Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. März 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 166/99
(BPatG: Beschluss v. 23.03.2000, Az.: 25 W (pat) 166/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. April 1999 in der Hauptsache insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 943 390 zurückgewiesen worden ist.
Wegen des Widerspruchs aus dieser Marke wird die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
Gründe I.
Die Bezeichnung OPITARD ist unter der Nummer 396 28 978 als Marke nach einer Teillöschung bereits im Verfahren vor der Markenstelle noch für "pharmazeutische Erzeugnisse für humanmedizinischen Gebrauch, nämlich Analgetika" im Markenregister eingetragen. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 10. März 1997 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, seit dem 14. April 1976 für "Arzneimittel, nämlich ein Cardiacum" eingetragenen Marke 943 390 Olicard.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Vergleichswaren würden in einem engeren Ähnlichkeitsbereich liegen. Zwar seien sie unterschiedlichen Hauptgruppen der Roten Liste zugeordnet, sie gehörten aber zu den grundlegenden Arzneimitteln. Ausgehend davon und bei anzunehmender durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein deutlicher Markenabstand erforderlich, der eingehalten sei. Die Markenwörter hätten bei gleicher Silbenzahl und gleicher Vokalfolge zwar einen ähnlichen Sprech- und Betonungsrhythmus. Sie unterschieden sich jedoch in den Konsonanten "P" und "T" gegenüber "l" und "c", was ausreiche, um den Markenwörtern einen eigenständigen klanglichen Charakter zu geben. Darüber hinaus enthalte die Widerspruchsmarke einen Hinweis auf "Cardiaka", was dazu beitrage, daß die Bezeichnungen besser auseinanderzuhalten seien. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe keine Verwechslungsgefahr.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke im Register zu löschen.
In der Sache hat die Widersprechende weder im Verfahren vor der Markenstelle noch im Beschwerdeverfahren etwas vorgetragen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren keine Schriftsätze eingereicht. Vor der Markenstelle hatte sie ausgeführt, daß keine Verwechslungsgefahr bestehe. Zwischen den Vergleichswaren bestehe eine deutliche Indikationsverschiedenheit, was sich kollisionshemmend auswirke. Ausgehend davon sei allenfalls ein durchschnittlicher Prüfungsmaßstab anzulegen. Selbst wenn jedoch entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten strengste Anforderungen an den Markenabstand zu stellen wären, seien diese erfüllt. Die Vergleichsmarken verfügten zwar übereinstimmend über die Buchstabenfolge "O-I-ARD". Dies reiche zur Begründung einer Verwechslungsgefahr aber nicht aus. Vielmehr würden die Vergleichsmarken aufgrund der Abweichungen in den konsonantischen Lauten umgeprägt. Schriftbildliche Verwechslungen schieden aus, weil die Vergleichswörter in den ersten vier Buchstaben zwei unübersehbare Divergenzen aufwiesen. Die in den Schlußsilben "tard" und "card" enthaltenen unterschiedlichen beschreibenden Anklänge in Richtung "retard" und in Richtung "Herz" wirkten verwechslungsmindernd.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht wegen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und der Ähnlichkeit der jeweiligen Waren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widerspruch hin die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen ist.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach stehen sich "pharmazeutische Erzeugnisse für humanmedizinischen Gebrauch, nämlich Analgetika" einerseits und "Arzneimittel, nämlich ein Cardiacum" andererseits gegenüber. Diese beiderseitigen Waren, die zum Kernbereich der Arzneimittel gehören, sind ohne weiteres als ähnlich im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG einzustufen. Die Indikationsverschiedenheit wirkt sich aber verwechslungsmindernd aus.
Verwechslungsfördernd ist andererseits zu berücksichtigen, daß die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Auch im Bereich der Kardiaka gibt es viele rezeptfreie Präparate, die zum Teil - wie etwa die zahlreichen pflanzlichen Präparate (vgl zB Rote Liste 1999, Nr 53 052 bis 53 120) von Patienten nicht selten im Wege der Selbstmedikation zur Herzstärkung erworben werden. Leichtere Schmerzmittel werden sogar typischerweise im Wege der Selbstmedikation erworben.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Ein in dem Bestandteil "card" der Widerspruchsmarke enthaltener Bedeutungsanklang in Richtung "Kardiaka" ist jedenfalls hinreichend phantasievoll mit dem Anfangsbestandteil verknüpft, so daß keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann, zumal im pharmazeutischen Bereich Markenbildungen üblich sind, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen des zu kennzeichnenden Präparats jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen.
Unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage sind an den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand eher noch strenge, zumindest aber mittlere Anforderungen zu stellen. Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht mehr gerecht.
Die Markenwörter stimmen bei gleicher Silbenzahl, gleichem Sprechrhythmus, gleicher Vokalfolge und gleicher Struktur in der Abfolge von Vokalen und Konsonanten im Lautbestand "O-iard" überein. Die abweichenden konsonantischen Anlaute "t" und "c" (= klanglich wie "k") der Schlußsilben sind im Hinblick auf ihre Spreng- bzw Verschlußlauteigenschaften eng klangverwandt, was dazu führt, daß dieser Unterschied häufig überhaupt nicht wahrgenommen wird und die Endsilben "tard" und "card" (klanglich wie "kard") dann direkt füreinander gehört werden können. Diese Gemeinsamkeiten bzw Annäherungen erzeugen nach Auffassung des Senats einen verwechselbar ähnlichen Gesamteindruck, auf den bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr abzustellen ist. Die einzige deutlichere Abweichung in dem konsonantischen Laut des Anfangsbestandteils "p" gegenüber "l" stellt angesichts der zahlreichen Übereinstimmungen kein ausreichendes Gegengewicht dar. Auch wenn man diese konsonantischen Laute noch dem Wortanfang zuordnet und den Erfahrungssatz beachtet, daß der Verkehr Wortanfänge regelmäßig stärker zu beachten pflegt als nachfolgende Wortteile, führt dies vorliegend nicht zu einem ausreichenden Markenabstand und zur Verneinung der Verwechslungsgefahr. Dies gilt insbesondere dann, wenn berücksichtigt wird, daß die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und dann ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 72).
Die in den Schlußsilben der Marken "tard" und "card" enthaltenen unterschiedlichen Bedeutungsanklänge im Sinne von "retard" und "Kardiakum" sind nicht hinreichend ausgeprägt, um vorliegend in entscheidungserheblichem Umfang verwechslungsmindernd wirken zu können. Es handelt sich jedenfalls nicht um Bestandteile, deren Sinngehalt so klar hervortritt, wie dies bei einem allgemein geläufigen Begriff in Alleinstellung der Fall ist (iSv BGH GRUR 1992, 130 ff "BALL/Bally"). In den zu erwartenden Fällen, in denen die Schlußsilben direkt füreinander gehört werden, kann der unterschiedliche Sinngehalt ohnehin nicht zum Tragen kommen, weil er gar nicht wahrgenommen wird.
Da bereits die klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen war, kann dahinstehen, ob Verwechslungsgefahr auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht.
Der Widerspruch greift nach alledem durch. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hin war deshalb der angefochtene Beschluß der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Knoll Pü
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Beschluss v. 23.03.2000
Az: 25 W (pat) 166/99
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