Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 26. November 2009
Aktenzeichen: 4b O 110/09

(LG Düsseldorf: Urteil v. 26.11.2009, Az.: 4b O 110/09)

Tenor

Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Mischer mit Bajonettbefestigungsmitteln, die Bajonettlaschen aufweisen,

zur Benutzung in Deutschland anzubieten oder zu liefern, die geeignet sind,

mit einer Mehrkomponentenkartusche mit Bajonettbefestigungsmitteln zu einer Austraganordnung verbunden zu werden,

wobei die Bajonettlaschen der Mischer in entsprechende Klauen des Ba-jonettbefestigungsmittels der Mehrkomponentenkartusche einführbar sind,

und wobei die Bajonettbefestigungsmittel an der Kartusche und die Bajo-nettbefestigungsmittel am Mischer Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit der Kartusche aufweisen;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 9. Juni 2004 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnun-gen, Liefermengen, Lieferzeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei die Beklagten der Klägerin die Rechnungen zu den Lieferungen in Kopie vorzulegen haben,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktion aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

- wobei den Beklagten vorhalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten seit dem 9. Juni 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 9.028,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2009 zu zahlen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Die Widerklage wird abgewiesen.

VI. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner siebzehn Achtzehntel und die Klägerin ein Achtzehntel.

VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

VIII. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Fa. A, die auf eine andere Gesellschaft zur Klägerin verschmolzen wurde, war ab dem 9. Juni 2004 Inhaberin des Europäischen Patents B (Anlage K 1, im Folgenden: Klagepatent), das in englischer Verfahrenssprache verfasst ist, und von dem eine deutsche Übersetzung beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE C (Anlage K 2) geführt wird. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme europäischer Prioritäten vom 7. März 1995 (D) und vom 24. August 1995 (D) am 24. November 1995 angemeldet und am 11. September 1996 offengelegt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 31. Oktober 2001 veröffentlicht. Das Klagepatent betrifft eine Bajonett-Anschlussvorrichtung zum Befestigen eines Zubehörteils an einer Mehrkomponenten-Kartusche oder Spendervorrichtung.

Anspruch1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:

"1. Austraganordnung, bestehend aus einem Mehrkomponentenaustraggerät oder einer Mehrkomponentenkartusche, insbesondere einer Zweikomponentenkartusche, mit ersten Bajonettbefestigungsmitteln, sowie einem Zubehörteil, insbesondere einem Mischer und/oder einem Verschlussmittel mit zweiten Bajonettbefestigungsmitteln, wobei eines der zwei Bajonettbefestigungsmittel Bajonettlaschen aufweist, welche in entsprechende Klauen des anderen Bajonettbefestigungsmittels einführbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass die ersten Bajonettbefestigungsmittel (16, 51) am Austraggerät bzw. an der Kartusche (12. 24, 35, 42, 75, 86, 109, 138, 162, 183, 210) und die zweiten Bajonettbefestigungsmittel am Zubehörteil bzw. am Mischer (1, 25, 38, 59; 61, 67, 71, 80; 101, 130, 155, 173, 214) Mittel zur codierten Ausrichtung des Zubehörs bzw. des Mischers mit dem Austraggerät bzw. der Kartusche aufweisen."

Nachstehende Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und erläutern die patentgemäße technische Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:

Figur 29 zeigt den Längsschnitt eines Mischers, der an einer (teilweise dargestellten) Kartusche in patentgemäßer Weise angebracht ist. Fig. 30 zeigt das Einlassende dieses Mischers. In Figuren 32 und 33 ist in entsprechender Weise für eine weitere Ausführungsform der Längsschnitt eines Mischers und dessen Einlassende gezeigt. Figur 36 schließlich ist die weitere Darstellung einer weiteren patentgemäßen Kartusche in der Draufsicht.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) sind, vertreibt in Deutschland Mischer mit Bajonettbefestigungsmitteln, welche ein Mischungsverhältnis 4:1 bewirken, und von denen ein Muster als Anlage K 8 zur Gerichtsakte gelangt ist (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagte zu 1) bewirbt die angegriffene Ausführungsform mit einem Prospekt unter dem Titel "E" (Anlage K 7). Nachstehend sind Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform aus diesem Prospekt als Ausschnitte und vergrößert wiedergegeben:

Die angegriffene Ausführungsform kann mit einer von der Klägerin vertriebenen Zweikomponentenkartusche verwendet werden, von welcher ein Muster als Anlage K 9 zur Gerichtsakte gereicht ist. Dabei kann die angegriffene Ausführungsform auf die Zweikomponentenkartusche der Klägerin aufgesetzt und durch einen Bajonettverschluss befestigt werden.

Nach rechts- und patentanwaltlicher Beratung mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 23. März 2009 (Anlage B 1) erfolglos zur Unterlassung ab, was die Beklagte zu 1) ihrerseits nach patentanwaltlicher Beratung mit Schreiben vom 31. März 2009 (Anlage B 2) ablehnte. Für die Erstellung des Abmahnschreibens wandte die Klägerin Rechts- und Patentanwaltshonorar in Höhe von 9.028,00 EUR auf; die Beklagte zu 1) wandte ihrerseits für das Antwortschreiben Patentanwaltshonorar in Höhe von 4.514,00 EUR auf.

Die Klägerin meint, durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzten die Beklagten das Klagepatent mittelbar. Die angegriffene Ausführungsform könne aufgrund des Umstandes, dass ihre Einlässe unterschiedlich groß sind und die Kartusche Auslässe in entsprechender, jeweils unterschiedlicher Größe aufweise, nur in einer einzigen Ausrichtung mit der Kartusche verbunden werden, nämlich in derjenigen, wie sie durch die Einlässe an der angegriffenen Ausführungsform und die Auslässe an der Kartusche bestimmt werde. Daher wiesen die Bajonettbefestigungsmittel an der Kartusche an der angegriffenen Ausführungsform Mittel zur codierten Ausrichtung der angegriffenen Ausführungsform mit der Kartusche auf. Ferner meint die Klägerin, die angegriffene Ausführungsform sei im Sinne von § 10 PatG geeignet und bestimmt, für die Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents verwendet zu werden, da die Beklagte - unstreitig - in ihrem Prospekt (Anlage K 7) darauf hinweist, hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform bestehe "Produktkompatibilität zu bestehenden Systemen".

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte im zuerkannten Umfange zu verurteilen,

und darüber hinausgehend die Beklagte zu verurteilen, die in Ziffer I.1. der Urteilsformel bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine mittelbare Verletzung des Klagepatents B in Deutschland erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, sowie die Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse entweder wieder an sich nimmt oder deren Vernichtung beim jeweiligen Besitzer veranlasst.

Die Beklagten beantragen widerklagend,

I. die Klage abzuweisen;

II. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte zu 1) 4.514,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Widerklageerhebung zu zahlen.

Hinsichtlich der Widerklage beantragt die Klägerin,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten, das Klagepatent mittelbar zu verletzen. Die angegriffene Ausführungsform könne in zwei Orientierungen auf eine Kartusche aufgesetzt werden, wobei die beiden Orientierungen um 180° zueinander versetzt seien. Eine codierte Ausrichtung der angegriffenen Ausführungsform an der Kartusche sei daher nicht möglich. Jedenfalls werde eine codierte Ausrichtung nicht durch die Bajonettbefestigungsmittel der angegriffenen Ausführungsform oder der mit dieser verwendeten Kartusche bewirkt. Die unterschiedliche Größe der Einlässe an der angegriffenen Ausführungsform (und damit korrespondierend der Auslässe an der Kartusche) müsse dabei außer Betracht bleiben. Zu den Bajonettbefestigungsmitteln seien gemäß der technischen Lehre des Klagepatents allein die Bajonettlaschen an dem einen Bauteil und die Bajonettklauen des anderen Bauteils zu rechnen sowie eventuelle Verbindungsbereiche zwischen diesen Elementen. Die Einlässe an der angegriffenen Ausführungsform und die Auslässe an der Kartusche seien indes nicht Teil der Bajonettbefestigungsmittel, sie lägen vielmehr entfernt von den Bajonettbefestigungsmitteln (Laschen und Klauen) und sprängen räumlich davon getrennt von einer Stirnwand vor. Auch werde die vom Klagepatent formulierte technische Aufgabe durch die angegriffenen Ausführungsform nicht gelöst. Gemäß dieser Aufgabenstellung müsse verhindert werden, dass die Einlässe des Mischers und die Auslässe der Kartusche in falscher Ausrichtung einander auch nur berühren könnten, nur so könne eine unerwünschte Querkontaminierung der Ein- und Auslässe verhindert werden. Bei falscher Ausrichtung der angegriffenen Ausführungsform auf einer Kartusche werde hingegen ein Aneinanderstoßen von Ein- und Auslässen nicht verhindert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und bis auf den geltend gemachten Anspruch auf Rückruf und Entfernung patentverletzender Erzeugnisse aus dem Vertriebsweg begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Zahlung von Schadensersatz gegen die Beklagten aufgrund mittelbarer Patentverletzung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9, 10, 139 Abs. 1 und 2, 140b PatG, 242, 259 BGB zu.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Bajonett-Anschlussvorrichtung zum Befestigen eines Zubehörteils an einer Mehrkomponenten-Kartusche oder Spendervorrichtung. Mehrkomponentenkartuschen, insbesondere Zweikomponentenkartuschen, finden beispielsweise Verwendung für den Einsatz zweier chemischer Komponenten, die zunächst getrennt voneinander aufzubewahren sind und erst bei ihrem Einsatz vermischt werden sollen, um eine chemische Reaktion einzugehen. Eine solche Kartusche weist für jede Komponente eine eigene Kammer und in dieser eine eigene Öffnung auf. Der mit der Kartusche zu verwendende Mischer wird mit der Kartusche dann in der Weise verbunden, dass die Komponenten aus den (beiden) Kammern durch die jeweiligen Öffnungen in den Mischer gelangen, dort vermischt werden und schließlich durch die Mischerspitze nach außen treten.

Aus dem Stand der Technik sind Mischer und Kartuschen mit Mitteln zur Befestigung des Mischers an der Kartusche bekannt. Beispielsweise offenbaren die F oder die G Mischer mit einem Bajonettverschluss mit zwei Laschen, welche durch Drehung in entsprechende Klauen der Kartusche eingeführt werden. Hieran kritisiert das Klagepatent es als nachteilig, dass die Drehbewegung einerseits zur gegenseitigen Verunreinigung der chemischen Komponenten an der Schnittstelle führt, weil die Komponenten von einer Öffnung zur anderen gelangen, so dass zwischen dem Mischer und der Kartusche eine unerwünschte Reaktion der Komponenten stattfindet, welche sogar zum Verstopfen der Kartuschenauslässe führen kann. Anderseits kann es erforderlich sein, Kartusche und Zubehörteil (beispielsweise den Mischer) in einer bestimmten Stellung zueinander auszurichten, etwa wenn die Öffnungen zwischen Kartusche und Mischer unterschiedliche Größen zur Erreichung bestimmter Mischverhältnisse haben, oder wenn der Mischer zur wiederholten Verwendung erneut aufgesetzt werden soll. In dieser Situation, namentlich bei der wiederholten Verwendung des Mischers, kann die Verunreinigung der Komponenten zur Verstopfung der Kartuschenauslässe führen.

Die H offenbart eine Mehrkomponentenkartusche mit einem Mischer, der mit einer Überwurfmutter an der Kartusche befestigt wird, indem die Überwurfmutter auf ein Außengewinde der Kartusche geschraubt wird. Eine Überwurfmutter gewährleistet aber zum einen keine Ausrichtung von Mischer und Kartusche zueinander. Zum anderen kritisiert das Klagepatent hieran, dass bei der unkorrekten Ausrichtung der beiden Teile zueinander eine Verunreinigung der Komponenten erfolgen kann, etwa wenn der Mischer beim Aufsetzen auf die Kartusche verkantet.

Das Klagepatent stellt sich vor diesem technischen Hintergrund die Aufgabe (Anlage K 2, Seite 3, Zeilen 7 bis 18), eine Bajonett-Befestigungsvorrichtung zum Anschluss eines Mischers, von Verschlussmitteln oder eines anderen Zubehörteils an einem Mehrkomponenten-Austragegerät, namentlich einer Zweikomponentenkartusche, zu schaffen, bei der die Ausrichtung der Einlässe des Zubehörteils relativ zu den Kartuschenauslässen in nur einer Stellung erfolgen kann, so dass gegenseitige Verunreinigungen vermieden werden.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Austrageanordnung bestehend aus

2. einem Mehrkomponentenaustragegerät oder einer Mehrkomponentenkartusche, insbesondere einer Zweikomponentenkartusche, mit ersten Bajonettbefestigungsmitteln,

3. sowie einem Zubehörteil, insbesondere einem Mischer und/oder einem Verschlussmittel, mit zweiten Bajonettbefestigungsmitteln,

4. wobei eines der zwei Bajonettbefestigungsmittel Bajonettlaschen aufweist, welche in entsprechende Klauen des anderen Bajonettbefestigungsmittels einführbar sind,

5. wobei die ersten Bajonettbefestigungsmittel am Austraggerät bzw. an der Kartusche und die zweiten Bajonettbefestigungsmittel am Zubehörteil bzw. am Mischer Mittel zur codierten Ausrichtung des Zubehörs bzw. des Mischers mit dem Austraggerät bzw. der Kartusche aufweisen.

II.

Die Beklagten verletzen durch das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents mittelbar, Art. 64 Abs. 1, 3 EPÜ, § 10 PatG.

Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich des Patentgesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

1.

Die angegriffene Ausführungsform ist ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Sie ist zudem objektiv dazu geeignet, sämtliche Merkmale des Klagepatents zu verwirklichen.

a)

Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Wesentlich ist ein Element der Erfindung regelmäßig bereits dann, wenn es - wie vorliegend - Bestandteil des Patentanspruchs ist (BGH, GRUR 2004, 758 - Flügelradzähler).

Die angegriffene Ausführungsform ist, wie zwischen den Parteien zu Recht unstreitig ist, ein Zubehörteil im Sinne von Merkmal 3 des Klagepatents, nämlich ein Mischer, welcher zweite Bajonettbefestigungsmittel aufweist. Somit ist sie Bestandteil des Patentanspruchs und ein wesentliches Element der Erfindung nach dem Klagepatent.

b)

Bei Verwendung der angegriffenen Ausführungsform an einer passenden Kartusche wird von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht. Dies steht zwischen den Parteien - zu Recht - außer Streit für sämtliche Merkmale außer dem Merkmal 5., auf welches sich die nachfolgende Erörterung beschränken kann.

aa)

Auch Merkmal 5. wird bei der genannten Verwendung der angegriffenen Ausführungsform mit einer passenden Kartusche verwirklicht. Gemäß diesem Merkmal müssen patentgemäß die Bajonettbefestigungsmittel an der Kartusche und die Bajonettbefestigungsmittel am Mischer Mittel zur codierten Ausrichtung des Mischers mit der Kartusche aufweisen. Unter einer codierten Ausrichtung versteht der Fachmann dabei - wie zwischen den Parteien auch nicht im Streit steht - eine solche räumliche Zuordnung von Kartusche und Mischer, dass diese in nur einer eindeutigen Weise zusammengefügt werden können, so dass die patentgemäße technische Aufgabe gelöst wird (Anlage K 2, Seite 3, Zeilen 13 bis 16), die Ausrichtung von Kartusche und Mischer in nur einer Stellung zu ermöglichen. In diesem Sinne weisen sowohl die angegriffene Ausführungsform als auch die mit ihr verwendete Kartusche Mittel auf, welche die Ausrichtung beider Bauteile zueinander codieren. Die angegriffene Ausführungsform kann in nur einer einzigen Ausrichtung relativ zur Kartusche auf diese aufgesetzt werden.

Sofern die Beklagten behaupten, angegriffene Ausführungsform und Kartusche könnten in zwei um 180° versetzten Ausrichtungen zusammengefügt werden, ist dies nicht mit der Ausgestaltung der Muster vereinbar, welche unstreitig Muster der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 8) und der mit dieser verwendeten Kartusche (Anlage K 9) sind: An diesen Mustern lässt sich durch praktische Überprüfung feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform in nur einer einzigen Stellung relativ zur Kartusche aufgesetzt werden kann. Nur in dieser einen Stellung passen erstens die männlichen Einlässe der angegriffenen Ausführungsform mit ihrem unterschiedlich großen Querschnitt in die weiblichen Auslässe der Kartusche. Zweitens können nur in dieser einen Stellung die an der himmelblauen, drehbar gelagerten Hülse ausgeführten Bajonettlaschen der angegriffenen Ausführungsform an den Bajonettklauen der Kartusche vorbeigeführt werden. Dreht man die angegriffene Ausführungsform aus dieser einen Stellung relativ zur Kartusche um 180° um ihre Längsachse, passen weder die Einlässe in die Auslässe, weil der große Einlass an den Rand des kleinen Auslasses stößt, noch lassen sich die Bajonettlaschen an den Bajonettklauen vorbeiführen: Auf der genannten himmelblauen drehbaren Hülse ist nämlich neben einer der beiden Bajonettlaschen eine Längsrippe ausgeführt. Wird versucht, die angegriffene Ausführungsform verkehrt herum, also um 180° gedreht relativ zur passenden Ausrichtung, auf die Kartusche aufzusetzen, so stößt diese Längsrippe auf die Oberkante einer der beiden Klauen. Ferner bewirkt die Anordnung der Längsrippe, dass bei einer leichten Drehung der himmelblauen Hülse zwar die Längsrippe an der Bajonettklaue vorbeigeführt werden kann, jedoch liegen dann aufgrund dieser leichten Drehung beide Bajonettlaschen sektoral abschnittsweise auf den Bajonettklauen auf. Anderes haben die Beklagten auch in mündlicher Verhandlung nicht anhand der Muster demonstrieren können: Sie haben im Rahmen einer Demonstration zunächst die Hülse um 180° gedreht und sodann die gesamte angegriffene Ausführungsform nochmals um weitere 180°. Das Ergebnis war, dass die Bajonettlaschen des Mischers zwischen die Klauen der Kartusche hindurchgeführt, nicht aber die Ein- und Auslässe ineinander gesteckt werden konnten. Auf diese Weise lassen sich Mischer und Kartusche also nicht bestimmungsgemäß miteinander verbinden.

bb)

Sowohl die angegriffene Ausführungsform als auch die Kartusche verfügen somit über Mittel zur codierten Ausrichtung beider Bauteile zueinander. Diese Mittel sind auf Seiten der angegriffenen Ausführungsform auch gemäß Merkmal 5. Elemente der Bajonettbefestigungsmittel. Zu den Bajonettbefestigungsmitteln gehören alle Elemente, die zu einer Verbindung beider Bauteile durch einen Bajonettverschluss beitragen. Dies umfasst nach fachmännischem Verständnis auch die als männliche Elemente ausgestalteten Einlässe der angegriffenen Ausführungsform. Dies folgt aus Sicht des Fachmanns zunächst aus dem allgemeinen Begriffsverständnis eines Bajonettverschlusses, von dem abzuweichen das Klagepatent insofern keinen Anhaltspunkt enthält. Eine Bajonettverbindung bzw. ein durch diese bewirkter Bajonettverschluss kombiniert eine axiale Steckbewegung mit einer radialen Drehbewegung. Durch die Komponente der axialen Steckbewegung werden die beiden zu verbindenden Teile aufeinander- oder ineinander gesteckt, gleichsam nach Art eines Bajonetts, das auf einen Gewehrlauf gesteckt wird. Diese axiale Bewegung stellt zunächst die Verbindung beider Bauteile her, die indes noch nicht gesichert ist. Beide Teile stecken lediglich aufeinander, sind also durch einen Reibschluss miteinander verbunden, der aber durch Aufbringung einer entsprechenden Grenzkraft wieder überwunden werden kann. Die weitere Komponente der radialen Drehbewegung sorgt erst für die Sicherung der Verbindung durch Herstellung eines Formschlusses: Elemente der beiden zu verbindenden Teile werden derart gegeneinander verdreht, dass sie sich gegenseitig hinterschneiden und einen Formschluss herstellen, der nicht mehr - oder nur unter Aufbringung einer äußerst hohen Kraft, die zur Zerstörung der sich hinterscheidenden Elemente führte - gelöst werden kann, es sei denn durch eine Umkehr der Drehbewegung.

Dieses Verständnis von einer Bajonettverbindung zwischen den beiden Bauteilen einer gattungsgemäßen Austrageanordnung ergibt sich auch aus der einleitenden Darstellung des Standes der Technik in der Beschreibung des Klagepatents (Anlage K 2, Seite 1, Zeilen 14 bis 31): Gattungsgemäß wird der Mischer auf die Kartusche aufgesetzt, also (zunächst) eine axiale Steckbewegung der beiden Teile aufeinander zu ausgeführt. Durch diese Steckbewegung ergibt sich das Problem, dass Ein- und Auslässe axial aufeinander zu bewegt werden, sich nahe kommen und dabei eine Kontamination droht, wenn ein Einlass in die Nähe des hierzu nicht passenden Auslasses gerät oder gar mit diesem in Berührung kommt. Ferner umfasst der gattungsgemäße Bajonettverschluss (sodann) eine Drehbewegung beim Anschluss des Mischers (Anlage K 1, Seite 1, Zeile 14 f.), bei der die mehreren Bajonettlaschen hinter entsprechende Bajonettklauen geführt werden.

Demnach gehören zu den Bajonettbefestigungsmitteln gemäß der technischen Lehre des Klagepatents zum einen die Ein- und Auslässe, sofern diese durch ihre Ausgestaltung zur axialen Steckbewegung beitragen, und zum anderen die Bajonettlaschen und -klauen, welche die radiale Drehbewegung und die Herstellung des Formschlusses durch Hinterschnitt bewirken.

In dieser Sichtweise wird der Fachmann im Übrigen auch durch die Erläuterung und Darstellung vorzugswürdiger Ausführungsbeispiele gestützt sowie durch die Unteransprüche, in denen diese Ausführungsbeispiele durch Rückbezug auf den Hauptanspruch unter Schutz gestellt werden. Die in Figuren 29 und 30 sowie in Figuren 32 und 33 dargestellten Ausführungsbeispiele zeigen einen Mischer, dessen (zwei) Einlässe in einer Steckbewegung mit den Auslässen der Kartusche zusammengefügt werden. Bei dieser Steckbewegung werden bei dem einen der beiden Ausführungsbeispiele (Figuren 32 und 33; Anlage K 2, Seite 21, Zeile 24 bis Seite 22, Zeile 12) die Einlässe des Mischers (118, 119) auf die Auslässe der Kartusche (126, 127) gestülpt, ehe die Bajonettlaschen des Mischers (121, 122) durch eine axiale Drehbewegung unter die Bajonettklauen der Kartusche gedreht werden. Umgekehrt werden bei dem anderen Ausführungsbeispiel (Figuren 29 und 30; Anlage K 2, Seite 20, Zeile 21 bis Seite 21, Zeile 17) männliche Einlässe des Mischers (104, 105) in weibliche Auslässe der Kartusche eingeschoben, bevor die Bajonettlaschen (107, 108) hinter die Bajonettklauen verdreht werden. Diese Ausführungsbeispiele zeigen demnach eine Kombination von Mischer und Kartusche, die durch eine Steckbewegung und eine darauffolgende Drehbewegung in der dargestellten Weise verbunden werden, um einen Bajonettbefestigung zu bewirken. Die Ein- und Auslässe sind dabei Elemente der Bajonettbefestigungsmittel, also der Mittel, die zur Herstellung der zweistufigen Bajonettverbindung beitragen.

Auch das in Figur 36 dargestellte und textliche erläuterte (Anlage K 2, Seite 24, Zeilen 12 bis 19) Ausführungsbeispiel belegt diese Sichtweise. Hiernach ist patentgemäß eine Kombination aus Kartusche und Mischer, bei der die Bajonettlaschen und die Bajonettfassungen (also die Bajonettklauen) ungefähr gleich breit sind, mithin eine Codierung nicht ermöglichen, so dass die Orientierung durch andere Codiermittel erfolgt, nämlich durch eine zwischen zwei Auslässen angeordnete T-förmige Erhebung und einer entsprechenden Einprägung am Mischer. Dieses Beispiel belegt, dass die Bajonettlaschen und -klauen als Codiermittel außer Betracht bleiben können, die patentgemäßen Bajonettbefestigungsmittel mithin nicht auf diese Elemente beschränkt sind.

Dies findet schließlich seinen Beleg in rückbezogenen Unteransprüchen: Gemäß Unteranspruch 3 bestehen die (gemäß Hauptanspruch 1 zu den Bajonettbefestigungsmitteln gehörenden) Mittel zur codierten Ausrichtung darin, dass der Mischer einen männlichen und eine weiblichen Einlass und die Kartusche einen passen weiblichen und einen passenden männlichen Auslass aufweist. Dieser Unteranspruch offenbart somit gerade die in bestimmter Weise ausgestalteten Ein- und Auslässe als Bajonettbefestigungsmittel, die Mittel zur codierten Ausrichtung aufweisen. Ferner bestehen gemäß Unteranspruch 4 die Mittel zur codierten Ausrichtung darin, dass der Mischer Einlässe unterschiedlicher Größe oder Querschnittsfläche und die Kartusche entsprechende Auslässe unterschiedlicher Größe oder Querschnittsfläche aufweist. Auch hiernach werden die in passender Weise zu dimensionierenden Ein- und Auslässe als Mittel zur codierten Ausrichtung und somit als patentgemäße Elemente der Bajonettbefestigungsmittel offenbart.

Demgegenüber greift der Einwand der Beklagten, die Durchschnittsfläche der Ein- und Auslässe sei allein dadurch bedingt, dass sie zur Vermeidung ungünstiger Druckverhältnisse dem Mischungsverhältnis der Komponenten angepasst werden müssten, nicht durch. Am Muster der Kartusche lässt sich erkennen, dass die Auslässe auf der Unterseite (vom unten offenen Ende der Kartusche her betrachtet) in beiden Kammern denselben Durchmesser haben. Der Durchmesser des Auslasses der größeren Kammer weitet sich lediglich auf der Außenseite auf, erkennbar mit dem Zweck, auf dieser dem Mischer zugewandten Seite nicht unerheblich unterschiedliche Durchschnittsgrößen zu gewährleisten.

cc)

Hiernach wird Merkmal 5. durch die Verwendung der angegriffenen Ausführungsform an einer Kartusche verwirklicht. Die Einlässe der angegriffenen Ausführungsform sind als männliche Einlässe unterschiedlich großen Durchschnitts ausgebildet, so dass sie nur in einer bestimmten Orientierung in die entsprechend dimensionierten weiblichen Auslässe der Kartusche eingeführt werden können. Ferner bewirkt die oben unter aa) dargestellte Längsrippe auf der himmelblauen drehbar gelagerten Hülse, dass nur in dieser einen Ausrichtung angegriffene Ausführungsform und Kartusche miteinander verbunden werden können. Damit weisen die Bajonettbefestigungsmittel im patentgemäßen Sinne zwei Elemente auf, welche die codierte, eindeutige Ausrichtung von angegriffener Ausführungsform und Kartusche zueinander bewirken: Erstens die Dimensionierung der männlichen Einlässe, zweitens die auf der drehbaren Hülse ausgeführte Längsrippe.

Sofern die Beklagten geltend machen, aufgrund der angegriffenen Ausführungsform könne es zu einer Berührung nicht zueinander gehöriger Ein- und Auslässe kommen, führt dies aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus. Zum einen ist die technische Aufgabenstellung des Klagepatents dahin formuliert (Anlage K 2, Seite 3, Zeilen 7 bis 18), dass die Ausrichtung und damit das axiale Ineinanderstecken der Einlässe und Auslässe zueinander in nur einer Stellung erfolgen kann. Es gehört nicht zur technischen Aufgabe, bereits jede Berührung von Ein- und Auslässen zu verhindern, wenngleich dies freilich den denkbar weitestgehenden Schutz von Kontaminierungen darstellen würde. Zum anderen wäre selbst dann, wenn man schon die Verhinderung der bloßen Berührung nicht zueinander gehöriger Ein- und Auslässe zur technischen Aufgabenstellung zählen wollte, der Schutzbereich des Klagepatents nicht auf solche Ausgestaltungen beschränkt, welche diese Aufgabe auch tatsächlich erfüllen. Eine Ausführungsform, die sämtliche Patentmerkmale wortsinngemäß verwirklicht, die Vorteile der patentgemäßen Lehre aber in nur unvollkommener Weise erreicht, unterfällt als sogenannte verschlechterte Ausführungsform gleichwohl dem Schutzbereich des Patents (BGH GRUR 1991, 436, 441f. - Befestigungsvorrichtung II; Schulte/Kühnen, a.a.O, § 14 Rn. 69 m.w.N.). Selbst wenn also die angegriffene Ausführungsform die vollständige Bewältigung der gesamten technischen Aufgabe des Klagepatents nicht erreichen könnte, würde ihre Kombination mit der Kartusche gleichwohl von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen, da hierdurch sämtliche Patentmerkmale einschließlich Merkmal 5. wortsinngemäß verwirklicht werden.

2.

Die subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung sind gegeben. § 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen und/oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Offensichtlichkeit ist dabei anzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falles die drohende Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts aus der objektivierten Sicht des Dritten so deutlich erkennbar ist, dass ein Angebot oder eine Lieferung unter diesen objektiven Umständen der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH, GRUR 2007, 679 - Haubenstretchautomat; OLG Düsseldorf, InstGE 9, 66 - Trägerbahnöse). Verlangt ist ein hohes Maß an Voraussehbarkeit der Bestimmung der Mittel zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung seitens der Angebotsempfänger oder Abnehmer der Mittel (BGH, GRUR 2001, 228 - Luftheizgerät; BGH, GRUR 2005, 848 - Antriebsscheibenaufzug). Kann das angebotene und/oder gelieferte Mittel ausschließlich patentverletzend verwendet werden, ist es im genannten Sinne offensichtlich zur Benutzung der geschützten Erfindung geeignet und bestimmt (BGH, GRUR, 2005, 858 - Antriebsscheibenaufzug).

Dies zugrundegelegt, ist vorliegend eine Offensichtlichkeit anzunehmen. Unstreitig gibt es keine andere wirtschaftlich sinnvolle Verwendung der angegriffenen Ausführungsform außer derjenigen, die aus den zur Gerichtskate gereichten Mustern der angegriffenen Ausführungsform und einer Kartusche (Anlage K 8 und K 9) ersichtlich ist, und durch die das Klagepatent verletzt wird.

III.

Aus der festgestellten Schutzrechtsverletzung ergeben sich die zuerkannten Klageansprüche:

1.

Die Beklagten sind den Klägerinnen gem. Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 10 PatG im tenorierten Umfang zur Unterlassung ihrer Angebots- und Vertriebshandlungen verpflichtet. Dabei war das von der Klägerin begehrte generelle und umfassende Vertriebsverbot ("Schlechthinverbot") auszusprechen. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform in wirtschaftlich sinnvoller Weise nur so eingesetzt werden kann, dass die Kombination aus angegriffener Ausführungsform und der mit dieser verwendeten Kartusche von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht.

Die Beklagten trifft beim Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsform ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätten sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schulden die Beklagten daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG.

Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagten hat, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, sind die Beklagten verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht haben die Beklagten außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 - Faltenbalg), hier nach Wahl der Klägerin Rechnungen in Kopie. Hinsichtlich der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger ist den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 - Glasscheiben-Befestiger; Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Aufl., Rn. 783).

Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten folgt, da die Beklagten - wie ausgeführt - schuldhaft gehandelt haben, aus § 139 Abs. 2 PatG. Auch die Aufwendungen für die berechtigte, wenngleich im Ergebnis erfolglose Abmahnung stellen einen zurechenbaren und ersatzfähigen Schadensposten dar. Die Klägerin durfte sich herausgefordert fühlen, eine Abmahnung in rechtsanwaltlichem und patentanwaltlichem Beistand auszusprechen, da die nicht fernliegende Möglichkeit bestand, auf diese Weise einen aufwendigen und kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat, lässt die Erforderlichkeit der Aufwendungen für die Abmahnung unberührt (vgl. Kühnen/Schulte, a.a.O., § 139 Rn. 205).

2.

Der (mit Klageantrag zu I.3. verfolgte) Anspruch auf Rückruf und endgültige Entfernung der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen besteht gemäß § 140a Abs. 3 PatG allerdings nicht. Der Anspruch auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen dient zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs gemäß § 140a Abs. 1 PatG und bezweckt ebenso wie dieser die Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen, die anhand (noch) im Verkehr befindlicher patentverletzender Gegenstände begangen werden könnten. So wie der Vernichtungsanspruch aus diesem Grunde sachlich allein gegen patentgeschützte Erzeugnisse oder zur Herstellung solcher Erzeugnisse dienender Materialen und Geräte (§ 140 Abs. 2 PatG) gerichtet ist und eine mittelbare Patentverletzung gemäß § 10 PatG deshalb keinen Vernichtungsanspruch auslöst (BGH GRUR 2006, 570 extracoronales Geschiebe; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 140a Rn.9), setzt dementsprechend auch der Rückruf- und Entfernungsanspruch ein Erzeugnis voraus, das Gegenstand eines Patents oder ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis ist, während ein Mittel zur Verwirklichung einer Patentverletzung gemäß § 10 PatG nicht genügt (Kammer, Urteil vom 24. September 2009, Az. 4b O 126/08; Schulte/Kühnen, a.a.O., § 140a Rn. 19). Der insoweit gebotene Gleichlauf von Vernichtungsanspruch einerseits und Rückruf- und Entfernungsanspruch andererseits ist mit Blick auf die Möglichkeit einer patentfreien Benutzung der als mittelbare Patentverletzung angegriffenen Ausführungsform gerechtfertigt: So wie sich der Eigentümer oder Besitzer der angegriffenen Ausführungsformen gegen den Vernichtungsanspruch unter Hinweis darauf verteidigen kann, ihm sei es unbenommen, die angegriffene Ausführungsform patentfrei ins Ausland zu liefern, gilt dies für die an der Vertriebskette Beteiligten. Auch sie können ihre womöglich bestehende ursprüngliche Absicht eines Vertriebs im Inland aufgeben und stattdessen ins Ausland liefern, so dass es nicht erforderlich ist, den Verletzer zu verpflichten, das Erzeugnis aus den Vertriebswegen zurückzurufen und endgültig zu entfernen.

IV.

Aus dem Ausgeführten folgt zugleich, dass die zulässige Widerklage unbegründet ist. Die Beklagten haben durch das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent mittelbar verletzt, so dass die Abmahnung durch die Klägerin mit Schreiben vom 23. März 2009 (Anlage B 1) berechtigt war und keinen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Beklagten darstellte.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Wert der Widerklage war bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht zu berücksichtigen, da der widerklagend geltend gemachte Zahlungsanspruch einerseits und die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche andererseits einander ausschließen.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 26.11.2009
Az: 4b O 110/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/e8ed1b995443/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_26-November-2009_Az_4b-O-110-09




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