Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 1. Juli 2011
Aktenzeichen: I-2 W 22/11
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 01.07.2011, Az.: I-2 W 22/11)
Tenor
I.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21. April 2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 4. April 2011 wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
III.
Der Beschwerdewert wird auf 800,00 € festgesetzt.
Gründe
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sich diese dagegen wendet, dass die Rechtspflegerin gegen sie auch die Kosten des Patentanwalts der Antragstellerin festgesetzt hat, ist nicht begründet.
I.
Die von der Antragstellerin angemeldeten Patentanwaltskosten sind gemäß § 143 Abs. 3 PatG erstattungsfähig, weshalb die Rechtspflegerin diese Kosten zu Recht in die Kostenfestsetzung einbezogen hat.
1.
Das vorliegende Verfügungsverfahren war eine Patentstreitsache im Sinne von § 143 Abs. 1 PatG.
Patentstreitsachen sind nach § 143 Abs. 1 PatG alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der im Patentgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird. Der Begriff ist anerkanntermaßen weit auszulegen (vgl. BGH, Mitt. 2011, 230; Benkard/Rogge/Grabinski, PatG/GebrMG, 10. Aufl., § 143 PatG, Rdnr. 1; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 143 Rdnr. 37 m. w. Nachw.). Zu den Patentstreitsachen zählen alle Klagen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder ist sonst wie mit einer Erfindung eng verknüpft sind (BGHZ 14, 72, 77 ff.; BGH, Mitt. 2011, 230). Hierzu können insbesondere Klagen gehören, deren Anspruchsgrundlage sich aus einem Patent oder einer nicht geschützten Erfindung ergibt (BGH, Mitt. 2011, 230). Aber auch Klagen, deren Anspruchsgrundlage sich nicht aus dem Patentgesetz ergibt, können unter den Begriff der Patentstreitsache fallen. Wie der Senat bereits in anderer Besetzung entschieden hat (Beschl. v. 17.04.1998 - 2 W 16/86, JurBüro 1986, 1904) ist namentlich die Klage auf Unterlassung unberechtigter Patentberühmung eine Patentstreitsache, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob über den Bestand oder Schutzumfang eines Patents gestritten wird. Dies entspricht - soweit ersichtlich - auch der überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Benkard/Rogge/Grabinski, a.a.O., § 143 PatG, Rdnr. 4; Mes, PatG/GebrMG, 2. Aufl., § 143 Rdnr. 4; Bühring, GebrMG, 7. Aufl., § 27 Rdnr. 9; Loth, GebrMG, § 27 Rdnr. 13; a. A. Radmann, Mitt. 2005, 150).
Wie der Senat in seinem früheren Beschluss ausgeführt hat, war maßgebendes Ziel für die Schaffung einer ausschließlichen Zuständigkeit für Patentstreitsachen durch das Patentgesetz von 1936 nach der amtlichen Begründung die Verbesserung der Rechtsprechung in Patentstreitsachen; die beteiligten Richter sollten aus dem bei ihnen zusammenfließenden Prozessstoff eines möglichst großen Bezirks die wünschenswerten Sonderkenntnisse und Erfahrung unter günstigeren Bedingungen gewinnen können als zuvor, und deshalb sollten sie unter Ausschluss aller anderen Gerichte allein über Patentstreitsachen entscheiden (BlPMZ 1936, 114 ff.). Diese Absicht des Gesetzgebers und die entsprechenden Erfahrungen waren für die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs maßgebend, den Begriff der Patentstreitsachen relativ weit auszulegen und damit den Anwendungsbereich der an diesen Begriff anknüpfenden Vorschriften möglichst weit zu halten. Auf die Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch allein im Patentgesetz kommt es danach nicht entscheidend an. Im Anschluss an die Entscheidungen RGZ 170, 226, 229 f. und BGHZ 8, 16, 18 ist der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 14, 72 zu der Definition gelangt, dass zu den Patentstreitsachen alle Klagen zählen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder sonst wie mit einer Erfindung eng verknüpft sind, wobei es - über die vorgenannten älteren Entscheidungen hinausgehend - nicht erforderlich ist, dass die Erfindung patentfähig ist. Nicht maßgebend ist nach der Entscheidung BGHZ 49, 99, 108, ob insoweit patentrechtliche oder technische Fragen in dem betreffenden Rechtsstreit eine Rolle spielen. Der Zusammenhang zwischen Erfindung und Klageanspruch muss nicht notwendig ein rechtlicher sein, eine "enge Verknüpfung" kann vielmehr auch durch rein tatsächliche Umstände hergestellt werden (Senat, JurBüro 1986, 1904, 1905).
Daran, dass der Begriff der Patentstreitsache grundsätzlich weit auszulegen ist, hat der Bundesgerichtshof in seiner unlängst ergangenen Entscheidung vom 22.02.2011 (X ZB 4/09, Mitt. 2011, 230) festgehalten. Er hat in dieser Entscheidung zwar darauf hingewiesen, dass ein Rechtsstreit nicht stets vor einer Zivilkammer eines für Patentstreitsachen zuständigen Landgerichts zu verhandeln ist, allein weil ein Patent zu dem den Streitgegenstand bildenden Sachverhalt gehört, denn eine solche Konstellation kann sich auch zufällig ergeben. Die damit verbundene, ohne eine Erforderlichkeitsprüfung zu tragende Kostenbelastung der unterlegenen Partei gemäß § 143 Abs. 3 PatG wäre allein mit einem Zufall nicht zu rechtfertigen. Bei Klagen, deren Anspruchsgrundlage sich nicht - entsprechend dem Wortlaut des § 143 PatG - aus dem Patentgesetz ergibt und bei denen das den Klagegrund bildende Rechtsverhältnis auch keine sonstige Regelung durch das Patentgesetz erfährt, sei deshalb der Sinn und Zweck der Zuständigkeit gemäß § 143 PatG zu beachten (BGH, Mitt. 2011, 230). Die Zuweisung einer Patentstreitsache an das hierfür zuständige Landgericht, bei dem regelmäßig nur bestimmte Spruchkörper mit Patentstreitsachen betraut werden, und die für Patentstreitsachen vorgesehene Mitwirkung von Patentanwälten sollten gewährleisten, dass sowohl das Gericht als auch die zur Vertretung einer Partei berufenen und die bei der Prozessvertretung mitwirkenden Anwälte über besonderen Sachverstand verfügen, um die technische Lehre einer Erfindung und die für ihr Verständnis und die Bestimmung ihrer Reichweite maßgeblichen tatsächlichen Umstände erfassen und beurteilen zu können. An dieser Rechtfertigung fehle es, wenn das den Streitgegenstand bildende Rechtsverhältnis ausschließlich Anspruchsvoraussetzungen und sonstige Tatbestandsmerkmale aufweise, für deren Beurteilung das Gericht und die Prozessvertreter der Parteien auch bei summarischer Betrachtung zweifelsfrei keines solchen Sachverstandes bedürften. In diesen Fällen könne deshalb, sofern das Rechtsverhältnis nicht entsprechend dem Wortlaut des § 143 PatG im Patentgesetz geregelt werde, die Zuweisung eines Rechtsstreits an das Patentstreitgericht weder auf den Sinn und Zweck dieser Vorschriften, noch auf die Zweckmäßigkeit einer prozessökonomischen Handhabung gestützt werden (BGH, a. a.O.). Dies steht der Einordung einer Klage auf Unterlassung unberechtigter Patentberühmung als Patentstreitsache jedoch nicht entgegen. Dass ausschließlich die einschlägig sachkundigen Patentstreitgerichte über Klagen auf Unterlassung unberechtigter Patentberühmung entscheiden, ist sachlich dringend geboten, weil es in derartigen Rechtsstreitigkeiten häufig nicht nur auf Fragen des Rechtsbestands von Patenten, die Schutzbedingungen für veröffentlichte Patentanmeldungen bzw. noch dem Einspruch unterliegenden Patenten ankommt, sondern bei Abweichungen zwischen dem Patentanspruch und der beworbenen Ausführungsform genau die gleichen technisch und patentrechtlich schwierigen Fragen der Bemessung des Schutzumfangs zu entscheiden sein können wie in einem Patentverletzungsprozess (Senat, JurBüro 1986, 1904, 1905).
Zu beachten ist darüber hinaus, dass bis zum Jahr 1936 der Anspruch auf Unterlassung einer unberechtigten Patentberühmung im damaligen § 40 PatG geregelt war und dass diese Anspruchsgrundlage im Patentgesetz 1936 nur weggelassen worden ist, weil sie durch die §§ 1 und 3 UWG a. F. entbehrlich geworden ist (vgl. Senat, JurBüro 1986, 1904, 1905 m. w. Nachw.). Hinzu kommt, dass gemäß § 146 PatG derjenige, der Gegenstände oder ihre Verpackung mit einer Bezeichnung versieht, die geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, dass die Gegenstände durch ein Patent oder eine Patentanmeldung geschützt seien, oder wer in öffentlichen Anzeigen, auf Aushängeschildern, auf Empfehlungskarten oder in ähnlichen Kundgebungen eine Bezeichnung solcher Art verwendet, verpflichtet ist, jedem, der ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Rechtslage hat, auf Verlangen Auskunft darüber zu geben, auf welches Patent oder auf welche Patentanmeldung sich die Verwendung der Bezeichnung stützt. Eine auf § 146 PatG gestützte Auskunftsklage ist wegen der patentrechtlichen Anspruchsgrundlage unzweifelhaft Patentstreitsache im Sinne von § 143 PatG (Benkard/Rogge/Grabinski, a.a.O., § 143 PatG, Rdnr. 4; Benkard/Ullmann, a.a.O., § 146 PatG, Rdnr. 18). Für eine nach Auskunftserteilung folgende Klage oder eine ohne Vorschaltung einer Auskunftsklage unmittelbar erhobene Klage wegen unberechtigter (wettbewerbswidriger) Patentberühmung kann schwerlich etwas anderes gelten (vgl. aber Benkard/Ullmann, a.a.O., § 146 PatG, Rdnr. 18, wonach eine solche Klage grundsätzlich keine Patentstreitsache sein soll).
Der Unterlassungsanspruch wegen unberechtigter Patentberühmung ist daher Patentstreitsache im Sinne von § 143 PatG. Darauf, ob tatsächlich Streit über den Bestand oder den Schutzumfang eines Patents besteht, kommt es hierbei nicht an (Senat, JurBüro 1986, 1904, 1905). Die Zuständigkeit für eine Klage muss allein nach ihrer Anspruchsgrundlage beurteilt werden und bei Eingang der Klage feststehen. Sie kann nicht von den Einwendungen des Beklagten abhängen. Ob über einen vom Kläger vorgebrachten Punkt gestritten werden wird, kann immer erst die Klageerwiderung zeigen, selbst wenn der Kläger aufgrund vorangegangener außerprozessualer Erklärungen des Beklagten vorgetragen hat, insoweit bestehe zwischen den Parteien kein Streit. Letzteres war vorliegend allerdings ohnehin nicht der Fall. Denn die Antragsgegnerin hatte hier - wie die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift vorgetragen hat - auf die Abmahnung der Antragstellerin nicht reagiert.
Letztlich geht auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass Klagen über die Berechtigung zur Werbung unter Hinweis auf eine eingetragene Marke Kennzeichenstreitsachen im Sinne von § 140 MarkenG sind (BGH, GRUR 2009, 888, 890 Tz. 24 - Thermoroll; zur Qualifikation von Klagen auf Unterlassung kennzeichenrechtlicher Schutzrechtsberühmung als Kennzeichenstreitsache siehe auch: OLG Nürnberg, Mitt. 1985, 97; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 140 Rdnr. 5 und 13; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 140 Rdnr. 5). Für Klagen auf Unterlassung unberechtigter Patentberühmungen kann nichts anderes gelten.
2. § 143 Abs. 3 PatG legt fest, dass die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Patentstreitsache entstandenen Kosten in Höhe der dem Rechtsanwalt nach § 13 RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis erwachsenen Gebühren zu erstatten sind. Auf die sachliche Notwendigkeit der Mitwirkung des Patentanwalts kommt es für die Erstattungsfähigkeit der Gebühren aufgrund der Regelung des § 143 Abs. 3 PatG nicht an; die für die Mitwirkung des Patentanwalts geschuldeten Gebühren sind in Patentstreitsachen erstattungsfähig, ohne dass zu prüfen wäre, ob und in welchem Umfang die Inanspruchnahme des Patentanwalts im Einzelfall notwendig war. Es sind also ohne Prüfung der Notwendigkeit der Zuziehung von beiden die Gebühren sowohl eines Rechtsanwalts als auch eines Patentanwalts erstattungsfähig. Entscheidend ist lediglich, ob der erstattungsberechtigten Partei durch die Mitwirkung des Patentanwalts eine Gebührenschuld entstanden ist, was hier außer Streit steht; ob der Patentanwalt im Rahmen seiner Mitwirkung auch technische oder patentrechtliche Fragen zu beantworten hatte, ist ohne Belang.
3.
Damit ist vorliegend neben der Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts der Antragsstellerin auch die Verfahrensgebühr für den auf Seiten der Antragstellerin mitwirkenden Patentanwalt zu erstatten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.
Dr. T. K. Dr. B. F
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 01.07.2011
Az: I-2 W 22/11
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