Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 25. Juni 2009
Aktenzeichen: 6 W 65/09

(OLG Köln: Beschluss v. 25.06.2009, Az.: 6 W 65/09)

Tenor

I.) Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 16 O 77/09 - vom 22.05.2009 abgeändert und wie folgt neugefasst:

1.) Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu vollstrecken an den gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß die folgenden Tatsachenbehauptungen oder Werturteile gegenüber Dritten zu verbreiten:

a) der vom Antragsteller angebotene Baustein I ist nicht angemessen von der Antragsgegnerin zertifiziert;

b) von dem Antragsteller zur Unterrichtung des U. angestellte Trainer haben nicht die Kriterien erfüllt, um als J. anerkannte Ausbilder zu fungieren, da sie seit vielen Jahren nicht an den erforderlichen Kursen teilgenommen haben, um ihre Kenntnisse zu aktualisieren;

c) im Verlauf des letzten Jahres wurde viel Verwirrung verursacht, als der Antragsteller falsche Zertifikate ausgab;

wenn dies in der Weise geschieht, wie nachstehend abgebildet:

[Die Entscheidung enthält an dieser Stelle einen Abdruck eines Schreibens vom 08.03.2009]

2.) Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

II.) Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III.) Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben zu 1/3 der Antragsteller und zu 2/3 die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist im Hinblick auf die im Tenor zu Ziffer I. 1. genannten Aussagen begründet und führt insoweit gemäß §§ 935, 940 ZPO, §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 7 UWG zum Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg.

1. Die Dringlichkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt worden.

2. Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für einen Verfügungsanspruch nach § 935, § 940 ZPO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinreichend glaubhaft gemacht. Der Unterlassungsanspruch folgt bezüglich der dort genannten Aussagen aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 7 UWG.

a) Der Antragsteller ist als Mitbewerber der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigt. Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Ein solches Wettbewerbsverhältnis ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Unternehmen die gleichen oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass die beanstandete Wettbewerbshandlung andere Unternehmen beeinträchtigen, d.h. in ihrem Absatz behindern oder stören kann (st. Rspr.; BGH GRUR 2004, 877, 878 - Werbeblocker; BGH GRUR 2006, 1042 Tz. 14 - Kontaktanzeigen).

Die Parteien bieten nach dem Vorbringen des Antragstellers jeweils Dienstleistungen auf dem Gebiet der Schulung von Personal zur Krisenintervention in belastenden Situationen an. Die Antragsgegnerin unterhält ein Zertifizierungssystem für Trainer und Kurse, das von verschiedenen Organisationen und Anbietern, u.a. dem Antragsteller, bei der Schulung eingesetzt wird. Dass die Parteien demnach auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen tätig sind, steht dem Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 2 Rn. 106). Im Ergebnis wenden sich die Beteiligten an den gleichen Abnehmerkreis, nämlich an die Interessenten solcher Schulungskurse.

Außerdem ergibt sich die Anspruchsberechtigung vorliegend daraus, dass die Antragsgegnerin den Wettbewerb der Konkurrenten des Antragstellers fördert. Die Antragsgegnerin hat in dem beanstandeten Schreiben das U. darauf hingewiesen, dass die von ihnen entwickelten Standards von unterschiedlichen Organisationen in Deutschland verwendet werden, und einige dieser Organisationen konkret benannt sowie ein persönliches Gespräch angeregt. Dadurch fördert die Antragsgegnerin den Wettbewerb dieser anderen Organisationen, die für das U. als ebenfalls zur Verfügung stehende Vertragspartner ersichtlich gemacht werden. Geht es um die Förderung fremden Wettbewerbs, muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen den geförderten Unternehmen und dem Anspruchsteller bestehen (BGH GRUR 1997, 907, 908 - Emil-Grünbär-Klub; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 2 Rn 110).

b) Gem. § 4 Nr. 7 UWG handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG insbesondere, wer Tätigkeiten oder persönliche oder geschäftliche Verhältnisse des Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft. Dies hat die Antragsgegnerin durch die aus dem Tenor ersichtlichen Aussagen in Form einer Herabsetzung getan.

Die Herabsetzung besteht in der sachlich nicht gerechtfertigten Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers, seines Unternehmens und/oder seiner Leistungen in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise. Sie kann sowohl durch Tatsachenbehauptungen als auch durch Werturteile erfolgen. Bei der Würdigung der Äußerung sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere Inhalt und Form der Äußerung, ihr Anlass und der gesamte Sachzusammenhang sowie die Verständnismöglichkeiten der angesprochenen Verkehrskreise zu berücksichtigen (BGH GRUR 2005, 609, 610 - Sparberaterin II; Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. 2006, § 4 Rn. 7/12).

Wer in Wettbewerbsabsicht einen Mitbewerber durch eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil herabsetzt, wird dabei strenger beurteilt als jemand, der ohne Wettbewerbsabsicht handelt (vgl. BGH GRUR 1964, 392, 394 - Weizenkeimöl). Selbst dann, wenn ein Werturteil richtig und eine Tatsachenbehauptung wahr ist, folgt daraus noch nicht, dass ein Wettbewerber berechtigt ist, einen Mitbewerber durch die Art der Verbreitung herabzusetzen. Zum Schutze der Interessen des betroffenen Mitbewerbers ist eine Abwägung der sich aus Art. 5 GG und §§ 3, 4 Nr. 7 UWG ergebenden gegensätzlichen Interessen geboten. Zulässig sind wahre, aber geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen daher nur, soweit ein sachlich berechtigtes Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf eine Nachfrageentscheidung besteht (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 7.16). Außerdem muss der Wettbewerber einen hinreichenden Anlass haben, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden. Schließlich muss sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen halten (BGH GRUR 1962, 45, 48 - Betonzusatzmittel; BGH GRUR 1990, 1012, 1013 - Pressehaftung I). Die Behauptung von unwahren Tatsachen, die einen Mitbewerber herabsetzen, ist stets unzulässig.

aa) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Äußerung der Antragsgegnerin, der vom Antragsteller angebotene Baustein I sei nicht angemessen von der Antragsgegnerin zertifiziert, als unlauter einzuordnen.

Der Antragsteller hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass der angebotene „Baustein I“ zwar nicht dem Kurs der Antragsgegnerin „K.“ entspreche, dieser Baustein aber niemals isoliert, sondern einer Absprache und jahrelangen Übung mit der Antragsgegnerin entsprechend nur gemeinsam mit dem „Baustein II“ als „Basic Course“ angeboten wird, der insgesamt von der Antragsgegnerin zertifiziert ist. Die beanstandete Äußerung ist demnach nur insoweit zutreffend, als der „Baustein I“ isoliert nicht zertifiziert ist. Darin mag man - wie das Landgericht - keine angemessene Zertifizierung sehen. Auch eine objektiv zutreffende Darstellung kann jedoch unwahr sein, wenn der Empfänger auf Grund der Art und Weise der Darstellung (z.B. durch Auslassungen, Halbwahrheiten, Übertreibungen) oder seines begrenzten Informationsstandes einen falschen Eindruck von der Sachlage gewinnt (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 8.20). Die angegriffene Aussage suggeriert dem U., der Antragsteller böte von der Antragsgegnerin nicht zertifizierte Kurse an. Dadurch entsteht ein falscher Eindruck von den tatsächlichen Gegebenheiten. Die demnach als unwahr einzuordnende Aussage ist ohne weiteres geeignet, den Antragsteller in den Augen des U., der auf eine Zertifizierung der Kurse seitens der Antragsgegnerin Wert legt, herabzusetzen.

bb) Auch die beanstandete Äußerung „Von dem Antragsteller zur Unterrichtung des U. angestellte Trainer haben nicht die Kriterien erfüllt, um als J. anerkannte Ausbilder zu fungieren, da sie seit vielen Jahren nicht an den erforderlichen Kursen teilgenommen haben, um ihre Kenntnisse zu aktualisieren“ setzt die Tätigkeiten des Antragstellers i.S.d. § 4 Nr. 7 UWG herab.

Diese Äußerung ist ebenfalls geeignet, die Wertschätzung des Antragstellers in den Augen des U. zu verringern. Denn in seiner Ausschreibung für die geplante Schulung von Einsatznachsorgeteams hatte das U. ausdrücklich gefordert, dass die Dozenten J.-zertifizierte CISM-Trainer sein müssen. Dabei ergibt die vorzunehmende Interessenabwägung, dass die Aussage den Antragsteller in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt. Selbst wenn die beanstandete Äußerung objektiv wahr sein sollte: Die Antragsgegnerin hatte keinen berechtigten Anlass, den Antragsteller insoweit in Form eines „Beschwerdebriefs“ an das U. zu kritisieren. Der Antragsteller hat durch die eidesstattliche Versicherung seines Vorstands vom 29.04.2009 glaubhaft gemacht, dass er die Kurse für das U. unter Benennung der Trainer sämtlich bei der Antragsgegnerin angemeldet habe. Entsprechend dem üblichen Verfahren bestätige die Antragsgegnerin mit der erteilten „J. Course Confirmation“ und der Vergabe der Kursnummer gegenüber dem Antragsteller, dass die in der Anmeldung näher bezeichneten Kurse von den angegebenen Trainern erteilt werden dürften. Die Kontrolle, ob die J.-zertifizierten Trainer die angebotenen Fortbildungskurse besuchen bzw. besucht haben, obliegt demnach der Antragsgegnerin und nicht dem Antragsteller. Erteilt die Antragsgegnerin die Freigabebestätigung zur Durchführung des Kurses, darf der Antragsteller davon ausgehen, dass die benannten Trainer die Kriterien erfüllen, um als J. anerkannte Ausbilder zu fungieren. Vor diesem Hintergrund ist die gegenüber dem U. getätigte Aussage weder von einem hinreichenden Anlass noch von einem berechtigten Informationsinteresse getragen.

cc) Gleiches gilt für die Aussage: „Im Verlauf des letzten Jahres wurde viel Verwirrung verursacht, als der Antragsteller falsche Zertifikate ausgab.“ Diese pauschale Äußerung setzt den Antragsteller ebenfalls über Gebühr herab.

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass es lediglich zu einem Vorfall gekommen ist, bei dem aufgrund eines Büroversehens acht Zertifikate für einen „Advanced“ Kurs an die Teilnehmer eines „Basic“ Kurses ausgegeben worden sind. Unverzüglich nach dem Erkennen des Fehlers seien die falschen Zertifikate eingefordert, zurückgegeben und die Zertifikate für den tatsächlich absolvierten Kurs ausgegeben worden. Die beanstandete Aussage hält sich nicht mehr in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung dieses einmaligen Vorfalls, sondern beinhaltet eine pauschale Abwertung des Antragstellers. Beim U. musste so der Eindruck entstehen, der Antragsteller habe über einen längeren Zeitraum und in einer Mehrzahl von Fällen falsche Zertifikate ausgegeben. Die angegriffene Aussage ist daher unrichtig und kann bereits deshalb nicht durch ein eventuelles Informationsinteresse des U. gerechtfertigt sein.

c) Die unlauteren Wettbewerbshandlungen begründen eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2001, 453, 455 - TCM-Zentrum), die gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist. Sie können aber, gerade weil die angegriffenen Bemerkungen im Ansatz einen wahren Kern enthalten, nur in Gestalt des konkreten Schreibens an das U. untersagt werden, nicht aber abstrakt bei jedem denkbaren Kontext. Die im Antrag enthaltene „insbesondere“-Wendung hat der Senat daher nicht in den Tenor übernommen.

3. Soweit der Antragsteller auch die Äußerung der Antragsgegnerin: „Seit einigen Jahren nun hat der Antragsteller nur eine ausgewählte Anzahl von Kursen bei der Antragsgegnerin angemeldet. Dies ist ein Verstoß gegen die Vorgaben von J.. Jeder anerkannte Ausbilder unterzeichnet Dokumente, in denen er einwilligt, jeden CISM-Kurs bei J. anzumelden.“ verboten wissen will, fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung der Voraussetzungen für einen Verfügungsanspruchs.

Zwar ist auch diese Aussage geeignet, die Wertschätzung des Antragstellers in den Augen des U. zu verringern, so dass ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 7 UWG grundsätzlich in Betracht kommt. Der Antragsteller hat aber nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt. Aus der eidesstattlichen Versicherung seines Vorstands vom 29.04.2009 ergibt sich nur, dass der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt Kurse unter dem Label „J.“ angeboten hat, ohne diese bei der Antragsgegnerin anzumelden und von dieser bestätigen zu lassen. Zu der Frage, ob der Antragsteller in der Vergangenheit CISM-Kurse, d.h. Kurse zur Stressbewältigung in belastenden Situationen, ohne das Label „J.“ angeboten hat, verhalten sich die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht. Für ein wettbewerbsrechtlich unlauteres Verhaltens i.S.d. § 4 Nr. 7 UWG ist vor diesem Hintergrund nichts ersichtlich. Die Art der Information und der gewählte Wortlaut sind sachlich und übersteigen das Maß des Erforderlichen nicht. Dem U. ist bezüglich dieser Äußerung auch ein berechtigtes Informationsinteresse zuzubilligen. Als Nachfrager der von dem Antragsteller angebotenen Dienstleistungen hat das U. ein Interesse daran zu erfahren, ob der Antragsteller die Vorgaben der Antragsgegnerin einhält, die die von ihm geforderten Standards entwickelt hat. Aus diesen Gründen sind auch die Voraussetzungen eines anderen Unlauterkeitstatbestands nicht glaubhaft gemacht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

5. Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 100.000,00 €.






OLG Köln:
Beschluss v. 25.06.2009
Az: 6 W 65/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e894d7c615ee/OLG-Koeln_Beschluss_vom_25-Juni-2009_Az_6-W-65-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share