Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2009
Aktenzeichen: 26 W (pat) 59/07

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2009, Az.: 26 W (pat) 59/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Gegen die Eintragung der Wortmarke 303 08 353 Germania Kölschfür die Waren 32: Bier, nämlich Kölsch ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren 32: Bier, alkoholfreie Getränkeeingetragenen prioritätsälteren Wortmarke 303 01 409 Germania.

Die Markenstelle für Klasse 32 hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil zwischen den Marken eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne. Es sei nicht feststellbar, dass die rangjüngere Marke durch den Wortbestandteil "Germania" geprägt werde. Zwar sei unbestritten, dass der Begriff "Kölsch" keinerlei kennzeichnende Wirkung besitze. Daraus sei aber im Umkehrschluss nicht ableitbar, dass diese ausschließlich dem weiteren Bestandteil "Germania" zukomme. Vielmehr werde dessen Kennzeichnungskraft in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts sehr ambivalent beurteilt. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine fremdsprachige Ortsangabe (ital. Germania = Deutschland). Da auf dem betreffenden Warensektor ein Hinweis auf die geografische Herkunft der Ware nicht selbstverständlich sei, müsse davon ausgegangen werden, dass weder der Bestandteil "Germania" noch der Bestandteil "Kölsch" in der angegriffenen Marke prägend seien. Der Fall sei nur dann anders zu werten gewesen, wenn die Widersprechende eine Stärkung der Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung geltend gemacht hätte. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens sei ebenfalls nicht gegeben, weil die notwendigen Angaben für die Glaubhaftmachung einer tatsächlich im Verkehr benutzten Zeichenserie nicht vorlägen.

Hiergegen richtet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, dass entgegen der Auffassung der Markenstelle dem Wortbestandteil "Germania" durchaus eine kennzeichnende Wirkung zukomme. Die Markenstelle habe die Begriffsvielfalt von "Germania" verkannt. Bei einem deutschen Durchschnittsverbraucher sei es fernliegend, das italienischsprachige Verständnis des Begriffs heranzuziehen. Vielmehr würden die angesprochenen Verkehrskreise die Marke mit der weiblichen Sagenfigur "Germania" in Verbindung bringen, die meist im Waffenschmuck dargestellt sei und das ehemalige deutsche Reich symbolisiere, was auch durch die (beigebrachte) Abbildung der Frauenfigur auf den von ihr, der Widersprechenden vertriebenen Bierflaschen unterstrichen werde. Zudem stelle "Germania" die lateinische Bezeichnung für "Germanien" dar. Aufgrund des Bezugs auf die Sagenfigur sei die Kennzeichnung für Bier als fantasievoll und besonders einprägsam zu werten, weshalb auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Entscheidungen (vgl. BPatG 26 W (pat) 52/99 und BGH GRUR 91, 472 -Germania) im vorliegenden Fall von einer normalen Kennzeichnungskraft dieses Begriffs auszugehen sei, zumal dieser Sinngehalt auch keinerlei Bezug zur Ware aufweise. Ungeachtet dessen habe die Widersprechende ihre Marke "Germania" jedenfalls in einem solchen Umfang benutzt, dass eine Stärkung der Kennzeichnungskraft anzunehmen sei. Dies ergebe sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung mit den Absatzund Umsatzzahlen aus den Jahren 2002 bis 2006. Im Übrigen sei aufgrund der Verwendung zahlreicher weiterer Zusammensetzungen mit dem Bestandteil "Germania" für Bierprodukte durch die Widersprechende auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr im Sinne des gedanklichen In-Verbindung-Bringens der Marken gegeben.

Die Widersprechende beantragt daher sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er schließt sich der in den Beschlüssen der Markenstelle geäußerten Rechtsauffassung an und weist darauf hin, dass es in der Warenklasse 32 eine Vielzahl von Markeneintragungen des Begriffs "Germania" für andere Markenrechtsinhaber gebe.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als unbegründet. Zwischen den Marken besteht, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Warenund Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2005, 513, 514 -MEY/Ella May; GRUR 2007, 235 ff. -Goldhase).

Bei bestehender Warenidentität ist in Übereinstimmung mit der Markenstelle davon auszugehen, dass der Widerspruchsmarke hinsichtlich der identischen Vergleichsware "Bier" lediglich eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist. "Germania" stellt die lateinische bzw. italienische Bezeichnung für "Deutschland" und damit eine geografische Herkunftsbezeichnung dar. Zwar existiert das Wort "Germania" auch in der deutschen Sprache und bezeichnet dort das germanische Reich bzw. dessen Symbolfigur gleichen Namens. Diese Bedeutungen liegen aber im Hinblick auf die beanspruchten Waren nicht nahe und werden daher vom Verkehr nicht auf Anhieb in diesem Sinn assoziiert werden. Vielmehr erscheint das italienischsprachige Wort "Germania" in seiner geografischen Bedeutung gerade im Hinblick auf die Ware "Biere" als erkennbarer Hinweis auf das bekannte Herstellungsland "Deutschland". Grundsätzlich besteht bei Namen von Ländern bereits eine starke Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung für nahezu alle Waren benötigt werden (vgl. BPatG PAVIS PROMA -26 W (pat) 52/99 -Germania). Diese Vermutung liegt auch im vorliegenden Fall durch die bestehenden Firmen auf dem beanspruchten Warengebiet nahe. Es gibt in Deutschland zahllose Brauereien, mit denen eine bestimmte, regelmäßig positive Vorstellung der Verbraucher verknüpft ist; da Deutschland -auch wegen des Oktoberfestes -als eines der führenden Länder auf dem Brauereisektor gilt. Somit ist davon auszugehen, dass die geografische Herkunftsangabe "Germania", die der Verwendung durch die Mitbewerber -auch im Hinblick auf den Warenaustausch mit Italien -nicht von vornherein entzogen werden darf, als äußerst kennzeichnungsschwach einzustufen ist. Für die ausgeprägte Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke spricht zudem, dass einige Drittzeichen "Germania" für weitere Markeninhaber eingetragen sind, woraus sich ein zusätzliches Indiz für einen von Haus aus bestehenden Originalitätsmangel und damit geringeren Schutzumfang der Widerspruchsmarke ableiten lässt (vgl. BGH GRUR 1967, 246, 250 -Vitapur; GRUR 1977, 218, 219 -MERCOL).

Die von der Widersprechenden in der eidesstattlichen Versicherung vorgelegten Umsatzzahlen vermögen für sich gesehen keine erhöhte Kennzeichnungskraft zu begründen. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft die der Markeninhaber in der mündlichen Verhandlung bestritten hat, ist weder amtsbekannt noch lässt sie sich aus den vorgelegten Unterlagen ohne Weiteres feststellen (vgl. BPatG GRUR 1997, 840, 842 -Lindora/Linola). Die erzielten Umsatzzahlen allein können keinen erweiterten Schutzumfang begründen. Vielmehr lassen Statistiken oder demoskopische Befragungen sowie Angaben über Werbeaufwendungen zuverlässigere Schlüsse auf die Verkehrsbekanntheit einer Marke zu (vgl. BPatGE 44, 1, 4 -Korodin). Die Widersprechende hat indes keine derartigen Unterlagen eingereicht, die eine Steigerung der stark verminderten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke begründen könnten.

Den aufgrund der stark verminderten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr gering einzustufenden Abstand halten die Vergleichsmarken ein.

Bei der umfassenden Beurteilung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist stets auf den durch die Gesamtheit vermittelten Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen (vgl. BGH GRUR 2005, 326, 327 -il Padrone/ Il Portone). Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet weniger auf die verschiedenen Einzelheiten. Insbesondere neigt der Durchschnittsverbraucher nicht zu einer Analyse möglicher Bestandteile und Begriffsbedeutungen (vgl. BGH GRUR 2000, 605 -comtes/ComTel).

In ihrem Gesamteindruck unterscheidet sich die angegriffene Marke aufgrund des zusätzlichen Wortbestandteils "Kölsch" hinreichend deutlich von der Widerspruchsmarke.

Bei Vorliegen einer mehrgliedrigen Marke -wie sie die angegriffene Marke darstellt -kann eine Verwechslungsgefahr aufgrund eines übereinstimmenden Bestandteils nur bejaht werden, wenn der Bestandteil den maßgeblichen Gesamteindruck des betreffenden Zeichens derart prägt, dass die übrigen Bestandteile im Gesamteindruck zurücktreten und deshalb vernachlässigt werden können (st. Rsp.; vgl. BGH GRUR 2004, 598 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; GRUR 2008, 903 -SIERRA ANTIGUA). Da der maßgebliche Gesamteindruck einer Marke auch durch schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente mitbestimmt werden kann, dürfen solche Teile bei der Prüfung nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Sie prägen zwar nicht für sich allein den Gesamteindruck einer Marke, vermögen sich aber gleichwohl mit weiteren Angaben zu einem zusammengehörigen betrieblichen Herkunftshinweis zu verbinden.

Dies ist vorliegend zu bejahen. Zwar handelt es sich bei dem Begriff "Kölsch" um eine an sich schutzunfähige Warenbenennung. Aufgrund der ausgeprägten Kennzeichnungsschwäche von "Germania" ist diesem Zeichenteil jedoch aus Rechtsgründen ebenfalls die Eignung abzusprechen, den Gesamteindruck der Marke zu prägen (vgl. BGH GRUR 2003, 1040, 1043 -Kinder; GRUR 2004, 778, 779 -URLAUB DIREKT), weshalb eine isolierte Herauslösung dieses Elements nicht in Betracht kommt. Vielmehr ist vorliegend von einem einheitlichen Gesamtbegriff aus geografischer Angabe und Warenbenennung auszugehen, der nicht zuletzt aufgrund der Kennzeichnungsschwäche beider Bestandteile als einheitliche Wortfolge aufgefasst wird.

Auch eine Verwechslungsgefahr aufgrund des gedanklichen In-Verbindung-Bringens ist abzulehnen. Die Widersprechende bietet zwar Produkte unter den Bezeichnungen "Germania Pils", "Germania Export", "Germania Radler", "Germania Hefeweizen", "Germania Kristallweizen", "Germania Weizen Dunkel" und "Germania Alkoholfrei". Jedoch vertreiben auch noch weitere Mitbewerber der Widersprechenden Bier unter der Marke "Germania", weshalb ein Hinweischarakter der Widerspruchsmarke allein auf die Widersprechende nicht anzunehmen ist. Aufgrund bestehender Drittzeichen ist vielmehr -wie vorstehend bereits festgestellt ein Originalitätsmangel der Bezeichnung "Germania" gegeben, der eine mittelbare Verwechslungsgefahr zugunsten der Widersprechenden nicht zu begründen vermag.

III Eine Kostenauferlegung aus Gründen der Billigkeit nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kommt nicht in Betracht.

Dr. Fuchs-Wissemann Reker Kopacek Ko






BPatG:
Beschluss v. 16.02.2009
Az: 26 W (pat) 59/07


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