VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss vom 26. September 1996
Aktenzeichen: 46/93

(VerfGH des Landes Berlin: Beschluss v. 26.09.1996, Az.: 46/93)

Gründe

Der Beschwerdeführer ist niedergelassener Arzt der Orthopädie und als solcher Mitglied der Ärztekammer Berlin. Diese erhebt von ihren Mitgliedern Kammerbeiträge. Die Heranziehung zu den Kammerbeiträgen erfolgt seit der Beitragsordnung vom 4. März 1971 (ABl. S. 621) im Wege der Selbstveranlagung. Die Kammerangehörigen sind verpflichtet, eine Veranlagungserklärung auszufüllen, auf deren Grundlage die Heranziehung zum Kammerbeitrag nach jährlich von der Delegiertenversammlung der Ärztekammer festgesetzten Beitragstabellen erfolgt. Schon 1971 war für Kammerangehörige mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, zu denen die niedergelassenen Ärzte gehören, ein nach den Einkünften gestufter Kammerbeitrag vorgesehen, so daß bereits damals Angaben zu den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit erforderlich waren. Sie ließen allerdings keine genauen Rückschlüsse auf die tatsächlichen Einnahmen des niedergelassenen Arztes zu, da in der Beitragstabelle nur vier Einkunftsstufen vorgesehen waren, deren letzte alle Einkünfte ab 40.000,-- DM erfaßte.

Für das Beitragsjahr 1988, um das es in diesem Verfahren geht, beschloß die Delegiertenversammlung der Ärztekammer eine grundlegende Änderung der Beitragstabelle. Während es in der für den Beschwerdeführer maßgebenden Beitragsgruppe B, die u.a. die Arzte mit überwiegenden Einkünften aus selbständiger Tätigkeit erfaßt, nach der Beitragstabelle 1987 nur fünf Beitragsstufen gab, deren erste und niedrigste für Ärzte mit Einkünften bis 50.000,-- DM einen Beitrag von 155,-- DM vorsah, der in der fünften und höchsten Beitragsstufe für Ärzte mit Einkünften über 80.000,-- DM auf 860,-- DM anstieg, sieht die Beitragstabelle 1988 in der Eingangsstufe der Beitragsgruppe B bei Einkünften unter 30.000,-- DM

Jahresbeitrag von 80,-- DM und in der Stufe 40 bei Einkünften von 400.000,-- DM einen Jahresbeitrag von 3.600,-- DM vor. Die Beitragstabelle ist nach oben "offen" und steigt in Einkommensstufen von jeweils 10.000,-- DM an.

Der Beschwerdeführer, zur Abgabe der Veranlagungserklärung für das Jahr 1988 aufgefordert, lehnte dies "aus datenrechtlichen Gründen" ab und überwies statt dessen den Höchstbeitrag nach der Beitragstabelle 1987, nämlich 860,-- DM. Die Ärztekammer zog ihn daraufhin zu einem Einkünften in Höhe von 400.000,-- DM entsprechenden Kammerbeitrag von 3.600,-- DM heran. Sie stützte sich dabei auf § 6 Abs. 4 der Beitragsordnung für 1988, nach der der Kammerbeitrag nach Einkünften von 400.000,-- DM erhoben werden kann, wenn eine Veranlagungserklärung nicht ordnungsgemäß abgegeben wird und Anhaltspunkte für eine Schätzung nicht vorliegen. Nach erfolglosem Widerspruch focht der Beschwerdeführer den Heranziehungsbescheid im Verwaltungsrechtsweg an, blieb aber in allen Rechtszügen, einschließlich des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, erfolglos.

Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht hielten die Heranziehung zu einem Kammerbeitrag von 3.600,-- DM für gerechtfertigt und teilten insbesondere die datenrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers nicht.

Mit seiner am 3. Mai 1993, zwei Monate nach Zustellung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts und noch während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die ihm ungünstigen Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Berlin. Er rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 3 VvB in Verbindung mit Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 GG, sowie aus Art. 15 und Art. 21b VvB, die von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet worden seien. Zur Begründung trägt er vor: Die in der Veranlagungserklärung geforderte Angabe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit stelle eine Erhebung von Daten dar, die von der Ärztekammer gespeichert und verarbeitet würden. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, da ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes, nicht aber auf der Grundlage einer Satzung, die sich ihrerseits nur auf eine allgemeine gesetzliche Ermächtigung stützen könne, erfolgen dürfe. Außerdem verstoße es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn er wegen der Verweigerung der Selbstveranlagung gemäß § 6 Abs. 4 der Beitragsordnung 1988 nach einem Einkommen von 400.000,-- DM veranlagt werde. Es wäre der Ärztekammer möglich gewesen, sein Einkommen zu schätzen, statt ihn mit der "Einstufung in den Höchstbeitragssatz zu bestrafen". Eine Verletzung der Freiheit der Berufsausübung sieht der Beschwerdeführer u.a. darin, daß die Beitragsordnung kein formelles Gesetz sei und die Abstufung der Kammerbeiträge nach dem Einkommen nicht geeignet sei, "das Ziel der formellen Funktionserhaltung der Ärztekammer zu erreichen". Ein einkommens-unabhängiger Beitrag wäre hierzu besser geeignet und stelle außerdem das mildere Mittel dar. Der Beschwerdeführer rügt außerdem einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Arztpraxis, worin er eine Verletzung seines Grundrechts auf Eigentum sieht. Schließlich macht er eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend, die er darin sieht, daß die Rechtsanwaltskammer Berlin einkommensunabhängige Beträge erhebe, daß die Ärzte mit niedrigen Einkünften nur einen niedrigen Beitrag zu leisten hätten, obwohl sie ein weit höheres Interesse an den von der Ärztekammer angebotenen Leistungen haben als die besser verdienenden Ärzte, und daß die zur Beitragsgruppe C gehörenden Ärzte mit überwiegenden Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit im öffentlichen Dienst einen gegenüber den niedergelassenen Ärzten der Beitragsgruppe B um 10 % geringeren Kammerbeitrag zu zahlen hätten.

Nach § 53 Abs. 2 VerfGHG ist der Ärztekammer Berlin als der durch die angefochtenen Entscheidungen Begünstigten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Sie tritt dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegen und hält insbesondere die Selbstveranlagung für

verfassungsrechtlich unbedenklich.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im übrigen unbegründet.

1.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach §§ 49 ff. VerfGHG zulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 21b VvB 1950 und die Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 6 VvB 1950 rügt.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die angefochtenen Urteile verletzten ihn in seinem Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung, genügt die Verfassungsbeschwerde hingegen nicht den Anforderungen, welche die §§ 49 Abs. 1, 50 VerfGHG an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde stellen. Nach diesen Vorschriften ist in der Verfassungsbeschwerde u.a. die konkrete Möglichkeit der Verletzung eines in der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechts des Beschwerdeführers darzulegen. Dies ist in der Verfassungsbeschwerde nicht geschehen. Art. 1 Abs. 3 VvB, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, um durch die darin enthaltene Verweisung Art. 12 Abs. 1 GG in Bezug zu nehmen, bestimmt, daß das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes für Berlin bindend sind. Damit wird - lediglich - die sich aus Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Bindung der Organe des Landes Berlin an das Grundgesetz und das sonstige Bundesrecht wiederholt. Dagegen begründet Art. 1 Abs. 3 VvB keine landesverfassungs-rechtliche Verbürgung der Grundrechte des Grundgesetzes. Diese werden durch Art. 1 Abs. 3 VvB nicht Bestandteile der Verfassung von Berlin und können daher nicht mit der Verfassungsbeschwerde des § 49 VerfGHG geltend gemacht werden (Beschluß vom 8. September 1993 - VerfGH 59/93 - LVerfGE 1, 149). Ein eigenständiges Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung, auf das sich der Beschwerdeführer bei sinngemäßer Auslegung seiner Verfassungsbeschwerde (möglicherweise) ebenfalls berufen will, ist in der Verfassung von Berlin nicht enthalten. Zwar gewährleistet Art. 11 VvB 1950 die freie Wahl des Berufs. Dieses Grundrecht umfaßt jedoch grundsätzlich nicht die Freiheit der Berufsausübung (Urteil vom 31. Mai 1995 - VerfGH 55/93 - JR 1996, 146/149), um die es hier allein gehen kann. Ebenfalls unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 15 VvB 1950 geltend macht. Bei der Rüge der Verletzung dieses Grundrechts läßt die Verfassungsbeschwerde jede konkrete Darlegung vermissen, wieso der Beschwerdeführer durch die beanstandete Maßnahme, also letztlich durch die von ihm angegriffene Beitragserhebung der Ärztekammer, in seinem Grundrecht auf Eigentum verletzt sein kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem mit Art. 15 Abs. 1 VvB nahezu wortgleichen Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Grundrecht auf Eigentum nicht das Vermögen als solches vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten (zuletzt BVerfG, Beschluß vom 12. Oktober 1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE 91, 207 <220> m.w.N.). Angesichts dieser Rechtsprechung genügt der Satz, "konkret geschützte Vermögensposition", in die eingegriffen werde, sei "die Arztpraxis", nicht, um eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht auf Eigentum durch die Heranziehung zum Kammerbeitrag als möglich erscheinen zu lassen.

2.

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet.

a) Art. 21b VvB 1950 - jetzt wortgleich Art. 33 VvB 1995 -, der dem Einzelnen das Recht gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, ist nicht verletzt. Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß die im Rahmen der von § 6 der Beitragsordnung vorgeschriebenen Selbstveranlagung geforderte Angabe seiner Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit im datenrechtlichen Sinne eine Erhebung personenbezogener Daten ist. Damit ist der Schutzbereich des Art. 21b VvB berührt. Zwar erfaßt § 21b VvB seinem Wortlaut nach nur "persönliche Daten", während es sich bei dem Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit nicht um persönliche Daten im engeren Sinne, sondern um Daten über sachliche Verhältnisse des Arztes handelt. Angesichts der Gleichbehandlung der Daten über persönliche und sachliche Verhältnisse einer Person im geltenden Datenschutzrecht, das sie gleichermaßen unter dem Begriff der "personenbezogenen Daten" zusammenfaßt (vgl. § 3 Abs. 1 BDSG, § 4 Abs. 1 Bln DSG), ist der Begriff der "persönlichen Daten" in Art. 21b VvB im Sinne des datenrechtlichen Begriffs der "personenbezogenen Daten" zu verstehen, da nicht anzunehmen ist und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß mit Art. 21 b VvB nur die Daten über die persönlichen Verhältnisse einer Person, nicht aber die nicht weniger bedeutsamen Daten über deren sachliche Verhältnisse geschützt werden sollen. Das danach von Art. 21b S. 1 VvB dem Beschwerdeführer verbürgte Recht, grundsätzlich selbst über die Preisgabe der seiner Einkommensverhältnisse betreffenden Daten zu bestimmen, wird durch die Verpflichtung, in der Veranlagungserklärung Auskunft über die Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit zu geben, eingeschränkt. Zwar übt die Ärztekammer keinen Zwang zur Selbstveranlagung aus, sondern nimmt es hin, wenn ein Kammermitglied die Selbstveranlagung verweigert. Die dann gem. § 6 Abs. 4 Beitragsordnung drohende Veranlagung nach Einkünften von 400.000,-- DM stellt jedoch einen mittelbaren Zwang zur Offenlegung der Einkommensverhältnisse dar, da sie auf die Entscheidung des Einzelnen über die Preisgabe seiner Daten einwirkt. Er entscheidet letztlich nicht mehr "selbst", nämlich nicht mehr frei und unbeeinflußt, über die Preisgabe seiner Daten, sondern muß befürchten, notfalls nach dem erfahrungsgemäß nur von wenigen Ärzten erzielbaren Einkommen von 400.000,-- DM veranlagt zu werden. Diese Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung ist indes verfassungsrechtlich unbedenklich, da sie auf hinreichender gesetzlicher Grundlage beruht und im überwiegenden Allgemeininteresse erfolgt (Art. 21b S. 2, 3 VvB). Rechtsgrundlage der Selbstveranlagung und der mit ihr verbundenen Pflicht, Auskunft über die erzielten Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit zu geben, ist die Beitragsordnung der Ärztekammer Berlin vom 4. März 1971 (ABl. S. 621) in der Fassung des 17. Nachtrags zur Beitragsordnung vom 26. November 1987 (ABl. S. 430). Diese stützt sich auf § 13 des Berliner Kammergesetzes (Bln KaG), der die Ärztekammer ermächtigt, von den Kammerangehörigen Beiträge aufgrund einer von ihr zu erfassenden Beitragssatzung zu erheben. Diese Vorschrift ist eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die aus der Beitragsordnung der Ärztekammer folgende Einschränkung des Rechts der der Kammer angehörenden Ärzte, selbst über die Daten ihrer Einkünfte zu verfügen. Zwar beschränkt sich § 13 Bln KaG seinem Wortlaut nach darauf, die Ärztekammer zur Erhebung eines Kammerbeitrags und zum Erlaß einer Beitragsordnung zu verpflichten und zu ermächtigen. Ohne die Kenntnis der in der Beitragsordnung bestimmten Erhebungsmerkmale ist jedoch eine Beitragserhebung und damit die Erfüllung der der Ärztekammer von § 13 Bln KaG auferlegten Pflicht zur Beitragserhebung nicht möglich. Deshalb enthält § 13 zugleich die Ermächtigung, in der Beitragsordnung die für die Veranlagung erforderlichen Auskünfte über die persönlichen oder sachlichen Daten des Kammermitglieds zu verlangen. Da es seit langem zwar nicht allenthalben, aber doch vielerorts üblich ist, bei der Erhebung von Kammerbeiträgen die Kammerangehörigen je nach der Art ihrer Berufstätigkeit in Beitragsgruppen einzuteilen und innerhalb dieser Gruppen nach Einkünften abgestufte Beiträge zu erheben (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluß vom 25. Juni 1989 - 1 B 109/89 - NJW 1990, 786; BGH, Beschluß vom 25. Januar 1971 - AnwZ (B) 16/70 - NJW 1971, 1041), ermächtigt § 13 Bln KaG auch dazu, Auskünfte über das erzielte Einkommen einzuholen, falls ein einkommensabhängiger Kammerbeitrag erhoben wird. Andere als die zur Veranlagung erforderlichen Auskünfte dürfen, da die gesetzliche Zweckbestimmung die Datenerhebung begrenzt, nicht erhoben werden. Inzwischen ist der Ärztekammer in § 5a Bln KaG ausdrücklich die Befugnis verliehen worden, bestimmte Daten ihrer Mitglieder, darunter auch Daten zur Beitrags- und Gebührenpflicht, zu erheben und weiterzuverarbeiten. Aus dieser Ergänzung des Berliner Kammergesetzes durch das "Gesetz über die Schaffung bereichsspezifischer Regelungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten" vom 26. Januar 1993 (GVBl. S. 40) kann jedoch nicht gefolgert werden, daß die Erhebung dieser Daten zuvor nicht zulässig war. Sie war aus den genannten Gründen auch ohne ausdrücklich Erwähnung durch das Berliner Kammergesetz zugelassen, weil und soweit dies zu dessen Vollzug notwendig war. Die Erhebung der Daten über das Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit dient, wie von Art. 21b S. 3 VvB gefordert, auch einem überwiegenden Allgemeininteresse, da sie sozial abgestufte Kammerbeiträge ermöglichen soll und damit ein sozialstaatliches Anliegen verfolgt. Das öffentliche Interesse an sozial abgestuften Kammerbeiträgen überwiegt das Interesse des Beschwerdeführers, sein Einkommen nicht preisgeben zu müssen. Bei der Gewichtung dieses Interesses ist zu berücksichtigen, daß die Preisgabe des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit nur für den begrenzten Zweck der Beitragserhebung erfolgt und daß innerhalb der Ärztekammer, wie Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht festgestellt haben, die notwendigen Vorkehrungen zur Wahrung des Datenschutzes getroffen sind, zumal die Bediensteten der Ärztekammer als Angehörige des öffentlichen Dienstes zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es, wenn auch mit weitaus geringerer Staffelung, die Selbstveranlagung mit Angabe des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit spätestens seit der Beitragsordnung vom 4. März 1971 gibt, und daß, soweit ersichtlich, ein Mißbrauch der dabei mitgeteilten Daten bisher nicht bekannt geworden und auch vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden ist.

b)

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Ärztekammer die Grundlagen der Beitragserhebung schätzen und mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine Schätzung den Beitrag nach Einkünften von 400.000,-- DM erheben kann, wenn die Veranlagungserklärung nicht ordnungsgemäß abgegeben wird. Ein Verstoß gegen das im Gleichbehandlungsgebot des Art. 6 VvB enthaltene Willkürverbot oder gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot ist hierin nicht zu sehen. Wie bereits erwähnt, beruht die Beitragserhebung der Ärztekammer auf dem Prinzip der Selbstveranlagung. Dies bedeutet, daß es ausschließlich von der Bereitschaft des einzelnen Kammermitglieds, die Selbstveranlagung ordnungsgemäß, insbesondere wahrheitsgemäß, vorzunehmen, abhängt, ob ihm gegenüber die Heranziehung zum Kammerbeitrag entsprechend den Sätzen der Beitragsordnung erfolgt und die Beitragsordnung damit allen Kammermitgliedern gegenüber gleichheitsgemäß angewandt werden kann. Die dem Prinzip der Selbstveranlagung somit zwangsläufig innewohnende Gefahr einer in Bezug auf die Gesamtheit der Kammermitglieder ungleichen Anwendung der Beitragsordnung verlangt im Interesse der Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinreichende Vorkehrungen dafür, daß die Belastungsgleichheit gewahrt wird. So bedarf, wie das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Besteuerung von Kapitalerträgen ausgesprochen hat (Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 83, 239 <273>), im Veranlagungsverfahren das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip. Dem trägt die jetzt geltende Beitragsordnung der Ärztekammer Berlin vom 29. November 1995 (ABl. 1996, 652) Rechnung, wenn sie in § 5 Abs. 3 S. 1 bestimmt, daß der Veranlagungserklärung eine Kopie des entsprechenden Auszugs aus dem Einkommenssteuerbescheid oder eine die deklarierten Einkünfte bestätigende Erklärung des Steuerberaters beizufügen ist. Die Beitragsordnung 1988 kannte noch keine Verifikationspflicht und begnügte sich damit, im Falle ersichtlich nicht ordnungsgemäßer Selbstveranlagung notfalls den Beitrag nach einem fiktiven Einkommen von 400.000,-- DM zu erheben. Dies ist ein mittelbarer Zwang zur ordnungsgemäßen Selbstveranlagung, der der Wahrung des Gleichbehandlungsgebots dient, das durch die Weigerung eines Beitragspflichtigen, eine ordnungsgemäße Selbstveranlagung vorzunehmen, gefährdet wird. Dieses deshalb nicht willkürliche Verfahren ähnelt in seiner Zielrichtung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Verifikation, da es dazu bestimmt ist, eine gleichheitswidrige Besserstellung der die Angabe ihres Einkommens verweigernden Kammermitglieder zu verhindern. Eine übermäßige Belastung entsteht für die eine ordnungsgemäße Selbstveranlagung verweigernden Kammermitglieder durch die Veranlagung nach einem fiktiven Einkommen von 400.000,-- DM nicht, da sie sich von einer gegenüber ihrem tatsächlich erzielten Einkommen zu hohen Veranlagung jederzeit dadurch befreien können, daß sie gegen den Heranziehungsbescheid Widerspruch erheben und im Widerspruchsverfahren die ordnungsgemäß Deklaration und notfalls Verifikation ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit nachholen. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, entgegen der Annahme von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht wäre der Ärztekammer statt der Veranlagung nach einem fiktiven Einkommen von 400.000,-- DM eine Schätzung seines Einkommens möglich gewesen, wendet er sich gegen tatrichterliche Feststellungen, die einen Verfassungsverstoß nicht erkennen lassen.

Die mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Urteile verletzen unter den von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Gesichtspunkten nicht den in Art. 6 VvB enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz. Die Rechtsanwaltskammer Berlin, auf deren nicht einkommensgestufte Beitragserhebung der Beschwerdeführer verweist, ist nicht mit einer Ärztekammer vergleichbar. Ihre Tätigkeit richtet sich nach der Bundesrechtsanwaltsordnung. Der Kammerversammlung obliegt es nach § 89 Abs. 2 Nr. 2 BRAO, die Höhe und die Fälligkeit des Beitrags zu bestimmen. Sie allein entscheidet, ob sie einen einkommensgestuften oder einen einheitlichen Beitrag erheben will. Eine Bindung für andere Kammern wird durch die Beitragsgestaltung der Rechtsanwaltskammer nicht begründet. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Ärzte mit niedrigem Einkommen zögen größeren Nutzen aus den Leistungen der Ärztekammer als die besser verdienenden Ärzte, ist eine unbewiesene Behauptung, die in Einzelfällen zutreffen mag, sich aber keinesfalls verallgemeinern läßt. Sie ist daher nicht geeignet, die einkommensgestufte Beitragstabelle der Beitragsordnung 1988 als willkürlich und damit gleichheitswidrig erscheinen zu lassen. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es schließlich, daß die Ärzte mit überwiegenden Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit im öffentlichen Dienst, also die angestellten oder beamteten Ärzte, die in Krankenhäusern des Landes Berlin, in Universitätskliniken oder Behörden tätig sind, zu Beiträgen herangezogen werden, die um 10 % niedriger sind als die Beiträge der niedergelassenen Ärzte. Denn erstere verursachen, wie die Ärztekammer mit Recht vor trägt, einen geringeren Verwaltungsaufwand, da bei ihnen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Bln KaG die Überwachung der Erfüllung der Berufspflichten seitens der Ärztekammer eingeschränkt ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.






VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss v. 26.09.1996
Az: 46/93


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e84ec2ab6cb3/VerfGH-des-Landes-Berlin_Beschluss_vom_26-September-1996_Az_46-93




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share