Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 10. Dezember 2009
Aktenzeichen: I ZB 36/09

(BGH: Beschluss v. 10.12.2009, Az.: I ZB 36/09)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen - 7. Zivilkammer - vom 6. April 2009 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Gläubigerin betreibt gegen den als Rechtsanwalt tätigen Schuldner aus dem Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Meiningen vom 15. August 2007 (Az.: 2 O 731/07), mit dem der Schuldner gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 20.121,56 € nebst Zinsen verurteilt wurde, die Zwangsvollstreckung. Am 6. September 2007 erteilte sie dem Gerichtsvollzieher einen Zwangsvollstreckungsauftrag verbunden mit dem Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Nachdem der Gerichtsvollzieher den Schuldner weder am 11. noch am 20. September 2007 in seiner Wohnung angetroffen hatte, blieb auch der gemäß § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO fristgemäß angekündigte weitere Vollstreckungsversuch am 27. September 2007 erfolglos. Ab dem 29. Oktober 2007 leistete der Schuldner mehrere Raten in Höhe von jeweils 1.000 € an den Gerichtsvollzieher. Die letzte Zahlung erfolgte am 13. Oktober 2008. Zu diesem Zeitpunkt betrug die restliche Forderung der Gläubigerin noch 14.687,97 € nebst Zinsen. Da weitere Zahlungen des Schuldners ausblieben, beantragte die Gläubigerin, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung abzunehmen.

Der Gerichtsvollzieher hat daraufhin Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den 23. Januar 2009 bestimmt. In diesem Termin hat der Schuldner gemäß § 900 Abs. 4 i.V. mit § 765a ZPO Widerspruch gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erhoben und zugleich Terminsaufhebung beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er habe mit der Gläubigerin eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle für ihn eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte dar. Er müsse im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit einem Widerruf seiner Zulassung als Rechtsanwalt rechnen. Er werde die noch offene Forderung auch künftig durch Ratenzahlungen erfüllen.

Das Vollstreckungsgericht hat den Widerspruch des Schuldners zurückgewiesen. Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben.

Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Widerspruch und seinen Antrag auf Terminsaufhebung weiter. Die Gläubigerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle für den Schuldner keine mit den guten Sitten unvereinbare Härte i.S. von § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO dar. Bei § 765a Abs. 1 ZPO handele es sich um eine eng auszulegende Ausnahmeregelung, die nur in ganz besonders gelagerten Fällen zur Anwendung komme. Die für die Beurteilung des Falls maßgeblichen Umstände müssten eindeutig sein und derart stark zugunsten des Schuldners sprechen, dass für Zweifel kein Raum bleibe. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.

Der Schuldner könne seinen Widerspruch nicht mit Erfolg auf den drohenden Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft stützen. Ein Widerruf träfe den Schuldner zwar besonders hart, weil er dessen gegenwärtige berufliche Existenz vernichtete. Hierin liege aber kein Einzelfall, in dem die Gesetzesanwendung zu einem untragbaren Ergebnis i.S. von § 765a Abs. 1 ZPO führte. Das Gesetz sehe diese Rechtsfolge in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ganz allgemein für den Fall vor, dass es gemäß § 915 ZPO zur Eintragung eines Rechtsanwalts in das Schuldnerverzeichnis komme. Die Erklärung des Schuldners, zu weiteren Ratenzahlungen bereit zu sein, rechtfertige ebenfalls nicht die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a Abs. 1 ZPO, da er seine Zahlungen seit Oktober 2008 ohne Angabe von Gründen eingestellt habe, obwohl die Restforderung noch mehr als 14.687,97 € betrage. Ebenso wenig könne der Widerspruch erfolgreich darauf gestützt werden, dass die Zwangsvollstreckung wegen der von der Gläubigerin bewilligten Ratenzahlung gemäß § 775 Nr. 4 ZPO eingestellt worden sei, da ein Einstellungsbeschluss im Sinne dieser Vorschrift bislang nicht ergangen sei. Die Gläubigerin müsse schließlich auch keine - wie vom Schuldner angeboten - außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens abgegebene Vermögensaufstellung akzeptieren.

2. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg.

a) Mit Recht hat das Beschwerdegericht die Begründetheit des Widerspruchs des Schuldners gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bezogen auf den Zeitpunkt seiner neu zu treffenden Entscheidung geprüft. Die Beschwerdeinstanz ist eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz (§ 571 Abs. 2 ZPO; vgl. BGHZ 169, 17 Tz. 19; BGH, Beschl. v. 27.3.2008 - IX ZB 144/07, ZIP 2008, 1034 Tz. 6; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 571 Rdn. 3; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 571 Rdn. 2). Dementsprechend hat das Beschwerdegericht seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass der Schuldner in der Zeit vom 19. Oktober 2008 bis 6. April 2009, also über einen Zeitraum von mehr als fünf Monaten, keine Raten zur Erfüllung der titulierten Forderung mehr an die Gläubigerin gezahlt hatte.

b) Auf dieser tatsächlichen Grundlage hat das Beschwerdegericht den Widerspruch des Schuldners gegen seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO mit Recht für unbegründet erachtet.

aa) Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Schuldner einen Widerspruch nach § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO auch darauf stützen kann, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für ihn eine sittenwidrige Härte i.S. von § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO bedeute (vgl. Zöller/Stöber aaO § 900 Rdn. 22; MünchKomm.ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 900 Rdn. 22; Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, § 890 Rdn. 50).

bb) Zutreffend hat das Beschwerdegericht auch angenommen, dass § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. Der Gesetzgeber hat mit der restriktiven Fassung der Vorschrift klargestellt, dass nicht jede Vollstreckungsmaßnahme, die für den Schuldner eine unbillige Härte bedeutet, die Anwendung der Härteklausel rechtfertigt. Anwendbar ist die Bestimmung nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führt (vgl. BGHZ 44, 138, 143; 161, 371, 374; Zöller/Stöber aaO § 765a Rdn. 5 ff.; Musielak/Lackmann aaO § 765a Rdn. 5 ff.; Prütting/Gehrlein/Scheuch aaO § 765a Rdn. 8).

cc) Die vom Schuldner und der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Umstände sind nicht derart schwerwiegend, dass sie den vom Schuldner erhobenen Widerspruch (§ 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO) gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung rechtfertigen.

(1) Mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass eine besondere Härte i.S. des § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht darin liegt, dass dem Schuldner im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft droht.

Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass die Interessen der Rechtsuchenden dadurch nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient ausschließlich den Interessen der Rechtsuchenden und nicht denjenigen des vermögenslos gewordenen Rechtsanwalts. Geschützt wird damit das berechtigte Interesse des rechtsuchenden Publikums vor der Gefahr von Vermögensschädigungen durch Einschaltung eines vermögenslosen Rechtsanwalts. Läge in der generellen Möglichkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft schon per se eine sittenwidrige Härte, liefe die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO weitgehend leer, weil aufgrund der Schutzvorschrift des § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO schon von vornherein weder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung noch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsanwalts erfolgen könnte. Diese Konsequenz läuft ersichtlich dem Schutzzweck des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zuwider.

Das Beschwerdegericht hat zudem mit Recht darauf abgestellt, dass aufgrund des Vortrags des Schuldners nicht festgestellt werden kann, dass die Rechtsfolge des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO durch ein Zuwarten der Gläubigerin über einen zumutbaren Zeitraum vermieden werden könnte. Denn der Schuldner hat nicht substantiiert dargelegt, zu welchem bestimmten späteren Zeitpunkt er die titulierte Restforderung der Gläubigerin erfüllen könne. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Beschwerdeentscheidung waren bereits mehr als fünf Monate seit der letzten Zahlung an die Gläubigerin vergangen.

(2) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde des Weiteren geltend, eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung scheide allein schon mit Blick auf die zwischen der Gläubigerin und dem Schuldner fortbestehende Ratenzahlungsabrede aus. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hatte das Beschwerdegericht bezogen auf den Zeitpunkt seiner neu zu treffenden Entscheidung zu prüfen, ob der Widerspruch des Schuldners gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung begründet ist (s.o. unter II 2 a). Bei Erlass der Entscheidung des Beschwerdegerichts hat eine Ratenzahlungsabrede zwischen der Gläubigerin und dem Schuldner nicht mehr bestanden, weil die Gläubigerin von einer solchen Vereinbarung jedenfalls mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 9. Februar 2009 aufgrund der ausgebliebenen Ratenzahlungen des Schuldners über einen Zeitraum von etwa vier Monaten wirksam zurückgetreten war. Denn im Schriftsatz der Gläubigerin vom 9. Februar 2009 heißt es, bei dem bestehenden Ratenrückstand von über vier Monaten sei sie, die Gläubigerin, jedenfalls nicht mehr an die Ratenzahlungsvereinbarung gebunden.

(3) Da zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts keine wirksame Ratenzahlungsvereinbarung mehr bestanden hat, kann der Schuldner seiner Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auch nicht § 775 Nr. 4 ZPO mit Erfolg entgegenhalten.

(4) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann der Schuldner seinen Widerspruch auch nicht erfolgreich darauf stützen, dass er ausdrücklich bereit ist, der Gläubigerin außerhalb des gerichtlichen Verfahrens Auskunft zu erteilen und die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Auskünfte an Eides statt zu versichern. Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass die Gläubigerin das Angebot des Schuldners nicht zu akzeptieren braucht, da nur die eidesstattliche Versicherung nach den § 807 Abs. 1, §§ 899 ff. ZPO einem Gläubiger die größtmögliche Sicherheit der Vollständigkeit und Richtigkeit der Erklärung des Schuldners bietet (vgl. Musielak/Becker aaO § 807 Rdn. 7 a.E.; Zöller/Stöber aaO § 807 Rdn. 39 m.w.N.).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm Pokrant Schaffert Bergmann Koch Vorinstanzen:

AG Gießen, Entscheidung vom 26.02.2009 - 41 M 10166/09 -

LG Gießen, Entscheidung vom 06.04.2009 - 7 T 116/09 -






BGH:
Beschluss v. 10.12.2009
Az: I ZB 36/09


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