Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Dezember 2006
Aktenzeichen: 15 U 110/06
(OLG Köln: Urteil v. 19.12.2006, Az.: 15 U 110/06)
Unterlassungsrechteschutz gegenüber der Verwendung des Begriffs "Gen-Milch" bezogen auf Produkte eines in diesem Marktsegment größeren Unternehmens in Presseerklärungen und in verschiedenen Kampagnen.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 24.05.2006 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 358/05 - teilweise abgeändert und die Klage (insgesamt) abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzenzüge trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in der Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist die Konzernobergesellschaft einer international tätigen Unternehmensgruppe für Milch- und Molkereiprodukte, die sie unter anderem unter den Marken "N.", "X.", "T." und "M." vertreibt. Außerdem bringt sie in Lizenz das Produkt "O." in Verkehr. Die zum Konzernverband der Klägerin gehörenden Unternehmen verarbeiten in ihren Produkten Milch, die von Kühen stammt, die auch gentechnisch veränderte Futtermittel, insbesondere gentechnisch veränderten Mais erhalten haben.
Der Beklagte befasst sich unter anderem mit Umwelt- und Tierschutz sowie der Aufklärung der Verbraucher. Einen Schwerpunkt seiner Aktivitäten sieht der Beklagte unter anderem in der Aufklärung über Gefahren und Risiken des Einsatzes gentechnischer Verfahren in der Lebensmittelproduktion. Seit Dezember 2003 vertreibt er zu diesem Zweck einen sogenannten Einkaufsratgeber "F.p.H.", in welchem er nach Warengruppen gestaffelt unter anderem auflistet, welche Firmen garantieren, dass ihre Produkte keine tierischen Rohstoffe, wie beispielsweise Fleisch, Eier oder Milch, von Tieren erhalten, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert werden, und welche dies nicht tun. Die seit Mitte April 2004 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretene EU-Verordnung zur Kennzeichnung, Zulassung und Rückverfolgbarkeit gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel sieht eine Pflicht zur Kennzeichnung der tierischen Produkte, wie beispielsweise Fleisch, Milch und Eier, deren Erzeugertiere gentechnisch verändertes Futter erhalten haben, nicht vor. Diesen Umstand hält der Beklagte für nicht tragbar, weil er mittelbar zu derzeit nicht überschaubaren Gefahren für Flora und Fauna einschließlich der Menschheit führe. Denn der Verbraucher lehne die Verwendung von Gentechnik in der Lebensmittelproduktion ganz überwiegend ab. Die Nichtkennzeichnung von tierischen Produkten, bei deren Herstellung gentechnisch veränderte Futtermittel verwendet worden seien, bedeute eine Verbraucherinformationslücke. Bei Aufklärung über die EU-Kennzeichnungsverordnung hinaus würden wesentliche Verbraucherkreise auf solche Produkte verzichten; über die marktwirtschaftlichen Grundsätze des Angebots und der Nachfrage wäre dem Anbau gentechnisch veränderter Futtermittel vielfach der Boden entzogen. Dieses seines Erachtens bestehende Defizit in der Verordnungslage und deren Umsetzung in der Praxis versucht der Beklagte dadurch auszugleichen, dass er an größere Unternehmen der Milchindustrie mit der Forderung herangetreten ist, ihren Milchlieferanten zur Auflage zu machen, gentechnisch veränderte Futtermittel nicht mehr zu verwenden. Diesem Begehren widersetzt sich die Klägerin bislang. Dies nahm der Beklagte zum Anlass, ab dem 28.04.2004 auf den von ihm betriebenen Internetseiten in diversen Beiträgen und bei verschiedenen öffentlichen Aktionen auf diesen Umstand unter Verwendung des Begriffs "Gen-Milch" als Überschrift/Plakataufschrift mit konkretem Bezug auf die Klägerin hinzuweisen.
Wegen dieser Veröffentlichungen und Kampagnen des Beklagten nahm die Klägerin den Beklagten in der Vergangenheit bereits mehrfach auf Unterlassung in Anspruch, unter anderem vor dem Landgericht Köln zu den beiden nachstehend näher bezeichneten, zu Informationszwecken beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten einstweiligen Verfügungsverfahren:
In dem Verfahren 28 O 289/04 des Landgerichts Köln = 15 U 125/04 des Oberlandesgerichts Köln (im Folgenden: 1. einstweiliges Verfügungsverfahren oder auch BA 125/04) beantragte die Klägerin (zu Ziffer I.1.) unter anderem sinngemäß, dem Beklagten zu verbieten, im Hinblick auf ihre Produkte den Begriff "Gen-Milch" zu verwenden. Unter anderem bezogen auf diesen Antrag verurteilte das Landgericht den Beklagten mit Urteil vom 23.06.2004 zur begehrten Unterlassung (Bl. 481 bis 494 BA 125/04). Bezogen auf diesen Antrag führte die Berufung des Beklagten zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung der Klägerin durch Urteil des erkennenden Senats vom 28.10.2004. Wegen des diesem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts, insbesondere der zur Beurteilung gekommenen Beiträge und Aktivitäten des Beklagten, sowie der Begründung wird auf das Urteil vom 28.10.2004 (Bl. 1028 ff. BA 125/04) verwiesen.
In dem Verfahren 28 O 64/05 des Landgerichts Köln = 15 U 57/05 des Oberlandesgerichts Köln (im Folgenden: 2. einstweiliges Verfügungsverfahren oder BA 57/05) beantragte der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.02.2005 erneut eine Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der Verwendung des Begriffs "Gen-Milch" bezogen auf ihre Produkte, sofern nicht gleichzeitig klarstellende Zusätze erfolgen sollten - die Anträge entsprachen ihrem Wortlaut nach den im vorliegenden Hauptsacheverfahren gestellten Unterlassungsanträgen. Mit Urteil vom 16.03.2005 entsprach das Landgericht Köln den Anträgen im Wesentlichen, wenn auch zu dem Antrag Ziffer 1.b) bezogen auf den begehrten Zusatz durch Auswechslung der Formulierung "nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen" mit dem Satzteil "nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand" (Bl. 440 ff. BA 57/05). Auf die Berufung des Beklagten hob der erkennende Senat die angefochtene Entscheidung mit Urteil vom 05.07.2005 auf und wies den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Wegen des diesem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts, insbesondere der zur Beurteilung gekommenen Beiträge und Aktivitäten des Beklagten, sowie der Begründung wird auf das Urteil vom 05.07.2005 (Bl. 921 ff. BA 57/05) verwiesen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Verbraucher verbinde mit dem Begriff "Gen-Milch", auch mit dem Zusatz "Mit genmanipuliertem Tierfutter hergestellt", die verwendete Milch sei selbst gentechnisch verändert oder enthalte Partikel der gentechnisch veränderten Futtermittel. Gestützt auf die in beiden einstweiligen Verfügungsverfahren beanstandeten Äußerungen und Kampagnen begehrt die Klägerin nunmehr im Hauptsacheverfahren, dem Beklagten die Verwendung des Begriffs "Gen-Milch" bezogen auf ihre Produkte zu verbieten, soweit dies nicht mit näher bezeichneten klarstellenden Zusätzen verbunden sei.
Sie hat beantragt,
dem Beklagten unter Androhung üblicher Ordnungsmittel zu verbieten, ihre Produkte (insbesondere der Marken "N.", "X.", "M." und/oder die in Lizenz vertriebenen Produkte der Marke "O.")
als "Gen-Milch" zu bezeichnen, insbesondere unter Verwendung eines Hinweisschildes mit dem Aufdruck "Ich will keine Gen-Milch von N.", sofern nicht gleichzeitig - bei schriftlichen Äußerungen in unmittelbarem Zusammenhang und mit gleicher und gleich großer Schrift wie bei der Bezeichnung "Gen-Milch" - darauf hingewiesen wird, dass diese Produkte selbst nicht gentechnisch verändert sind,
und/oder
unter Hinweis auf den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel als "Gen-Milch" zu bezeichnen, insbesondere in der Form "N.-Milch = Gen-Milch - Mit genmanipuliertem Tierfutter hergestellt", sofern nicht gleichzeitig - bei schriftlichen Äußerungen in unmittelbarem Zusammenhang und mit gleicher und gleich großer Schrift wie bei der Bezeichnung "Gen-Milch" - darauf hingewiesen wird, dass die Produkte selbst nicht gentechnisch verändert sind und sich nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen in den Produkten der Klägerin auch keine Komponenten aus der gentechnischen Veränderung der Futtermittel nachweisen lassen,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch die Äußerungen des Beklagten gemäß Ziffer 1 entstanden sind bzw. zukünftig noch entstehen werden.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit am 24.05.2006 verkündetem Urteil hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 358/05 - der Klage bezüglich der Unterlassungsanträge zu Ziffer 1 mit der Maßgabe zu lit. b), dass nicht auf die "gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse", sondern auf den "derzeitigen wissenschaftlichen Stand" hingewiesen werden müsse, stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung der Berechtigung der Klageanträge zu Ziffer 1 hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung persönlichkeitsrechtsverletzender Äußerungen im Sinne beider Anträge gemäß §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit § 186 StGB zu. Die Bezeichnung der Produkte der Klägerin als "Gen-Milch" enthalte eine unwahre Tatsachenbehauptung, die sich ohne den von der Klägerin beantragten erläuternden Zusatz als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin darstelle. Der Begriff "Gen-Milch" werde, wie F.-Umfragen und ein Gutachten des Instituts für Demoskopie B. belegten, von einem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikum in einer jedenfalls nicht entfernt liegenden Deutungsvariante als Tatsachenbehauptung verstanden, nämlich dass N.-Milch gentechnisch veränderte Milch sei oder jedenfalls Bestandteile gentechnisch veränderter Futtermittel enthalte. Das gelte auch bei der Verwendung dieses Begriffs mit dem Zusatz "Mit genmanipulierten Futtermitteln hergestellt". Bestünden damit Zweifel, ob eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung vorliege, habe sich das Gericht auf der Grundlage der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für diejenige zu entscheiden, die für den in Anspruch Genommenen ungünstiger sei, da dieser die Möglichkeit habe, sich in Zukunft eindeutig auszudrücken. Den ihm danach obliegenden Wahrheitsbeweis sei der Beklagte schuldig geblieben; einen solchen wissenschaftlichen Nachweis behaupte er selbst nicht, sondern verweise auf Gefahren und Risiken des Einsatzes gentechnischer Verfahren in der Lebensmittelproduktion und auf eine seines Erachtens nicht abgeschlossene wissenschaftliche Kontroverse über die Frage, ob ein Übergang von DNA gentechnisch veränderter Pflanzen in die Milch stattfinde. Selbst wenn man von einer nicht endgültig im Sinne des Vortrags der Klägerin bewiesenen Tatsachenbehauptung ausginge, ändere sich an dieser Bewertung nichts, da der Beklagte hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt seiner Tatsachenbehauptungen nicht angestellt habe. Die von dem Beklagten vorgelegten Studien wiesen zwar die Verunreinigung untersuchter Milchproben mit gentechnisch veränderter DNA auf, verhielten sich indes zur Übertragung auf dem Wege der Verunreinigung durch Fäkalien oder über die Luft und nicht, was entscheidend sei, zu einem unmittelbaren biologischchemischen Übergang der DNA der gentechnisch veränderten Futtermittel in die Milch.
Im Übrigen gelange man auch dann zu einem Unterlassungsanspruch, wenn man den Begriff "Gen-Milch" nicht als Tatsachenbehauptung verstehe. Auch insoweit sei zu fordern, dass sich der Beklagte in Zukunft unmissverständlich so ausdrücke, dass es zu keiner oder nur zu einer geringeren Persönlichkeitsverletzung der Klägerin komme. Die in den Unterlassungsbegehren enthaltene Kombination von Verbot einer Äußerung und Gebot eines aufklärenden Zusatzes erscheine als ein "Minus" zum vollständigen Verbot und als geeignet und verhältnismäßig im Sinne der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten, sinngemäß auf teilweise Abänderung dieses Urteils und volle Klageabweisung gerichteten Berufung rügt der Beklagte eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht, als es den Unterlassungsanträgen der Klägerin stattgegeben hat. Er verteidigt die in den Urteilen des erkennenden Senats in den einstweiligen Verfügungsverfahren zum Ausdruck gekommene Auffassung, dass seine Äußerungen in Veröffentlichungen und im Zuge seiner Kampagnen als zulässige Werturteile zu behandeln seien. Seines Erachtens gäben die neuesten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu einer anderen Sicht der Dinge keine Veranlassung. Konkret rügt er, wie bereits erstinstanzlich: Das Landgericht sei mangels örtlicher Zuständigkeit nicht zur Entscheidung berufen gewesen. Die Unterlassungsanträge seien auch nicht hinreichend bestimmt, da deren Formulierung Auslegungsprobleme mit sich bringe. Die Klägerin sei als das selbst nicht vertreibende, im Hintergrund stehende herrschende Unternehmen nicht aktivlegitimiert. Den Schutz des Unternehmenspersönlichkeitsrechts könne sie für sich nicht in Anspruch nehmen. Dem Landgericht sei auch eine unzulässige Ausweitung des Streitstoffes auf eine Vielzahl von Aktionen seit April 2004 entgegen dem Klageantrag und den Belegtatsachen vorzuwerfen. Es sei in der Urteilsbegründung zu Unrecht von einer Verschärfung der Aktionen gegen die Klägerin ausgegangen, weil er den Begriff "Gen-Milch" in den Jahren 2005 und 2006 so gut wie nicht mehr verwendet habe und sich seine Kampagnen zu Genpflanzen in Tierfutter keinesfalls nur gegen die Tochterunternehmen der Klägerin gerichtet hätten.
Die Klägerin, die auf Zurückweisung der Berufung antragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im vorliegenden Prozess sowie die in den beigezogenen einstweiligen Verfügungsverfahren wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
(1) Allerdings ist die Klage entgegen der Auffassung des Beklagten zulässig.
(1.1) Das gilt zunächst, soweit der Beklagte rügt, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln sei jedenfalls insoweit nicht gegeben, als einzelne Aktionen (Milchbar-Aktion, Einpack-Aktion), auf die sich das Landgericht im Wesentlichen gestützt habe, nicht im Gerichtssprengel Köln stattgefunden hätten und auch nicht über das Internet begleitet worden seien. Der Berücksichtigung dieses Zulässigkeitseinwands steht § 513 Abs. 2 ZPO entgegen.
(1.2) Die Unterlassungsanträge sind auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Beide Unterlassungsanträge stellen sich inhaltlich als zwei selbständige Streitgegenstände dar. Die Klägerin hat nicht nur ein schutzwürdiges Interesse daran, dass dem Beklagten die isolierte Verwendung des Begriffes "Gen-Milch" untersagt wird, sondern auch an einer solchen Äußerung mit dem Zusatz "Mit genmanipuliertem Tierfutter hergestellt", da anderenfalls bei einem Rechtsfolgenausspruch im Sinne des Unterlassungsantrages Ziffer 1.a) unklar bliebe, ob der Zusatz als ausreichende Erläuterung zu verstehen ist. Vermeidbare Auslegungsprobleme der Unterlassungsanträge, insbesondere wegen der mehrmaligen Verwendung des Begriffes "insbesondere" in der Einleitung von Nebensätzen, sieht der Senat nicht.
(2) Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Klägerin stehen gegenüber dem Beklagten die auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkten des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes wie auch des Unternehmenspersönlichkeitsrechtes und in Verbindung mit § 824 BGB materiellrechtlich gestützten Unterlassungsansprüche nicht zu. Der Senat teilt die gegenteilige Auffassung des Landgerichts nicht und hält auch in Ansehung der neuesten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu mehrdeutigen Äußerungen, auf die noch im Einzelnen einzugehen sein wird, an seiner in den in den einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteilen zum Ausdruck gekommenen Auffassung fest.
(2.1) In die Prüfung der Verletzung von Rechten der Klägerin können nicht alle in den einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Äußerungen und Aktionen einbezogen werden. Das gilt einmal hinsichtlich der dem Beklagten durch Urteil vom 28.10.2004 in dem 1. einstweiligen Verfügungsverfahren Untersagten. Insoweit hat der Beklagte das Unterlassungsverbot mit anwaltlichem Schreiben vom 23.11.2004 rechtsverbindlich als entgültige Regelung anerkannt. Deren Berücksichtigung scheidet aus dem Gesichtspunkt der fehlenden Wiederholungsgefahr aus Das gilt ferner für die von dem Beklagten entfaltete Kampagne "Diaprojektion in M.", wie sie dem Landgericht Bautzen/OLG Dresden im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Entscheidung vorlag. Insoweit hat die Klägerin erklärt, dass sie in Anbetracht der Begründung des Berufungsurteils des Oberlandesgerichts Dresden selbst nicht mehr von einer Wiederholungsgefahr ausgehe; dies hat das Landgericht übersehen, als es auf die letztgenannte Aktion in dem angefochtenen Urteil mehrfach abgestellt hat. Dagegen ist in die Bewertung mit einzustellen die vor dem Landgericht Tübingen/Oberlandesgericht Stuttgart abgehandelte Supermarkt-Absperrband-Aktion, weil der Streitgegenstand des dort zugrunde liegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht mit dem des vorliegenden Hauptsacheverfahrens identisch ist.
Andererseits sind über die in beiden einstweiligen Verfügungsverfahren berücksichtigten Äußerungen und Kampagnen hinaus keine weiteren zu beachten, da es im Anschluss an das Urteil des Landgerichts Köln in dem 2. einstweiligen Verfügungsverfahren vom 16.03.2005 bis auf die nachfolgend geschilderte keine weiteren gegeben hat, von der Klägerin jedenfalls nicht geltend gemacht werden. Der damaligen Entscheidung lag die 6. Auflage des Einkaufsratgebers des Beklagten zugrunde (vgl. Anlage K 1 = Bl. 32 ff. GA). In der 8. Auflage (Anlage B 4 im AO Bd I) sind die damals verwendete Überschrift "N.-Milch ist Gen-Milch" sowie das Foto, auf dem der Ausspruch auf einem Schild wiederholt wurde, nicht mehr enthalten; stattdessen äußert sich der Beklagte dort über "Gen-Pflanzen bei der N.-Milch-Produktion".
Klarstellend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die einzelnen Äußerungen und Aktionen selbst nicht Streitgegenstand sind, es sich dabei vielmehr um Tatsachen handelt, die die Klägerin zur Begründung ihrer Unterlassungsanträge anführt.
(2.2.) Der Senat bleibt bei seiner Bewertung, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs "Gen-Milch" durch den Beklagten im Rahmen seiner Äußerungen und Aktionen um von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte Meinungsäußerungen handelt, die unter Berücksichtigung der Wechselwirkung dieses Grundrechts mit den oben genannten einfach gesetzlichen Normen und den diese stärkenden, aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Wertungen rechtmäßig erscheinen, weil diese die Grenzen der Schmähkritik, der Formalbeleidigung oder solcher Äußerungen, die die Menschenwürde antasten, nicht überschreiten und auch der gebotenen Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung der Klägerin einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch Untersagung andererseits standhält. Insoweit seien die wesentlichen Entscheidungskriterien wie folgt zusammengefasst:
(2.2.1) Der Begriff "Gen-Milch" stellt sich ohne weitere Erläuterung als eine einen komplexen und dem Durchschnittspublikum wenig bekannten Sachverhalt betreffende Begriffsfindung des Beklagten dar, der isoliert betrachtet substanzarm ist und wie ein tatsachenentkleideter Rechtsbegriff zu behandeln ist. Erst im Kontext der Äußerungen des Beklagten erschließt sich der Sinn der Kampagne, dass der Beklagte in der EU-Kennzeichnungsverordnung ein Informationsdefizit sieht, sich gegen den Anbau gentechnisch veränderter Futtermittel wenden und zur Erreichung dieses Zwecks Meinungsbildung und Druck auf die Produktionskette ausüben will. Erst aus dem Kontext erschließt sich, ob und gegebenenfalls welche Tatsachenbehauptungen der Beklagte aufgestellt hat. Soweit sich aus diesem ergibt, dass der Beklagte behauptet, die Produkte der Klägerin seien aus Milch hergestellt, die aus der Produktion mit gentechnisch veränderten Futtermitteln stamme, ist diese Tatsachenbehauptung unstreitig zutreffend. Sie wird von der Klägerin in dieser Sinnbeschränkung auch nicht beanstandet. Erklärungen des Beklagten, in den Produkten der Klägerin befände sich Milch, die selbst gentechnisch verändert sei oder die DNA des verwendeten gentechnisch veränderten Futtermittels enthalte, finden sich nicht. Im Vordergrund der Äußerungen und Kampagnen des Beklagten steht offensichtlich dessen Bestreben, auf Gefahren in der Lebensmittelproduktion durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen hinzuweisen, und sein Anliegen, dieser Entwicklung durch Einflussnahme auf nicht unbedeutende Beteiligte in der Produktionskette entgegen zu wirken. Dabei vermittelt er nicht etwa die Schädigung der von der Klägerin verwendeten Milch selbst und eine dadurch bedingte Schädigung des Verbrauchers der Produkte. Vielmehr beschränkt er sich auf den Hinweis einer derzeit nicht überschaubaren Gefahr. Er hat sich in seinen beanstandeten Verlautbarungen Erklärungen darüber, dass sich die Gefahr, also die Möglichkeit eines Schadenseintritts in der Zukunft, in dem Produkt "Milch" in mehr oder weniger naher oder ferner Zukunft niederschlagen werde, enthalten.
(2.2.2) Entsprechendes gilt, soweit der Begriff "Gen-Milch" mit dem Zusatz versehen ist "Mit genmanipuliertem Tierfutter hergestellt". Bei der Verwendung dieser Begriffskombination erschließt sich die - den Ausführungen in dem vorstehenden Absatz entsprechende und unstreitige - Tatsachenbehauptung, dass die Produkte der Klägerin aus Milch hergestellt wurden, die von Kühen stammt, die mit gentechnisch verändertem Material gefüttert wurden, unmittelbar. Auch insofern gilt, dass diese Begriffskombination im Kontext nicht die von der Klägerin und dem Landgericht gesehenen Tatsachenbehauptungen enthält.
(2.2.3) Ist die Verwendung des Begriffs "Gen-Milch", sei es mit oder ohne Zusatz, als das Mittel anzusehen, den Verbraucher auf das Anliegen des Beklagten plakativ aufmerksam zu machen, und ist der Sinngehalt dieses Begriffs nicht allein anhand dieser Überschrift/Aufschrift zu ermitteln, sondern aus dem Kontext heraus, erhellt auch, dass die von dem Landgericht herangezogenen Umfragen von F. und des B.-Instituts im konkreten Fall ohne wesentliche Bedeutung für die zu treffende Entscheidung sind, da diese an die von der Klägerin beanstandete Überschrift/Aufschrift, mit oder ohne Zusatz, anknüpfen, nicht aber an das im Kontext stehende Anliegen des Beklagten, dieses vielmehr ausblenden. Insoweit stellen sich die Umfrageergebnisse als bloße Schlussfolgerungen aufgrund eines tatsachenentkleideten Begriffs dar. Schon bei der alleinigen Vorgabe des beanstandeten Begriffs stellen sie sich nicht als unabweisbar im Sinne der von der Klägerin und dem Landgericht gesehenen Tatsachenbehauptungen dar, erst recht nicht im Kontext. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen in den zu den beiden einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteilen des Senats Bezug genommen. Diesen Ausführungen ist im Lichte der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 13.11.1992, NJW 1993, 1461 f.) hinzuzufügen, dass es auf die Umfragen im konkreten Einzelfall deswegen nicht ankommt, weil sich befragte Bevölkerungsteile auf einen komplexen, neu geschaffenen Begriff nicht zutreffende Tatsachen - zudem im Rahmen vorgegebener Antworten - gereimt haben. Eine andere Bewertung liefe auf die nicht angehende Unterstellung von Tatsachenbehauptungen hinaus.
(2.2.4) Auch unter dem Gesichtspunkt bewusst unvollständiger Darstellung rechtfertigt sich das Klagebegehren nicht. Nur wenn es nahe liegt, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte ehrverletzende Schlussfolgerung zu ziehen, ist eine bewusst unvollständige Darstellung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln (BGH, 6. ZS, Urteil vom 22.11.2005, NJW 2006, 601 ff.). Weder aus dem beanstandeten plakativen Begriff noch aus dem Kontext ergeben sich unstreitige Tatsachen, die eine bestimmte Schlussfolgerung im Sinne der von der Klägerin gesehenen Behauptungen zulässt.
(2.2.5) Soweit es auch Einzelaktionen des Beklagten gab, bei denen es an begleitenden Erläuterungen vor Ort fehlte, bleibt der Senat bei seiner Bewertung, dass ein unvoreingenommener und verständiger Bürger die Neuschaffung des Begriffs "Gen-Milch" erfasst und weiß, dass Aktionen des Beklagten von Informationen und Presseerklärungen begleitet werden, auf die er vor Ort durch Informationsmaterial und vor allem über Internet zugreifen kann.
(2.2.6) Die der Meinungsfreiheit durch Artikel 5 Abs. 2 GG gezogenen Grenzen sind nicht überschritten. Die Äußerungen und Kampagnen des Beklagten dienen nicht eigennützigen Zielen, sondern sollen einen Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage leisten. Für ihre Zulässigkeit spricht daher eine Vermutung. Das gilt auch bei satirischen und sarkastischen, den Effekt der Meinungsäußerung steigernden Formen, und zwar auch dann, wenn eine bestimmte Unternehmenspolitik personalisiert z. B. im Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens angeprangert wird (BGH NJW 1994, 124 ff.). Ein der Entscheidung des BGH (Urteil vom 07.12.2004, MDR 2005, 505 f.) vergleichbarer Fall, in dem es um die Entfaltung einer unverhältnismäßigen Prangerwirkung und einer dadurch bedingten schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ging, liegt nicht vor. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die Klägerin für sich eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts in Anspruch nehmen kann und diese gleichwertig dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht behandelt werden kann. Der Senat sieht die Intensität und Dauer der unter Hervorhebung der Klägerin geschalteten Pressemitteilungen und Kampagnen. Soweit nunmehr vorgelegte Pressemitteilungen Mitbewerber der Klägerin auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland betreffen, kann jedenfalls von vergleichbar scharfen Aktionen gegen diese nicht ausgegangen werden. Andererseits kann entgegen dem Vortrag der Klägerin und der Auffassung des Landgerichts nicht von einer Intensivierung und Verschärfung der Kampagne ausgegangen werden, wenn man auf die weitere Entwicklung seit dem Zeitpunkt des Urteilserlasses in dem 2. einstweiligen Verfügungsverfahren abstellt. In der 8. Auflage des Einkaufsratgebers des Beklagten ist die Herausstellung der Klägerin als ein Unternehmen, das Milchprodukte hergestellt, ohne sicherzustellen, dass das Milchvieh nicht mit gentechnisch verändertem Futter versorgt worden ist, in abgemilderter Form gegenüber der 6. Auflage erfolgt. Die nach der Formulierung der Unterlassungsanträge beanstandeten Begriffe verwendet der Beklagte nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag seit dem Erlass des Senatsurteils in BA 57/05 nicht mehr. Seit diesem Zeitpunkt haben gegen die Klägerin gerichtete Aktionen und weitere Äußerungen nicht stattgefunden. Seitdem steht die Klägerin offensichtlich nicht mehr im Focus der Aktivitäten des Beklagten. Zu berücksichtigen ist auch, dass es der Klägerin unbenommen war und ist, den Verbraucher in dem ihr vermeintlich angemessenen Sinn zu informieren.
(2.2.7) Was die von der Klägerin begehrten Zusätze bei der Verwendung der beanstandeten Begriffe anbetrifft, scheidet deren Anordnung ohnehin aus.
Das gilt zunächst, soweit die Klägerin den Zusatz wünscht, die Produkte seien selbst nicht gentechnisch verändert. Zwischen den Parteien ist "unstreitig", dass den Erklärungen des Beklagten nicht der Sinn zukommt, dass die Produkte der Klägerin selbst gentechnisch verändert seien. Diese Möglichkeit der Deutung des Begriffs "Gen-Milch" hat selbst die Klägerin ausschließlich nur auf die bei der Fertigstellung ihres Produkts verwendete Milch bezogen. Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es eine genmanipulierte Herstellung von Milch nicht gibt. Es gibt keinen Grund, dem Beklagten einen klarstellenden Zusatz aufzugeben, bei dem es sich um eine allgemein anerkannte Tatsache handelt.
Das gilt aber auch, soweit die Klägerin bezogen auf den Klageantrag zu Ziffer 1.b) den Zusatz des in der Berufung noch zu beurteilenden Hinweises "nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand" weiter verfolgt, dass sich in ihren Produkten keine Komponenten aus der gentechnischen Veränderung der Futtermittel nachweisen lassen. Insoweit teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts, es fehle an einer wissenschaftlich fundierten Studie, die einen Übertrag gentechnisch veränderten Materials belegen würde. Denn es führt die von dem Beklagten im Anlagenkonvolut B 48 vorgelegten Studien an und erkennt ausdrücklich, dass dort der Transfer der tDNA aus Monsanto-Mais in Tierorgane und Blut bzw. der Transfer gentechnisch veränderter Futtermittel-DNA, wenn auch fäkal oder durch die Luft übertragen, festgestellt wurde. Auf dieser Grundlage kann von einem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass ein Übertrag der DNA gentechnisch veränderter Futtermittel in die Milch nicht stattfinden kann, nicht ausgegangen werden. Soweit das Landgericht dahingehend zu verstehen sein könnte, dass es die vorstehend angesprochenen Gutachten deswegen für unbeachtlich hält, weil dort nicht ein Übergang der DNA der Futtermittel über die Milchproduktion der Kuh festgestellt sei, wird dieses Entscheidungskriterium selbst vom Vortrag der Klägerin nicht getragen. Auch die Klägerin sieht in den Äußerungen des Beklagten keine derart eingeschränkte Tatsachenbehauptung.
Der Senat hält im Übrigen dafür, dass dem sogenannten derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand hier nicht der Stellenwert zukommt, wie er von dem Landgericht im Urteil angesetzt wird. Die Geschichte zeigt, wenn man etwa die abweichende Bewertung des Physikers H. hinsichtlich des bis dahin von der vatikanischen Führung der katholischen Kirche bewahrten Weltbildes sieht, dass sich mit der Zeit neue/bessere Erkenntnismöglichkeiten mit neuen Ergebnissen einstellen können. Die damals an H. gerichtete Forderung, seine Erkenntnisse zu widerrufen, erscheint in der Betrachtung ex ante nicht überzeugend. Gerichtsverfahren im Äußerungsbereich wie das vorliegende sollten nicht als Austragungsort wissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeiten, der Feststellung ihres Meinungsstandes und dessen Bewertung dienen müssen.
(3) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207 ff.; Beschluss vom 24.05.2006 1 BvR 2031/00 -, AfP 2006, 349 ff.) rechtfertigen eine anderweitige Entscheidung nicht. Diese verhalten sich zu mehrdeutigen Äußerungen, bei denen die Instanzgerichte auch bei der Prüfung von Unterlassungsansprüchen im Lichte des Artikel 5 Abs. 1 GG diejenige zugrunde gelegt haben, die das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen am wenigsten schwer beeinträchtigen und deswegen für den in Anspruch Genommenen günstiger waren (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.1998 - VI ZR 205/97 -, NJW 1998, 3047 ff., 3048; BGH, Urteil vom 29.01.2002 - VI ZR 20/01 -, NJW 2002, 1192 ff., 1194). Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass diese "Günstigkeitsregel" weiterhin gilt, wenn es um die Beurteilung von in der Vergangenheit liegenden Äußerungen im Rahmen eines Strafurteils oder einer Verurteilung zum Schadenersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung geht. Ein gleicher Schutzbedarf für die individuelle Grundrechtsausübung und die Funktionsfähigkeit des Meinungsbildungsprozesses bestehe indessen nicht bei gerichtlichen Entscheidungen über die Unterlassung zukünftiger Äußerungen, da im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen sei, dass der Äußernde die Möglichkeit habe, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugrunde zu legen sei. Sei der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, bestehe kein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulasse, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringen Persönlichkeitsverletzung führen. Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des erkennenden Senats vorliegend nicht einschlägig.
(3.1) Das gilt zunächst, als es in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts um die Abwägung zwischen der Reichweite der von dem Äußernden in Anspruch genommenen Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG einerseits und dem in Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits ging, während sich die Klägerin des vorliegenden Prozesses auf eine Verletzung des diesem grundgesetzlichen Schutzbereich allenfalls "vergleichbaren" Unternehmenspersönlichkeitsrechts beruft.
(3.1.1) Gemäß Artikel 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die Erstreckung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Wirtschaftsunternehmen wirft daher bereits wegen dessen enger Verflechtung mit dem Schutz der Menschenwürde Probleme auf. Soweit es dennoch als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB jedenfalls in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt ist, findet es als Auffangtatbestand zu dem über § 823 Abs. 1 BGB geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und zu §§ 824 BGB, 14 Markengesetz, 3 f. UWG subsidiär nur beschränkte Anwendung, nämlich soweit es um den nicht spezial gesetzlich geregelten Funktionsschutz von Unternehmen im Rahmen ihrer Teilnahme an der Sozial- und Öffentlichkeitssphäre gegenüber betriebsbezogenen Eingriffen geht ( vgl. Born, AfP 2005, 110 ff., mit vielen Rechtsprechungsnachweisen). Bei diesem Verständnis ist zweifelhaft, ob das Bundesverfassungsgericht die "Günstigkeitsregel" auch bei der Betrachtung der Wechselwirkung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht im Rahmen des Unterlassungsrechtsschutzes verneinen wollte. In Bezug auf den Schutzzweck "Unternehmensschutz" sind Unterschiede bei der Anwendung der Rechtsinstitute "Recht am Gewerbebetrieb" einerseits und "allgemeines Persönlichkeitsrecht des Unternehmens" andererseits jedenfalls nicht in klar definierter Form auszumachen (vgl. Born a. a. O., 112). Dies rechtfertigt die Annahme, dass dem Unternehmenspersönlichkeitsschutz in der Wechselwirkung gegenüber anderen grundrechtlich geschützten Positionen, insbesondere der Meinungsfreiheit, jedenfalls nicht die Gewichtigkeit wie dem in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt.
(3.1.2) Für das von der Klägerin in Anspruch genommene Unternehmenspersönlichkeitsrecht bleibt vorliegend ein Anwendungsfall nicht. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, die Kampagne des Beklagten richte sich teilweise auch gegen U. N. persönlich, ist dieses Vorbringen schon in Anbetracht des Aktivrubrums unbeachtlich; die Klägerin kann zur Begründung des auf Unternehmensschutz gerichteten Klagebegehrens nicht die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einzelner natürlicher Personen aus ihrer Unternehmensgruppe geltend machen. Zum anderen ist dieses Vorbringen deswegen unbeachtlich, weil die teilweise Benennung von "N." in einigen Äußerungen des Beklagten auf den Verantwortungsträger für das klägerische Unternehmen und nicht Herrn U. N. als Privatperson zu beziehen ist (vgl.: BGH NJW 1994, 124 ff., 126 f.). Soweit die Klägerin in den Äußerungen und Kampagnen des Beklagten den implizierten Vorwurf sieht, das Unternehmen versuche, den Verbrauchern sozusagen heimlich Gentechnik unterzuschieben, und hierzu auf den Umstand verweist, dass es sich bei ihr um einen inhabergeführten Familienbetrieb handelt, sieht der Senat auch insoweit einen Anwendungsbereich für das Unternehmenspersönlichkeitsrecht nicht. Ein der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (6. Zivilsenat, Urteil vom 23.05.2001, NJW-RR 2001, 1486 ff.) vergleichbarer Fall, in dem es um den Vorwurf des Gefälligkeitsjournalismus betreffend das von der Deutschen Telekom verlegten Wirtschaftsmagazin und des Zulassens der Einflussnahme wirtschaftlicher Erwägungen auf die inhaltliche Gestaltung der redaktionellen Berichterstattung unter Verletzung des Gebots journalistischer Neutralität ging, liegt ersichtlich nicht vor. Die Äußerungen und Aktionen des Beklagten beinhalten weder ausdrücklich noch "zwischen den Zeilen" die Erklärung, die Klägerin verhalte sich gesetzeswidrig. Vielmehr stellen die Presseerklärungen des Beklagten klar, wie sich die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln unter Anwendung gentechnischer Verfahren darstellt, dass tierische Produkte wie z. B. Milch nach dem Erzeugungseinsatz von gentechnisch veränderten Futtermitteln nicht kennzeichnungspflichtig sind und dass man hierin eine Verbraucherinformationslücke sehe.
(3.2) Die oben angeführten neuesten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind vorliegend aber auch deswegen nicht einschlägig, weil der Inhalt der zu beurteilenden Äußerungen des Beklagten nicht in dem Sinne mehrdeutig ist, dass dieser sich auch in den von der Klägerin und dem Landgericht gesehenen Tatsachenbehauptungen niederschlagen könnte. Der Begriff "Gen-Milch" ist zu substanzarm, um als Tatsachenbehauptung bewertet werden zu können. Aus dem Kontext heraus ergibt sich weder die Behauptung des Beklagten, die in den Produkten der Klägerin verwendete Milch sei selbst gentechnisch verändert, noch die, in dieser Milch befänden sich Partikel der DNA der gentechnisch veränderten Futtermittel. Auf die Erwägungen zu Ziffer (2.2) wird verwiesen. Soweit in dem Urteil zur BA 57/05 auch die Mehrdeutigkeit der Äußerungen des Beklagten in Betracht gezogen, aber in Anbetracht der bis dahin in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten "Günstigkeitsregel" für unerheblich erachtet worden ist, handelte es sich um eine Hilfsbegründung für den Fall, dass man sich einmal auf die von der Klägerin gesehene und von dem Landgericht herangezogene Beurteilungsebene begeben und die Umfrageergebnisse einmal als beachtlich behandeln wollte. Die Umfrageergebnisse sind aber, wie die Diktion der Urteile des Senats in den beiden einstweiligen Verfügungsverfahren aufzeigt und unter Ziffer (2.2) nochmals erläutert ist, für die im vorliegenden Einzelfall zu treffende Entscheidung nicht von Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Gegenstandswert der Berufung und die Beschwer der Klägerin durch dieses Urteil werden auf 200.000,00 € festgesetzt.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist und sowohl die Fortbildung des Rechts als auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, da die Reichweite der unter Ziffer (3) dieses Urteils behandelten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit Relevanz für die Beurteilung des vorliegenden Falles weiter konkretisierungsbedürftig erscheint.
OLG Köln:
Urteil v. 19.12.2006
Az: 15 U 110/06
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