Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2004
Aktenzeichen: 34 W (pat) 347/02

(BPatG: Beschluss v. 29.11.2004, Az.: 34 W (pat) 347/02)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Ein Patentanspruch, Beschreibung, Spalten 1 bis 3, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2004, Zeichnung gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 25. Juli 2002 veröffentlichte Patent 101 03 383 mit der Bezeichnung "Doppelwandige Anschlussleitung" hat der Einsprechende am 18. Oktober 2002 Einspruch eingelegt.

Der Einspruch wird darauf gestützt, dass wegen Verwendung unklarer Begriffe ein technisches Handeln zum Vollzug der Lehre des Patents nicht möglich sei und der Gegenstand des Patents durch offenkundige Vorbenutzung neuheitsschädlich getroffen sowie durch druckschriftlichen Stand der Technik nahe gelegt sei.

Der Einsprechende verweist hierzu neben den im Erteilungsverfahren bereits berücksichtigten Druckschriften

(E2) PCT-Veröffentlichung WO 99/56049 A1 und

(E3) Deutsche Patentschrift 198 02 417 noch auf die

(E5) Deutsche Offenlegungsschrift 20 42 593.

Zu der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung legt er einen

(E7) Prospekt der Firma Bit & Byte "Technaflon Nasskamine"

sowie eine zugehörige

(E8) Preisliste zu E7 aus dem Jahre 1996 vor und bietet Zeugenbeweis an.

Im Prüfungsverfahren vor der Patenterteilung ist noch die

(E9) US-Patentschrift 6 041 825 in Betracht gezogen worden.

Die erteilten Patentansprüche 1 bis 3 lauten:

1. Doppelwandige Anschlussleitung zur Verbindung eines Brenngeräts mit einer in einem Gebäude verlegten doppelwandigen Abgasleitung, dadurch gekennzeichnet, dass die Anschlussleitung (9) zwei im wesentlichen konzentrisch zueinander verlaufende flexible Faltenbalgrohre (10, 11) aufweist, zwischen denen radiale Abstandshalter (12) angeordnet sind, und dass die Faltenbalgrohre (10, 11) bistabile Abschnitte aufweisen.

2. Doppelwandige Anschlussleitung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Faltenbalgrohre (10, 11) jeweils aus flexibel miteinander verbundenen konischen Balgringen (15) bestehen.

3. Doppelwandige Anschlussleitung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnetdass jeder Balgring (15) ein bistabiles elastisches Element bildet.

Der Patentinhaber verteidigt das Patent nach Hinweis des Senats auf eine mögliche unzulässige Erweiterung des Gegenstandes des erteilten Patentanspruchs 1 nur noch im Umfang des einzigen, in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs. Dieser geltende Patentanspruch lautet:

Doppelwandige Anschlussleitung zur Verbindung eines Brenngeräts mit einer in einem Gebäude verlegten doppelwandigen Abgasleitung, dadurch gekennzeichnet, dass die Anschlussleitung (9) zwei im wesentlichen konzentrisch zueinander verlaufende flexible Faltenbalgrohre (10, 11) aufweist, zwischen denen radiale Abstandshalter (12) angeordnet sind, dass die Faltenbalgrohre (10, 11) bistabile Abschnitte aufweisen, dass die beiden Faltenbalgrohre (10, 11) jeweils aus flexibel miteinander verbundenen konischen Balgringen (15) bestehen und dass jeder Balgring (15) ein bistabiles elastisches Element bildet.

Der Einsprechende hält den Vorwurf der unzureichenden Offenbarung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrecht. Ein Gegenstand mit den Merkmalen des geltenden einzigen Patentanspruchs sei möglicherweise auch nicht unzulässig erweitert, er sei jedoch durch offenkundige Vorbenutzung (Beweis durch Vernehmung der Zeugen A..., M... und C...) neuheitsschädlich getroffen sowie durch den Stand der Technik nach den Druckschriften E3 und E5 nahe gelegt. Des Weiteren verweist der Einsprechende nach Ablauf der Einspruchsfrist noch auf die Druckschriften

(E16) Deutsches Gebrauchsmuster 86 05 992

(E17) US-Patentschrift 5 507 319 und

(E18) US-Patentschrift 5 704 401.

Der Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Ein Patentanspruch, Beschreibung Spalten 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnung gemäß Patentschrift.

Der Patentinhaber führt aus, der Begriff "bistabil" sei unmissverständlich und bedeute, dass ein derart bezeichneter Gegenstand zwei stabile Zustände aufweise. Durch die Zusammenfassung der Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 bis 3 in den einzigen geltenden Patentanspruch und einen Hinweis in der Beschreibung sei eine eventuelle unzulässige Erweiterung des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1 wieder bereinigt. Weder der vom Einsprechenden genannte druckschriftliche Stand der Technik noch die behauptete offenkundige Vorbenutzung nähmen den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs vorweg oder seien geeignet, die erfindungsgemäße Ausgestaltung der doppelwandigen Anschlussleitung nahe zu legen.

Nach der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2004 haben die Beteiligten dem Übergang in das schriftliche Verfahren zugestimmt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die Akten verwiesen.

II.

1. Der fristgerecht eingelegte Einspruch, mit dem die Widerrufsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der unzureichenden Offenbarung (§ 21 Abs 1 Nr 1 u 2 PatG) geltend gemacht werden, ist ausreichend substantiiert und damit zulässig.

2. Der geltende Patentanspruch ist zulässig.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 war möglicherweise unzulässig erweitert. Der für das Prüfungsverfahren vor der Patenterteilung zuständige Prüfer führte im Bescheid vom 12. Oktober 2001 (s dort S 2 Abs 2) aus, dem (ursprünglich eingereichten) Anspruch 3 zufolge soll das Abgasrohr sogenannte bistabile Abschnitte aufweisen. Er schlug deshalb die in den erteilten Anspruch 1 aufgenommene Ergänzung in der Form vor: "dass die Faltenbalgrohre bistabile Abschnitte aufweisen". Gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 3 bildet jedoch jeder Balgring (15) ein bistabiles elastisches Element. Nach dem ursprünglich eingereichten Anspruch 2 bestehen die konzentrisch zueinander verlaufenden, flexiblen Faltenbalgrohre jeweils aus flexibel miteinander verbundenen konischen Balgringen (15). Auch die ursprünglich eingereichte Beschreibung offenbart nichts anderes (s dort S 3 Abs 2 u S 5 Z 17, 18). Die ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbaren folglich zwei im Wesentlichen konzentrisch zueinander verlaufende, flexible Faltenbalgrohre, jeweils bestehend aus flexibel miteinander verbundenen konischen Balgringen, wobei jeder Balgring ein bistabiles elastisches Element bildet. Die Bistabilität ist somit ursprünglich ausschließlich in Verbindung mit den konischen Balgringen offenbart. Nach dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 weisen die Faltenbalgrohre hingegen nicht näher definierte bistabile Abschnitte auf, wodurch sein Gegenstand möglicherweise unzulässig erweitert war. Deshalb hat der Patentinhaber in die geltende Beschreibung im Abschnitt 0006 einen entsprechenden Hinweis aufgenommen.

Durch die zusätzliche Aufnahme der kennzeichnenden Merkmale der den ursprünglichen Patentansprüchen 2 und 3 entsprechenden erteilten Patentansprüche 2 und 3 ist der geltende Patentanspruch auch in zulässiger Weise beschränkt.

3. Das Patent offenbart die Erfindung so vollständig und ausreichend, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Der vom Einsprechenden diesbezüglich zunächst bemängelte Begriff "bistabil" bedeutet für den verständigen Fachmann "zwei stabile Zustände aufweisend". Dies wird vom Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr bestritten.

4. Zur Patentfähigkeit:

4.1. Die gewerbliche Anwendbarkeit ist nicht in Zweifel zu ziehen.

4.2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs ist neu.

Die Druckschriften E2, E5 und E9 zeigen, wie auch die in das Wissen des Zeugen C... gestellte offenkundige Vorbenutzung, keine konzentrisch zueinander verlaufenden flexiblen Faltenbalgrohre. Die Druckschriften E3, E7 und E8 offenbaren keine bistabilen elastischen Elemente im Sinne der Erfindung.

Die in das Wissen des Zeugen M... gestellte Rohrkombination besteht aus ei- nem Wellrohr und einem dieses koaxial umgebenden "bistabilen" Hüllrohr und nicht, wie der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs, aus zwei konzentrisch zueinander verlaufenden Faltenbalgrohren, jeweils mit bistabilen Elementen.

4.3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Er ist durch den Stand der Technik, selbst bei unterstellter Richtigkeit der zu der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung vorgetragenen Tatsachen, für den Fachmann nicht nahegelegt.

Als nächstkommender Stand der Technik kann daher die behauptete offenkundige Vorbenutzung angesehen werden, wie sie in dem Prospekt E7 und der zugehörigen Preisliste E8 dargelegt sowie in das Wissen des Zeugen M... gestellt wird. Dieser Gegenstand besteht demnach aus einem als Wellrohr gestalteten sogenannten Flexrohr aus PVDF (siehe Best.-Nr. 80.102 in E8) für das Abgas eines Heizbrenners und einem dieses Abgasrohr koaxial umgebenden flexiblen Zuluft-Metallrohr aus Aluminium (siehe Best.-Nr. 80.601 in E8), das als bistabiles Hüllrohr ausgebildet ist, wobei auch unterstellt wird, dass die Bistabilität des Hüllrohrs durch flexibel miteinander verbundene Balgringe erzielt wird, die jeweils ein bistabiles elastisches Element bilden. Mit diesem Hüllrohr, das somit in jeder Länge einen stabilen Zustand bietet, ist die Zuluftleitung an die räumlichen Verhältnisse zwischen Brenngerät und gebäudeseitig vorhandenem Kamin anpassbar. In das an die räumlichen Verhältnisse angepasste Hüllrohr wird das durch den Kamin eingebrachte Flexrohr als Abgasleitung bis zum Abgasanschluss des Brenngeräts verlegt (siehe Darstellung auf Vorderseite der E8). Zwischen den konzentrisch zueinander verlaufenden Rohren sind radiale Abstandshalter angeordnet (siehe Best.-Nr. 6.081 in E8).

Von einem solchen Gegenstand unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs aber noch dadurch, dass auch das innere flexible Rohr der Anschlussleitung als bistabiles Rohr ausgebildet ist. Eine Anregung hierzu ist dem Gegenstand der unterstellten Vorbenutzung aus sich heraus für den mit Erfahrung in Konstruktion und Betrieb von Rauchgaszügen ausgestatteten Fachmann nicht entnehmbar.

Die Druckschrift E3 beschreibt einen Bausatz für eine Luft-Abgas-Leitung, die zwei konzentrisch zueinander verlaufende flexible Wellrohre 1, 2 aufweist, zwischen denen radiale Abstandshalter 3 angeordnet sind (s Fig 1 der E3). Das Innenrohr 2 dient als Abgasleitung, das Außenrohr 1 als Zuleitung der erforderlichen Verbrennungsluft. Diese bekannte Luft-Abgas-Leitung ist aufgrund der Flexibilität der Wellrohre, deren Achsen ausgelenkt werden können, einfach und kostengünstig in existente Kamine von beliebiger Form einbaubar (s Sp 1 Z 41 bis 46 der E3), wobei die Rohre gemeinsam oder nacheinander (das äußere Rohr zuerst) in den Kamin eingezogen werden. Eine Längenanpassung der beiden Rohre erfolgt werksseitig oder vor Ort durch Schneiden auf die erforderliche Länge (s Sp 2 Z 20 bis 28 und 52 bis 54 der E3). Die Wellrohre sind mit ihren unteren Enden an Rohre angeschlossen, die vom Kaminanschluss zu der zugehörigen Verbrennungseinrichtung führen (s Sp 5 Z 17 bis 20 in E3). Eine Anregung dahin, die beiden Wellrohre oder auch nur das innere Wellrohr entsprechend den erfindungsgemäßen Faltenbalgrohren zu gestalten, so dass sie durch elastische Verformung eine axiale Längenänderung erfahren können und dabei in jeder der gewählten Längen im Wesentlichen stabil sind, zur Überbrückung des Abstands und zur räumlichen Gestaltung der Anschlussleitung vom Brenngerät zum Kaminanschluss, ist der E3 nicht zu entnehmen.

Bei einer Zusammenschau des Gegenstandes der unterstellten Vorbenutzung mit der E3 ergeben sich für den Fachmann die Nutzung der aus E3 bekannten flexiblen Wellrohre innerhalb des Kaminzuges und der Anschluss der unteren Enden dieser Wellrohre an eine entsprechend der Vorbenutzung ausgebildete doppelwandige Anschlussleitung mit einem inneren Wellrohr und einem dieses umgebenden äußeren bistabilen Hüllrohr. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs ist dadurch nicht angeregt.

Die in das Wissen des Zeugen A... gestellte Vorbenutzung geht, wie sich aus einer in der mündlichen Verhandlung überreichten schriftlichen Erklärung des Zeugen ergibt, nicht über den Inhalt der E7 und der E8 hinaus.

Die Druckschriften E2, E5 und E9 behandeln entsprechend dem bistabilen Hüllrohr der behaupteten Vorbenutzung ausgebildete Faltenbalgrohre und deren Gestaltungs- bzw. Herstellungsmöglichkeiten. Eine Anregung, solche bistabilen Rohre konzentrisch zueinander anzuordnen, ist diesen Druckschriften nicht zu entnehmen, weshalb auch eine Zusammenschau mit dem Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung nicht zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs führt. Auch die von der Einsprechenden zusätzlich durch Vernehmung des Zeugen Catterina unter Beweis gestellte Tatsache, dass es bistabile Kunststoffrohre seit vielen Jahren gibt, regt den Fachmann nicht dazu an, bistabile Rohre konzentrisch zueinander anzuordnen.

Da die dem angegriffenen Patent zugrunde liegende Aufgabe - eine doppelwandige Anschlussleitung zu schaffen, die in konstruktiv einfacher Weise und mit geringem Arbeitsaufwand, insbesondere auf der Baustelle, auch unter schwierigen räumlichen Verhältnissen den Anschluss des Brenngeräts an die im Gebäude verlegte doppelwandige Abgasleitung ermöglicht - durch den Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung bereits gelöst ist, ist der Fachmann auch gar nicht veranlasst, die ihm bekannte Ausbildung der doppelwandigen Anschlussleitung zu verändern und eine andere Lösung zu suchen.

5. Die vom Einsprechenden mit Schriftsatz vom 15. Juli 2004 eingereichten Druckschriften E16, E17 und E18 hat der Senat auf ihre Relevanz überprüft und festgestellt, dass deren Inhalt für die Entscheidung unerheblich ist, weshalb dieses verspätete Vorbringen wegen Fristüberschreitung nicht berücksichtigt wird. Denn der Einsprechende hat keinen Anspruch darauf, dass nach Ablauf der Einspruchsfrist zur Stützung des Einspruchs vorgetragene neue Tatsachen in der Entscheidung über seinen Einspruch berücksichtigt werden (vgl. Schulte, PatG, 6. Aufl., § 59 Rn 196 und Vor § 34 Rn 166).

6. Da die behauptete offenkundige Vorbenutzung dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs die Patentfähigkeit nicht zu nehmen vermag, konnte sie vom Senat als gegeben unterstellt werden, eine Beweisaufnahme erübrigt sich.

7. Bei diesem Sachstand war das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten.

Dr. Barton Hövelmann Dr. Frowein Pontzen Bb






BPatG:
Beschluss v. 29.11.2004
Az: 34 W (pat) 347/02


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