Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 316/03
(BPatG: Beschluss v. 17.10.2006, Az.: 23 W (pat) 316/03)
Tenor
Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I Die Patentinhaberin ist eingetragene Inhaberin des am 28. Februar 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldeten Patents 197 08 210 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Regler, insbesondere Temperaturregler wie Raumtemperaturregler". Nach Veröffentlichung der Patenterteilung am 30. Januar 2003 hat die Einsprechende am 30. April 2003 Einspruch gegen das Patent eingelegt und beantragt das Patent im Gesamtumfang zu widerrufen, da es diesem an einer eine Patenterteilung rechtfertigenden, notwendigen Neuheit und erfinderischen Tätigkeit mangele.
Der am 30. April 2003 eingegangene Einspruch stützt sich auf die Dokumente D1 DE 41 42 238 C1, D2 DE 36 35 324 C2 und D3 DE 34 31 740 C2.
Im Einspruchsschriftsatz trägt die Einsprechende vor, dass die Druckschrift D1 bei Einbeziehung üblicher fachmännischen Kenntnisse die Merkmale A) bis G) und eine "Einstelleinheit" gemäß Merkmal H) ihrer Merkmalsanalyse des angegriffenen Patentanspruchs 1 offenbare.
Die Druckschriften D2 und D3 werden von der Einsprechenden lediglich zu den Merkmalen H) und I) ihrer Merkmalsanalyse des angegriffenen Patentanspruchs 1 herangezogen.
Die D1 betrifft einen "Pulverinhalator mit Pulverträger aus regelmäßigen Mikrostrukturen" und hat offensichtlich nichts mit dem Gegenstand des Streitpatents zu tun.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat die Einsprechende durch Schriftsatz vom 24. November 2003 die ihrer Auffassung nach zutreffende Druckschrift D1 mit DE 41 42 138 C2 angegeben, wobei sich diese Angabe von der ursprünglichen Druckschriftenangabe durch die Abweichung in der fünften Ziffer (nunmehr die Ziffer 1 statt der ursprünglichen Ziffer 2) unterscheidet.
Die Einsprechende ist der Auffassung, dass die Entgegenhaltungen keine Tatsachen im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG und daher nicht fristgebunden seien, so dass entsprechende Angaben nachgebracht bzw. berichtigt werden könnten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Patentschrift und auf den Einspruchsschriftsatz vom 30. April 2003 verwiesen.
II Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist nach Ablauf von insgesamt 4 Jahren und 6 Monaten zum 1. Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder auf das Patentamt zurückverlagert wurde. Das Bundespatentgericht bleibt gleichwohl für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren weiterhin zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der allgemeine Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit grundsätzlich bestehen bleibt (siehe die zur Veröffentlichung vorgesehene Senatsentscheidung 23 W (pat) 327/04 vom 19. Oktober 2006, "Rundsteckverbinder" zur Frage der fortdauernden Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die durch § 147 Abs. 3 PatG zurückgewiesenen Einspruchsverfahren).
III Der Einspruch ist form- und fristgerecht nach § 59 Abs. 1 Satz 1 und 2 PatG eingereicht worden und auch entsprechend § 59 Abs. 1 Satz 3 PatG auf einen der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG genannten Widerrufsgründe gestützt. Die Einspruchsgründe sind aber nicht ausreichend substantiiert i. S. d. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG. Zur Substantiierung des geltend gemachten Einspruchsgrundes ist es erforderlich, dass die Tatsachen im Einzelnen angegeben werden, die den Einspruch rechtfertigen sollen. Ausreichend substantiiert in diesem Sinne ist der Einspruch, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände im Einzelnen so dargelegt werden, dass die im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung berufene Instanz - Deutsches Patent- und Markenamt oder Bundespatentgericht - daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen kann (Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 79 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Zur Substantiierung gehört dabei auch, dass die Entgegenhaltungen, mit denen der Einspruch begründet wird, ausreichend deutlich bezeichnet werden (Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 91, 92; Benkard, PatG, 10. Aufl. § 59 Rdn. 18a). Fehler bei der Bezeichnung einer Entgegenhaltung sind nur dann unschädlich, wenn sie offensichtlich sind und die richtige Entgegenhaltung ohne weiteres zu ermitteln ist (Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 92; BPatGE 17, 51, 56).
Vorliegend war die Bezeichnung der Entgegenhaltung D1, auf die der Einspruch maßgeblich gestützt wurde, zwar offensichtlich unrichtig. Da eine Ablichtung der richtigen Entgegenhaltung D1 der Einspruchsschrift nicht beilag, war die Art des Fehlers jedoch nicht unmittelbarer und einfach aufklärbar. Es war zwar nur eine Ziffer, nämlich die fünfte des achtstelligen Patentaktenzeichens fehlerhaft. Gleichwohl ermöglichte dies kein einfaches Auffinden der zutreffenden Druckschrift. Denn selbst wenn unterstellt würde, dass nur eine von acht Ziffern des Aktenzeichens falsch ist, müsste die Recherche sich auf eine entsprechende Anzahl von Druckschriften erstrecken. Abgesehen davon, dass eine solche Suche nicht zumutbar ist, ist sie auch nicht sinnvoll, weil bei einer Falschbezeichnung angefangen von der Möglichkeit eines Zahlendrehers auch noch ganz andere Fehlerquellen denkbar sind, die eine solche Fehlersuche letztlich uferlos erscheinen lassen.
Die Einsprechende hat es bei ihrem Einspruch auch unterlassen, ausreichende konkrete Tatsachen zur Entgegenhaltung D1 mit dem korrekten Aktenzeichen zu nennen, die ein Auffinden dieser Druckschrift mit zumutbarem Aufwand möglich erscheinen lassen.
Vielmehr wird der Fachmann dadurch, dass der Erfindungsgegenstand der Entgegenhaltung D1 im Einspruch als Regler bezeichnet wird, schon zu Beginn einer denkbaren Recherche in eine falsche Richtung geführt, weil dieser Gegenstand in der Entgegenhaltung tatsächlich als Steuergerät bezeichnet wird.
Soweit die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, dass es für das Bundespatentgericht ohne weiteres möglich gewesen sei, die zutreffende Druckschrift durch Recherche mittels DEPATIS aufgrund der Angaben "DE .... C1" i. V. m. den Begriffen "MID Kupferablagerungen" oder "MID Hybridschaltung" oder "MID Stecker" für die Volltextrecherche zu ermitteln, kann dem nicht gefolgt werden. Insoweit ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb der der Senat aus der sehr großen Anzahl von rein theoretisch möglichen Kombinationen von Suchbegriffen gerade diese Kombination hätte auswählen sollen.
Daher war es entgegen der Auffassung der Einsprechenden vorliegend gerade nicht ohne weiteres möglich, die zutreffende Druckschrift zu ermitteln.
Schließlich ist es nicht entscheidungserheblich, dass die Patentinhaberin bereits vor Einlegung des Einspruchs von der Einsprechenden auf die Entgegenhaltung D1 mit dem korrekten Aktenzeichen hingewiesen wurde und somit im Zusammenhang mit der Einspruchsschrift die zutreffende Druckschrift hätte ermitteln können. Denn es ist nicht nur erforderlich, dass die Patentinhaberin aus der Einspruchsschrift abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können muss, sondern dazu muss auch die Instanz (Patentamt oder Bundespatentgericht) in der Lage sein, die über die Frage der Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents zu entscheiden hat (vgl. dazu Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 79) Dies war aber, wie bereits dargelegt, nicht der Fall.
Somit genügt der Einspruch nicht den gesetzlichen Anforderungen und war deshalb als unzulässig zu verwerfen.
BPatG:
Beschluss v. 17.10.2006
Az: 23 W (pat) 316/03
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