Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. November 2014
Aktenzeichen: 4 U 90/14

(OLG Hamm: Urteil v. 18.11.2014, Az.: 4 U 90/14)

Zur Frage der Irreführung durch die Angabe der regionalen Filialdirektion und der Rufnummer des Kundenservices in Schreiben einer Versicherung, die an maklerbetreute Kunden gerichtet sind und diesen durch den beauftragten Makler übermittelt werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen auf dem Gebiet der privaten Krankenversicherungen.

Die Kläger sind jeweils als Versicherungsmakler tätig. Sie zeigten gegenüber der Beklagten ihre Tätigkeit als Makler für einzelne Versicherungsnehmer, die jeweils eine private Krankenversicherung bei der Beklagten abgeschlossen hatten, unter Übersendung einer Maklervollmacht an, und zwar die Klägerin zu 1) bezüglich des Versicherungsnehmers T mit Schreiben vom 10.05.2013 (Anlage K 1a), der Kläger zu 2) bezüglich des Versicherungsnehmers Dr. I mit Schreiben vom 08.05.2013 (Anlage K 1b), der Kläger zu 3) bezüglich des Versicherungsnehmers D mit Schreiben vom 19.07.2013 (Anlage K 1c) und die Klägerin zu 4) bezüglich des Versicherungsnehmers C mit Schreiben vom 07.05.2013 (Anlage K 1d).

Die Beklagte übersandte den Klägern nachfolgend Schreiben zur Weiterleitung an die vorgenannten vier Versicherungsnehmer, mit denen sie eine Änderung des jeweiligen Versicherungsvertrags dokumentierte bzw. einen Änderungsvorschlag unterbreitete. Diese an die betreffenden Versicherungsnehmer adressierten Schreiben enthalten keinen Hinweis auf den jeweiligen Kläger als Makler und Betreuer des Versicherungsvertrags, sondern weisen mit den Angaben "Es betreut Sie: J Gruppe" (es folgt die jeweilige Anschrift der regionalen Filialdirektion der Beklagten) und "Ihr zentraler Kundenservice: Telefon: ..." auf die eigene Vertriebs- und Betreuungsorganisation der Beklagten hin. Wegen der Einzelheiten des Inhalts dieser Schreiben wird auf die zu den Akten gereichten Ablichtungen derselben verwiesen (Anlagen K 2a bis K 2d).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.08.2013 mahnten die Kläger die Beklagte ab. Sie rügten, der in den für die Versicherungsnehmer bestimmten Schreiben enthaltene Hinweis auf die eigene Betreuungs- und Vertriebsorganisation der Beklagten stelle eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG dar und sei irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG. Die Kläger forderten die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf. Wegen des weiteren Inhalts der Abmahnung wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen.

Die Beklagte wies die Abmahnung zurück.

Die Kläger haben ihr Vorbringen aus der Abmahnung wiederholt und vertieft. Unter Bezugnahme auf diverse gerichtliche Entscheidungen haben sie gemeint, die Beklagte habe nach § 4 Nr. 10 UWG sowie nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG unlauter gehandelt. Die Angabe eines falschen Ansprechpartners stelle sich als Irreführung über die Betreuung des Versicherungsvertrags dar. Dadurch würden die Kläger als Versicherungsmakler umgangen. Dies könne die Beklagte für einen neuen Geschäftsabschluss ausnutzen.

Die Kläger haben beantragt,

1.

der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in jeglicher Korrespondenz mit Versicherungsnehmern, die mit einem der Kläger einen Maklervertrag geschlossen haben und bei denen sich einer der Kläger gegenüber der Beklagten zum Makler bestellt hat, eigene Betreuer zu benennen, insbesondere im Briefkopf unter der Zeile "Es betreut Sie:" andere Betreuer als den den jeweiligen Versicherungsnehmer betreuenden Kläger aufzuführen, oder auf vergleichbare Weise auf die eigene Vertriebs- und Betreuungsorganisation hinzuweisen; dies gilt insbesondere für die Versicherungsnehmer T, C, Dr. I und E;

2.

die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von ihrer gesamtschuldnerischen Haftung für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.966,00 € gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, eine Irreführung liege nicht vor. Dem Verbraucher sei bekannt, dass Unternehmen in ihren Schreiben regelmäßig Ansprechpartner aus dem eigenen Hause bzw. der eigenen Vertriebsstruktur für Rückfragen bezeichneten. Kein Verbraucher verstehe eine solche Angabe dahin, dass ein von ihm selbst beauftragter Makler oder anderer Dienstleister nicht mehr für ihn tätig werde. Hier komme hinzu, dass die in Rede stehenden Schreiben den Klägern übermittelt und von diesen an die Versichernehmer weitergeleitet worden seien. Ein Versicherungsnehmer, der über einen von ihm beauftragten Makler ein Schreiben seiner Versicherung erhalte, könne nicht darüber getäuscht werden, dass der Makler weiterhin für ihn tätig sei.

Es sei auch keine gezielte Behinderung gegeben. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, in ihren Schreiben von der Benennung eigener Ansprechpartner abzusehen und stattdessen die von den Versicherungsnehmern beauftragten Makler zu bezeichnen.

Es fehle zudem an einer geschäftlichen Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, wie sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2013 - I ZR 190/11 - Standardisierte Mandatsbearbeitung - ergebe. Die in Rede stehenden Schreiben dienten nicht der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Adressaten. Es handele sich erkennbar um Informationsschreiben, die bereits bestehende Versicherungsverhältnisse beträfen.

Ferner bestehe zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte habe mit den beanstandeten Schreiben nicht den Absatz von Versicherungen beabsichtigt.

Schließlich hat die Beklagte hilfsweise geltend gemacht, ihr sei eine Umstellungsfrist einzuräumen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Vorgehen der Beklagten stelle sich als gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG dar und sei zudem irreführend nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG. Der beanstandete Passus in den Schreiben der Beklagten ("Es betreut Sie:") sei als geschäftliche Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG anzusehen. Zwischen den Parteien bestehe im Hinblick auf die Betreuung der Kunden auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Eine Umstellungsfrist sei der Beklagten nicht einzuräumen, weil die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht schlüssig dargelegt seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie rügt zunächst, das Landgericht habe zu Unrecht das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung angenommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10.01.2013 - I ZR 190/11 - Standardisierte Mandatsbearbeitung) sei das Merkmal des "objektiven Zusammenhangs" in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG funktional zu verstehen. Es setze voraus, dass eine Handlung darauf gerichtet sei, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder den Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu fördern. Die Handlung müsse vorrangig dem Ziel dienen, die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung zu beeinflussen. Die hier beanstandeten Schreiben (Anlagen K 2a - K 2d) seien im Rahmen bestehender Vertragsbeziehungen erstellt worden und hätten nicht der Kundengewinnung gedient.

Das Landgericht habe auch rechtsfehlerhaft ein zwischen den Parteien bestehendes Wettbewerbsverhältnis bejaht. Bei der Prüfung, ob die Parteien gleichartige Dienstleistungen innerhalb derselben Verkehrskreise abzusetzen versuchten, sei nicht isoliert auf die Zeile "Es betreut Sie" in den betreffenden Schreiben abzustellen. Diese Schreiben seien ihrem gesamten Inhalt nach zu würdigen. Mit Ausnahme des Schreibens gemäß Anlage K 2a dienten die Schreiben dazu, den Versicherungsnehmer über die Änderungen des Versicherungsvertrags zu informieren. Dazu sei die Beklagte nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 VVG-InfoV i. V. m. § 7 Abs. 3 VVG verpflichtet. Die Kläger seien demgegenüber nicht Adressaten einer solchen Verpflichtung. Mit dem Schreiben gemäß Anlage K 2a habe die Beklagte den Versicherungsnehmer im Rahmen ihrer vertraglichen Informationspflicht über dessen Recht auf Anpassung des Krankentagegelds informiert. Auch damit habe sie sich nicht in einen Wettbewerb zu den Klägern begeben. Beratungsleistungen eines Versicherungsmaklers könnten nicht die Leistungen des Versicherers substituieren. Mit der Angabe ihrer Hauptverwaltung bzw. ihrer Filialdirektion unter der Überschrift "Es betreut Sie" habe die Beklagte nicht versucht, Leistungen eines Versicherungsmaklers abzusetzen. Sie vermittele keine Versicherungen, sondern sei Versicherer. Da sie unter der vorgenannten Überschrift nicht Dritte (etwa Versicherungsvertreter) benenne, fördere sie auch nicht fremden Wettbewerb.

Außerdem fehle es an einer gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG und einer Irreführungsgefahr nach § 5 UWG. Es komme nicht auf ein "Verkehrsverständnis" an, sondern auf das Verständnis der konkreten Adressaten der vier Schreiben. Zudem sei hier unerheblich, ob ein erheblicher Teil der Versicherungsnehmer nicht den Unterschied zwischen einem Handelsvertreter und einem Versicherungsmakler kenne. Die Beklagte habe nicht auf Handelsvertreter hingewiesen, so dass nicht über die Stellung derselben irregeführt werden könne. Umgekehrt drohte eine Irreführungsgefahr, wenn sie die Kläger oder andere Personen in der "Es betreut Sie"-Zeile ihrer an die Versicherungsnehmer gerichteten Schreiben benennen würde. Damit werde dem unzutreffenden Eindruck Vorschub geleistet, der dort Genannte stehe im Lager der Beklagten. Die Adressaten verstünden den Hinweis auf die Kontaktdaten dahin, dass die Beklagte die für die jeweilige Angelegenheit zuständige Stelle und damit den Ansprechpartner für den Versicherungsnehmer bei Rückfragen benenne. Ob sich der Versicherungsnehmer tatsächlich an die Beklagte oder an einen Dritten wende, bleibe ausschließlich ihm überlassen. Keinesfalls verstehe er den Hinweis dahin, dass es ihm verwehrt sei, sich an einen Dritten bzw. den von ihm beauftragten Versicherungsmakler zu wenden. Da die Beklagte die Schreiben nicht an die Versicherungsnehmer, sondern an die Kläger versandt habe, liege auch keine Irreführung darüber vor, dass sie die Einschaltung der Kläger als Makler nicht akzeptiere. Die Versicherungsnehmer könnten die Schreiben nur von den Klägern erhalten haben.

Als Vertragspartnerin des Versicherungsnehmers sei es der Beklagten nicht verwehrt, eine eigene Betreuung für die Vertragsangelegenheiten zu unterhalten und dem Versicherungsnehmer die für sein Anliegen zuständige Stelle zu benennen. Er erkenne durch den Hinweis auf die J Gruppe, dass es sich um eine Stelle der Beklagten und nicht um einen Dritten handele. Das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot begründe keine Pflicht, dem Versicherungsnehmer zukünftig in Erinnerung zu rufen, mit wem er es zuletzt zu tun gehabt habe, insbesondere ob er vor Jahren die Dienste eines Versicherungsmaklers in Anspruch genommen habe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Text des Verbotstenors nach "mit Versicherungsnehmern," wie folgt lauten solle: "die mit einem der Kläger einen Maklervertrag geschlossen haben und bei denen sich dieser sodann gegenüber der Beklagten - wie mit den Schreiben gemäß Anlagen K 1a bis K 1d - zum Makler bestellt hat, unter der Überschrift "Es betreut Sie:" ihre regionalen Filialdirektionen zu benennen und unter der Überschrift "Ihr zentraler Kundenservice" ihre Telefonverbindung aufzuführen, wie geschehen in den für Versicherungsnehmer bestimmten Schreiben gemäß Anlagen K 2a bis K 2d.".

Sie verteidigen das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Eine geschäftliche Handlung liege auch dann vor, wenn ein Unternehmen seine Kunden im Rahmen der Vertragsdurchführung daran hindere, zukünftig Dienstleistungen eines Wettbewerbers in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte schaffe zu Gunsten ihrer eigenen Vertriebsstruktur eine Situation, aus der unter Umgehung der Kläger eine Betreuung und mögliche Vertragserweiterung bzw. -änderung allein durch die Beklagte erfolgen könne.

Zwischen den Parteien bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte greife über ihre Vertriebsorganisation in den Bereich der Vermittlung von neuen Versicherungsverträgen bzw. der Erweiterung/Änderung bestehender Versicherungsverträge ein. Zudem gehe es ausweislich des Vermerks "Es betreut Sie" um die Betreuung des Kunden. Dies betreffe die Verpflichtung der Kläger als Makler, die der Beklagten gemäß § 6 Abs. 6 VVG entzogen sei.

Schließlich meinen die Kläger weiterhin, der beanstandete Vermerk hinsichtlich der Betreuung des Versicherungsnehmers sei irreführend.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

I.

Die Klage ist zwar zulässig.

1.

Der Unterlassungsantrag ist mit dem im Senatstermin aufgenommenen Maßgabezusatz hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

2.

Die Kläger sind nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt.

Denn die Parteien sind Mitbewerber nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Mitbewerber ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Grundsätzlich sind im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 2004, 877, 878 - Werbeblocker; Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 2 Rn. 95).

Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist immer dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, d. h. im Absatz behindern oder stören kann (BGH, GRUR 2004, 877, 878 - Werbeblocker; WRP 2014, 1307 - nickelfrei). Dies setzt voraus, dass sich die beteiligten Unternehmen auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen, ohne dass sich der Kundenkreis und das Angebot der Waren oder Dienstleistungen vollständig decken müssen (BGH, GRUR 2014, 573 - Werbung für Fremdprodukte).

Nicht erforderlich ist es hingegen, dass die Parteien auf der gleichen Vertriebsstufe tätig sind und der gleichen Branche angehören. Da es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, dass das Wettbewerbsverhältnis erst durch diese Wettbewerbshandlung begründet worden ist, auch wenn die Parteien unterschiedlichen Branchen angehören (BGH, a. a. O. - nickelfrei).

Nach diesen Grundsätzen ist hier ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien gegeben.

Die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung ist vorliegend das Angebot eigener Betreuungsdienstleistungen durch die Beklagte gegenüber ihren Versicherungsnehmern im Zusammenhang mit den von diesen abgeschlossenen privaten Krankenversicherungsverträgen. Denn die Kläger wenden sich dagegen, dass die Beklagte unter der Überschrift "Es betreut Sie" in den betreffenden Schreiben an die Versicherungsnehmer ihre eigenen regionalen Filialdirektionen aufgeführt und unter der Überschrift "Ihr zentraler Kundenservice" ihre Telefonverbindung genannt hat.

Betreuungsdienstleistungen gegenüber Versicherungsnehmern erbringen sowohl die Kläger im Rahmen ihrer Tätigkeit als Versicherungsmakler als auch die Beklagte als Versicherer.

II.

Die Klage ist indes nicht begründet.

1.

Den Klägern steht der gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 1; 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 3 UWG noch aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 1; 4 Nr. 10 UWG zu.

a)

Die Angabe der jeweiligen regionalen Filialdirektion und der Rufnummer des Kundenservices der Beklagten unter den Überschriften "Es betreut Sie" und "Ihr zentraler Kundenservice" in den betreffenden Schreiben der Beklagten (Anlagen K 2a - K 2d) ist zwar als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG anzusehen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Das Merkmal des "objektiven Zusammenhangs" im Sinne dieser Vorschrift ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Die Handlung muss vorrangig dem Ziel dienen, die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung zu beeinflussen (BGH, GRUR 2013, 945 - Standardisierte Mandatsbearbeitung).

Das ist hier der Fall. Die beanstandeten Angaben dienen bei objektiver Betrachtung vorrangig dazu, die angeschriebenen Versicherungsnehmer dazu zu veranlassen, sich bei Beratungsbedarf im Zusammenhang mit der jeweils abgeschlossenen Versicherung mit der Beklagten in Verbindung zu setzen und ihre Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Dies kann die Beklagte etwa dazu nutzen, den Kunden eine Erweiterung ihres Versicherungsschutzes anzubieten. Auf diese Weise soll - objektiv betrachtet - die geschäftliche Entscheidung der Verbraucher beeinflusst und dadurch der Absatz der Produkte bzw. Dienstleistungen der Beklagten gefördert werden.

Dem steht nicht entgegen, dass die fraglichen Schreiben (Anlagen K 2a - K 2d) anlässlich bestehender Vertragsbeziehungen erstellt worden sind. Denn eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann auch in einem Verhalten liegen, das sich auf die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt (BGH, a. a. O. - Standardisierte Mandatsbearbeitung).

b)

Die somit vorliegende geschäftliche Handlung ist jedoch nicht unlauter.

aa)

Denn eine Irreführung der betreffenden Adressaten im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 3 UWG liegt nicht vor.

Die Angabe der jeweiligen regionalen Filialdirektion und der Rufnummer des Kundenservices der Beklagten unter den Überschriften "Es betreut Sie" und "Ihr zentraler Kundenservice" in den Schreiben gemäß Anlagen K 2a - K 2d wird von den Adressaten nicht dahin verstanden, dass für ihre Beratung bzw. Betreuung - so aber der Vorwurf der Kläger - allein die genannten Stellen der Beklagten zuständig sind. Vielmehr handelt es sich um eine durchaus übliche Angabe von Kontaktdaten. Dies erkennt der angeschriebene Versicherungsnehmer hier schon deshalb, weil er den jeweiligen Kläger zuvor selbst als Makler beauftragt hat und ihm das betreffende Schreiben der Beklagten - genau wie vereinbart - unter Einhaltung der Korrespondenzpflicht durch diesen übermittelt worden ist.

Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist damit mit den Fallkonstellationen, die den von den Klägern angeführten gerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, nicht vergleichbar. Denn die Beklagte hat im vorliegenden Fall nicht etwa einen konkreten Ansprechpartner bzw. eine Generalvertretung oder einen Handelsvertreter benannt (vgl. LG Potsdam, RuS 2012, 465; LG Stuttgart, Beschluss vom 13.07.2011 - 36 O 55/11 KfH; LG München I, Urteil vom 19.11.2013 - 1 HK O 12469/12; OLG München, Urteil vom 03.07.2014 - 29 U 5030/13), sondern - wie dargelegt - ihre jeweilige regionale Filialdirektion. Soweit sich die Kläger auch auf das im Verfahren 23 O 102/13 LG Hannover ergangene Urteil vom 25.06.2014 berufen, hatte die dort beklagte Versicherung - anders als im vorliegenden Fall - zunächst in den an die Versicherungsnehmer gerichteten Schreiben jeweils die dortige Klägerin (Versicherungsmaklerin) als "Betreuer/Gesprächspartner" benannt und erst in nachfolgenden Schreiben die Kontaktdaten ihres Servicecenters angegeben.

Verstehen somit die Adressaten der hier in Rede stehenden Schreiben die beanstandeten Angaben lediglich als übliche Benennung der Kontaktdaten der Beklagten, steht dies mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht in Widerspruch. Eine Irreführung ergibt sich dann nicht daraus, dass die Betreuung der genannten Versicherungsnehmer in Versicherungsangelegenheiten - wie die Kläger dargetan haben - ausschließlich durch diese erfolgt.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht mit Blick auf die von den Klägern aufgezeigte Situation, dass ein Versicherungsnehmer erst nach längerem Zeitablauf Anlass hat, sich mit seinem Versicherungsvertrag zu befassen. Denn dann wird er sich entweder an den von ihm beauftragten Versicherungsmakler erinnern und diesen kontaktieren oder aber bei der Beklagten nach einem zuständigen Ansprechpartner nachfragen.

bb)

Die beanstandeten Angaben sind auch nicht nach § 4 Nr. 10 UWG unlauter.

Eine gezielte Behinderung im Sinne dieser Norm liegt vor, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist oder wenn die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 4 Rn. 10.9).

Das ist hier nicht festzustellen. Denn die Mitteilung der Kontaktdaten der Beklagten dient in erster Linie der Förderung ihres eigenen Wettbewerbs.

Selbst wenn man annimmt, dass die Beklagte mit den in Rede stehenden Angaben Kunden der Kläger abzuwerben versucht, führt das zu keiner anderen Bewertung. Denn ein Abwerben von Kunden, also das Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen, wird erst durch das Hinzutreten besonderer Umstände unlauter (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 10.33). Als ein solcher besonderer Umstand ist es anzusehen, wenn das Abwerben von Kunden mittels irreführender Angaben geschieht (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 10.38). Eine Irreführung liegt jedoch - wie vorstehend unter aa) ausgeführt - nicht vor.

2.

Ferner ist der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) nicht begründet.

Denn die Abmahnung war - wie sich aus den unter 1. dargelegten Gründen ergibt - nicht berechtigt.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.






OLG Hamm:
Urteil v. 18.11.2014
Az: 4 U 90/14


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