Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 5. September 2012
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 26/12
(BGH: Beschluss v. 05.09.2012, Az.: AnwZ (Brfg) 26/12)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2011 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. Mai 2012 - AnwZ (Brfg) 13/12, juris Rn. 4 und vom 2. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 53/11, juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragsbegründung nicht.
a) Durch Beschluss des Amtsgerichts A. vom 1. April 2010 ( IN ) ist über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Vermögensverfall wird damit von Gesetzes wegen vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Hierbei belaufen sich nach der dem Widerrufsbescheid beigefügten Gläubigerliste, deren Richtigkeit der Kläger auch nicht in Abrede stellt, die offenen Verbindlichkeiten auf über 220.000 €. Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens können die Vermögensverhältnisse des Schuldners erst dann wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 36/09, juris Rn. 8, vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 4 und vom 11. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 20/12, juris Rn. 4). Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des 2 behördlichen Widerrufsverfahrens (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) am 22. August 2011 nicht vor; sie sind im Übrigen bis heute nicht gegeben.
b) Nach der gesetzlichen Wertung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO indiziert der Vermögensverfall die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Allerdings kann in seltenen Ausnahmefällen eine Gesamtwürdigung der Person des Rechtsanwalts, der Umstände des Insolvenzverfahrens und der Beschränkungen, denen er sich arbeitsvertraglich unterworfen hat, die Annahme des Ausschlusses einer solchen Gefährdung rechtfertigen, wobei hierfür die Feststellungslast den Rechtsanwalt trifft. Dieser muss die zum Schutz der Interessen der Rechtsuchenden in seiner Lage erforderlichen Vorkehrungen treffen; auch muss vertragsrechtlich und tatsächlich sichergestellt sein, dass diese eingehalten werden. Dies setzt regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzelanwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der Organisation der Sozietät, dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen Maßnahmen einen effektiven Schutz der Interessen der Rechtsuchenden erwarten lässt (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3 und 4. April 2012, aaO Rn. 6). Hierbei hat der Senat besonderen Wert auf die Überprüfung der Einhaltung der Beschränkungen durch die Sozietätsmitglieder gelegt. Wesentlich ist, dass effektive Kontrollmöglichkeiten bestehen, wobei es letztlich immer einer ausreichend engen tatsächlichen Überwachung bedarf, die gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht bzw. nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. Juni 2011, aaO m.w.N.).
Der Kläger hat seine Einzelpraxis jedoch gerade nicht aufgegeben; der von ihm mit seinen Prozessbevollmächtigten abgeschlossene freie Mitarbeitervertrag genügt den Anforderungen der Senatsrechtsprechung insoweit nicht. Der Umstand, dass sich der Kläger nach seiner Darstellung bisher vergeblich um eine Anstellung als Angestellter auch bei weiteren Anwaltskanzleien bemüht hat, wobei er als Grund für die ihm erteilten Absagen sein Alter (geb. 16.7.1955) sieht, ist ungeeignet, das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO schlüssig in Frage zu stellen. Von einer gegen Art. 3 GG verstoßenden Altersdiskriminierung kann keine Rede sein. Darüber hinaus würde der vorgelegte Vertrag den Anforderungen der Senatsrechtsprechung selbst dann nicht genügen, wenn der Kläger als Angestellter tätig wäre. Dies folgt bereits daraus, dass er nach § 3 Abs. 2 des vorgelegten Vertrags seine Tätigkeit "in seinen eigenen Räumlichkeiten" ausübt; insoweit ist der Kläger - ausweislich der von ihm benutzten Briefbögen - bis Frühjahr 2012 unter der Adresse "P. Straße ( S. ), W. " und ab dieser Zeit unter der Adresse "K platz , A. " tätig gewesen. Die nach der Senatsrechtsprechung notwendige effektive Kontrolle der anwaltlichen Tätigkeit ist in einem solchen Fall der Arbeit außerhalb der Räume der den Anwalt beschäftigenden Sozietät aber nicht gewährleistet (vgl. auch Senatsbeschluss vom 22. Juni 2011, aaO Rn. 4). Der vom Kläger in diesem Zusammenhang betonte Umstand, dass es bisher nicht zu Beanstandungen seiner Tätigkeit gekommen ist, reicht demgegenüber für sich allein nicht zur Widerlegung der gesetzlich indizierten Gefährdung aus.
2. Mangels Entscheidungserheblichkeit geht deshalb auch die Rüge des Klägers ins Leere, der Anwaltsgerichtshof sei auf seinen Vortrag, wonach ihm der Abschluss eines Angestelltenverhältnisses unmöglich sei, nicht eingegangen und insoweit liege ein zulassungsrelevanter Verfahrensfehler (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vor. Abgesehen davon hat der Anwaltsgerichtshof den Vortrag des Klägers im Tatbestand (S. 3 f.) ausdrücklich erwähnt und ist hierauf in den Gründen (S. 5) kurz in der Form eingegangen, dass die dargelegten "sozialen Gesichtspunkte" eine andere Entscheidung nicht rechtfertigten. Dass der Anwaltsgerichtshof damit der Argumentation des Klägers im Ergebnis nicht gefolgt ist, führt aber nicht zu einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.
Soweit der Kläger im Übrigen auf seine persönliche Situation als Familienvater und die Unterhaltsinteressen seiner drei minderjährigen - nach seinen Angaben im Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 20. Januar 2010 bei seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau befindlichen - Kinder verweist, ist dieser Vortrag unerheblich. Insbesondere verletzt der Widerruf der Zulassung nicht Art. 6 Abs. 1 GG. Schon deshalb musste der Anwaltsgerichtshof hierauf auch in seinem Urteil nicht näher eingehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
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AGH Hamm, Entscheidung vom 16.12.2011 - 1 AGH 47/11 - 9
BGH:
Beschluss v. 05.09.2012
Az: AnwZ (Brfg) 26/12
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