Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2002
Aktenzeichen: 6 W (pat) 68/01
(BPatG: Beschluss v. 29.01.2002, Az.: 6 W (pat) 68/01)
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Februar 2001 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Im Verfahren zur Erteilung des Patents auf die Patentanmeldung 43 05 648.2 mit der Bezeichnung "Schwenkvorrichtung", für die die innere Priorität der deutschen Patentanmeldung P 42 05 612.8 vom 24. Februar 1992 in Anspruch genommen ist, hat die Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 15. Februar 2001 den Antrag des Anmelders auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Hinweis auf den Bescheid vom 12. September 2000 mangels hinreichender Aussicht auf Erteilung eines Patents zurückgewiesen. Zuvor hat der Anmelder auf den Bescheid vom 12. September 2000 mit Datum vom 28. November 2000 einen neuen Anspruch 1 vorgelegt, der dem Beschluß der Patentabteilung zugrunde lag.
Gegen den Beschluß der Patentabteilung hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er hat vorgetragen, daß der Stand der Technik den neuen Anspruch 1 vom 28. November 2000 nicht vorwegnehme und nicht nahelege. Die Patentabteilung habe nicht konkret angegeben, durch welche Textstelle bzw welchen Figurenausschnitt die Erfindung bekannt sein solle. Aus diesem Grund sei es ihm nicht gelungen, einen die Bedenken der Patentabteilung berücksichtigenden Hauptanspruch einzureichen.
Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die beantragte Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als die Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen war.
1. Die Zurückverweisung erfolgt gemäß PatG § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 2, wonach das Bundespatentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet.
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben, denn der Beschluß ist nicht mit einer ausreichenden Begründung versehen. Die angegebenen Gründe sind teils unverständlich, teils floskelhaft und damit sachlich inhaltslos.
Der Beschluß erschöpft sich im wesentlichen in einer Bezugnahme auf den Bescheid vom 12. September 2000. Zum neu eingereichten Anspruch 1 vom 28. November 2000 wird lediglich gesagt, daß "der neue Hauptanspruch im Hinblick auf die technische Gestaltung im Grunde keine Änderung darstelle". Hier irrt die Patentabteilung. Der neue Anspruch 1 unterscheidet sich nämlich sehr wohl von dem ursprünglichen Anspruch 1, der dem Bescheid vom 12. September 2000 zugrundelag, und zwar durch die Merkmale, daß die Drehachse des Momentanpols in Fahrtrichtung nicht hinter der Räumeinrichtung (1,2) angeordnet ist und daß die Schwenkvorrichtung aus einem Gelenkviereck gebildet ist. Weshalb die Patentabteilung der Auffassung ist, daß durch die Aufnahme dieser Merkmale in den Anspruch 1 keine Änderung des Gegenstands des Anspruchs 1 bewirkt wird, also weshalb diese Merkmale als praktisch gegenstandslos anzusehen sind, ist dem Beschluß nicht zu entnehmen.
Der im Beschluß in Bezug genommene Bescheid gibt zunächst teilweise den § 130 des Patentgesetzes wieder und nennt dann zur Frage der hinreichenden Aussicht auf Erteilung dreizehn Druckschriften. Hieran schließt sich die inhaltslose und in sich unverständliche Begründung ah, daß die Merkmale in den Ansprüchen, die die Lage des Momentanpols betreffen,
- reine getriebetechnische Erkenntnisse seien und - als solche (€) keine Regel zum technischen Handeln gäben (weshalb geben getriebetechnische Erkenntnisse keine Regel zum technischen Handeln€)
- sondern zum Grundwissen des zuständigen Fachmanns gehören,
- um optimal erscheinende Varianten (€) zu entwickeln.
Sodann wird summarisch und ohne jeden Bezug zu den vorgelegten Patentansprüchen auf längere Passagen in zwei Büchern, nämlich die Einführung im "Getriebelehrbuch" herausgegeben von Johannes Vollmer sowie auf die Seiten 4-6 der "Konstruktionslehre der Getriebe" von Willibald Lichtenheldt verwiesen.
Auch der sich hieran anschließende Satz der Begründung, daß reine getriebetechnische Erkenntnisse zu bekannten empirischen Lösungen nicht patentfähig seien, stellt nur eine inhaltslose Floskel dar. Zwar verweist die Patentabteilung in diesem Zusammenhang auf die DE 40 18 832 A1, Fig 6 und die DE 41 01 489 A1, Fig 1-3, sie tut dies jedoch ohne irgend einen Bezug zum Gegenstand der Anmeldung.
Daß der Bescheid vom 12. September 2000 und der angefochtene Beschluß überhaupt den Anmeldungsgegenstand betreffen, ist im Grunde nur feststellbar anhand des Aktenzeichens im Briefkopf, allenfalls noch dadurch, daß die Lage des "Momentalpols" (richtig: "Momentanpols") erwähnt wird. Ansonsten ist keines der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen entnehmbaren Merkmale des Anmeldungsgegenstands in irgendeiner Weise erwähnt oder gar einer Prüfung auf hinreichende Patentfähigkeit unterzogen worden. Es ist somit nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher der genannten fünfzehn Druckschriften oder weshalb sonst die Patentabteilung der Ansicht ist, daß für den Anmeldungsgegenstand eine Aussicht auf Erteilung eines Patents nicht besteht.
Der Anmelder hat insofern auch nicht das ihm zustehende rechtliche Gehör erhalten, da allein aufgrund der Nennung von fünfzehn Druckschriften ohne jede auf den Anmeldungsgegenstand bezogene Erläuterung für ihn nicht erkennbar war, gegen welche Begründung der Patentabteilung er seine Patentanmeldung verteidigen sollte.
Die in den ursprünglichen Unterlagen (Ansprüche 1-13, Beschreibung und Zeichnung) in ihrer Gesamtheit offenbarte Schwenkvorrichtung ist von der Patentabteilung hinsichtlich ihrer merkmalsmäßigen Ausgestaltung nicht mit dem entgegengehaltenen Stand der Technik in Vergleich gesetzt und geprüft worden. Der Senat hält es daher für geboten, dem Anmelder die vom Gesetz gewollten vollständigen zwei Tatsacheninstanzen zu erhalten (vgl BGH - "Pökelvorrichtung", GRUR 1981, Heft 3, S 185, 186 reSp) und zunächst der Patentabteilung Gelegenheit zu geben, über die Gewährung der Verfahrenskostenhilfe unter Berücksichtigung der möglichen Patentfähigkeit der den Anmeldeunterlagen entnehmbaren Lehre nach den Regeln des Patentgesetzes zu entscheiden.
Die Sache war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Prüfung der Entscheidung zurückzuverweisen.
Rübel Heyne Riegler Schmidt-Kolbprö
BPatG:
Beschluss v. 29.01.2002
Az: 6 W (pat) 68/01
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