Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 1. April 2003
Aktenzeichen: 4 U 174/02

(OLG Hamm: Urteil v. 01.04.2003, Az.: 4 U 174/02)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. August 2002 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten unter Aufrechterhaltung der Ordnungsmittel verurteilt werden, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel &...8222;X Schwarzkümmel-Kapseln&...8220; zu werben:

Das reicht auch aus. Also in der Regel wird gesagt, nur Steigerung bei Schwarzkümmel zum Beispiel, wenn Allergien vorliegen ... ´ne Kur machen, sechs Stück am Tag vier Monate. Aber wenn Sie da nichts haben, das reicht aus.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 28.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann durch unbedingte, unwiderrufliche, unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge anerkannten Kreditinstiuts in der Europäischen Union erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere darauf zu achten, daß die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, vertreibt u.a. das Mittel "X Schwarzkümmelkapseln".

Am 24. März 2002 warb der Beklagte in einer Sendung des TV-Senders X2 für das vorgenannte Mittel. Dabei äußerte er u.a.: "Es gibt heute so viele Krankheitsbilder, so unterschiedlich die auch aussehen, ob&...8216;s die harmlose Erkältungskrankheit ist, ob es Krebserkrankungen, Allergien, Asthma und und und, all diese Krankheitsbilder, so unterschiedlich sie auch sind, haben einen gemeinsamen Nenner, nämlich einen Effekt im Immunsystem. Und hier macht Schwarzkümmelöl, hier leistet Schwarzkümmelöl eine unglaubliche Arbeit auf natürliche Art und Weise", und auf die Frage einer Hörerin: "Das reicht auch aus. Also in der Regel wird gesagt, nur Steigerung bei Schwarzkümmel zum Beispiel, wenn Allergien vorliegen ... &...8216;ne Kur machen, 6 Stück am Tag vier Monate. Aber wenn Sie da nichts haben, das reicht aus ...".

Der Kläger mahnte die Beklagten vergeblich wegen der Aussage "Schwarzkümmel zum Beispiel, wenn Allergien vorliegen ..., &...8218;ne Kur machen, 6 Stück am Tag vier Monate" ab, wobei er auch eine Abnahmkostenpauschale von 139,20 &...8364; verlangte.

Der Kläger hat in erster Instanz u.a. ausgeführt, die Werbung verstoße gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG. Indem der Beklagte zu 2) pauschal auf die Anwendung von Schwarzkümmelkapseln bei Allergien Bezug genommen habe, habe er mit einer Aussage geworben, die sich auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten beziehe. Da zudem Krankheit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG jede, also auch eine geringfügige oder nur vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Funktion des Körpers sei, seien auch Allergien dazu zu zählen.

Der Kläger hat beantragt,

I.

die Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft,

oder

einer Ordnungshaft bis zu sechs Monate, zu vollziehen an dem Geschäftsführer,

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "X3 Schwarzkümmel-Kapseln" zu werben:

"Schwarzkümmel zum Beispiel, wenn Allergien vorliegen ..."

II.

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 139,20 nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinsatz seit dem 04. Mai 2002 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben u.a. ausgeführt, der Durchschnittsverbraucher verstehe Allergien nicht in einem engeren Sinne als Krankheit. Allergie im weitesten Sinne sei jede veränderte Reaktionsweise des Organismus auch ohne Krankheitswert. Der aufgeklärte Verbraucher unterstelle nicht jeder Allergie Krankheitswert, insbesondere weil nahezu jeder von einer Allergie betroffen sei, sich dadurch aber nicht "krank" fühle. Die beanstandete Aussage sei in ihrem Kern gesundheits- und nicht krankheitsbezogen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung streben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage an. Sie führen dazu u.a. aus, der Urteilstenor sei zu weit gefaßt, da er sich auch auf an sich zulässige Aussagen erstrecke. Nur die konkrete Aussage könne allenfalls verboten werden. Im übrigen habe das Landgericht selbst in der angefochtenen Entscheidung zu Recht nicht jeder Allergie Krankheitswert beigemessen. Zu Unrecht habe es aber auf die Verzehrempfehlung abgestellt, denn diese sei dem Verbraucher bei einer Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln bekannt und zwar als Dosierungsanweisung sowohl pro Tag als auch für den jeweiligen Zeitraum des Verzehrs. Es gehe dabei um die langfristige Sicherstellung einer gesunden Ernährung. Der Begriff "Kur" habe entgegen der Ansicht des Landgerichts mittlerweile seinen festen Platz bei der Beschreibung von Ernährungsgewohnheiten, wie die Hinweise auf verschiedene "Fasten-Kuren", "Trink-Kuren" und ähnliches zeigten, bei denen häufig einzelne Lebensmittel wie "Kartoffel-Kur", "Reis-Kur" im Vordergrund ständen.

Die Beklagten beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Beklagten untersagt werde, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "X Schwarzkümmelkapseln" zu werben: Das reicht auch so. Also in der Regel wird gesagt, nur Steigerung bei Schwarzkümmel zum Beispiel, wenn Allergien vorliegen. ... &...8216;ne Kur machen, 6 Stück am Tag vier Monate. Aber wenn Sie gar nichts haben, das reicht aus.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, der Urteilstenor sei nicht zu weit gefaßt, sondern entspreche den tatsächlichen Äußerungen des Beklagten zu 2).

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, da das Landgericht ihnen im Ergebnis zu Recht die beanstandete Werbung untersagt und dem Kläger die Abmahnkostenpauschale zugesprochen hat.

Soweit der Senat den Urteilstenor entsprechend dem Maßgabeantrag des Klägers neu gefaßt hat, liegt darin nicht eine teilweise Abweisung des ursprünglichen Klagebegehrens, sondern lediglich eine Klarstellung des Verbots. Dieses ist entgegen der Auffassung der Beklagten in der ursprünglichen Form nicht zu weit gefaßt gewesen, sondern lediglich sprachlich verkürzt wiedergegeben worden. Denn der Kläger hat von Anfang an die nun im Tenor wiedergegebene Aussage des Beklagten zu 2) beanstandet.

Die Beklagten verstoßen mit dieser Werbeaussage gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG, da es verboten ist, in der Werbung für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall Aussagen zu verwenden, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen.

Bei den beworbenen Schwarzkümmelkapseln handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel, das ein Lebensmittel auch im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 darstellt. Danach sind Lebensmittel alle Stoffe und Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, daß sie im verarbeiteten, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteteten Zustand von Menschen aufgenommen werden, und die u.a. nicht Arzneimittel sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich die Werbeaussage auch auf Krankheiten.

Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Funktion des Körpers (vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht, C 100, § 18 LMBG Rdnr. 16 m.w.N.). Danach handelt es sich bei Allergien um Krankheiten. Sie stellen eine Überempfindlichkeit und eine vom normalen Verhalten abweichende Reaktion des Organismus auf bestimmte (körperfremde) Stoffe dar (vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 22. Auflage; Duden, Das Fremdwörterbuch, 7. Auflage - Bl. 105, 106 der Akten). Bei einer Allergie liegt eine "veränderte, d.h. gesteigerte oder verminderte Reaktionsweise ("Andersempfindlichkeit") des Organismus, im engeren Sinne eine zu krankhafter Immunreaktion (Überempfindlichkeitsreaktion) führende Reaktionsänderung auf Grund einer Sensibilisierung durch eine Allergen" vor. Sie ist "Grundlage für Krankheitserscheinungen verschiedener Art" (vgl. Rocholl Lexikon Medizin, 2. Auflage, - vgl. Bl. 35, 36 der Akten; für den Fall einer Blütenpollen-Allergie siehe OLG München GRUR 1989, 361 f).

Aus dem Zusammenhang der Angaben des Beklagten zu 2) in der Werbesendung folgt nichts anders, wie die Erwähnung von Allergien unter dem Begriff der Krankheitsbilder zeigt.

Durch die angegebene Dosierung und Behandlungsdauer soll auch wenigstens eine Linderung der allergischen Reaktionen erreicht werden.

Der Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG stellt auch ohne weiteres einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, der zudem geeignet ist, den Wettbewerb aus dem hier einschlägigen Markt für Nahrungsergänzungsmittel zu beeinträchtigen, und zwar allein schon deshalb, weil die beanstandete Aussage den sensiblen Bereich der Gesundheitswerbung betrifft (vgl. BGH GRUR 1998, 493 f - Gelenk-Nahrung).

Dabei muß sich die Beklagte zu 1) das Verhalten ihres Geschäftsführers, des Beklagten zu 2) nach § 31 BGB zurechnen lassen.

Schließlich haben die Beklagten dem Kläger die Abmahnkosten zu erstatten, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 01.04.2003
Az: 4 U 174/02


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