Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Mai 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 315/02
(BPatG: Beschluss v. 14.05.2003, Az.: 7 W (pat) 315/02)
Tenor
Das Patent 198 61 077 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2003, Beschreibung, Spalten 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2003, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift 198 61 077.
Gründe
I.
Die Erteilung des Patents 198 61 077 mit der Bezeichnung
"Gargerät mit Backofendichtung"
ist am 31. Januar 2002 veröffentlicht worden. Am 29. April 2002 ist gegen die Erteilung des Patents Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.
Zum Stand der Technik hat die Einsprechende im Verlauf des Verfahrens folgende Druckschriften genannt:
1. US-PS 3 587 557, 2. US-PS 4 163 444, 3. US-PS 3 782 360, 4. US-PS 2 823 660, 5. DE 94 09 895 U1, 6. EP 0 726 425 A1.
Die Einsprechende hat beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung 7 Patentansprüche mit drei Spalten Beschreibung vorgelegt, mit denen sie das Patent hilfsweise verteidigt. Sie hat beantragt, das Patent gemäß der Patentschrift mit der Änderung, daß es statt Gargerät Einbaugargerät heißt, beschränkt aufrechtzuerhalten, hilfsweise, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen gemäß Hilfsantrag (Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung Sp 1 bis 3) im übrigen (1 Bl Zeichnungen) gemäß der Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.
In der Patentschrift (Abs 0002) wird als Nachteil eines bekannten Gargerätes mit (nur) einer elastischen Dichtung zwischen dem Flansch der Backofenmuffel und der Ofentür angeführt, daß es im Betrieb des Gargerätes aufgrund unterschiedlicher thermischer Ausdehnungen der Backofenmuffel und der Backofentür trotz der thermischen Dichtung zu einem Spalt im Dichtungsbereich kommen kann, durch den warme Luft aus der Backofenmuffel gedrückt werden und die frontseitigen Seitenbereiche des Gargerätes unerwünscht aufheizen kann. Davon ausgehend soll die Aufgabe gelöst werden (Abs 0004), ein Einbaugargerät derart weiterzubilden, daß diese unerwünschte Aufheizung verringert ist.
In der Beschreibung ist außerdem noch im Hinblick auf die DE 94 09 895 U1 ausgeführt, daß daraus ein Ofen mit einer thermischen Dichtung zwischen der Innenseite der Ofentür und dem Gehäuse und mit einer weiteren außerhalb dieser Dichtung vertikal verlaufenden thermischen Dichtung bekannt sei (Abs 0003).
Zur Lösung der vorgenannten Aufgabe ist im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung beantragten Änderungen ein Einbaugargerät wie folgt spezifiziert:
"Einbaugargerät, insbesondere mit Mitteln zur pyrolytischen Selbstreinigung, dessen frontseitig offene Backofenmuffel mit einer Backofentür mit einer Frontplatte verschließbar ist, und mit einer zwischen einem Muffelflansch und einer Innenseite der Backofentür angeordneten thermischen Dichtung, die die Öffnung der Backofenmuffel bei geschlossener Tür umzieht, wobei jeweils seitlich außerhalb der thermischen Dichtung über zumindest einen Teil der Höhe des Muffelflansches eine thermische Zusatzdichtung an dem Muffelflansch gehaltert ist sowie zwischen dem Muffelflansch und der Backofentür im wesentlichen vertikal verlaufend angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusatzdichtung geringer beabstandet von der Frontplatte der Backofentür angeordnet ist als die thermische Dichtung und daß die Zusatzdichtung durch einen Luftkanal von der thermischen Dichtung getrennt angeordnet ist, der sich etwa über die Tiefe des Türbodens erstreckt".
Die Ansprüche 2 bis 7 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen das Einbaugargerät nach Anspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.
Bei unveränderter Aufgabe lautet der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag:
"Einbaugargerät, insbesondere mit Mitteln zur pyrolytischen Selbstreinigung, dessen frontseitig offene Backofenmuffel mit einer Backofentür mit einer Frontplatte verschließbar ist, und mit einer zwischen einem Muffelflansch und einer Innenseite der Backofentür angeordneten thermischen Dichtung, die die Öffnung der Backofenmuffel bei geschlossener Tür umzieht, wobei jeweils seitlich außerhalb der thermischen Dichtung über zumindest einen Teil der Höhe des Muffelflansches eine thermische Zusatzdichtung an dem Muffelflansch gehaltert ist sowie zwischen dem Muffelflansch und der Backofentür im wesentlichen vertikal verlaufend angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusatzdichtung geringer beabstandet von der Frontplatte der Backofentür angeordnet ist als die thermische Dichtung und daß die Zusatzdichtung durch einen Luftkanal von der thermischen Dichtung getrennt angeordnet ist, der sich etwa über die Tiefe des Türbodens erstreckt, daß das Einbaugargerät in seinem Gehäuse einen Kühllüfter aufweist und daß frontseitig seitlich außerhalb der Zusatzdichtungen Lüftungsöffnungen zum Ansaugen von Kühlluft und innerhalb der beiden Zusatzdichtungen sowie oberhalb außerhalb der thermischen Dichtung Ausblasöffnungen für die Kühlluft vorgesehen sind".
Die Ansprüche 2 bis 7 gemäß Hilfsantrag entsprechen den Ansprüchen 2 bis 7 gemäß Hauptantrag.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 2 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist unstreitig zulässig.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der Fassung gemäß Hauptantrag stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne des § 1 bis § 5 PatG dar.
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik zwar neu, was die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht mehr bestritten hat, er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der US-PS 4 163 444 ist ein Gargerät, nämlich ein Backofen, mit Mitteln zur pyrolytischen Selbstreinigung beschrieben, dessen frontseitig offene Backofenmuffel mit einer Backofentür mit einer Frontplatte verschließbar ist. Die Backofentür besteht aus mehreren Wänden. Zwei dieser Wände sind über eine Dichtung 86 dicht miteinander verbunden (Sp 3 Z 7 bis 9, Fig 3). Aus der Figur 2 entnimmt der Fachmann, als welcher hier ein Maschinenbauingenieur mit Erfahrungen in der Konstruktion von Backöfen anzusehen ist, daß die Dichtung 86 in einer rechtwinkligen Ausnehmung am Rand der Öffnung der Backofenmuffel (vgl Fig 1) anliegt. Zwar sind in der Figur 2 nur die beiden Schnittpunkte des dargestellten Schnittes mit der Dichtung zu sehen. Der Fachmann wird aber ohne weiteres davon ausgehen, daß die Dichtung bei geschlossener Backofentür ringsum an dem Rand der Öffnung der Backofenmuffel anliegt, um ein Austreten von heißer Luft aus der Backofenmuffel in den Bereich zwischen Muffelflansch und Backofentür zu verhindern.
An dem Muffelflansch ist eine weiter thermische Dichtung 100 befestigt. Diese weist vertikale Abschnitte auf, die sich über einen Teil der Höhe des Muffelflansches erstrecken, nämlich von dessen oberen Rand nach unten bis etwa in Höhe des unteren Randes der Öffnung der Backofenmuffel (Sp 3 Z 42 bis 45 iVm Fig 4). Die vertikalen Abschnitte der Zusatzdichtung 100 verlaufen seitlich außerhalb der vertikalen Abschnitte der Dichtung 86 (bei geschlossener Backofentür). Zwischen den benachbarten vertikalen Abschnitten der beiden Dichtungen ist jeweils ein Kanal gebildet, durch den Luft strömt (Bezugszeichen 106). Die Zusatzdichtung 100 verhindert den Austritt heißer Luft nach außen (Sp 3 Z 47 bis 49). Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nur dadurch vom Backofen gemäß der US-PS 4 163 444, daß es sich hier um ein Einbaugargerät handelt, daß die Zusatzdichtung geringer beabstandet von der Frontplatte der Backofentür angeordnet ist als die thermische Dichtung und daß sich der Luftkanal etwa über die Tiefe des Türbodens erstreckt.
Diese Unterschiede gehen jedoch über einfache konstruktive Abwandlungen des Bekannten nicht hinaus, die sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der vorgenannten Entgegenhaltung ergeben. Zwar handelt es sich beim Gegenstand der Entgegenhaltung um ein Standgerät. Für den Fachmann liegt aber auf der Hand, daß die dort vorgeschlagenen Maßnahmen zum Verhindern des Austritts heißer Luft seitlich zwischen Backofenmuffel und Backofentür ohne weiteres auch bei einem Einbaugargerät eingesetzt werden können.
Zur Auswirkung der Anordnung der Dichtungen in einem unterschiedlichen Abstand zur Frontplatte der Ofentür und der Erstreckung des Luftkanals über die Tiefe des Türbodens ist im angefochtenen Patent nichts ausgeführt. Der Fachmann wird einen gewissen Abstand zwischen den beiden Dichtungen vorsehen, um einen ausreichenden Querschnitt für den entstehenden Luftkanal zu gewährleisten und um die Zusatzdichtung in einem thermisch weniger beanspruchten Bereich anzuordnen. Ob der Luftkanal wie beim Gegenstand des angefochtenen Patents überwiegend in Richtung der Türtiefe oder wie beim Stand der Technik in Richtung der Türbreite verläuft, spielt keine erkennbare Rolle und ist Ergebnis routinemäßiger Überlegungen auf der Grundlage der konstruktiven Gegebenheiten.
3.2 Die Unterlagen gemäß Hilfsantrag sind zulässig.
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag enthält an seinem Ende zusätzlich die Merkmale, daß das Einbaugargerät in seinem Gehäuse einen Kühllüfter aufweist und daß frontseitig seitlich außerhalb der Zusatzdichtungen Lüftungsöffnungen zum Ansaugen von Kühlluft und innerhalb der beiden Zusatzdichtungen sowie oberhalb außerhalb der thermischen Dichtung Ausblasöffnungen für die Kühlluft vorgesehen sind. Diese Merkmale finden ihre Stütze in den Absätzen 0006, 0007, 00014 und 0017 der Beschreibung in Verbindung mit den Figuren, die bereits Bestandteil der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen waren. Laut Absatz 0006 ist die Anordnung der Zusatzdichtung besonders wichtig, wenn das Gargerät seine Kühlluft ua in den Seitenbereichen des Gargerätes frontseitig ansaugt. Laut Absatz 0007 ist die Erstreckung der Zusatzdichtung zumindest über das obere Viertel des Muffelflansches insbesondere dann günstig, wenn die frontseitig aus dem Muffelflansch ausgeblasene und erwärmte Kühlluft in die Seitenbereiche des Gargerätes strömen könnte. Aus diesen Ausführungen in Verbindung mit den Figurenbeschreibungen in den Absätzen 0014 und 0017 ergibt sich, daß insbesondere auch Einbaugargeräte mit durch einen Kühllüfter geförderten Kühlluftstrom, mit Belüftungsöffnungen seitlich außerhalb der Zusatzdichtungen und mit Ausblasöffnungen im oberen Teil des Muffelflansches zwischen den Zusatzdichtungen als zur Erfindung gehörend zu betrachten sind. Den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nur noch auf diese bevorzugte Ausführung zu richten, stellt eine zulässige Beschränkung des Patentbegehrens dar.
Die Ansprüche 2 bis 7 und die Beschreibung entsprechen den Unteransprüchen und der Beschreibung gemäß Hauptantrag.
3.3 Der Gegenstand des angefochtenen Patents in der hilfsweise verteidigten Fassung stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des § 1 bis § 5 PatG dar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist, wie die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auch nicht mehr bestritten hat, gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.
Außer durch die Anordnung der thermischen Dichtung und der Zusatzdichtung in unterschiedlichem Abstand zur Frontplatte der Backofentür und durch die Erstreckung des Luftkanals zwischen den Dichtungen etwa über die Tiefe der Backofentür (vgl Ausführungen zum Hauptantrag) unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag insbesondere dadurch von dem aus der US-PS 4 163 444 bekannten Backofen, daß ein Kühllüfter, Lüftungsöffnungen zum Ansaugen von Kühlluft seitlich außerhalb der Zusatzdichtungen und Ausblasöffnungen für die Kühlluft innerhalb der Zusatzdichtungen vorgesehen sind.
Diese Merkmale, nämlich eine rund um die Öffnung der Backofenmuffel verlaufende thermische Dichtung und je eine weiter außerhalb vertikal verlaufende Zusatzdichtung sowie Lüftungsöffnungen außerhalb der Zusatzdichtungen zum Ansaugen von Kühlluft und Ausblasöffnungen innerhalb der Zusatzdichtungen zum Ausblasen von Kühlluft sind auch aus keiner der übrigen Entgegenhaltungen bekannt. Diese Entgegenhaltungen mit Ausnahme der EP 0 726 425 A1 haben im übrigen in der mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr gespielt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Anregungen dazu, wie Dichtungen und Lüftungs- und Ausblasöffnungen für durch ein Kühlluftgebläse geförderte Kühlluft in gegenseitiger Zuordnung anzubringen sind, können die aufgezeigten Druckschriften mit Ausnahme der EP 0 726 425 A1 schon deswegen nicht geben, weil in ihnen keine Gargeräte mit Zwangskühlung beschrieben sind.
Die EP 0 726 425 A1 betrifft zwar ein Einbaugargerät mit Zwangskühlung, bei dem auch die Kühlluft ua durch Öffnungen im Flansch der Backofenmuffel angesaugt wird (Fig 3 Bezugszeichen 55). Dort wird aber die erwärmte Kühlluft durch den Griff der Backofentür nach außen vor die Frontseite der Backofentür ausgeblasen. Zudem ist nur eine thermische Dichtung zwischen der Backofentür und dem Flansch der Ofenmuffel vorgesehen. Diese Druckschrift vermittelt daher für sich dem Fachmann keine Anregung dafür, die erwärmte Kühlluft zwischen zwei Dichtungen in den Spalt zwischen dem Flansch der Ofenmuffel und der Backofentür einzublasen. Eine Anregung in dieser Richtung ergibt sich auch nicht aus einer Zusammenschau der EP 0 726 425 A1 mit der US-PS 4 163 444. Da bei letzterer die zwischen den vertikalen Abschnitten der Dichtungen aufsteigende warme Luft aus dem Zwischenraum zwischen dem Flansch der Ofenmuffel und der Backofentür durch Öffnungen oberhalb des Kochfeldes austritt, ist es nicht naheliegend, erwärmte Kühlluft von einem Kühlluftgebläse gerade in diesen Raum auszublasen, da sie unmittelbar danach aus diesem Raum wieder abzuführen wäre.
Bei dieser Sachlage hat das Patent mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag und den auf diesen rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 7 Bestand.
Köhn Dr. Franz Dr. Pösentrup Frühauf Hu
BPatG:
Beschluss v. 14.05.2003
Az: 7 W (pat) 315/02
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