Bundesgerichtshof:
Urteil vom 9. Oktober 2014
Aktenzeichen: I ZR 167/12

(BGH: Urteil v. 09.10.2014, Az.: I ZR 167/12)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Juli 2012 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Paderborn vom 10. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen im Bereich der Spirituosenindustrie zu überwachen hat. Ihm gehören eine Reihe namhafter Hersteller und Händler von alkoholischen Getränken in Deutschland sowie der Bundesverband der deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e.V. an.

Die Beklagte vertreibt alkoholfreie und alkoholische Getränke verschiedener internationaler Marken. Zu ihrem Sortiment gehören in Dosen abgefüllte Mischgetränke, die aus Wodka und einem weiteren Bestandteil bestehen und von der Beklagten etwa als "Bitter Lemon & Vodka" oder als "Cranberry & Vodka" bezeichnet werden. Das von der Beklagten vertriebene Mischgetränk "THREE SIXTY ENERGY & VODKA", dessen Aufmachung im nachstehend wiedergegebenen Klageantrag dargestellt ist, besteht zu 26,7% aus "THREE SIXTY VODKA" mit einem Alkoholgehalt von 37,5% und zu 73,3% aus dem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk "effect€". Es enthält damit 10% Alkohol.

Nach Ansicht des Klägers stellt die Bezeichnung des Getränks "THREE SIXTY ENERGY & VODKA" wegen der Verwendung des Begriffs "Energy" in erster Linie eine nährwertbezogene Angabe im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel und in zweiter Linie eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung dar. Da das Getränk mehr als 1,2% Alkohol enthalte, sei diese Bezeichnung lebensmittelrechtlich und lauterkeitsrechtlich unzulässig. Außerdem stehe die Verwendung der geschützten Verkehrsbezeichnung "Wodka" für ein Mischgetränk, dessen Alkoholgehalt den für diese Spirituose in der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 vorgesehenen Mindestalkoholgehalt unterschreite, in Widerspruch zu Art. 9 Abs. 7 und Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung. Zumindest aber dürfe ein Energydrink nach der deutschen Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung keinen Alkohol enthalten.

Der Kläger hat beantragt, es der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs selbst oder durch Dritte ein Vodka-Mischgetränk, das zu 26,7% aus Vodka und zu 73,3% aus einem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk mit Farbstoff und erhöhtem Koffeingehalt besteht und einen Alkoholgehalt von 10% Vol. aufweist, mit der Bezeichnung

"Energy & Vodka"

anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben und/oder sonstwie in den Verkehr zu bringen, wenn dies in einer Ausstattung wie nachstehend wiedergegeben geschieht:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Paderborn, Urteil vom 10. Januar 2012 - 6 O 28/11, juris). Das Berufungsgericht hat die Bezeichnung "Energy & Vodka" als nährwertbezogene Angabe angesehen und der Klage daher stattgegeben, wobei es der Beklagten eine sechsmonatige Aufbrauchs- und Umstellungsfrist eingeräumt hat (OLG Hamm, WRP 2012, 1572).

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage als aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 begründet angesehen und dazu ausgeführt:

Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln reglementierten, dienten dem Schutz der Verbraucher. Sie stellten Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet sei, die Interessen von Mitbewerbern und Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.

Bei der von der Beklagten für ihr Getränk mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2% verwendeten Bezeichnung "Energy & Vodka" handele es sich um eine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die sich nicht auf eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder des Brennwerts beziehe und daher nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Verordnung unzulässig sei. Der in dieser Bezeichnung enthaltene Begriff "Energy" vermittle dem verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck, dem so bezeichneten Getränk kämen wegen einer in ihm enthaltenen Substanz besondere positive Nährwerteigenschaften zu. Die Angabe gehe über eine rein objektive Beschaffenheitsangabe hinaus, wenn der Verbraucher - wovon die Beklagte selbst ausgehe - wisse, dass es das streitgegenständliche Produkt auch noch in der Variante "Bitter Lemon & Vodka" und "Cranberry & Vodka" gebe. Es handele sich auch nicht um die reine Angabe einer Zutat. Zudem lasse Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 die Angabe einer Zutat dann als nährwertbezogene Angabe zu, wenn diese Angabe auf besondere positive Nährwerteigenschaften schließen lasse. Dies gelte aber nur, wenn die Angabe den Bestimmungen der Verordnung entspreche, was vorliegend im Hinblick auf den 1,2 Volumenprozent übersteigenden Alkoholgehalt nicht der Fall sei. Damit könne dahinstehen, ob der Verbraucher den Begriff "Energy" womöglich auch als bekannte Abkürzung für den in dem Getränk enthaltenen Energydrink verstehe. Die Bezeichnung "Energy", die wegen ihres eigenständigen Begriffsinhalts über eine (lediglich) abgekürzte Verkehrsbezeichnung für den in dem Mischgetränk enthaltenen Energydrink hinausgehe, sei insoweit von der vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht erfassten obligatorischen Verkehrsbezeichnung auf der Rückseite der Getränkedose zu unterscheiden.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils erster Instanz. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die beanstandete Ausstattung des Produkts der Beklagten mit dem Begriff "Energy" eine nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthält. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass die Bezeichnung wegen des 1,2 Volumenprozent übersteigenden Alkoholgehalts gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Verordnung nur dann zulässig wäre, wenn sie sich auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder des Brennwerts beziehen würde; denn es fehlt insoweit schon an einer Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (dazu unter II.2). Die Aufmachung des Produkts der Beklagten enthält auch keine nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unzulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 dieser Verordnung (dazu unter II.3). Die beanstandete Bezeichnung verstößt im Übrigen weder gegen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 (dazu unter II.4) noch gegen die deutsche Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung (dazu unter II.5).

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klage- und anspruchsbefugt ist. Es hat weiterhin den Vertrieb des Getränks der Beklagten in der beanstandeten Aufmachung zu Recht als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und die Bestimmung des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 als eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG eingeordnet, deren Missachtung den vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch rechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011 - I ZR 22/09, GRUR 2011, 246 Rn. 12 = WRP 2011, 344 - Gurktaler Kräuterlikör [zu Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 und Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006]; Urteil vom 17. Januar 2013 - I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 22 = WRP 2013, 1179 - Vitalpilze [zu Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 5 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006]; Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12, GRUR 2014, 500 Rn. 10 = WRP 2014, 562 - Praebiotik [zu Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006]). Die Revision erhebt in dieser Hinsicht auch keine Rüge.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die vom Kläger beanstandete Bezeichnung auf der Verpackung des Getränks der Beklagten sei eine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Dabei kann offenbleiben, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts zutrifft, die fragliche Bezeichnung sei keine nach dieser Bestimmung vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ausgenommene obligatorische Angabe. Nicht zugestimmt werden kann jedenfalls der Beurteilung des Berufungsgerichts, die beanstandete Bezeichnung sei eine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, weil mit ihr zum Ausdruck gebracht werde, dass das in der Verpackung enthaltene Getränk besondere Eigenschaften besitze.

a) Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 stellt eine Aussage oder eine Darstellung nur dann eine Angabe über ein Lebensmittel im Sinne dieser Verordnung dar, wenn mit ihr zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass das Lebensmittel eine besondere Eigenschaft besitzt. Eine solche Angabe liegt dann nicht vor, wenn eine Aussage oder Darstellung aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher lediglich auf eine Eigenschaft eines Lebensmittels hinweist, die alle Lebensmittel der angesprochenen Gattung besitzen; in einem solchen Fall fehlt der Aussage oder Darstellung die Lenkungswirkung, deren Regulierung die Beschränkungen rechtfertigt, die die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hinsichtlich der Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben vorsieht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 37 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor). Informationen über Eigenschaften eines Lebensmittels stellen daher auch dann, wenn sie sich auf Nährstoffe oder andere Substanzen beziehen, keine Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar, wenn mit ihnen keine besonderen Eigenschaften des Lebensmittels herausgestellt, sondern lediglich objektive Informationen über die Beschaffenheit oder die Eigenschaften der Gattung von Lebensmitteln mitgeteilt werden, zu der das beworbene Lebensmittel gehört. Bei der in diesem Zusammenhang bei nährwertbezogenen Aussagen im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Abgrenzung sind Angaben über spezifische Inhaltsstoffe von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die eine ernährungsphysiologische Funktion haben, zwar regelmäßig als Angaben über besondere Eigenschaften im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 anzusehen. Nach dem Erwägungsgrund 5 dieser Verordnung sind von deren Anwendung jedoch allgemeine Bezeichnungen wie etwa "Digestif" oder "Hustenbonbon" auszunehmen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können. Dementsprechend stellt eine Aussage oder Darstellung, die dem Verbraucher lediglich vermittelt, um welche Art von Lebensmittel es sich im konkreten Fall handelt, keine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar.

b) Nach diesen Maßstäben enthält die im Streitfall beanstandete Aufmachung des Produkts der Beklagten keine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Bei der vom Berufungsgericht insoweit als maßgeblich angesehenen anregenden und stimulierenden Wirkung, auf die die Bezeichnung "ENERGY" hinweist, handelt es sich aus der nach dem Erwägungsgrund 16 dieser Verordnung maßgeblichen Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers um eine Eigenschaft, die bei jedem Energydrink vorliegt.

Die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob der Verbraucher den Begriff "Energy" als Abkürzung für das auf der Rückseite der Dose näher beschriebene Erfrischungsgetränk mit erhöhtem Koffeingehalt versteht, ist im Hinblick auf den Gesamteindruck, der von der vom Kläger beanstandeten Aufmachung ausgeht, zu bejahen. Es ist davon auszugehen, dass Verbraucher, die sich bei ihrer Kaufentscheidung für ein Lebensmittel nach dessen Zusammensetzung richten, regelmäßig zunächst das Zutatenverzeichnis lesen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 1995 - C-51/94, Slg. 1995, I-3599 = ZLR 1995, 667 Rn. 34 - Kommission/Deutschland; Urteil vom 9. Februar 1999 - C-383/97, Slg. 1999, I-731 = ZLR 1999, 237 Rn. 37 f. und 43 - Van der Laan; Urteil vom 4. April 2000 - C-465/98, Slg. 2000, I-2297 = GRUR Int. 2000, 756 Rn. 22 f. - Darbo; BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - I ZR 45/13, GRUR 2014, 588 Rn. 7 ff. = WRP 2014, 694 - Himbeer-Vanille-Abenteuer). Im Streitfall kann der angesprochene Verbraucher aus diesem Verzeichnis und den weiteren Angaben auf der beanstandeten Aufmachung des streitgegenständlichen Produkts ohne weiteres erkennen, dass es sich bei diesem Produkt um ein Mischgetränk handelt, das aus Wodka und einem Energydrink besteht. Die dadurch bedingte "energetische" Wirkung dieses Getränks stellt damit eine einem solchen Getränk aus der Sicht des angesprochenen Verbrauchers entsprechende und deshalb keine besondere Eigenschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar (vgl. OLG Stuttgart, ZLR 2011, 352, 361; Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 201, 203; Karle, ZLR 2012, 642, 646).

3. Bei diesen Gegebenheiten erweist sich der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht deshalb als begründet, weil es sich bei der beanstandeten Bezeichnung um eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt. Denn auch eine Aussage, der im weitesten Sinne ein Zusammenhang zu den Auswirkungen des Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand möglicherweise nicht abgesprochen werden kann, fällt nur dann in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung, wenn sie als Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 dieser Verordnung anzusehen ist (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 111, 152. Lfg. März 2013, Art. 2 Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 Rn. 39). Eine Angabe, mit der - wie im Streitfall - keine besondere Eigenschaft des Lebensmittels bezeichnet wird, wird daher auch nicht vom Begriff der "gesundheitsbezogenen Angabe" erfasst (vgl. Kügel/Plaßmann, LMuR 2012, 201, 203).

4. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil die beanstandete Aufmachung des Produkts der Beklagten - wie der Kläger weiterhin geltend gemacht hat - nicht den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 entspricht.

a) Das von der Beklagten angebotene Mischgetränk fällt allerdings in den Anwendungsbereich dieser Verordnung. Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 und Erwägungsgrund 5 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 gilt diese auch für die Verwendung der Bezeichnung von Spirituosen bei der Aufmachung und Etikettierung von (sonstigen) Lebensmitteln. Die Aufmachung des von der Beklagten angebotenen Mischgetränks enthält die Bezeichnung "Vodka" und damit die Bezeichnung einer Spirituose im Sinne von Art. 2 Abs. 1, Art. 4 in Verbindung mit Anhang II Nr. 15 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008.

b) Nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 führen Spirituosen, die den Spezifikationen für die Erzeugnisse der Kategorien 1 bis 46 des Anhangs II dieser Verordnung entsprechen, in der Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung die darin vorgesehenen Verkehrsbezeichnungen. Gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 dürfen diese Bezeichnungen nur unter den in Art. 9 Abs. 9 und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung festgelegten Voraussetzungen zur Bezeichnung oder Etikettierung anderer Getränke als der Spirituosen verwendet werden, für die diese Bezeichnungen in Anhang II aufgeführt und in Anhang III der Verordnung eingetragen werden.

Die Verwendung einer geschützten Verkehrsbezeichnung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 in der Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung eines anderen Getränks als der Spirituose, für die die Bezeichnung in Anhang II dieser Verordnung aufgeführt ist, ist danach gemäß Art. 9 Abs. 9 der Verordnung dann zulässig, wenn diese Verkehrsbezeichnung in eine Zutatenliste aufgenommen wird, die der Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür entspricht, das heißt nach Maßgabe des Art. 6 und der Anhänge I, II und III dieser Richtlinie in die Zutatenliste aufgenommen werden darf. Gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 grundsätzlich zulässig ist die Bezugnahme auf eine solche geschützte Verkehrsbezeichnung durch die Verwendung eines zusammengesetzten Begriffs oder in Form einer Anspielung in der Aufmachung eines Lebensmittels ferner dann, wenn der Alkohol, den das Lebensmittel enthält, ausschließlich von der Spirituose stammt, auf die Bezug genommen wird. Nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 ist die Verwendung eines zusammengesetzten Begriffs allerdings auch beim Vorliegen dieser Voraussetzungen verboten, wenn eine Spirituose so stark verdünnt wurde, dass der Alkoholgehalt dadurch unter dem in der Begriffsbestimmung für die betreffende Spirituose festgelegten Mindestgehalt an Alkohol liegt.

Das von der Beklagten angebotene, aus Wodka und einem Energiegetränk zusammengesetzte Mischgetränk, das weniger als 15% Alkohol enthält und damit nicht zu den Spirituosen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 zählt, enthält in seiner Aufmachung die Verkehrsbezeichnung "Vodka" und damit die nach Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung hierfür vorgeschriebene Verkehrsbezeichnung derjenigen Spirituose, von der der Alkohol stammt, der im Getränk enthalten ist. Der Umstand, dass das von der Beklagten angebotene Mischgetränk wegen des in ihm weiterhin enthaltenen Bestandteils und seines Alkoholgehalts von (nur) 10% nicht die Spezifikationen des Erzeugnisses Wodka erfüllt, hindert die Aufnahme der Bezeichnung "Vodka" in die Aufmachung des Getränks nicht. Die Verwendung der Bezeichnung ist durch die in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 enthaltene Regelung gedeckt, die das in Art. 9 Abs. 4 dieser Verordnung aufgestellte grundsätzliche Verbot einschränkt (vgl. v. Jagow, ZLR 2010, 458, 463 f.). Das Mischgetränk der Beklagten besteht unstreitig allein aus den beiden im Klageantrag genannten Bestandteilen.

Der Zulässigkeit der Verwendung der fraglichen Bezeichnung steht im Streitfall auch nicht Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 deshalb entgegen, weil der Alkoholgehalt des Getränks der Beklagten bei 10% und damit unter dem Mindestalkoholgehalt für Wodka liegt, der gemäß Anhang II Nr. 15 Buchst. b dieser Verordnung 37,5% beträgt. Die Anwendung des Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung setzt voraus, dass die Spirituose verdünnt wurde. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Der Begriff "Verdünnung" ist in Art. 5 und Erwägungsgrund 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 716/2013, die die Kommission auf der Grundlage des Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 erlassen hat, präzisiert worden. Danach gilt als Verdünnung einer Spirituose im Sinne von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 allein die ausschließlich durch Wasser erreichte Verringerung des Alkoholgehalts einer Spirituose unter den für sie in Anhang II dieser Verordnung festgelegten Mindestalkoholgehalt. Im Streitfall ist der Alkoholgehalt des im Getränk der Beklagten enthaltenen Wodkas nicht durch die Zugabe von Wasser, sondern durch die Zugabe eines koffeinhaltigen Erfrischungsgetränks verringert worden.

c) Die Verwendung der Bezeichnung "Vodka" in der Aufmachung des von der Beklagten angebotenen Produkts ist ferner nicht nach der Bestimmung des Art. 9 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 unzulässig. Danach dürfen alkoholische Getränke, die keiner der Begriffsbestimmungen in den Kategorien 1 bis 46 des Anhangs II entsprechen, in ihrer Bezeichnung, Aufmachung oder Etikettierung keine der in dieser Verordnung festgelegten Verkehrsbezeichnungen in Verbindung mit Wörtern wie "Art", "Typ", "Fasson", "Stil", "Marke", "Geschmack" oder anderen ähnlichen Begriffen führen. Die vom Kläger angegriffene Bezeichnung "ENERGY & VODKA" wird vom angesprochenen Verbraucher ohne weiteres dahin verstanden, dass es sich bei dem Produkt um ein Mischgetränk handelt, das aus Wodka und einem Energydrink besteht. Sie enthält keine Begriffskombination, die aus der Sicht des Verbrauchers die Annahme nahelegt, das angebotene Mischgetränk sei der mit der geschützten Verkehrsbezeichnung angesprochenen Spirituose "Wodka" hinsichtlich der für dieses Erzeugnis typischen Spezifikationen und im Geschmack gleichzusetzen.

5. Ohne Erfolg macht der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz geltend, die beanstandete Bezeichnung "ENERGY & VODKA" sei unzulässig, weil sie gegen die deutsche Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung (Verordnung über Fruchtsaft, einige ähnliche Erzeugnisse, Fruchtnektar und koffeinhaltige Erfrischungsgetränke - FrSaftErfrischGetrV) verstoße. Nach deren § 4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 dürften Energydrinks keinen Alkohol enthalten.

a) Mit diesen Ausführungen beruft sich der Kläger auf ein allgemeines Verkehrsverbot für alkoholhaltige Energydrinks. Damit kann er in der Revisionsinstanz nicht gehört werden, weil es sich um einen neuen Streitgegenstand handelt, der in der Revisionsinstanz nicht mehr in den Prozess eingeführt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 - I ZR 42/07, BGHZ 181, 77 Rn. 46 - DAX).

aa) Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rn. 13 = WRP 2013, 499 - Peek & Cloppenburg III). Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage geht der Senat in Fällen, in denen sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform richtet, davon aus, in dieser Verletzungsform den Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 24 - Biomineralwasser).

bb) Die konkrete Verletzungsform, die der Kläger mit dem Klageantrag aufgegriffen hat, ist die Verwendung der Bezeichnung "Energy & Vodka" beim Vertrieb und bei der Werbung für das in Rede stehende Mischgetränk der Beklagten. Der Klageantrag und die mit ihm aufgegriffene Verletzungsform erfassen daher nur eine unzulässige Bezeichnung des Mischgetränks. Sie richten sich dagegen nicht gegen eine Beimischung von Alkohol zu einem Energydrink und damit gegen die Zusammensetzung des Mischgetränks. Um dieses Klageziel zu verfolgen, müsste der Kläger den Klageantrag ändern, was ihm in der Revisionsinstanz grundsätzlich verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 33 = WRP 2008, 1104 - Internet-Versteigerung III). Ein Ausnahmefall, bei dem ein Klageantrag in der Revisionsinstanz noch geändert werden kann, liegt nicht vor.

Dem Kläger ist auch nicht durch Zurückverweisung der Sache in die Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, einen weiteren Klageantrag zu stellen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren gebieten es nicht, das Berufungsverfahren wiederzueröffnen, wenn der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführt.

b) Im Übrigen misst der Senat dem entsprechenden Unterlassungsbegehren des Klägers nach der Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung wegen Beimischung von Alkohol zu einem Energydrink auch keine Erfolgsaussicht zu. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Fruchtsaftverordnung und anderer lebensmittelrechtlicher Vorschriften vom 21. Mai 2012 (BGBl. I S.1201) entsprechend geänderten § 4 FrSaftErfrischGetrV ist davon auszugehen, dass mit dieser Vorschrift keine Verbote statuiert werden sollten, die gegebenenfalls Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellten. Vielmehr wurden dort zum einen die Begriffe "Koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk" (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 2) und "Energydrink" (§ 4 Abs. 2) definiert. Zum anderen ist § 4 Abs. 1 Satz 3 so zu verstehen, dass solche Getränke bei Überschreiten des für den Alkoholgehalt in Absatz 1 Satz 4 festgelegten Grenzwertes nicht dem Anwendungsbereich dieser Verordnung unterfallen (vgl. Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Fruchtsaftverordnung und anderer lebensmittelrechtlicher Vorschriften, BR-Drucks. 185/12 S. 12). Nach den Leitsätzen für Erfrischungsgetränke des Deutschen Lebensmittelbuchs in der ab dem 18. März 2003 geltenden Fassung, auf die der Verordnungsgeber in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bezug genommen hat, sind Getränke, die als Zutaten Alkohol oder alkoholische Getränke enthalten, keine Erfrischungsgetränke (vgl. Meyer, Textsammlung Lebensmittelrecht, Nr. 6620).

6. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 757 Rn. 42 - UGT Rioja u.a.). Im Streitfall stellt sich im Blick auf die Auslegung der Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 keine Frage, die nicht schon in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt oder zweifelsfrei zu beurteilen ist. Auch hinsichtlich der Auslegung der im Streitfall zu berücksichtigenden Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 bestehen keine vernünftigen Zweifel.

III. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und, da die Sache zur Endentscheidung reif ist, das klagabweisende Urteil erster Instanz wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher Schaffert Kirchhoff Koch Schwonke Vorinstanzen:

LG Paderborn, Entscheidung vom 10.01.2012 - 6 O 28/11 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 10.07.2012 - I-4 U 38/12 -






BGH:
Urteil v. 09.10.2014
Az: I ZR 167/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e780e83e2f68/BGH_Urteil_vom_9-Oktober-2014_Az_I-ZR-167-12




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share