Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 13/99

(BPatG: Beschluss v. 11.07.2000, Az.: 17 W (pat) 13/99)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 07 B des Deutschen Patentamts vom 21. Oktober 1998 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 36 44 317 mit folgenden Unterlagen erteilt: Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung Seiten 13 bis 30, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6, eingegangen am 23. Januar 1987.

Gründe

I.

Die Anmeldung mit der Bezeichnung

"Stapelgut - Postaufgabesystem"

wurde am 23. Dezember 1986 beim Deutschen Patentamt eingereicht.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G07B des Deutschen Patentamts mit Beschluß vom 21. Oktober 1998 mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie hat ihre Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 9 weiterverfolgt.

Der Anspruch 1 und der nebengeordnete Anspruch 7 lauten:

"1. Postbearbeitungssystem für Stapel von Postgütern, enthaltend:

a) mindestens eine Kundenstation (16) mit einer Verrechnungs-Vorrichtung (25), b) eine mit der Kundenstation (16) verbundene zentralstation (14) zum Überwachen der Kundenstation (16), die einen Speicher (22) zum Speichern von Portobeträgen enthält, undc) mindestens eine erste Verbindungs-Vorrichtung (24, 28) zum Verbinden der Zentralstation (14) mit der Kundenstation (16), wobeid) die Kundenstation (16) einen ungesicherten Drucker (40) zum Bedrucken jedes einzelnen Postguts des Stapels von Postgütern zumindest mit Adressdaten aufweist, e) die Kundenstation (16) einen gesicherten zweiten Drucker (44) zum Drucken von Berechtigungsdaten auf einem Paß aufweist, der einem Stapel von Postgütern zugeordnet ist, f) die Verrechnungs-Vorrichtung (25) einen Speicher (26) zum Speichern eines Portobetrages aufweist, der durch die Zentralstation (14) gesetzt wird, und daß die Verrechnungs-Vorrichtung (25) parallel zur Ausgabe der Berechtigungsdaten durch den zweiten Drucker (44) die Berechtigungsdaten über die Verbindungs-Vorrichtung (24, 28) zur Zentralstation (14) überträgt."

"7. Verfahren zur Bearbeitung von Stapeln von Postgütern in einem Postbearbeitungssystem, gemäß dessena) durch eine Zentralstation (14) die in einer Kundenstation (16) gedruckten Portodaten überwacht werden, wobei ein Datenaustausch zwischen der Zentralstation (14) und der Kundenstation (16) mit Hilfe mindestens einer Verbindungs-Vorrichtung (24, 28) durchgeführt wird, undwobeib) ein ungesicherter Drucker (40), der mit der Kundenstation (16) verbunden ist, jedes einzelne Postguts des Stapels von Postgütern mindestens mit Adressdaten bedruckt, c) ein gesicherter zweiter Drucker (44), der mit der Kundenstation (16) verbunden ist, einem Stapel von Postgütern zugeordnete, in einem Speicher (26) der Kundenstation (16) gespeicherte Berechtigungsdaten auf einem Paß ausdruckt, undd) die Berechtigungsdaten parallel zur Ausgabe durch den zweiten Drucker (44) über die Verbindungs-Vorrichtung (24, 28) zur Zentralstation (14) übertragen werden."

Die Anmelderin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, daß mit dem beanspruchten Gegenstand eine Bearbeitung von Stapelpost möglich sei, bei der den Interessen sowohl des die Stapelpost aufgebenden Kunden als auch der Postbehörde gebührend Rechnung getragen werde. Der Kunde wolle eine ökonomische, verschleißgünstige und seine Sicherheitsbelange berücksichtigende Frankierstation. Auf seiten der Post stehe der Sicherheitsaspekt des gesamten Systems im Vordergrund. Diese Ziele seien mit dem Einsatz der beanspruchten Lehre zu erreichen.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 9 und Beschreibung Seiten 13 bis 30, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung sowie 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6, eingeg. am 23. Januar 1987.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der beanspruchte Gegenstand nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

Der Erteilungsantrag ist zulässig. Die Offenbarung der geltenden Ansprüche 1 und 7 ergibt sich aus der ursprünglich eingereichten Fig. 1 sowie aus den ursprünglich eingereichten Beschreibungsseiten 22 (1. Abs), 24 (2. Abs, le. Satz) und 26 (2. Abs., 1. Satz).

Der Ort der ursprünglichen Offenbarung der Unteransprüche 2 bis 6 und 8, 9 geht aus der nachfolgenden Auflistung hervor:

Anspruch: ursprüngl. einger. Unterlagen:

2 S. 25, 1. Satz; Fig. 2 3 S. 22, 1. Abs.

4 Anspruch 40 5 S. 17, le. Abs. mit S. 18, 1. Abs.; Fig.1 6, 8, 9 S. 26, 2. Abs mit S. 27, 1. Abs.

Der Anspruch 1 bzw. 7 bezieht sich auf ein Postbearbeitungssystem für Stapel von Postgütern bzw. auf ein diesbezügliches Verfahren. Die Lösung des patentgemäßen Problems, nämlich der Realisierung eines zur Verarbeitung großer Postmengen geeigneten, keine Inspektionen vor Ort erfordernden Postbearbeitungssystems bzw. des zugehörigen Verfahrens wird durch die Merkmale des Anspruchs 1 bzw. 7 vermittelt.

Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften herangezogen:

1) US 4 511 793 2) US 3 255 439.

Druckschrift 1 offenbart eine Frankiervorrichtung, die es erlaubt, in einer Firma anfallende Frankierkosten den verschiedenen frankierenden Stellen über entsprechende Konten zuzuweisen. Dabei ist jeder frankierenden Stelle ein bestimmter Code zugeordnet, der auf das von dieser Stelle kommende Postgut aufgebracht wird. Ein Codeleser ermittelt die Codes auf den Poststücken. Die jeweiligen codespezifischen Postgebühren werden für die einzelnen Stellen in einem Akkumulator gespeichert, dessen Inhalt in regelmäßigen Zeitabständen in einen Hauptakkumulator für Anzeige - oder Registrierzwecke übertragen wird (Zusammenfassung; Fig. 1 mit Beschreibung). In Figur 2 ist die Bearbeitung von "Stapelpost" dargestellt. Die Frankierung für die einzelnen Poststücke des abzuarbeitenden Poststapels wird durch die Frankiermaschine 44 herkömmlichen Typs, d.h. durch einen "sicheren" Drucker aufgebracht ( Sp. 3, Z. 3-23 und Z. 35-40). Mit Hilfe des "hard copy" - Druckers können die in vorgebbaren Zeitbereichen aufgelaufenen Portogebühren ausgedruckt werden (Sp. 2, Z. 61 bis Sp. 3, Z. 2).

Die Frankiervorrichtung nach Druckschrift 1 weist somit - als Bestandteil der Frankiermaschine 44 - einen "gesicherten" Drucker auf, der jedoch zum Bedrucken von Poststücken eingesetzt wird. In dieser Druckschrift ist weder der Druck eines poststapelbezogenen Passes noch eine Aufteilung der Portobetragsspeicher entsprechend der Lehre der Ansprüche 1 und 7 offenbart.

In Druckschrift 2 werden Postfrankierungssysteme beschrieben, zu denen jeweils eine Zentrale 16 und mehrere Kundenstationen gehören (Sp. 1, Z. 57-71; Fig. 1, 2, 5). Bei dem in Figur 5 dargestellten System, das auf den aus Fig. 1 und 2 hervorgehenden Systemen aufbaut, werden in einem Zähler 56 die von der zur Kundenstation gehörenden Frankiermaschine 11 ausgegebenen Frankierwerte summiert. Hat deren Summe eine vorgebbare Höhe erreicht oder ist eine vorgebbare (Betriebs-)Zeit verstrichen oder ist eine vorgegebene Zahl von Frankiervorgängen ausgeführt worden, dann wird der Wert des entsprechend verbrauchten Portoguthabens an eine Zentrale übertragen und dort gespeichert (Sp. 4, Z. 45-64). Die Rechnungsstellung über verbrauchte Postgebühren kann von der Zentrale aus in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt werden (Sp. 3, Z. 51-54). Die Kundenstationen sind mit herkömmlichen Frankiermaschinen ausgestattet (Sp. 2, Z. 50-53), wobei jedoch die Buchführung für die einzelnen Kundenstationen in der Zentrale erfolgt (Sp. 1, Z. 57-71). Auch bei diesem Stand der Technik wird der eigentliche Frankierdruck durch die jeweiligen Frankiermaschinen, d.h. durch "gesicherte" Drucker, durchgeführt. Die Bearbeitung von Stapelpost ist in Druckschrift 2 nicht angesprochen.

Keine der abgehandelten Druckschriften 1 und 2 zeigt einen Gegenstand mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 oder 7; somit ist die Neuheit dieser Gegenstände in bezug auf diesen Stand der Technik gegeben.

Nach der Lehre der Ansprüche 1 und 7 wird der eigentliche Frankierdruck mit einem ungesicherten Drucker und der Druck der stapelpostbezogenen Berechtigungsdaten auf den zugehörigen Pass mit einem gesicherten Drucker vorgenommen. Der hiermit erzielte, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbarte Vorteil besteht einerseits darin, für die in erheblichem Umfang anfallende Frankierdrucktätigkeit einen wartungsfreundlichen, nämlich "ungesicherten" Drucker einsetzen zu können und andererseits der Gefahr mißbräuchlicher, d.h. nicht abgerechneter Frankierungen dadurch zu begegnen, daß für den in geringerem Maße anfallenden Druck der stapelpostbezogenen Berechtigungsdaten ein manipulationsgeschützter, nämlich "gesicherter" Drucker eingesetzt wird, dessen typbedingt höherer Wartungsaufwand in der Praxis durch die reduzierte Drucktätigkeit nicht ins Gewicht fällt. Dieser Einsatz eines ungesicherten Druckers für die Frankierung von Stapelpost und eines gesicherten Druckers für den Druck von Berechtigungsdaten auf einem den Stapel begleitenden Pass wird durch die abgehandelten Druckschriften 1 und 2 nicht nahegelegt, da aus diesen hervorgeht, für den häufiger durchzuführenden Frankierdruck einen wartungsungünstigen "gesicherten" Drucker einzusetzen. Die in den Ansprüchen 1 und 7 enthaltene Maßnahme der parallelen Übertragung der Berechtigungsdaten zur Zentrale beruht ebenfalls auf erfinderischer Tätigkeit, da die Druckschriften 1 und 2 dem Fachmann keine diesbezügliche Anregung vermitteln können.

Nach der Lehre der Ansprüche 1 und 7 wird weiterhin in der Zentrale ein "Speicher zum Speichern von Portobeträgen", d.h. ein "steigendes Register" und in der zur Kundenstation jeweils gehörenden Verrechnungs-Vorrichtung ein "Speicher zum Speichern eines Portobetrages", d.h. ein "fallendes Register" geführt. Inwieweit hierin angesichts der aus der Druckschrift 2 bekannten Führung der abrechnungsspezifischen Aufzeichnungen für die einzelnen Frankiermaschinen, d.h. auch des jeweiligen "steigenden Registers", in der Zentrale ein erfinderisches Merkmal zu sehen ist, kann offen bleiben, da - wie aufgezeigt- die Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 durch ihre Druckerkonfiguration und die Parallelübertragung der stapelbezogenen Berechtigungsdaten zur Zentrale hinsichtlich der Druckschriften 1 und 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Der weiterhin genannte Stand der Technik, nämlich 3) P 36 13 008.7, offengelegt am 13. November 1986 4) US 3 792 446 5) US 4 097 923 6) US 4 447 890 7) FIPS PUB 46 (vom 15. Januar 1977)

stellt die Patentierbarkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 ebenfalls nicht in Frage.

Die am 17. April 1986 beim Deutschen Patentamt eingereichte und am 13. November 1986 offengelegte Patentanmeldung P 36 13 008.7 kann lediglich im Umfang ihrer Voranmeldungen mit dem Aktenzeichen 724 372 (17. April 1985) und 762 994 (6. August 1985) als ältere Anmeldung herangezogen werden (§ 3 Abs 2 Satz 2 PatG; vergl. zu Einzelheiten den Beschluß des erkennenden Senats vom 22. Juli 1997 in der Beschwerdesache 17 W (pat) 73/94, bei der ebenfalls diese ältere Anmeldung nur im Umfang ihrer Voranmeldungen 762 994 und 724 372 als Stand der Technik zu berücksichtigen war.. Diese beiden Voranmeldungen zeigen jedoch keine Postbearbeitungssysteme mit einem ungesicherten Drucker für den Frankierdruck und einem gesicherten Drucker für den Druck von Berechtigungsdaten auf einem poststapelbezogenen Pass.

Folglich ist die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 bezüglich der genannten älteren Anmeldung gegeben.

Die vorveröffentlichten Druckschriften 4 bis 6 offenbaren Methoden zur Fernnachladung von Frankiermaschinen und Druckschrift 7 beschreibt einen hierbei verwendbaren Datenverschlüsselungsstandard. Diese Druckschriften sind folglich weder einzeln noch bei verbindender Betrachtungsweise - auch nicht unter Hinzunahme der Druckschriften 1 und 2 - patenthindernd.

Die Ansprüche 1 und 7 sind somit gewährbar, da ihre Gegenstände aus den angegebenen Gründen neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Die Unteransprüche 2 bis 6 und 8, 9 beinhalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche Weiterbildungen der Erfindung und sind demnach ebenfalls gewährbar.

Grimm Dr. Greis Püschel Schusterprö






BPatG:
Beschluss v. 11.07.2000
Az: 17 W (pat) 13/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e8a75f389d9c/BPatG_Beschluss_vom_11-Juli-2000_Az_17-W-pat-13-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share