Verwaltungsgericht Braunschweig:
Urteil vom 29. Oktober 2008
Aktenzeichen: 2 A 349/07

(VG Braunschweig: Urteil v. 29.10.2008, Az.: 2 A 349/07)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Verfahrenskosten einschließlich deraußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1., die fürerstattungsfähig erklärt werden.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. und 3.werden nicht für erstattungsfähig erklärt.

Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil gegen Sicherheitsleistungin Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufigvollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt den Ersatz von Aufwendungen, die ihm im Zusammenhang mit der Durchführung von Sicherungsarbeiten an der Freischleuse (Stau- bzw. Wehranlage) in der Oker bei Rothemühle (Gemeinde Schwülper) im Jahr 2004 und in den Folgejahren entstanden sind.

Die vermutlich 1720 errichtete Freischleuse befindet sich unterhalb einer Brücke, welche zu der Kreisstraße zwischen den Orten Walle und Rothemühle gehört. Das Wehr staut die Oker - ein Gewässer zweiter Ordnung - an und leitet Wasser in einen westlich gelegenen alten Arm des Flusses (Mühlengraben), der zu einer Mühle, der Rothemühle, führt. Nördlich fließt die Oker in einem vor langer Zeit angelegten Flussbett weiter.

Die Wehranlage hat zusätzliche Funktionen. Sie dient dem Hochwasserschutz, dem Kulturstau (Naturschutz: Bewässerung von Wiesen in der Gemarkung Walle), ökologischen Bedürfnissen (keine Vernässung der oben liegenden sandigen Okerwiesen), dem Sohl- und Uferschutz, der Brücken- und Straßenstabilität (vgl. u.a. Schr. damaliger Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, NLWK, Rechtsvorgänger des Klägers, v. 28.03.2000, sowie Zustandsbericht und Sanierungskonzept der Ingenieurgemeinschaft Pielsticker/Krentz v. 08.04.2004, S. 5 f.). Auch steht sie unter Denkmalschutz.

Mit Vertrag vom 21.01.1864 erwarb ein Herr G. das Mühlengrundstück sowie die Freischleuse von dem damaligen Königlichen Finanzministerium in Hannover. In einem am 08.07.1889 vor dem Königlichen Amtsgericht Gifhorn II. geschlossenen Vergleich (Rezeß) zwischen dem Mühlenbesitzer H. und der Gemeinde Klein Schwülper-Rothemühle wurde geregelt, dass das Eigentum und die Unterhaltung des Weges von Walle nach Rothemühle einschließlich der sich darin befindlichen Freischleusenbrücke mit Ausnahme von Schützen und Schlossbaum durch die Gemeinde Klein Schwülper-Rothemühle übernommen wird. Schützen und Schlossbaum (das sind die Tore/Schieber zum Öffnen und Schließen der Schleuse und das Bauteil, an dem sie befestigt bzw. in das sie eingelassen sind), sollten in das Eigentum des Mühlenbesitzers H. "übergehen" und von diesem unterhalten werden. Ein Eintrag in das Wasserbuch des Regierungspräsidenten in Lüneburg vermerkt unter dem 05.10.1921 mit Bezug auf den am 21.01.1864 geschlossenen Kaufvertrag ein Recht des Mühlenpächters I., den Wasserlauf der Oker zum Betriebe der an der Oker in der Ortschaft Rothemühle, Gemeinde Klein Schwülper, gelegenen Wassermühle (Rothemühle) neben dem bei der Mühle befindlichen Aalfange zu benutzen, mit der Einschränkung, dass die jeweilig behördlich festgesetzten Stauziele und Stauzeiten genau einzuhalten seien. Der Beigeladene zu 3. erhielt das Mühlengrundstück mit Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 25.04.1966 in einem Zwangsversteigerungsverfahren übertragen, wobei die Freischleusenbrücke mit der Wehranlage und die entsprechenden Flurstücke in dem Beschluss nicht erwähnt werden. Seitdem betreibt der Beigeladene zu 3. die Rothemühle. Er ist Inhaber des oben genannten Wasserrechts und steuert die Wehranlage. Das Recht zum Anstauen des Wassers der Oker zum Betrieb der Rothemühle wurde mit einem Vermerk vom 20.12.1968 in das Wasserbuch der Bezirksregierung Lüneburg unter Bezug wiederum auf den Kaufvertrag vom 21.01.1864 eingetragen.

Die Beklagte wurde im Jahre 1970 gegründet. In den Jahren 1980/81 erfolgte ein Umbau der Freischleusenbrücke im Zusammenhang mit dem Ausbau der Straße zwischen Rothemühle und Walle. Dabei wurde eine (weitergehende) bauliche Trennung von Freischleuse und Brücke vorgenommen (s. im Einzelnen das Urteil der erkennenden Kammer vom 11.05.2005 - 2 A 456/04 -). Mit Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen zu 2. vom 13.07.1987 wurde die über die Freischleusenbrücke führende Straße zwischen Rothemühle und Walle mit Wirkung vom 01.01.1988 zur Kreisstraße umgestuft. Der Beigeladene zu 2. übernahm die Straßenbaulast.

Spätestens seit einer Besprechung von NLWK und Bezirksregierung Braunschweig am 21.03.2000 war bekannt, dass die Wehranlage "stark sanierungsbedürftig" und einsturzgefährdet war (s. Schreiben des NLWK v. 28.03.2000). Ende Februar 2004 wurde unmittelbar hinter der westlichen Wehrwange der Freischleusenbrücke ein Erdfalltrichter bemerkt. Mit Bescheid vom 03.03.2004 verpflichtete die Bezirksregierung Braunschweig den Beigeladenen zu 3. als Betreiber der Wehranlage, die Standsicherheit und die Betriebstauglichkeit des Okerwehres wiederherzustellen. Hierfür wurde angeordnet, ein Fachgutachten einzuholen. Der Beigeladene zu 3. lies ein Gutachten über den Umfang des mittlerweile eingetretenen Schadens und die zu ergreifenden Maßnahmen erstellen. Das von dem Ingenieurbüro J. mit Datum vom 31.03.2004 erstellte Gutachten zum Gründungsschaden am Wehr der Freischleusenbrücke stellte u.a. fest, dass die Bodenhinterfüllung der westlichen Wehrwange neben dem Widerlager der Brücke auf einer Fläche von ca. 3 m x 4 m bis zu einer Tiefe von ca. 2,2 m versackt sei. Der Boden unter der Sohle des so entstandenen Bodentrichters sei bis in eine Tiefe von weiteren 2 m verbreit. Die Störung des Baugrundes setze sich in die landseitige Umgebung fort. Die Holzbeplankung der Unterwassersohle (Tosbecken) fehle weitgehend. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung führte das Ingenieurbüro aus, die tragenden Teile des Wehrkörpers befänden sich unterwasserseitig des westlichen Widerlagers der Kreisstraßenbrücke aufgrund der Bodenversackung und des Erosionstrichters und der dadurch entstandenen Hohllagen im Gründungsbereich in einem labilen Zustand und müssten somit als einsturzgefährdet eingestuft werden. Geringe Änderungen des Landschaftsbildes, zum Beispiel der Anstieg des Wasserspiegels der Oker oder Erschütterungen aus dem Straßenverkehr, könnten das Versagen der entsprechenden Bauwerksteile bewirken. Dadurch würde der Verschluss der Wehrwangen versagen. Das Oberflächenwasser würde ungehindert abfließen und dabei den bereits vorhandenen Erosionstrichter im Unterwasser unkontrolliert vergrößern und vertiefen. Eine Ausdehnung des Trichters bis hin zur Gründung der Kreisstraßenbrücke wäre die Folge. Würde die bereits jetzt erreichte Tiefe der Erosion sich flächig bis zu den Großbohrpfählen der Kreisstraßenbrücke ausdehnen, so wäre die Standsicherheit auch dieses Bauwerks nicht mehr gegeben. Ferner wäre eine Unterspülung des an der Brücke anschließenden Straßenkörpers zu erwarten.

Aufgrund des Gutachtens wurde die Freischleusenbrücke ab dem 26.03.2004 für den Straßenverkehr gesperrt. In einer Besprechung vom 29.03.2004 konnte zwischen der Bezirksregierung Braunschweig, der Beklagten und den Beigeladenen zu 2. und 3. keine Einigung darüber erzielt werden, wem die Unterhaltspflicht obliege. Daraufhin wurde der Beigeladene zu 3. am 31.03.2004 erneut, nun mündlich, aufgefordert, unverzüglich Sofortmaßnahmen zur Wiederherstellung der Standsicherheit zu treffen. Ihm wurde die Ersatzvornahme angedroht. Der Beigeladene zu 3. lehnte ein Tätigwerden unter Hinweis auf seine finanzielle Situation ab. Die übrigen Verfahrensbeteiligten lehnten eine Kostenübernahme ebenfalls ab. Daraufhin beauftragte die Bezirksregierung Braunschweig das NLWK, die Sofortmaßnahmen selbst durchzuführen. Durch eine Fachfirma wurden vom 5. bis 8.04.2004 die Auskolkungen der Sohle im Unterwasserbereich mit grob- und feinkörniger Schlacke aufgefüllt. Anschließend verfüllte sie den verbliebenen Spalt zwischen dem Mauerwerk und der Auffüllung mit speziellem Unterwasserbeton. Die Oberfläche der Schüttung wurde mit Vergussmörtel gegen erneutes Ausspülen gesichert. Für die Sofortmaßnahme werden mit der Klage folgende Kosten geltend gemacht (der Beigeladene zu 3. tätigte weitere Aufwendungen):

Begutachtung der Schadenslage durch das Ing.- Büro K. 5.755,92 €Bauleistung durch diverse Firmen33.783,78 €Eigenleistung des NLWK (Planung, Bauleistung und Reisekosten) 4.726,22 €gesamt44.265,92 €Durch die Wiederherstellung der Standsicherheit der Wehranlage bei Niedrig- und Mittelwasser konnte die Brücke wieder für den Straßenverkehr freigegeben werden. Damit galt das Wehr allerdings noch nicht für eine Hochwassersituation als betriebstauglich. Außerdem entsprach das Tosbecken nicht dem Stand der Technik.

In weiteren Gesprächen konnte die wasserrechtliche Verantwortlichkeit zwischen den Beteiligten nicht einvernehmlich geklärt werden. Die Bezirksregierung Braunschweig gab schließlich dem Beigeladenen zu 2. mit Bescheid vom 26.07.2004 auf, die Standsicherheit der Wehranlage nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik herzustellen. Dazu ordnete sie an, das beschädigte Tosbecken wiederherzustellen sowie den anschließenden Kolk zu sichern. Des Weiteren sollten die Sohlschwelle und die Seitenwangen auf ganzer Länge durch Mörtelunterpressungen gesichert werden. Der Sofortvollzug wurde angeordnet. In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor der erkennenden Kammer einigten sich die Bezirksregierung Braunschweig und der Beigeladene zu 2. im Vergleichswege darauf, die erforderlichen Arbeiten an der Wehranlage zunächst bis zu einer späteren Klärung in einem gerichtlichen Verfahren durch das Land Niedersachsen ausführen zu lassen (vorläufige Kostenbeteiligung des Beigel. zu 3. zu 50 %).

Ab dem 15.11.2004 bis Februar 2005 führten der NLWK bzw. ab 2005 der Kläger weitere Sicherungsmaßnahmen an der Wehranlage durch. Hierdurch entstanden folgende Kosten:

Bauleistung durch diverse Firmen153.758,83 €Eigenleistung des NLWK/Klägers (Planung, Bauleitung und Reisekosten) 21.388,99 €gesamt:175.147, 82 €Mit Urteil der erkennenden Kammer vom 11.05.2005 (a.a.O.) wurde der Bescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 26.07.2004 aufgehoben. Einen Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Nds. OVG mit Beschluss vom 09.03.2006 ab (13 LA 234/05).

In der Folgezeit erachtete der Kläger weitere Sicherungsarbeiten als notwendig. Hierzu führte er an, es habe erneute Umläufigkeiten und neue Erdfalltrichter linksseits der Wehranlage gegeben, die zu weiteren Untersuchungen, aber noch zu keinen Sicherungsmaßnahmen führten. Mit der Klage verlangt der Kläger bereits entstanden Kosten der Jahre 2006 und 2007:

Zaunbau zur Absicherung, Firma L. Tiefbau 573,91 €Geotechnische Untersuchungen Büro bsp Ingenieure2.980,85 €Eigenleistung des Klägers (Planung, Bauleitung und Reisekosten)2.975,70 €gesamt:6.530, 46 €Nach weiteren verwaltungsinternen Besprechungen sah sich der Kläger - auch im Hinblick auf eine drohende Verjährung - veranlasst, die von ihm verauslagten Kosten im Klagewege geltend zu machen. Er hat am 20.12.2007 zwei Leistungsklagen erhoben. Die vorliegende Klage gegen die Samtgemeinde Papenteich (2 A 349/07) sowie eine Klage gegen die Gemeinde Schwülper (2 A 348/07). Das letztgenannte Verfahren ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Verfahren 2 A 349/07 ausgesetzt.

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf die Erstattung von Kosten der Ersatzvornahme nach § 66 Abs. 1 Nds. SOG wegen unterlassener Unterhaltungsmaßnahmen, wobei er annimmt, wegen der Notwendigkeit, eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren, sei ein Grundverwaltungsakt nicht notwendig gewesen (§ 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG). Sofern dies für die Maßnahmen nach 2006 und 2007 nicht anerkannt werden könne, stütze er sich auf das Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag. Mit der Durchführung der Arbeiten habe er bzw. sein Rechtsvorgänger ein Geschäft erledigt, das rechtlich gesehen der Beklagten oblegen habe.

Die Beklagte sei zu den Ersatzvornahmekosten heranzuziehen, weil sie gemäß § 109 Satz 1 NWG wasserrechtlich für die Unterhaltung des Wehrs verantwortlich sei. Nach dieser Vorschrift seien Anlagen in und an Gewässern durch den Eigentümer der Anlage zu unterhalten. Es handele sich bei dem Wehr um eine Anlage in einem Gewässer im Sinne des § 109 Satz 1 NWG. Die Beklagte sei Eigentümerin der Freischleuse, welche - auch nach den Ausführungen der erkennenden Kammer in dem genannten Urteil - ein Scheinbestandteil gem. § 95 BGB des Grundstückes sei, auf dem sie errichtet worden sei. Zunächst hätten Freischleusenbrücke und Freischleuse rechtlich eine Einheit gebildet. Die Wehranlage sei wesentlicher Bestandteil der Brücke gem. § 93 BGB gewesen. Eigentümer seien nacheinander Herr Meyer, die Gemeinde Klein Schwülper-Rothemühle, die Gemeinde Schwülper und die Beklagte geworden. Infolge der baulichen Veränderungen an der Brücke in den Jahren 1980/81 sei das Eigentum an der Freischleuse und an der Freischleusenbrücke auseinander gefallen. Wie die erkennende Kammer in ihrem Urteil vom 11.05.2005 festgestellt habe, sei die Freischleuse nach diesen Maßnahmen nicht mehr wesentlicher Bestandteil der Straßenbrücke gewesen. Während der Beigeladene zu 2. durch die Vereinbarung zur Straßenbaulast im Jahre 1987 Eigentümer der Brücke geworden sei, habe die Beklagte das Eigentum an der Freischleuse behalten.

Er habe sein Entschließungsermessen im Hinblick auf eine Entscheidung nach § 118 Abs. 1 NWG fehlerfrei ausgeübt. Eine Streitentscheidung nach dieser Vorschrift sei nicht Erfolg versprechend gewesen. Denn es habe sich gezeigt, dass jede Heranziehung eines Verantwortlichen jedenfalls gerichtlich angefochten würde. Der Zweck des § 118 NWG, ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, sei deshalb nicht zu erreichen gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 225.944,20 € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Leistungsklage sei unzulässig, da der Kläger seine Rechte durch einen Verwaltungsakt hätte verfolgen können. Die wasserrechtliche Verantwortlichkeit hätte durch eine Regelung nach § 118 Abs. 1 NWG geklärt werden müssen. Ein polizeirechtlicher Grundverwaltungsakt fehle überdies. Ohnehin sei nur eine Wasserbehörde zur Durchsetzung der Unterhaltungspflichten berechtigt. Der Kläger könne allenfalls Schadensersatz - wohl auf dem Zivilrechtsweg - verlangen.

Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Denn die Beklagte sei nicht gemäß § 109 NWG unterhaltungspflichtig. § 109 NWG sei nicht anwendbar, da die Freischleuse auch den wasserwirtschaftlichen Zweck habe, das Ufer zu sichern. Deshalb sei eine Unterhaltungsmaßnahme im Sinne des § 98 Abs. 2 Nr. 1 NWG betroffen. Außerdem diene die Anlage der Abführung des Wassers im Sinne des § 98 Abs. 2 Nr. 4 NWG.

Sie - die Beklagte - sei auch nicht Eigentümerin der Freischleuse geworden. Bei Gründung der Samtgemeinde im Jahre 1970 habe keine ausdrückliche Übertragung des Eigentums an der Brücke statt gefunden. Ein automatischer Eigentumsübergang sei nicht vorgesehen. Die Freischleuse sei außerdem wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem sie errichtet worden sei. Grundstückseigentümer sei jedoch nicht die Beklagte, sondern voraussichtlich der Beigeladene zu 3.. Allenfalls habe Miteigentum an dem Scheinbestandteil Brücke/Schleuse bestanden. Das Miteigentum an dem Scheinbestandteil Schleuse habe nach der Baumaßnahme 1980/81 fortbestanden. Es sei jedoch immer an die Funktion der Schleuse geknüpft gewesen. Die Schleuse habe dem Beigeladenen zu 3. gedient. Dieser sei Inhaber des Staurechts, so dass kein Rechtsgrund dafür ersichtlich sei, ihr - der Beklagten - den Scheinbestandteil rechtlich zuzuordnen.

Eine wasserwirtschaftliche Verantwortung ergebe sich für die Beklagte auch nicht aus den weiteren, mit der Schleuse verbundenen Funktionen (Brückensicherung, Denkmalschutz, Hochwasserschutz, Kulturstau), für die sie als kommunaler Verwaltungsträger nicht zuständig sei.

Die Beklagte hat auch die Höhe der Kosten angegriffen und dargelegt, der Kläger habe zu weitgehende Maßnahmen, etwa auch am Ufer nördlich des Wehrs, durchgeführt.

Die Beigeladene zu 1. hat sich im Wesentlichen in derselben Weise wie die Beklagte geäußert und ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 2. verweist auf die Feststellungen der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts in dem vorangegangenen Verwaltungsgerichtsverfahren, wonach er nicht Eigentümer der Schleuse sei. Er hat keinen Antrag gestellt.

Der Beigeladene zu 3. hat ebenfalls keinen Antrag gestellt. Er trägt u. a. vor, bereits im Jahre 2000 hätten die später durchgeführten Sofortsicherungsmaßnahmen ergriffen werden können. Dadurch hätten ca. 161.000,- EUR gespart werden können. Stattdessen sei es in den folgenden vier Jahren nicht gelungen, die Verantwortung für die Unterhaltung zu klären. Der Beigeladene zu 3. verweist ferner auf die verschiedenen Funktionen des Wehrs, insbesondere den Hochwasserschutz, zu dem er nicht zuletzt durch eine von ihm gebaute Klappe, aber auch durch die Unterhaltung des Mühlengrabens, beitrage. Die zur Wehranlage gehörenden Flurstücke habe er im Übrigen in der Zwangsversteigerung nicht erworben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch in dem Parallelverfahren 2 A 348/07, und die Verwaltungsvorgänge, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Gründe

Die allgemeine Leistungsklage ist zulässig.

Der Kläger hat nicht vor Klageerhebung die wasserrechtliche Unterhaltungspflicht durch eine Entscheidung nach § 118 Abs. 1 NWG entscheiden müssen. Dazu war er nicht befugt. Zwar hat eine "Wasserbehörde" zunächst nach § 118 Abs. 1 NWG über eine wasserrechtliche Streitfrage zu entscheiden. Die Kammer hat deshalb beispielsweise mit Urteil vom 13.06.2007 eine Klage gegen einen Unterhaltungsverband als unzulässig abgewiesen (2 A 337/06). Für die Oker als Gewässer 2. Ordnung nach Anl. 5 zu § 100 Abs. 1 NWG ist jedoch als untere Wasserbehörde nicht der Kläger, sondern der Beigeladene zu 2. gem. §§ 169 Abs. 1, 170 Abs. 1 Satz 1 NWG für die Entscheidung nach § 118 Abs. 1 NWG zuständig (vgl. zur - hier nicht einschlägigen - Zuständigkeit des Klägers für Entscheidungen nach § 118 NWG § 1 Nr. 6 a) bb) ZustVO-Wasser, v. 29.11.2004, Nds. GVBl. S.550).

Der Kläger musste die Kosten der Ersatzvornahme nicht durch einen Bescheid festsetzen und gfs. ohne gerichtlichen Titel vollstrecken. Ihm stand ein Wahlrecht zwischen Leistungsbescheid und Leistungsklage zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.09.1967 - 2 C 37.67 - BVerwGE 28, 1; Urt. v. 11.03.1971 - 2 C 36.68 - BVerwGE 37, 314).

Die Klage ist allerdings unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Erstattung von Kosten in Höhe von 225.944,20 EUR gegen die Beklagte.

Eine Erstattungspflicht für Kosten der Ersatzvornahme nach § 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG i.V.m. dem Nds. VwKostG setzt eine rechtmäßige Ersatzvornahme voraus (VG Braunschweig, Beschl. v. 19.02.2008 - 2 B 346/07 - n.v.; BVerwG, Beschl. v. 21.08.1996 - 4 B 100.96 - NVwZ 1997, 381; OVG NW, Urt. v. 21.08.1997 - 20 A 6979/95 - juris m.w.N.). Mangels Grundverfügung gegenüber der Beklagten müssten hier die Voraussetzungen für ein Handeln im Wege der sofortigen Vollziehung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG vorgelegen haben, was nicht der Fall ist. Ein Zwangsmittel kann nach dieser Bestimmung ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist, insbesondere weil Maßnahmen gegen Personen nach § 6 bis 8 Nds. SOG nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen.

Zunächst ist bereits zweifelhaft, ob die Bezirksregierung Braunschweig, welche den Rechtsvorgänger des Klägers, das NLWK, zur Durchführung der Sofortsicherungsmaßnahmen herangezogen hat, im Jahr 2004 für den Erlass einer wasserrechtlichen Polizei- bzw. Ordnungsverfügung und infolgedessen eine Ersatzvornahme zuständig war. Wasserrechtliche Verfügungen zur Gefahrenabwehr waren 2004 (wie heute) nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage von § 169 Abs. 1 Satz 2 NWG zu erlassen. Nach § 170 Abs. 1 Satz 1 NWG waren (und sind) die unteren Wasserbehörden zuständig, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. Eine Sonderzuständigkeit für Ordnungsmaßnahmen betreffend die Unterhaltung von Wehren gab es nicht. Von der ordnungsrechtlichen Zuständigkeit für Maßnahmen nach § 169 Abs. 1 Satz 2 NWG sind im Übrigen die Zuständigkeitsregelungen für die Unterhaltungspflicht nach §§ 99 bis 111 NWG zu unterscheiden. 2004 war mithin der Beigeladene zu 3., der Landkreis Gifhorn, als untere Wasserbehörde (§ 168 Abs. 3 Satz 1 NWG a. F.) für ein Einschreiten zur Gefahrenabwehr zuständig. Die Bezirksregierung Braunschweig leitete ihre ordnungsrechtliche Zuständigkeit nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung von der damals bestehenden Unterhaltungspflicht des Landes Niedersachsen für die Oker gemäß 105 Abs. 2 NWG a. F. i.V.m. Anl. 8 zum NWG a. F. ab. Das war zwar nicht richtig, die Bezirksregierung Braunschweig konnte aber eventuell als obere Wasserbehörde das gefahrenabwehrrechtliche Verfahren an sich ziehen, was ausdrücklich indessen nicht geschehen ist. Diese Frage kann offen bleiben.

Die Kammer kann ferner unentschieden lassen, ob die 2005 angefallenen Kosten noch durch den "Auftrag" an den NLWK aus dem Jahr 2004 gedeckt sind, die Maßnahmen von der Aufgabenverlagerung in dem Beschluss der Landesregierung vom 13.07.2004 (MU-01472-0021- VORIS 20100-) zu Ziff. 5.1 erfasst waren oder das Verwaltungsverfahren von der Beigeladenen zu 2. hätte übernommen werden müssen. Die Zuständigkeitsverordnung Wasser (ZustVO a.a.O.) weist dem Kläger jedenfalls für die Zeit ab 2005 keine Zuständigkeit für Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu, weshalb der Kläger für die Maßnahmen der Jahre 2006 und 2007 unzuständig war.

Eine ordnungsrechtliche Zuständigkeit des Klägers ist ab 2005 überdies insoweit nicht zu erkennen, als an dem Wehr jeweils auch solche Arbeiten durchgeführt wurden, die nicht der Gefahrenabwehr, sondern darüber hinaus gehend der normalen Unterhaltung dienten. Eine genaue Abgrenzung zwischen Sofortsicherung und Unterhaltung ist im vorliegenden Verfahren entbehrlich.

43Unabhängig von der voraussichtlich (teilweise) fehlenden Zuständigkeit der Bezirksregierung Braunschweig und des Klägers fehlte es 2004 bis 2007 nämlich jedenfalls an der neben dem Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr weiteren Voraussetzung des § 64 Abs. 2 Nr. 1 Nds. SOG, wonach Maßnahmen gegen Störer nicht oder nicht rechtzeitig möglich oder Erfolg versprechend sein müssen (vgl. Böhrenz/Siefken, Nds. SOG, Komm., 9. Aufl., § 64 Rn. 5). Eine so geartete Sachlage kann hier nicht festgestellt werden.

Ein erster Erdfalltrichter war zwar im Ende Februar 2004 entdeckt worden, so dass die Straße ab 26.03.2004 gesperrt werden musste. Nachdem auf diese Weise die Gefahr für den Straßenverkehr gebannt war, konnte die Bezirksregierung Braunschweig in den folgenden Wochen den Entscheidungsprozess über die gefahrenabwehrrechtlich letztlich verantwortliche natürliche oder juristische Person abschließen. Die Arbeiten u.a. der Baufirma M. wurden erst nach der letzten Aufforderung zum Tätigwerden an den Beigeladenen zu 3. vom 31.03.2004 in der 15. Kalenderwoche vom 05. bis zum 08.04.2004 durchgeführt. In dem Zeitraum von einem Monat hätte eine ordnungsgemäße Störerauswahl erfolgen können, zumal die Schadhaftigkeit des Wehres bereits seit März 2000 bekannt war. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge lagen der Bezirksregierung Braunschweig die wesentlichen Informationen und Unterlagen zu den historischen Vorgängen teilweise schon 2001, jedenfalls aber im März 2004 vor (s. etwa Vermerk v. 03.01.2001, u.a. zum Kaufvertrag v. 21.01.1864, Bl. 43, BA B, Mitteilung Amtsgericht Gifhorn über Zuschlag in Versteigerung v. 25.04.1966 v. 15.03.2004, Bl. 131, BA B, Schreiben Beigel. zu 3. v. 22.03.2004, u.a. zum Rezeß vom 08.07.1889, Bl. 145 BA B, Vermerk über die Besprechung am 29.03.2004, u.a. zur Umstufung der Kreisstraße, Bl. 170, BA B).

Gegenüber dem Beigeladenen zu 3. ist zudem schon Anfang März 2004 eine ordnungsrechtliche Verfügung ergangen (s. dazu den späteren Vermerk v. 30.03.2004, Bl. 187 BA B).

46Die Störerauswahl steht im Ermessen der zuständigen Behörde. Das Ergebnis der Abwägung zwischen mehreren in Betracht kommenden Personen oder Körperschaften ist in der Verfügung zu begründen. An diesem für das Polizei- und Ordnungsrecht essentiellen Verfahrenselement fehlt es hier gegenüber der Beklagten, obwohl dafür ausreichend Zeit bestand. Die Beklagte hätte durch eine gem. § 80 Abs. 2 Ziff. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärte Verfügung mit kurzer Frist und Androhung der Ersatzvornahme aufgefordert werden müssen, den Schaden am Wehr zu beheben. Ein verwaltungsgerichtlicher Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hätte eine vorläufige Klärung der Rechtslage herbeiführen können. Vorliegend ist die Beklagte nicht nur um diese Rechtsschutzmöglichkeit gebracht worden. Die Bezirksregierung Braunschweig hat auch ihr Interesse missachtet, die Maßnahme gfs. kostengünstiger durchzuführen (Nds. OVG, Beschl. v. 21.11.2006, 8 PA 118/06 - Nds.VBl. 2007, 106; VG Braunschweig, Beschl. v. 19.02.2008, 2 B 346/07, zu einer vergleichbaren bergrechtlichen Maßnahme, die ebenfalls eine Absperrung des Gefahrenbereichs erforderte). Gfs. hätte die Beklagte zusätzlich unter Fristsetzung zur Vergabe konkreter Aufträge aufgefordert werden können.

Ferner haben nicht nur die Grundverfügung, sondern auch die vollstreckungsrechtliche Androhung der Ersatzvornahme und deren Festsetzung eine Schutzfunktion, die dem Betroffenen deutlich machen soll, dass die zwangsweise Durchsetzung des Verwaltungsaktes bevorsteht und durch eine Befolgung des ordnungsbehördlichen Gebots noch abwendet werden kann (vgl. OVG NW, Urt. v. 21.08.1997, a.a.O.).

Trotz der schwierigen Sach- und Rechtslage kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine effektive Gefahrenabwehr im Frühjahr/Sommer 2004 durch eine Ordnungsverfügung mit Fristsetzung gegenüber der Beklagten verhindert worden wäre. Eine etwas längere Straßensperrung wäre vertretbar gewesen, wenn eine Sofortsicherung nicht schon Anfang April erfolgt wäre. Für die ab November 2004 sowie 2006 und 2007 durchgeführten Maßnahmen gilt dies erst recht.

Nach diesen Erwägungen kann im Hinblick auf die Verfügung gegen Verfügung gegen den Beigeladenen zu 3. vom 03.03.2004 dahinstehen, ob im Vollstreckungsverfahren nach Erlass einer Grundverfügung die Heranziehung einer anderen Person zu den Kosten der Ersatzvornahme überhaupt möglich ist.

Es kommt auch nicht mehr darauf an, ob der Kläger innerhalb seiner Befugnisse im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 a.E. Nds. SOG handelte, weil die Beklagte - wie sie meint - wasserrechtlich für die Wehranlage nicht verantwortlich, weil nicht unterhaltungspflichtig war (vgl. die von den Beteiligten erörterte Anwendung der §§ 98 und 109 NWG).

51Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Erstattung des geltend gemachten Betrages nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA, § 677 ff. BGB analog). Die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag finden zwar auch im öffentlichen Recht Anwendung. Das öffentliche Recht muss für die analoge Anwendung aber eine "planwidrige Regelungslücke" aufweisen. Diese ist dann nicht anzunehmen, wenn die einschlägigen Bestimmungen des öffentlichen Rechts eine abschließenden Regelung enthalten (BVerwG, Urt. v. 28.03.2003 - 6 B 22.03 -, Buchholz 442.066 § 53 TKG Nr. 2, Nds. OVG, Beschl. v. 21.11.2006, a.a.O.). Die Vorschriften des §§ 66 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG i.V.m. dem Nds. VwKostG über die Anforderung von Ersatzvornahmekosten sind abschließende Spezialregelungen. Das Verwaltungsvollstreckungsrecht regelt durch eine differenziertes, abgestuftes System, unter welchen Voraussetzungen mittels einer Ersatzvornahme in Rechte eines Betroffenen eingegriffen und von ihm anschließend eine Erstattung der Kosten verlangt werden darf. Dieses Regelungssystem schließt es aus, eine rechtswidrige Ersatzvornahme als eine anspruchsbegründende Geschäftsführung ohne Auftrag zu qualifizieren. Eine solche "Umdeutung" hätte ohne rechtfertigenden Grund die Erweiterung der Kostentragungspflicht des Betroffenen unter Umgehung der spezialgesetzlich zu seinem Schutz normierten Einschränkungen zur Folge (OVG NW, Urt. v. 21.08.1997, a.a.O., m.w.N.).

Aus dem gleichen Grund kann der Kläger die entstandenen Kosten auch nicht über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung erhalten.

Gründe, die Berufung nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1., nicht jedoch diejenigen der Beigeladenen zu 2. und 3., sind gem. § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.






VG Braunschweig:
Urteil v. 29.10.2008
Az: 2 A 349/07


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