Verwaltungsgericht Berlin:
Beschluss vom 21. September 2011
Aktenzeichen: 27 L 60.11
(VG Berlin: Beschluss v. 21.09.2011, Az.: 27 L 60.11)
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin betreibt unter der URL w€ ein Internetportal, auf dem Spiele, Bilder, Videos, Animationen, Apps, Logos, Musikstücke in voller Länge bzw. zur Verwendung als Klingeltöne gekürzt bereitgehalten werden. Diese Produkte werden nach verschiedenen Interessenkategorien - Klingeltöne, Musik, Spiele, Apps, Logos, Videos, Infodienste, Erotik € katalogisiert und zur Bestellung über das Internet und das Mobiltelefon zur Nutzung auf dem Mobiltelefon angeboten. Die Bezahlung erfolgt über Kurzwahl-Datendienste, so dass der Mobilfunknetzbetreiber die Abrechnung der der Antragstellerin geschuldeten Beträge über die Mobiltelefonrechnung übernimmt.
Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) stellte nach Anhörung der Antragstellerin in ihrer Sitzung vom 3. März 2011 fest, dass der Anbieter mit seinem Angebot w€seit dem 1. Juni 2010 gegen § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 und 4 sowie gegen § 6 Abs. 2 Nr. 1 und 4 des Jugendmedienstaatsvertrags (JMStV) verstoßen habe, da das Angebot für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren entwicklungsbeeinträchtigend sei und deshalb erst nach 23:00 Uhr oder mit technischen oder sonstigen Mitteln verbreitet werden dürfe, die die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert; es sei eine Beanstandung gegen den Anbieter gemäß § 20 JMStV auszusprechen.
Daraufhin erließ die Antragsgegnerin am 10. März 2011 einen für sofort vollziehbar erklärten Beanstandungbescheid mit folgendem Tenor:
€1. Das Angebot w€verstößt seit dem 01. 06. 2010 gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen § 6 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 JMStV. Das Angebot wird beanstandet, da es entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist.
2. Ihnen wird untersagt, das genannte Angebot in dieser Fassung weiter zu verbreiten. Sie erfüllen Ihre Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 und 4 sowie § 6 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 JMStV in Zukunft, wenn Sie dafür Sorge tragen dass Kinder und Jugendliche die entsprechenden Inhalte nicht wahrnehmen. Dies kann gemäß § 5 Abs. 3 und 4I JMStV durch die Begrenzung der Verbreitungszeit auf die Zeiten zwischen 23.00 und 6.00 Uhr oder durch die Vorschaltung eines technischen oder sonstigen Schutzes geschehen, alternativ haben Sie die Möglichkeit, alle entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte von Ihrem Angebot zu entfernen.
3. Sie tragen die Kosten (Gebühren und Auslagen) dieses Verfahrens. Für diesen Bescheid wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 9000,-- € erhoben. Die Gebühr ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheides auf das unten angegebene Konto der mabb zu überweisen.
4. Ihnen wird für den Fall, dass Sie innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides weiterhin gegen diesen Bescheid verstoßen, ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 Euro angedroht.€
Auf die Begründung des Beanstandungsbescheides wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat am 30. März 2011 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. März 2011 Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der angefochtene Bescheid sei nichtig. Die von der Feststellung der Entwicklungsbeeinträchtigung betroffenen Inhalte seien nicht hinreichend bestimmt. Bis auf die Nennung weniger Einzelbeispiele in der Begründung des Bescheides sei nicht erkennbar, warum das Gesamtangebot entwicklungsbeeinträchtigend sein soll. Jedenfalls auf der Hauptseite w€ befänden sich spätestens seit dem 1. März 2011 keinerlei Kaufaufforderungen mehr und es seien dort auch keine in irgendeiner Weise entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte abrufbar. Die von der Antragsgegnerin benannten Einzelbeispiele seien nur auf Unterseiten auffindbar gewesen. Es handle sich bei der Hauptseite auch nicht um ein Angebot. Die im Bescheid unter Ziffer 1 getroffene Feststellung mache es nicht erkennbar, was an der Hauptseite zu verändern wäre und sei daher zu unbestimmt. Dementsprechend sei auch die Untersagungsverfügung in Ziffer 2 des Bescheides zu unbestimmt, denn es sei nicht erkennbar, welche "Fassung" gemeint sei; die vorgegebenen Handlungsalternativen zur Abhilfe seien ebenfalls unbestimmt, da der Adressat des Bescheides nicht wisse, wie dieser Anforderung genügt werden könne. Sendezeiten des Fernsehens sein auf das Internet kaum übertragbar; zudem sei es aufgrund verschiedener Zeitzonen nicht möglich, den gesetzlichen Anforderungen durch eine Beschränkung auf deutsche Uhrzeiten zu entsprechen. Einen von der KJM anerkannten technischen oder sonstigen Schutz gebe es nicht.
Jedenfalls sei der Bescheid in seinen Ziffern 1 und 2 jedenfalls rechtswidrig. In der Begründung des Bescheides fehle es an der erforderlichen Subsumtion der festgestellten Sachverhalte unter den Gesetzestext. Das Angebot enthalte im Bereich der Erotik nur noch Produkte, die über das normale Maß der im Alltag auch Kindern und Jugendlichen begegnenden erotischen Darstellungen und Beschreibungen nicht hinausgingen. Hinsichtlich des angeblich pornographischen Liedgutes fehle es an der erforderlichen Abwägung zwischen den Belangen des Jugendschutzes einerseits und der Kunstfreiheit andererseits. Das Angebot enthalte auch keine an Kinder und Jugendliche gerichtete unzulässige Werbung. Die Webseite richte weder von der Art der Gestaltung noch von der Sprache her direkte Kaufappelle an Kinder; eine konkrete Gefährdung der Kinder an Leib und Seele sei nicht dargelegt. Der Schutz des JMStV ziele nicht auf die wirtschaftlichen Folgen der Werbung. Selbst wenn das Angebot in Einzelfällen gegen den JMStV verstoßen sollte, sei es nicht gerechtfertigt, das Gesamtangebot unter Zwangsgeldandrohung zu untersagen.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Ziffern 1 bis 4 des Bescheides vom 10. März 2011 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Der Bescheid sei ausreichend bestimmt. Aus den im angegriffenen Bescheid auf Seite 3 und 4 angeführten Beispielsfällen - im Rahmen der Anhörung im Verwaltungsverfahren sei zudem eine Vielzahl weiterer Beispielsfälle aufgezeigt worden € werde unmissverständlich deutlich, auf welche Angebote sich die Beanstandung und dann auch die Untersagungsverfügung beziehe, was die Antragstellerin als verständige und sachkundige Betreiberin von Telemedienangeboten erkennen könne und müsse. Der Antragstellerin seien die im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten rechtmäßigen Alternativverhaltens benannt worden, wobei positiv bewertete Konzepte für technische Mittel in Form von nutzereigenen Filterprogrammen über die Homepage der KJM abrufbar seien. Der Beanstandungsbescheid sei auch hinreichend begründet. In den Ausführungen unter 1.1. des Bescheides würden zahlreiche Angebote in ihrer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung detailliert geschildert; aufgrund der Massivität der sich durch diese Beispielsfälle aufdrängenden Entwicklungsbeeinträchtigung seien weitere rechtliche Begründungen für die Feststellung eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 JMStV durch diese Angebote nicht erforderlich. Im Übrigen habe das Anhörungsschreiben im Verwaltungsverfahren weitergehende und detailliertere Erläuterungen enthalten, wodurch die Antragstellerin in die Lage versetzt worden sei, die im Bescheid zusammengefasste Begründung der Entwicklungsbeeinträchtigung durch den Rückgriff auf das Anhörungsschreiben zu vertiefen. Hinsichtlich der Bewertung, ob ein Angebot gegen den JMStV verstößt, stehe der Antragsgegnerin ein Beurteilungsspielraum zu, zumindest sei die Einschätzung der KJM aber eine sachverständige Aussage. Die von der Antragstellerin in den Vordergrund gestellte Abfragetafel des Alters € bist du 18/ja - nein - stelle keine geeignete Schutzmaßnahme dar. Das Angebot der Antragstellerin enthalte auch unzulässige Werbung. Hierfür genüge es, dass Adressaten eines direkten Kaufaufrufs auch Kinder und Jugendliche seien. Die in dem Bescheid beispielhaft erwähnten Kaufaufrufe wie "Kauf es jetzt!" oder "Du musst es kaufen!" stellten kinder- und jugendaffine Ansprachen dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und des vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Er muss sich auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide richten (§ 80 Abs. 5 S. 1 1.HS VwGO).
Denn die angefochtenen Bescheide sind nach § 7 Abs. 3 2.Hs des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks in der Fassung vom 14. Mai 2009 (GVBl S. 251 - nachfolgend: MStV -) als Maßnahmen der Aufsicht über Veranstalter kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Soweit der Antragsgegner zusätzlich die sofortige Vollziehung der mit den Bescheiden angeordneten Maßnahmen angeordnet hat, beruht dies offenbar auf der Rechtsprechung der Kammer, die im Beschluss vom 26. Mai 2008 (VG 27 A 37.08) ein überwiegendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht aus der damaligen Regelung des § 7 Abs. 3, 2.Hs MStV (in der Fassung des Gesetzes vom 29. März 2007 [GVBl Seite 131]) - wonach die Klage gegen Entscheidungen der Medienanstalt (ausnahmslos) keine aufschiebende Wirkung hat - herleiten konnte, weil der Gesetzgeber ausweislich der damaligen Gesetzesbegründung mit der Regelung lediglich den sofortigen Vollzug zur Lizenzierungs- und Frequenzbelegungsentscheidungen ermöglichen wollte (vgl. Beschluss a.a.O., Seite 4 des amtlichen Umdrucks). Hieran kann angesichts der den Umfang der gesetzlichen Vollziehbarkeit von Entscheidungen der Medienanstalt abschließenden Bestimmung des § 7 Abs. 3 2.Hs MStV in der hier maßgeblichen Fassung der Neuregelung vom 14. Mai 2009 jedoch nicht mehr festgehalten werden.
Der Prüfungsmaßstab des Gerichts bestimmt sich demzufolge entsprechend § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Gericht setzt dementsprechend voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen. Das ist jedoch nicht der Fall:
1. Rechtsgrundlage der Beanstandung und der Untersagungsverfügung (Ziffern 1 und 2 der angefochtenen Bescheide) sind § 20 Abs. 1 und 4 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz im Rundfunk und Telemedien - JMStV - in der seit 1. April 2010 geltenden Fassung (vgl. Art. 2 des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, GVBl.2009, S. 39) i.V.m. § 59 Abs. 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) - RStV - [ebenfalls in der seit 1. April 2010 geltenden Fassung des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, GVBl.2009, S. 39], auf den § 20 Abs. 4 JMStV verweist. Danach trifft die zuständige Landesmedienanstalt, stellt sie fest, dass ein Anbieter von Telemedien gegen die Bestimmungen des JMStV verstoßen hat, die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter.
§ 59 Abs. 3 S. 3 RStV sieht als Aufsichtsmaßnahmen die Untersagung von Angeboten und die Anordnung deren Sperrung vor; hierdurch wird die Untersagungsverfügung (Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides) abgedeckt. Eine Beanstandung (Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides) als Aufsichtsmaßnahme sieht § 59 Abs. 3 RStV nicht vor. § 58 Abs. 1 MStV, der eine Beanstandung als Aufsichtsmaßnahme kennt, findet im Rahmen der Aufsichtsmaßnahmen nach § 20 Abs. 1 und 4 JMStV keine Anwendung, da nicht auf diese Vorschrift verwiesen wird. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ist damit nicht als Aufsichtsmaßnahme zu verstehen, sondern als ein nach § 59 Abs. 3 S. 1 RStV zulässiger bloßer Hinweis auf einen festgestellten Rechtsverstoß; sie stellt daher auch keine Umgehung des "Numerus Clausus" (vergleiche hierzu Urteil der Kammer vom 15. April 1999 € VG 27 A 20.98 - S. 9-13 des amtl. Umdrucks und nachfolgend OVG Berlin, Urteil vom 26. November 2002 - OVG 8 B 13.00 - S. 11-14 des amtlichen Umdrucks) des Kreises der gesetzlich in § 59 Abs. 3 S. 2 RStV vorgesehenen Aufsichtsmaßnahmen dar.
Die Antragstellerin ist Anbieter von Telemedien i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 3 RStV. Da sie das Angebot selbst vermittelt, ist sie nach § 7 Abs. 1 des Telemediengesetzes (BGBl 2007 I S. 251) € TMG € für diese von ihr zur Nutzung bereitgehaltenen Inhalte verantwortlich und damit richtiger Adressat für die von der Antragsgegnerin als nach dem Sitz des Antragstellers zuständiger Landesmedienanstalt €durch die KJM€ zu treffenden Maßnahmen (§ 20 Abs. 4 und 6 JMStV).
Die Feststellung eines Verstoßes gegen den JMStV und die Untersagungsverfügung sind rechtmäßig. Die Antragstellerin verstößt mit ihren über die Web-Adresse zeitlich und personell ungehindert zugänglichen Internetportal gegen § 5 Abs. 1 JMStV, da dieses Angebot in seiner gegenwärtigen Form geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen und bei der Verbreitung dieses Angebots von der Antragstellerin nicht dafür Sorge getragen wurde, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen dieses Angebot üblicherweise nicht wahrnehmen. Die nach Angaben der Antragstellerin vorgeschaltete Abfragetafel des Alters ("Bist du 18 ja/nein") bietet kein Hindernis, um auf den Erotik-Teil des Angebots zugreifen zu können. Denn die Verneinung der Abfrage hat nur zur Folge, dass der Link zum Erotik- Teil nicht erfolgt, was bei nachfolgender Bejahung der Abfrage ohne weitere Hindernisse korrigiert wird. Das Angebot einer Kindersicherung, mit der Eltern kostenfrei die Mobiltelefone ihrer Kinder für die Nutzung von Produkten der Antragstellerin sperren können, genügt den Anforderungen des § 5 Abs. 1 JMStV ebenfalls nicht, weil nach der Vorschrift die Antragstellerin unabhängig vom Elternwillen dafür zu sorgen hat, dass Kinder und Jugendliche die sie gefährdenden Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen.
Die mit dem Angebot der Antragstellerin verbundene Jugendgefährdung wurde aufgrund der Beschlussempfehlung der Antragsgegnerin am 3. März 2011 vom Plenum der KJM einstimmig festgestellt.
Das von der KJM angenommene Vorliegen einer Jugendgefährdung ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung der Kammer (Urteil vom 28. Januar 2009 - VG 27 A. 61.07 - [rechtskräftig] Juris Rn. 37 ff, 41) kommt der KJM für die mit dem in § 5 Abs. 1 JMStV tatbestandlich verwendeten Begriff "geeignet € die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen€ zu beeinträchtigen" notwendigerweise verbundene Bewertung zwar kein Beurteilungsspielraum zu, ihre Entscheidung stellt aber eine sachverständige Äußerung eines unabhängigen (vgl. § 14 Abs. 6 S. 1 JMStV) und sachverständigen (§ 14 Abs. 3 S. 1 JMStV) Gremiums dar, die im gerichtlichen Verfahren verwertet werden kann, sofern die Begründung des Gremiums plausibel ist und von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht. Es ist dann Sache des Betroffenen, die Plausibilität oder die Bewertungsgrundlage der sachverständigen Äußerung zu erschüttern; gelingt dies - wie im vorliegenden Verfahren - nicht, so kann das Gericht von der Richtigkeit der Bewertung durch das sachverständige Gremium ausgehen.
Danach bestehen keine Zweifel daran, dass das Angebot der Antragstellerin im Sinne von § 5 Abs. 1 JMStV jugendgefährdend ist. Die KJM hat mit ihrer Plenarentscheidung einstimmig der Entscheidungsempfehlung der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2011 zugestimmt, in der es - unter Bezugnahme auf Veränderungen, die die Antragstellerin im Verlauf des Verwaltungsverfahrens an Ihrem Angebot vorgenommen hatte € heißt (S. 16/17): "€ Anders als in der ursprünglichen Beanstandung ist die Vulgärsprache verbunden mit der abwertenden Terminologie (€) eher in den Hintergrund getreten. Auch ist die beanstandete Stimulierungstendenz (€) nicht mehr erkennbar. Eine Verharmlosung und Idealisierung von Promiskuität, die einseitig positiv, als normal und erstrebenswert dargestellt wird, ist nicht mehr erkennbar. Auch die beanstandete Darstellung und Anpreisung von Sexualpraktiken, die nicht dem Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen entsprechen, steht nicht mehr im Vordergrund.
Doch auch nach dem Relaunch werden eine Fülle von Bildern, Videos, Animation und Logos angeboten, die Nacktheit in einem sexualisierten Kontext präsentieren. Videos und Bilder nackter Frauen können nach wie vor kategorisiert nach äußerlichen, teils sexuellen Attributen ausgewählt werden (€).
Verschiedene Kategorien, die der Pornobranche zuzuordnen sind, sind immer noch im Angebot, beispielsweise Erotikstars (€), Erotik- bzw. Pornomarken (€) oder Begrifflichkeiten (€). Bei den Angeboten mit Bezug auf Porno-Darsteller bzw. -Marken handelt es sich jedoch meist um kurze Video-Sequenzen mit den o.a. Darstellern, ohne dass die Ausschnitte an sich selbst pornographisch sind. Auch wird über die Namensnennung und die Möglichkeit zur Bestellung der Handy-Videos hinaus nicht auf pornographische Angebote wie etwa Webseiten oder DVD-Angebote verlinkt.
Auf einem Angebot, das sich mit einem Großteil seiner Inhalte auch an Kinder und Jugendliche wendet, sind diese Inhalte dennoch problematisch, da unabhängig vom tatsächlichen Inhalt, durch die Begriffe einer Neugierde für pornographische Inhalte geweckt werden kann.
Die Feststellung in der ursprünglichen Beanstandung, dass sich das Angebot nicht auf Einzelbilder beschränkt, sondern der Betrachter auf etlichen Seiten mit unzähligen fokussierten wackelnden Brüsten oder Hintern sowie sexuellen Handlungen konfrontiert wird, ist weiterhin zutreffend.
Weiterhin werden Frauen häufig auf bloße Körperteile reduziert und als bloße Objekte der sexuellen Befriedigung präsentiert. Kinder und Jugendliche bekommen eine Vielzahl problematischer Rollenbilder präsentiert, beispielsweise die sexuelle Verfügbarkeit oder Freizügigkeit der Frauen, die für sie nicht einzuordnen sind (bspw€).
Auch nach dem Relaunch kann diese Masse an solchen Text- und Bildpassagen bzw. Bildkombinationen, die in ihrer Gesamtheit eine objekthafte Gesamttendenz widerspiegeln, die Entwicklung eines gesunden Verhältnisses zur Sexualität beeinträchtigen.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass nach wie vor Songausschnitte aus der Kategorie des sog. "Pornoraps€ enthalten sind (Beispiele: ...).
Im Ergebnis wird festgehalten, dass das Angebot von j€ auch nach dem Relaunch geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen unter 18 Jahren zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.
Dass dies nach dem Relaunch in einem geringeren Ausmaße der Fall ist und der Veranstalter bis zu einem gewissen Grad einer Verbesserung erzielt hat, sollte dennoch berücksichtigt werden.€
Die Antragstellerin hat sich im Antragsverfahren im wesentlichen nur darauf berufen, dass das gegenwärtige Angebot im Bereich der Erotik nur noch Produkte enthalte, die über das normale Maß an im Alltag auch Kindern und Jugendlichen begegnen erotischen Darstellungen und Beschreibungen nicht hinausgingen. Kinder und Jugendliche begegneten im öffentlichen Raum und in den Medien auch zur Tagzeit sexualisierten Formulierungen. Damit kann die Plausibilität der durch die KJM getroffenen Wertung jedoch nicht infrage gestellt werden. Denn die Antragstellerin lässt bereits den entscheidenden Gesichtspunkt außer Betracht, dass mit ihrem unstreitig zum Teil auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Angebot (Klingeltöne, Spiele, Logos) ein besonderer Anknüpfungspunkt dafür geschaffen wird, dass Minderjährige für den im Angebot ebenfalls enthaltenen Erotikbereich, in dem € wie in der Entscheidungsempfehlung der Antragsgegnerin ausgeführt € sexualisierte Bilder, Texte und auch Videos in großer Menge aufrufbar und bestellbar sind, interessiert werden und auf ihn zugreifen.
Da bereits der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV eine Untersagungsverfügung rechtfertigt, kann für die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dahinstehen, ob die Antragstellerin mit Ihrem Angebot zugleich auch gegen § 6 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 JMStV verstößt.
Die Untersagungsverfügung ist auch nicht unverhältnismäßig. Sie erfasst die in § 5 Abs. 3 JMStV genannten Möglichkeiten, unter denen die Antragstellerin ihr Internetportal zugänglich halten kann; sie wird nicht dazu gezwungen, ihr Angebot nur während ihrer Ansicht nach unattraktiver Zeiten zu verbreiten. Es ist allein Sache der Antragstellerin, ihr Angebot so zu gestalten, dass die gesetzliche Verpflichtung nach § 5 Abs. 1 JMStV eingehalten wird.
Die Rechtsauffassung der Antragstellerin, der angefochtene Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt und deshalb nichtig, ist verfehlt. Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach § 37 Abs. 1 VwVfG ist es ausreichend, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere auch aus seiner Begründung für den Betroffenen erkennbar ist, was von ihm gefordert wird. Dies ist vorliegend durch die in der Untersagungsverfügung angesprochenen Möglichkeiten der Weiterverbreitung des Angebots in der vorliegenden Fassung geschehen. Die Antragstellerin kann aus den in der Begründung des Bescheides enthaltenen Beispielsfällen, aber auch darüber hinaus aus den in ihrer Anhörung im Verwaltungsverfahren angesprochenen Gesichtspunkten hinreichend verifizieren, welche Teile und Einzelheiten ihres Angebotes die Antragsgegnerin als jugendgefährdend ansieht. Dies muss € auch im Hinblick auf die schon aus kommerziellen Zwecken erfolgende häufige Veränderung der auf dem Internetportal der Antragstellerin vorhandenen Dateien € genügen, insbesondere auch deshalb, weil nach der Wertung der KJM nicht nur einzelne Dateien jugendgefährdende Wirkung haben, sondern diese Wirkung aus der Verbindung der Masse an erotischen Darstellungen mit dem in einem Teil auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Angebot der Antragstellerin folgt.
Der Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass ihr die Einhaltung zeitlicher Grenzen oder die Vornahme technischer Maßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 3 und 4 JMStV nicht möglich sei. Die Antragsgegnerin hat in der Antragserwiderung neben einem Altersverifikationssystem weitere technische Möglichkeiten benannt, mit denen die Antragstellerin in der Lage wäre, ihre Rechtspflichten in Bezug auf das vorhandene Angebot einzuhalten. Gibt es entsprechend dem Vorbringen der Antragstellerin keine technische Möglichkeit, das Angebot in einer mit dem JMStV zu vereinbarenden Weise zu verbreiten, so ist die Antragstellerin darauf zu verweisen, ihr Angebot in der gegenwärtigen Form einzustellen und die jugendgefährdenden Teile im des gegenwärtigen Angebotes in einer gesonderten, nicht verlinkten domain anzubieten. § 5 Abs. 3 JMStV gewährleistet den erforderlichen Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zwischen dem Schutz der Jugend, der aufgrund des in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verbrieften elterlichen Erziehungsrechts und aufgrund des Rechts der Kinder und Jugendlichen auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG Verfassungsrang hat, mit den Grundrechten des Telemedienanbieters aus Art. 12, 14 GG oder Art. 5 Abs. 3 GG; die gesetzliche Folge, dass der Anbieter durch technische Mittel der zeitlichen Einschränkung dafür zu sorgen hat, dass Kinder oder Jugendliche die jugendgefährdenden Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
2. Auch die Zwangsmittelandrohung ist rechtmäßig. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid offenbar das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Brandenburg, zudem mit falscher Zitierweise (§ 56 statt richtig § 16 usw.) angegeben hat. Für die Antragstellerin ist jedoch nach ihrem Sitz das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Berlin zugrundezulegen, das dem bundesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetz gleicht (vgl. § 5 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung). Danach ist das Zwangsgeld die richtige Vollstreckungsmaßnahme, da die Untersagungsverfügung eine unvertretbare Handlung betrifft (§ 11 Abs. 1 VwVG). Die Antragsgegnerin ist Vollstreckungsbehörde (§ 7 Abs. 1 VwVG), die Zwangsmittelandrohung entspricht den Anforderungen des §§ 13 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 VwVG, die angedrohte Höhe des Zwangsgeldes ist im Hinblick auf § 11 Abs. 3 VwVG aus den im Bescheid angegebenen Gründen nicht zu beanstanden.
3. Auch die Kostenentscheidung und Gebührenfestsetzung (Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides) unterliegen hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit keinen ernstlichen Zweifeln. Rechtsgrundlage ist die € von der bayerischen Landeszentrale für neue Medien übereinstimmend mit den übrigen Landesmedienanstalten erlassene - Satzung über die Erhebung von Kosten im Bereich des bundesweiten privaten Rundfunks vom 19. November 2009 (Bay.Staatsanzeiger Nr. 48 vom 27. November 2009). Danach (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Kostensatzung) werden für eine Amtshandlung nach dem JMStV Kosten erhoben, Kostenschuldner ist der, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Die Gebührenhöhe beträgt nach Nr. 8 der Anlage zur Kostensatzung für die Feststellung eines Verstoßes gegen Bestimmungen des JMStV und/oder Anordnung einer Maßnahme auf Grundlage des JMStV 250 bis 5000 Euro. Die im angefochtenen Bescheid begründete Festsetzung einer Gebühr von 5000 Euro für den Verstoß gegen § 5 Abs. 1 JMStV und von 4000 Euro für den Verstoß gegen § 6 Abs. 2 und 4 JMStV ist nicht offensichtlich rechtswidrig.
4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 39ff, 52 GKG.
VG Berlin:
Beschluss v. 21.09.2011
Az: 27 L 60.11
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