Verwaltungsgericht Wiesbaden:
Urteil vom 6. Oktober 2010
Aktenzeichen: 6 K 280/10.WI

(VG Wiesbaden: Urteil v. 06.10.2010, Az.: 6 K 280/10.WI)

1. Die Bewertung einer Person durch das BKA im Rahmen eines journalistischen Akkreditierungsverfahrens ist ein personenbezogenes Datum, da es sich um eine Einzelangabe über persönliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) handelt.

2. Die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers und damit auch ihre Nutzung zum Zwecke der Bewertung war zum Zeitpunkt der Weitergabe an die NATO allein deshalb unzulässig, weil es zu diesem Zeitpunkt an der Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 6 BKAG fehlte, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach § 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen.

3. Eine Rechtsgrundlage, die eine Datenübermittlung an eine exterritoriale Organisation, hier die NATO, erlaubt, fehlt im BKA-Gesetz.

4. Eine Einwilligung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der freien Entscheidung des Betroffenen und der Schriftform. Dabei ist der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung hinzuweisen. Soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich oder auf Verlangen, ist auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Abgabe eines Negativvotums durchÜbermittlung personenbezogener Daten des Klägers an die NATO imVerfahren der Erteilung einer Presseakkreditierung für denNATO-Gipfel vom 03. bis 04.04.2009 rechtswidrig war.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistungoder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden,falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit inderselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist freiberuflicher Journalist und polnischer Staatsangehöriger. Er beabsichtigte für die polnische Ausgabe der internationalen Monatszeitschrift €Le mont Diplomatic€ und andere Zeitschriften vom NATO-Gipfel vom 03. bis 04.04.2009 zu berichten. Am 29.01.2009 beantragte der Kläger online bei der NATO seine Akkreditierung als Journalist für das Gipfeltreffen. Dabei erklärte sich der Kläger damit einverstanden, dass die persönlichen Taten €gespeichert und in Verbindung mit meiner Akkreditierung verwendet werden€ (€I agree to the above mentioned data being stoered and used in connecation with my accreditation€).

Von Seiten der NATO wurde die Akkreditierung des Klägers ohne Angabe von Gründen abgelehnt.

Aufgrund eines Auskunftsersuchens teilte das Bundeskriminalamt dem Kläger mit, dass im Rahmen des mit der NATO vereinbarten standardisierten Akkreditierungsüberprüfungsverfahrens für den NATO-Gipfel 2009 die persönlichen Daten (Name, Vorname, Geburtsdatum) eines Bewerbers, nachdem dieser bei der NATO um Akkreditierung als Journalist ersucht habe, an das Bundeskriminalamt übermittelt werden. Dort erfolge sodann eine Überprüfung der Person mittels eines automatischen Datenabgleichs im polizeilichen Informationssystem INPOL. Die Daten des Betroffenen würden auf der rechtlichen Grundlage des § 25 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 BKAG abgeglichen. Dies mit dem Ziel, mögliche Gefahren für die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes sowie anderer Staatsgäste im Falle einer Akkreditierung zu erkennen. Bei einer Bewertung der Ergebnisse des Datenabgleichs durch das Bundeskriminalamt werde der NATO gegenüber eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen, ohne dass eine Übermittlung der ggf. im Bundeskriminalamt oder bei den Landespolizeien zu der Person vorliegenden Erkenntnisse stattfinde. Über den Kläger lägen verschiedene Informationen vor.

Die Empfehlung zur Nichtzulassung sei seitens des Bundeskriminalamts unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen ausgesprochen worden. Eine abschließende rechtliche Bewertung habe nicht dem Bundeskriminalamt, sondern der NATO oblegen, sie sei Veranstalter des NATO-Gipfels und für die Akkreditierung der Journalisten zuständig.

Bezüglich des Klägers sind bei dem Bundeskriminalamt in der Datei INPOL-Fall innere Sicherheit folgende Daten gespeichert:

- 02.10.04 € Verstoß Versammlungsgesetz, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (A-Stadt, BR xxx) - 06.06.07 € Verstoß Versammlungsgesetz (C-Stadt, xx xxx)

In der Zentraldatei international agierende gewaltbereiter Störer (Gast):

€A. wird in der Auswertedatei €Igast€ des Bundeskriminalamts geführt. Auf diese Daten können nur autorisierte Mitarbeiter der Abteilung Staatsschutz beim Bundeskriminalamt zugreifen. Das Aussonderungsprüfdatum wurde auf den 06.06.2010 festgesetzt.€

Ferner existiert bezüglich des Klägers eine Kriminalakte, für die als Aussonderungsprüfdatum der 02.10.2009 festgesetzt wurde.

Eine von dem BKA A-Stadt am 06.02.2009 erstellte Liste erhält einen Hinweis auf eine Kriminalakte beim Bundeskriminalamt, Aussonderungsprüfdatum 02.10.2009 sowie eine beim BKA D-Stadt geführte Kriminalakte, Aussonderungsprüfdatum 02.10.2009; ferner einen Hinweis auf das LKA A-Stadt: €Delikt bzw. Straftat gemäß Freitext Widerstand€, Erfassungsdatum 02.10.2004.

Aufgrund dessen wurde vom BKA A-Stadt SG xx Lage am 11.02.2009 vermerkt:

€Nach der Überprüfung des polnischen Staatsangehörigen A., €.. in INPOL und INPOL-Fall sowie nach Auswertung der im BKA geführten ST-Akte, liegen die nachfolgend aufgeführten Erkenntnisse zu dem A. vor (siehe auch Anlage 1). Herr A.. hat sich bei der NATO online Akkreditierung für o.g. Ereignis als Journalist (Arbeitgeber: XXXXXXX /Polen) eingetragen.

In der Vergangenheit trat er in Deutschland zweimal polizeilich in Erscheinung:

04.10.2004 € Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (Vermummungsverbot) sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei einer Demonstration in A-Stadt,

06.06.2007 € Verstoß gegen das Versammlungsgesetz € A. wurde bei einer Vorkontrolle im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm in Rostock kontrolliert, dabei wurden bei ihm zwei Messer und ein Besenstil gefunden und beschlagnahmt.

A. wird in der BKA-Auswerterdatei €international agierende, gewaltbereite Störer (IGAST)€ geführt (Aussonderungsprüfdatum: 06.06.2010).

A. hat am 08.04.2008 über einen Rechtsanwalt ein Auskunftsersuchen zu den über ihn im BKA vorliegenden Erkenntnissen gestellt.€

Mit Vermerk vom 17.03.2009 wurde festgestellt €aufgrund des Vermerks von SG xx/Lage vom 11.02.2009 wird vorgeschlagen, den A., von der Veranstaltung auszuschließen.€

Bezüglich der Eintragung des LKA A-Stadt wurde das Strafverfahren gemäß § 153 a Abs. 1 StPO mit einer Geldauflage von 300,-- € eingestellt. Bezüglich des Verfahrens in C-Stadt wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Mit Antrag vom 31.03.2009 suchte der Kläger zunächst um vorläufigen Rechtsschutz nach (Az. 6 L 354/09.WI). Der in erster Instanz zunächst zu Gunsten des Klägern ergangene Beschluss vom 31.03.2009 (Az. 6 L 354/09.WI) wurde aufgrund der Beschwerde der Beklagten aufgehoben und die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch den HessVGH mit Beschluss vom 02.04.2009 (Az. 8 B 1041/09 u.a.) abgelehnt.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25.03.2010, eingegangen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden am selben Tage, hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, dass die Abgabe einer €Empfehlung€ an die NATO eine Übermittlung eines personenbezogenen Datums sei. Gemäß § 14 Abs. 7 Satz 1 BKAG unterbleibe die Übermittlung personenbezogener Daten an eine internationale Organisation, soweit Grund zu der Annahme bestehe, dass durch sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen werden würde. Darüber hinaus unterbleibe nach Absatz 7 der Norm die Übermittlung ferner, wenn durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden, insbesondere, wenn im Empfängerland ein angemessener Datenschutzstandard nicht gewährleistet wäre. Über ein NATO-Datenschutzstatut sei öffentlich nichts bekannt geworden. Einer Verwendung der übermittelten Empfehlung durch die Speicherung und Verwertung bei der NATO in einem anderen Kontext könne nicht ausgeschlossen werden. Die Übermittlung erweise sich schon aus diesem Grunde als rechtswidrig und löse einen Anspruch auf Folgenbeseitigung € hier in Gestalt des Widerrufs der kompromittierenden Negativbewertung € aus. Die Übermittlung verstoße auch gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes. Darüber hinaus greife die Bewertung in die Berufsfreiheit des Klägers ein. Eine Übermittlung der Daten an die NATO im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens sei gesetzlich nicht geregelt. Die Beklagte dürfe eine negative Empfehlung allenfalls dann erteilen, wenn hinreichend tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der um Akkreditierung nachsuchende Antragsteller durch sein Verhalten den NATO-Gipfel störe oder Leib und Leben von Teilnehmern gefährden wolle. Ausweislich der Auskunft des Bundeskriminalamtes vom 29.04.2008 sowie der weiteren Mitteilung vom 31.03.2009 fehle es bereits an einer tatsächlichen Entscheidungsgrundlage, welche eine Negativempfehlung tragen könne.

Im weiteren Verfahren überreichte der Kläger eine Antwort der Bundesregierung auf die Frage 4/41 und 4/42 der Abgeordneten E. in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 22.04.2009. Hieraus ergebe sich, dass die Bundesregierung an den Grundzügen aus dem Vermerk vom 11.02.2009 trotz ausführlicher Stellungnahme des Klägers festhalte und die Besorgnis bestünde, dass eine inhaltliche Prüfung auch in zukünftigen Fällen so einseitig und holzschnittartig verlaufen werde, wie dies bei der Beklagten schon für die Empfehlung im März 2003 an die NATO erfolgt sei.

Darüber hinaus käme eine Verarbeitungsbefugnis nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BKAG im Rahmen der Aufgaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BKAG (Personenschutz) allenfalls im Rahmen dieser Aufgabe in Betracht. Allgemeine Aufgaben des Schutzes der Mitglieder von Verfassungsorganen seien dem Bundeskriminalamt über § 5 Abs. 1 BKAG hinaus nicht übertragen. Auch sei keine wirksame Einwilligung des Klägers für die Übermittlung der Daten an das Bundeskriminalamt gegeben. Es sei vielmehr überhaupt keine Einwilligung des Klägers in dem Verwaltungsvorgang der Beklagten aktenkundig. Soweit die Beklagte auf das Akkreditierungsformular Bezug nehme, sei damit allenfalls dargelegt, dass der Kläger einer weder nationalen noch europäischen Anforderung eine datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung auch nur im Ansatz genügenden Einwilligungserklärung gegenüber der NATO abgegeben habe. Für die Beklagte lasse sich daraus nichts herleiten. Auch aus der Passage used and stored könne nicht eine Einwilligung in eine Datenübermittlung verstanden werden. Allenfalls könne eine interne Nutzung im datenschutzrechtlichen Sinne durch die NATO damit gemeint sein.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Abgabe eines Negativvotums und die Übermittlung personenbezogener Daten des Klägers an die NATO im Verfahren der Erteilung einer Presseakkreditierung für den NATO-Gipfel vom 03. € 04.04.2009 rechtswidrig war sowie vorsorglich und hilfsweise die Berufung und Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt zunächst im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Eilverfahren Bezug.

Das Bundeskriminalamt ist der Auffassung, dass die abgegebene Empfehlung auf der Rechtsgrundlage des § 5 BKAG erfolgt sei. Bei dem Schutz von Verfassungsorganen des Bundes handele es sich um eine Kernaufgabe des Bundeskriminalamtes. Zur Gewährleistung eines wirksamen Personenschutzes sei es erforderlich, die im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Schutzperson stehenden Gefahrenquellen festzustellen und geeignete Maßnahmen zu treffen. Anhaltspunkte dafür, dass das NATO-Hauptquartier nicht über einen angemessenen Datenschutzstandard verfüge, lägen nicht vor. Mit dem Ausfüllen des Akkreditierungsformulars habe der Kläger erkennbar seine Einwilligung zu einer Sicherheitsprüfung erteilt. Unter Verweis auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage xx liege es für berufserfahrene Journalisten auf der Hand, dass eine solche Zugangsprüfung Sicherheitsbelange einschließe und dazu die hierfür zuständigen Behörden beteiligt werden. Insoweit bestehe eine Rechtsgrundlage. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 23.09.2010 Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 01.04.2010 hat sich der Kläger mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (Bl. 17 GA), mit Schreiben vom 09.04.2010 die Beklagte (Bl. 19 GA).

Darüber hinaus haben sich die Verfahrensbeteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (Bl. 30 und 31 GA).

Mit Beschluss vom 17.05.2010 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Behördenakten (2 Heftstreifen) sowie die Akte des Eilverfahrens 6 L 354/09.WI Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden sind.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht dem Kläger ein Feststellungsinteresse zur Seite. Dies insbesondere, als die Beklagte bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vorgetragen hat, dass die Aussonderungsprüfdaten eingehalten wurden und die Daten des Klägers nunmehr bei der Beklagten gelöscht sind. Dem Kläger steht jedoch auch ein materieller und immaterieller Schadensersatzanspruch im Falle der Rechtswidrigkeit der vorliegenden Maßnahme zur Seite (siehe §§ 7 und 8 BDSG; Art. 23 EG-Datenschutzrichtline).

Die Klage ist auch begründet. Bei der Bewertung des Bundeskriminalamtes gegenüber der NATO handelt es sich um eine Übermittlung personenbezogener Daten. Denn die Bewertung bezieht sich auf den Kläger persönlich und ist mithin eine Einzelangabe über persönliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG.

Zum Zeitpunkt der Beauskunftung durch das Bundeskriminalamt waren die Daten in den Dateien INPOL-Fall innere Sicherheit und in der Zentraldatei €International agierende gewaltbereiter Störer€ (IGast) bereits rechtswidrig gespeichert, da zum Zeitpunkt der Beauskunftung diese Dateien errichtet und betrieben worden sind, ohne dass der Bundesminister des Inneren eine gemäß § 7 Abs. 6 BKAG vorgesehene Verordnung über die Art der zu speichernden Daten erlassen hatte (vgl. VG Gießen, Urt. v. 29.04.2002, Az. 10 E 141/01; VG Karlsruhe; Urt. v. 14.04.2010, Az. 3 K 1988/09 u.a.; OVG Lüneburg, Urt. v. 16.12.2008, Az. 11 LC 229/08; a.A. HessVGH, Urt. v. 16.12.2004, Az. 11 UE 2982/02). Dies mit der Folge, dass die Speicherung unzulässig war und daher zu diesem Zeitpunkt die Daten hätten gelöscht sein müssen (§ 32 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. BKAG, entspricht § 20 Abs. 2 Nr. 1 BDSG).

Die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers beim Bundeskriminalamt und damit natürlich auch ihre Nutzung war zum Zeitpunkt der Beauskunftung an die NATO allein deshalb unzulässig, weil es zu diesem Zeitpunkt an der Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 6 BKAG fehlte, welche die Art der Daten festzulegen hat, die nach § 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen. Erst nach Festlegung der Art dieser Daten durch die Rechtsverordnung bedarf es auf die jeweilige Datei bezogen der Umsetzung durch die jeweils konkrete Errichtungsanordnung, für deren Rechtsmäßigkeit die Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 6 BKAG zwingende Voraussetzung ist. Hierauf kann auch nicht verzichtet werden, denn hätte der Gesetzgeber die vom Bundeskriminalamt zur speichernden Daten als bestimmt genug angesehen, hätte er nicht auf eine entsprechende weitere Konkretisierung dieser Daten durch Rechtsverordnung bestanden. Im Gegenteil, in der amtlichen Begründung wurde zu § 7 ausgeführt: €Abs. 6 bestimmt, dass der Bundesminister des Inneren mit Zustimmung des Bundesrates nähere Entscheidung der Datenspeicherung aufgrund der §§ 8, 9 durch Rechtsverordnung festlegt€ (BT-Drucksache 13/1550, B, zu 7 Abs. 6, S. 25 € VG Gießen, Urt. v. 29.04.2002, Az. 10 E 141/01).

Die Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des BKAG gespeichert werden dürfen, wurde jedoch erst am 29.05.2010 als Verordnungsentwurf vorgelegt. Diesem hat der Bundesrat am 04.06.2010 zugestimmt. Die Verordnung ist erst am 09.06.2010 in Kraft getreten. Eine Übergangsregelung enthält die Verordnung nicht. Damit wäre die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten in den Dateien erst ab dem 09.06.2010 zulässig.

Die Übermittlung von personenbezogenen Daten als eine Form der Datenverarbeitung (§ 3 Abs. 4 BDSG) hinsichtlich der von dem Bundeskriminalamt vorgenommenen Gefährdungsprognose an die NATO war auch unabhängig von dem zuvor ausgeführtem rechtswidrig. Denn eine entsprechende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass § 5 BKAG eine ausreichende Rechtsgrundlage sei, ergibt sich dies aus dem Gesetz nicht. § 5 BKAG (Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane) regelt, dass unbeschadet der Rechte des Präsidenten des Deutschen Bundestages und der Zuständigkeit der Bundespolizei und den Polizeien der Länder es dem Bundeskriminalamt obliegt, den erforderlichen Personenschutz für die Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes sowie in besonderen festzulegenden Fällen der Gäste dieser Verfassungsorgane aus anderen Staaten sowie der innere Schutz der Dienst- und der Wohnsitze sowie der jeweiligen Aufenthaltsräume des Bundespräsidenten, der Mitglieder der Bundesregierung und in besonders festzulegenden Fällen ihrer Gäste aus anderen Staaten durchzuführen. Insoweit handelt es sich bei der Norm um eine Aufgabennorm, nicht jedoch um eine Datenübermittlungsnorm. Sie beinhaltet allenfalls die Möglichkeit des Zugriffs der Personenschützer des Beklagten auf die eigenen rechtmäßig gespeicherten Daten beim Bundeskriminalamt zuzugreifen um €die im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Schutzperson stehenden Gefahrenquellen festzustellen und geeignete Maßnahmen zu treffen€, wie die Beklagte zu Recht selbst festgestellt hat.

Gemäß § 25 BKAG (Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten) kann das Bundeskriminalamt personenbezogene Daten verarbeiten und nutzen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben zum Schutze von Mitgliedern von Verfassungsorganen erforderlich ist. Die Übermittlung der im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach § 5 gewonnenen Daten ist jedoch nur unter den Voraussetzungen der §§ 10 € 14 BKAG zulässig.

Vorliegend handelt es sich aber um eine Datenübermittlung an eine exterritoriale Organisation, die NATO. Gemäß § 14 Abs. 6 BKAG kann das Bundeskriminalamt personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte im Rahmen des Art. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II, S. 1183) übermitteln, wenn dies zur rechtmäßigen Erfüllung der in der Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich ist. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Übermittlung von Daten an ausländische Streitkräfte, welche in Deutschland stationiert sind, sondern um die Übermittlung von Daten an das NATO-Hauptquartier in Brüssel, welches durch diese Norm gerade nicht genannt ist. Eine weitere Übermittlungsnorm ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich bei der NATO nicht um eine internationale kriminalpolizeiliche Organisation (§ 14 Abs. 5 BKAG - vertiefend vergleiche VG Wiesbaden, Beschluss vom 31.03.2009, Az. 6 L 353/09.WI, S. 5 ff.).

Eine Regelung wie in § 19 Abs. 3 Bundesverfassungsschutzgesetz fehlt im Bundeskriminalamtsgesetz und zwar zu Recht. Nach § 19 Abs. 3 Bundesverfassungsschutzgesetz ist das Bundesamt für Verfassungsschutz und gerade nicht das Bundeskriminalamt berechtigt personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischen Stellen zu übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgabe oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung hat zu unterbleiben, wenn u.a. überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Zusätzlich sind weitere Handlungen zur Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erforderlich.

Selbst diese Norm einmal zugrunde gelegt, wäre eine rechtmäßige Übermittlung allein schon deshalb fraglich, weil weder eine Aufgabe des Bundeskriminalamtes bezüglich der NATO vorliegt, noch ein erhebliches Sicherheitsinteresse der NATO auch nur im Ansatz dargelegt wurde. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da § 19 Bundesverfassungsschutzgesetz nicht auf das Bundeskriminalamt Anwendung findet.

Mangels weiterer Rechtsgrundlage im Bundeskriminalamtsgesetz findet ergänzend das Bundesdatenschutzgesetz Anwendung.

Gemäß § 4 Abs. 1 BDSG ist die Übermittlung personenbezogener Daten auch zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat. Gemäß § 4 a BDSG bedarf die Einwilligung jedoch zu ihrer Wirksamkeit der freien Entscheidung des Betroffenen. Dabei ist er auf dem vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist.

Eine direkte Einwilligung des Klägers gegenüber dem Bundeskriminalamt wurde unstreitig nicht erteilt. Wenn überhaupt erfolgte eine Erklärung ausschließlich gegenüber der NATO.

Bei dieser mangelt es bereits an der Schriftform. Die Akkreditierung erfolgte per Internet. Es mag dahingestellt sein, ob insoweit, da die Akkreditierungseintragung über das Internet in Deutschland erfolgte, das Telemediengesetz Anwendung findet und damit die elektronische Form der Einwilligung gemäß § 13 Abs. 2 TMG erforderlich wäre. Eine solche liegt auf jeden Fall unbestritten nicht vor. Auf die Frage, ob die Erklärung gegenüber der NATO als solche bereits rechtmäßig war kommt es vorliegend auch nicht an. Denn für die vorliegende Rechtsfrage muss eine wirksame Einwilligungserklärung nach deutschem Recht bezüglich des Bundeskriminalamtes vorliegen. Damit müsste die NATO eine Einwilligungserklärung des Klägers dem Bundeskriminalamt vorlegen die der Einwilligungsregelung des § 4 a BDSG entspricht.

Das ist nicht der Fall. Denn soweit der Kläger erklärt hat, dass seine Daten gespeichert und in Verbindung mit seiner Akkreditierung verwendet werden dürfen, hat er weder erklärt, dass die NATO Daten an das Bundeskriminalamt zum Zwecke einer Prognoseentscheidung übermitteln darf, geschweige denn eine Einwilligung erteilt, die das Bundeskriminalamt berechtigt hätte, ein Votum an die NATO zu übermitteln. Die in Englisch benutzte Formulierung weist vielmehr nur darauf hin, dass die Daten im Rahmen des bei der NATO durchgeführten Akkreditierungsvorgangs benutzt werden sollen. Von einer Datenübermittlung an Dritte und einer Datenerhebung bei Dritten (hier das Bundeskriminalamt) ist jedoch in dieser Erklärung keine Rede. Auf Berufserfahrung, Gebräuchlichkeiten und Vermutungen, wie in der Frage 42 von der Bundesregierung erklärt kommt es insoweit gerade nicht an.

Soweit die Beklagte vorträgt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass das NATO-Hauptquartier nicht über einen angemessenen Datenschutzstandard verfüge, kommt es vorliegend auf ein angemessenes Datenschutzniveau bei der NATO nicht an (vgl. insoweit § 4 b und § 4c BDSG - welche nach § 37 BKSG ausgeschlossen sind). Die vorgelegte €Einwilligungserklärung€ widerlegt aber ein angemessenes Datenschutzniveau mehr als deutlich. Denn im Rahmen des europäischen Datenschutzstandards hätte die NATO mindestens eine Einwilligungserklärung abfordern müssen, welche Art. 2 Buchst. h) und Art. 7 Buchst. a) Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl Nr. L 281 vom 23.11.1995, S. 31 ff., genannt: EG-Datenschutzrichtlinie) entspricht € was nicht der Fall ist. Weitere Informationen über Regelungen bezüglich des Umgangs mit personenbezogenen Daten bei der NATO wurden dem Gericht nicht vorgelegt und dürften auch nicht existieren.

Zwar findet gemäß Art. 3 Abs. 2 EG-Datenschutzrichtlinie die Richtlinie nach ihrem Wortlaut auf die Fälle der Verarbeitung personenbezogener Daten betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung und die Sicherheit des Staates keine Anwendung. Jedoch hat der Bundesgesetzgeber mit seinen Regelungen im Bundeskriminalamtsgesetz keine eigenständige Einwilligungsregelung zur Einwilligung, die öffentliche Sicherheit betreffen, geschaffen. Er verweist vielmehr auf die allgemein datenschutzrechtlichen Regelungen, mithin auch denen, die der EG-Datenschutzrichtlinie unterliegen.

Hinzu kommt, dass mit dem Vertrag von Lissabon seit dem 01.12.2009 der Art. 3 Abs. 2 EG-Datenschutzrichtlinie nicht mehr vertragskonform ist und insoweit, zumindest seit dem 01.12.2009, die EG-Datenschutzrichtlinie auch im Bereich der öffentlichen Sicherheit, der Landesverteidigung und der Sicherheit des Staates sowie im Bereich der Strafrechtspflege entsprechend anzuwenden ist. Hierauf kommt es jedoch vorliegend nicht an. Denn zur Auskunftserteilung und Übermittlung von Daten durch das Bundeskriminalamt an die NATO hat es immer einer Einwilligungserklärung gem. § 4a BDSG bedurft, welche das Bundeskriminalamt ausdrücklich ermächtigt, personenbezogene Daten und damit auch Einschätzungen zu einer Person (persönliche und sachliche Verhältnisse) an die NATO zu übermitteln.

Soweit die Einwilligung per Internet abgegeben wurde ist auch zu beachten, dass das Schriftformerfordernis auch nicht im Sinne von § 126 a BGB in Form der elektronischen Einwilligung gegeben wurde. Liegt eine digitale Signatur bei der elektronischen Einwilligung nicht vor, ist diese nichtig. Dies deckt sich insoweit mit den Folgen einer Verletzung der Schriftform (Simitis in Simitis a.a.O., § 4 a Rdnr. 39).

Besondere Umstände, die eine andere Erklärungsform vorliegend rechtfertigen, liegen ebenfalls nicht vor und sind vom Beklagten auch nicht geltend gemacht worden.

Insoweit liegt von dem Kläger eine wirksame Einwilligung gegenüber der NATO zur Datenübermittlung durch das Bundeskriminalamt an die NATO als Rechtsgrundlage im Sinne von § 4 Abs. 1 BDSG nicht vor. Hinzu kommt, dass öffentliche Stellen auf eine Einwilligung grundsätzlich nur dann zurückgreifen dürfen, sofern eine entsprechende gesetzliche Regelung besteht, die auch die Verweigerungsfolgen umschreibt (vgl. Simitis in Simitis BDSG-Kommentar, 6. Auflage, § 4 a Rdnr. 17). Hieran fehlt es ebenfalls.

Dies hat zur Folge, dass die Datenübermittlung an die NATO mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig war.

Auf die Frage der inhaltlichen Bewertung der über den Kläger vorliegenden Unterlagen € welche zum Teil zumindest rechtswidrig gespeichert waren bzw. sind (siehe oben) € kommt es insoweit ebenfalls nicht an; genauso wie auf die Rechtsfragen einer innerstaatlichen Akkreditierung. Die insoweit von der Beklagten gemachten Ausführungen und Verweise auf die Rechtsprechung des VG A-Stadt und des VG Hamburg beinalten nichts zu der Frage einer zulässigen Datenübermittlung an eine Stelle außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, vorliegend die NATO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit bezüglich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO entsprechend.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Vorliegend geht es insbesondere um die Fortbildung des Rechtes bezüglich einer Datenübermittlung an eine internationale Organisation und der Frage der damit verbundenen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des Revisionsverfahrens erwägen sollte, die Klage abzuweisen, wäre zu prüfen, inwieweit eine Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof im Hinblick auf den Anwendungs- und Auslegungsbereich der EG-Datenschutzrichtlinie ebenso einzuholen wäre, wie für die Frage der Datenspeicherung eines EU-Inländers in die Datei €IGAST€ (vgl. EuGH Große Kammer, Urteil vom 16.12.2008, Az. C-524/06, zum Ausländerzentralregister).






VG Wiesbaden:
Urteil v. 06.10.2010
Az: 6 K 280/10.WI


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