlichen Leistungen von Notarassessor F. mit "gut" (13 Punkte) beurteilt.
Durch Schreiben des Antragsgegners vom 05.06.2001 wurde dem Antragsteller gemäß § 13 AVNot NW mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Notarstelle einem Mitbewerber zu übertragen, und dass nach Ablauf von drei Wochen dem Besetzungsverfahren Fortgang gegeben werde. Nach weiterer Erläuterung der Besetzungsentscheidung durch Schreiben des Antragsgegners vom 12.06.2001 beantragte der Antragsteller am 27.06.2001, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange über seine Bewerbung nicht bestandskräftig entschieden sei. Im Hinblick auf diesen Antrag hat der Antragsgegner die Besetzung derzeit zurückgestellt.
Am 03.07.2001 hat der Antragsteller den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache gestellt.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Besetzungsentscheidung sei ermessensfehlerhaft und verletze ihn in seinen Rechten. Dem Antragsgegner sei es verwehrt, sich schematisch auf die Regelung des § 7 Abs. 1 BNotO, wonach in der Regel nur Bewerber zu Notaren bestellt werden sollen, die sich im Anwärterdienst des jeweiligen Landes befinden, zu berufen, da er auch in der Vergangenheit durch Bestellung von "Seiteneinsteigern" aus anderen Ländern davon abgewichen sei; eine demnach erforderliche individuelle Ermessensentscheidung aber sei nicht getroffen worden. Dazu hätte im vorliegenden Fall in besonderer Weise Anlass bestanden, da der Antragsgegner in anderer Hinsicht von der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO abgewichen sei, denn der zur Bestellung vorgesehene Mitbewerber F. habe bei Ablauf der Bewerbungsfrist noch keinen 3-jährigen Anwärterdienst abgeleistet gehabt. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung hätte sich der Antragsgegner mit der Frage befassen müssen, ob ein Notarassessor ohne Erfüllung des Regelanwärterdienstes einem Notar aus einem anderen Land vorzuziehen sei, der dieselben Erfahrungen im Anwärterdienst des Landes N.-W. mitbringe, über langjährige praktische Erfahrung als Notar verfüge und zudem bessere Zeugnisse und Beurteilungen aufweise.
Darüber hinaus macht der Antragsteller geltend, die Besetzungsentscheidung sei auch deshalb fehlerhaft, da auf entsprechenden Antrag eines Notars mit über 5-jähriger Amtszeit im Bereich der rheinischen Notarkammer bei einer Stellenausschreibung dessen Amtssitz mit Vorrang vor sich bewerbenden Notarassessoren verlegt werde; ein Nurnotar aus einem anderen Land aber müsse sich unter denselben Voraussetzungen bewerben können wie ein Nurnotar aus dem Bereich der R. Notarkammer.
Schließlich ist der Antragsteller der Auffassung, die Handhabung des § 7 Abs. 1 BNotO durch den Antragsgegner wecke erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, insbesondere im Hinblick auf Artikel 33 Abs. 2 GG.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheids vom 05.06.2001 zu verpflichten, über die Bewerbung des Antragstellers um die im Justizministerialblatt NW vom 15.01.2001 ausgeschriebene Notarstelle in G. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden;
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Justizministerialblatt NW vom 15.01.2001 ausgeschriebene Notarstelle in G. mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er tritt den Ausführungen des Antragstellers entgegen und nimmt hinsichtlich der Gründe für die Besetzung der Notarstelle mit Notarassessor F. Bezug auf den Inhalt der Besetzungsentscheidung vom 31.05.2001.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und den beigezogenen Besetzungsvorgang ...... G. des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 111 Abs. 1, 2 BNotO statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, da die Besetzungsentscheidung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
Soweit der Antragsteller geltend macht, der Antragsgegner habe sich bei seiner Besetzungsentscheidung schematisch auf die Regelung des § 7 Abs. 1 BNotO berufen und keine individuelle Ermessensentscheidung getroffen, kann dem nicht gefolgt werden. Ausweislich des Wortlauts der Entscheidung vom 31.05.2001 hat sich der Antragsgegner mit den beiden Regelvoraussetzungen dieser Vorschrift auseinandergesetzt und im Wege der Abwägung sowohl berücksichtigt, dass Notarassessor F. zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist die dreijährige Regelanwärterzeit noch nicht erreicht hatte, als auch in seine Überlegungen einbezogen, inwieweit Notare aus anderen Ländern, die sich somit nicht im Anwärterdienst des Landes N.-W. befinden, Berücksichtigung finden können. Eine Ermessensunterschreitung durch Nichtausübung kann somit nicht festgestellt werden.
Die getroffene Entscheidung ist auch nicht im Sinne von § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO ermessensfehlerhaft. Ein Ermessensfehlgebrauch ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass der Antragsgegner Notarassessor F. den Vorzug gegeben hat, obwohl dieser zum Ablauf der Bewerbungsfrist den dreijährigen Anwärterdienst noch nicht vollständig abgeleistet hatte. Zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist war Notarassessor F. zwar erst 2 Jahre und 7 1/2 Monate Notarassessor, bezogen auf den frühesten Zeitpunkt der Stellenbesetzung am 01.05.2001 hätte er jedoch bereits 2 Jahre und 10 Monate Anwärterdienst absolviert gehabt. Es gereicht dem Antragsgegner nicht zum Nachteil, sondern ist vielmehr sachgerecht, wenn im Hinblick auf übliche Verzögerungen bei Besetzungsverfahren eine Ausschreibung frühzeitig in die Wege geleitet wird und bei der Besetzungsentscheidung dann auch solche Bewerber berücksichtigt werden, die bezogen auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Stellenübertragung den Regelanwärterdienst nahezu vollständig abgeleistet haben. Die Besetzungsentscheidung wurde hier am 31.05.2001 getroffen; mit Datum vom 05.06.2001 wurde den unterlegenen Bewerbern gemäß § 13 AVNot NW mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Stelle einem Mitbewerber zu übertragen, und dass nach Ablauf von drei Wochen dem Besetzungsverfahren Fortgang gegeben werde. Die tatsächliche Stellenübertragung hätte somit frühestens am 26.06.2001 erfolgen können zu einem Zeitpunkt, in dem Notarassessor F. lediglich noch 5 Tage bis zum Ablauf des Regelanwärterdienstes fehlten.
Soweit der Antragsgegner bei dieser tatsächlichen zeitlichen Handhabung von der Regel des dreijährigen Anwärterdienstes abgewichen ist, handelte er hinsichtlich dieser geringfügigen Abweichung im Bereich des ihm eingeräumten Ermessensspielraumes. Dies gilt schon im Hinblick auf § 6b Abs. 4 Satz 2 BNotO, der für den Fall der Regelvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 BNotO einen abweichenden Zeitpunkt ausdrücklich zulässt; im Ergebnis hat der Antragsgegner lediglich diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen. Die geringfügige Abweichung von der Regel war aber vor allem deshalb ermessensfehlerfrei, da im übrigen an der Geeignetheit des Bewerbers F., insbesondere seinen Fähigkeiten und fachlichen Leistungen, die zuletzt mit "gut" (13 Punkte) und besonderer Eignung für das Notaramt beurteilt worden waren, keine Zweifel bestanden. Zwischenzeitlich erfüllt Notarassessor F. die zeitlichen Voraussetzungen des Regelanwärterdienstes ohnehin.
Ermessensfehlerfrei ist auch, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung im Hinblick auf den Antragsteller von der Regelvoraussetzung ausgegangen ist, wonach sich ein Bewerber im Anwärterdienst des Landes befinden soll, in dem er sich um die Bestellung bewirbt, was bei dem Antragsteller eben nicht der Fall ist. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Antragsteller weder unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes noch aus einem anderen rechtlichen Grund in seiner Ermessensausübung dadurch eingeschränkt war, dass er in den vergangenen Jahren in einigen Fällen "Seiteneinsteiger" aus anderen Ländern zu Notaren bestellt hat (vgl. dazu BGH NJW-RR 2001, 1136). Soweit der Antragsteller in der Vergangenheit von der Regel abgewichen ist, beruhte dies auf der damaligen besonderen Situation eines Missverhältnisses zwischen den besetzbaren Stellen und der Zahl ernennungsreifer Notarassessoren, die heute so nicht mehr gegeben ist. Eine Selbstbindung ist dadurch nicht eingetreten, weshalb der Antragsgegner nicht gehindert ist, von der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO grundsätzlich Gebrauch zu machen.
Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass diese Regel nicht nur sicherstellen will, dass die aus dem Anwärterkreis des Landes zu bestellenden Notare mit den spezifischen landesrechtlichen Vorschriften und Besonderheiten hinreichend vertraut sind, sondern vor allem auch eine strukturell vernünftige und vorausschauende Personalplanung, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Rechtspflege, ermöglichen will. Bei der Festlegung der Zahl und bei der Einstellung der Notarassessoren ist bereits der an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege (§ 4 BNotO) orientierte beschränkte Zugang zum Beruf des Notars zu berücksichtigen; aufgrund der Zweckbestimmung des Anwärterdienstes sind nur so viele Assessoren einzustellen, wie Aussicht besteht, sie in angemessener Zeit zu Notaren zu bestellen (Seybold/Schippel, BNotO 7. Aufl., § 7 Rdn. 7, 8). Ein Festhalten an der Regelvoraussetzung wahrt dabei einerseits die Interessen der Notarassessoren, die im Sinne eines Anwartschaftsrechtes im Rahmen des Anwärterdienstes einen Anspruch darauf haben, in angemessener Zeit zu Notaren bestellt zu werden, und andererseits das Interesse des Antragsgegners an einer vorausschauenden, an den Bedürfnissen der Rechtspflege mit der daraus resultierenden Anzahl von Notaren ausgerichteten Personalplanung, die nur dann möglich ist, wenn der Kreis der Bewerber um Notarstellen mit diesen Stellen harmonisiert. Beide Regelungszwecke würden zunichte gemacht, wäre der Antragsgegner gezwungen, ohne einen im Hinblick auf die geordnete Rechtspflege zwingenden Grund von der Regelvoraussetzung des § 7 Abs. 1 BNotO abzuweichen und - etwa aufgrund besserer Zeugnisse und Beurteilungen sowie anderweitiger praktischer Erfahrungen - schon deshalb "Seiteneinsteigern" aus anderen Ländern den Vorzug zu geben. Vielmehr entspricht es gerade dem eingeräumten Ermessensspielraum, diese generellen Regelungszwecke bei der Abwägung im Einzelfall zu berücksichtigen und es bei der Regelvoraussetzung zu belassen, sofern wie hier ein anderer geeigneter Bewerber zur Verfügung steht. Unter diesem Blickwinkel ist die Ermessensentscheidung des Antragstellers nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden.
Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf, dass bei der Bewerbung eines Notars mit über 5-jähriger Amtszeit im Bereich der r. Notarkammer bei einer Stellenausschreibung dessen Amtssitz mit Vorrang vor sich bewerbenden Notarassessoren verlegt werde. Denn unabhängig davon, ob ein solches Verfahren tatsächlich regelmäßig praktiziert wird, bleiben dabei jedenfalls die Interessen der Notarassessoren und die Möglichkeiten einer an den Bedürfnissen der Rechtspflege ausgerichteten vorausschauenden Personalplanung gewahrt. Die Anwartschaftsrechte der Notarassessoren werden bei einer solchen Amtssitzverlegung nämlich allenfalls kurzfristig berührt, aber nicht weitergehend beeinträchtigt, da zugleich aufgrund der Amtssitzverlegung eine andere Stelle frei wird; die grundsätzliche Personalplanung ist nicht betroffen, denn am Verhältnis der zur Verfügung stehenden Notarassessoren und der zu besetzenden Stellen ändert sich nichts. Eine länderübergreifende Amtssitzverlegung hingegen, wie sie der Antragsteller geltend machen will, würde dazu führen, dass die entsprechende Stelle aus dem Bewerberkreis der Notaranwärter ggf. nicht besetzbar wäre und auch eine durch die Amtssitzverlegung frei werdende Stelle nicht zur Verfügung stünde. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich der Antragsteller eben im Wege des auf die Stellenausschreibung durchgeführten Bewerbungsverfahrens mit den dabei geltenden Regelungen beworben und nicht etwa eine Amtssitzverlegung begehrt hat, weshalb eine Amtssitzverlegung ohnehin nicht in Betracht kommen kann.
Der Antragsgegner ist zu einer Abweichung auch nicht deshalb gezwungen, weil sachliche Gesichtspunkte eine Ausnahme rechtfertigen könnten (vgl. BGH a.a.O.). Insoweit kann dahinstehen, ob etwa das bessere Leistungsbild des Antragstellers, die Tatsache, dass er einen erheblichen Teil des Regelanwärterdienstes im Lande N.-W. absolviert hat, oder seine nachfolgend gemachten praktischen Erfahrungen als Notar in T. eine Abweichung von der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO tragen würden; im Rahmen des eingeräumten Ermessens ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner solche Gesichtspunkte gegenüber der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO aus personalplanerischen Gründen, deren Belangen die Regel eben gerade dient, nicht durchgreifen lässt. Soweit der Antragsteller unter Berufung auf BGH RNotZ 2001, 352 meint, allein die Eignung sei entscheidender Gesichtspunkt bei der Besetzung, verkennt er, dass der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung für die erstmalige Bestellung eines Notars die persönliche und fachliche Eignung eben nur unter den Erfordernissen des § 7 Abs. 1 BNotO herausstellt, die bei dem Antragsteller eben nicht gegeben sind.
Schließlich ist festzustellen, dass die von dem Antragsteller angeführten wirtschaftlichen Gründe (Rückgang der Bevölkerung und damit des Urkundenaufkommens in den neuen Ländern) erst recht keinen Grund darstellen, zu seinen Gunsten von der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO abzuweichen. Wäre der Antragsgegner etwa bei besserem Leistungsbild von sich bewerbenden Notaren aus den neuen Ländern gezwungen, solchen "Seiteneinsteigern" in Abweichung von den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BNotO den Vorzug zu geben, wäre zu befürchten, dass eine Vielzahl von Notaren sich auf wirtschaftlich interessanter erscheinende Stellen in N.-W. bewerben würde mit der Folge, dass einerseits die Notarassessoren des Landes N.-W. über geraume Zeit hinweg in ihren Anwartschaftsrechten auf Bestellung zum Notar erheblich beeinträchtigt würden und andererseits dem Antragsgegner eine vernünftige Personalplanung unmöglich gemacht würde. Zudem gilt es hinsichtlich dieser wirtschaftlichen Gesichtspunkte gerade betreffend den Antragsteller zu berücksichtigen, dass er sich nach einer Ausbildungsdauer von nur 2 Jahren und 3 Monaten im Anwärterdienst N.-W. für eine Notartätigkeit in E. entschieden hat und damit erheblich früher - nach seinen eigenen Angaben mussten Anfang der 90er Jahre Notarassessoren in N.-W. etwa 6 Jahre auf ihre Ernennung zum Notar warten - als üblich zum Notar bestellt wurde. Den persönlichen Belangen des Antragstellers wurde dabei vom Antragsgegner durch die damals erteilte - und nunmehr durch Zeitablauf gegenstandslose - Rückkehrzusicherung in hinreichendem Maße Rechnung getragen. Soweit der Antragsteller nunmehr aus wirtschaftlichen Gründen eine Rückkehr beabsichtigt und damit seine eigene Entscheidung für eine Notartätigkeit in E. rückgängig zu machen wünscht, kann darin kein zureichender Grund liegen, in seinem Interesse im Rahmen des gegebenen Ermessens von der Regel des § 7 Abs. 1 BNotO abzuweichen, da dem die erheblichen Belange der hiesigen Notaranwärter und die genannten personalplanerischen Gesichtspunkte entgegenstehen.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Handhabung des § 7 Abs. 1 BNotO durch den Antragsgegner den Antragsteller auch nicht in grundgesetzlich geschützten Rechten verletzt, die Vorschrift ist nicht verfassungswidrig.
Der Notar übt einen "staatlich gebundenen" Beruf aus. Für diesen gilt ebenso wie für die Berufe, die zum öffentlichen Dienst im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG gehören, grundsätzlich Art. 12 Abs. 1 GG. Je nach der Nähe des Berufs zum öffentlichen Dienst finden allerdings Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG Anwendung, die die Wirkungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zurückdrängen (BVerfGE 73, 280). Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt. Diesem Gesetzesvorbehalt unterliegen Maßnahmen, die die Freiheit der Berufswahl betreffen, ebenso wie solche, die lediglich die Ausübung des Berufes berühren. Dass die Tätigkeit des Notars nach der Art der von ihm zu erfüllenden Aufgaben in sachlich bedingter Nähe zum öffentlichen Dienst steht, ermöglicht für diesen Beruf zwar grundsätzlich Sonderregelungen, die sich an die für den öffentlichen Dienst nach Art. 33 Abs. 5 GG geltenden Grundsätze anlehnen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass an die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gebotene gesetzliche Regelung geringere Anforderungen zu stellen wären als bei anderen Berufen. Lediglich für den Inhalt der Regelung kann die Nähe zum öffentlichen Dienst von Bedeutung sein (BVerfGE a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass sich die Vorschrift des § 7 Abs. 1 BNotO als subjektive Zulassungsvoraussetzung vorliegend betreffend den Antragsteller lediglich als eine die Berufsausübung berührende Regelung darstellt, denn in der Fortführung seiner notariellen Tätigkeit in E. wird der Antragsteller durch die Handhabung der Vorschrift durch den Antragsgegner nicht gehindert. Unabhängig davon, auf welche Weise die Vorschrift im Einzelfall die Berufsfreiheit berührt, ist sie aber jedenfalls ein formelles Gesetz im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, welches inhaltlich hinreichend bestimmt Umfang und Grenzen des Eingriffscharakters aufzeigt sowie als notwendige und sachgerechte Regelung überzeugt, weshalb sich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ergeben.
Durch die Regelvoraussetzung, dass der Bewerber im Notaranwärterdienst des jeweiligen Landes stehen soll, hat der Gesetzgeber in der notwendigen und hinreichend klaren Weise bestimmt, welche Voraussetzungen bei der Notarbestellung gegeben sein müssen. Die Regelung ist auch sachgerecht, als sie zum einen dem Zweck dient, dass die zu bestellenden Notare mit den spezifischen landesrechtlichen Vorschriften und Besonderheiten hinreichend vertraut sind, zum anderen eine strukturell vernünftige und vorausschauende Personalplanung, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Rechtspflege, ermöglichen will. Aufgrund der verfassungsrechtlich gegebenen Justizhoheit der Länder sind Notarbestellungen Ländersache, weshalb es schon von daher sachgemäß ist, den einzelnen Ländern im Rahmen ihrer Personalplanung die Möglichkeit einzuräumen, jedenfalls grundsätzlich den Bewerberkreis auf die Personen zu beschränken, die sich im Anwärterdienst des jeweiligen Landes befinden. Denn nur dann ist es möglich, eine an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege (§ 4 BNotO) orientierte Personalplanung zu betreiben, da anderenfalls unwägbar bliebe, wie viele Notarassessoren im Hinblick auf den künftigen Notarbedarf einzustellen sind. Eben wegen der Nähe des Notaramtes zum öffentlichen Dienst bedarf es einer solchen Regelung, denn ohne die in § 7 Abs. 1 BNotO bestimmte Regelvoraussetzung der Zugehörigkeit zum Anwärterdienst des Landes wäre eine Bewerberauswahl zwischen Notarassessoren eines Landes und "Seiteneinsteigern" aus anderen Ländern unter Berücksichtigung der Verschränkung zwischen Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 33 GG nur nach Eignung unter Leistungsgesichtspunkten möglich mit der Folge, dass nicht mehr gewährleistet werden könnte, Notarassessoren entsprechend ihren Anwartschaftsrechten in angemessener Zeit zu Notaren zu bestellen. Neben der Beeinträchtigung der Anwartschaftsrechte von Notarassessoren kommt hinzu, dass aufgrund dieser Unwägbarkeit, in absehbarer und angemessener Zeit zum Notar ernannt zu werden, qualifizierter Nachwuchs auf der Ebene des derzeit gegebenen hohen Anwärterniveaus nur schwer zu gewinnen wäre, denn eine Ausbildung im Rahmen des Anwärterdienstes ohne absehbares Ende wäre jedenfalls für qualifizierte Bewerber wenig reizvoll. Im Ergebnis würde dies zu einer Qualitätsminderung führen, was den Bedürfnissen einer geordneten und qualitativ hochwertigen Rechtspflege im Bereich des Notariats widerspricht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kam aus den vorstehend genannten Gründen nicht in Betracht, denn mangels Rechtsverletzung steht dem Antragsteller ein durch einstweilige Anordnung zu sichernder Anspruch nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, §§ 200, 201 Abs. 1, § 40 Abs. 4 BRAO, § 13a FGG, die Festsetzung des Geschäftswertes auf § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 202 Abs. 2 BRAO, § 30 KostO.
OLG Köln:
Beschluss v. 03.04.2002
Az: 2 VA (Not) 10/01
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