Bundesgerichtshof:
Urteil vom 20. Dezember 2012
Aktenzeichen: X ZR 114/10
(BGH: Urteil v. 20.12.2012, Az.: X ZR 114/10)
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 27. April 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 836 573 (Streitpatents), das - unter Inanspruchnahme der Priorität einer schwedischen Patentanmeldung vom 3. Juni 1995 - am 29. Mai 1996 angemeldet wurde. Das Streitpatent umfasst drei Patentansprüche betreffend Verfahren zum Wärmekonservieren eines Behälters aus einem laminierten Verpackungsmaterial. Patentanspruch 1 hat in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut:
"Method for heat preserving a container made from a laminated packaging material which has at least one plastic layer and is filled with goods, the heat preservation being accomplished by means of heat and an external pressure which is maintained during the holding time of the preservation process, the container during a subsequent cooling time being subjected to an external supporting pressure, characterized in that the container made from a laminated packaging material, in which said at least one plastic layer consists of a plastic with memory, selected from the group including polyolefins, polyesters, polyamides, polyvinyl alcohols, polycarbonates, and acrylic polymers, during said holding time is pressurized to such an extent that said at least one plastic layer is concavely deformed and locked in the form obtained, and during said cooling time is subjected to such a supporting pressure that it retains its deformed shape."
Die Patentansprüche 2 und 3 sind unmittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen. 1 Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand der Patentansprüche nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und zudem gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei.
Das Patentgericht hat das Streitpatent wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig erklärt.
Dagegen wendet sich die Beklagte. Sie erstrebt weiterhin die Klageabweisung und verteidigt das Streitpatent außerdem mit fünf Hilfsanträgen.
Im Auftrag des Senats hat Prof. B. , Hochschule für ange- wandte Wissenschaften, M. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Zudem hat die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. K. , Hochschule E. , vorgelegt.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Wärmekonservierung eines Behälters aus einem laminierten Verpackungsmaterial.
In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, dass als Behälter für wärmekonservierte Erzeugnisse neben Dosen und Glasbehältern auch laminierte Einwegbehälter bekannt seien, die aus mehr als zwei miteinander verbundenen Schichten aufgebaut seien. Letztere hätten gegenüber Dosen den Vorteil, dass sie nicht aus teuren Rohmaterialien wie Stahl oder Aluminium hergestellt würden, und zeichneten sich gegenüber Glasbehältern darin aus, dass sie nicht stoßempfindlich seien.
Zudem wird erläutert, dass bei der Erwärmung eines geschlossenen, nichtflexiblen Behälters mit seinem Inhalt der Druck innerhalb des Behälters ansteige, weil sich der Behälterinhalt ausdehne und der Gasdruck des Wassers zunehme. Dieser Druckanstieg werde teilweise durch die Expansion des Behälters selbst kompensiert. Allerdings werde dieser während der Wärmebehandlung explodieren, wenn er vollständig gefüllt sei. Um dies zu vermeiden würden die Behälter nur zu etwa 95% ihres Volumens gefüllt, so dass ein zusätzlicher Raum oberhalb des Inhalts verbleibe. Der Wasserdampfdruck in dem Behälter werde vorher für die bei der Wärmebehandlung verwendete Temperatur berechnet. Zudem könnten die Partialdrücke der anderen Gase gesenkt werden, indem vor dem Abfüllen Luft aus dem Inhalt sowie vor dem Versiegeln Luft aus dem zusätzlich geschaffenen Raum des Behälters entfernt werde. 7 Dem Streitpatent liegt das technische Problem ("die Aufgabe") zugrunde, ein Verfahren zur Wärmekonservierung eines Behälters aus einem laminierten Verpackungsmaterial zur Verfügung zu stellen, das die genannten Nachteile nicht aufweist. Das soll nach Patentanspruch 1 wie folgt erreicht werden:
1. Das Verfahren dient zum Wärmekonservieren eines Behälters.
2. Der Behälter ist 2.1 aus einem Verpackungsmaterial hergestellt, 2.2 mit Inhalten gefüllt und 2.3 besteht aus wenigstens einer Kunststoffschicht.
3. Das Verpackungsmaterial ist laminiert.
4. Die Kunststoffschicht 4.1 besteht aus einem Kunststoff mit Formerinnerungsvermögen ("plastic with memory") und 4.2 ist aus der Gruppe bestehend aus Polyolefinen, Polyestern, Polyamiden, Polyvinylalkoholen, Polycarbonaten und Acrylpolymeren gewählt.
5. Die Wärmekonservierung wird durchgeführt 5.1 mittels Wärme und 5.2 bei einem äußeren Druck.
6. Während der Haltezeit des Konservierungsprozesses wird der äußere Druck 6.1 aufrechterhalten und 6.2 in derartiger Höhe ausgeübt, dass 11 6.2.1 die wenigstens eine Kunststoffschicht zu einer konkaven Form deformiert und 6.2.2 in der so erzeugten Form gesperrt wird.
7. Während der Abkühlzeit ist der Behälter einem derartigen äußeren Stützdruck ausgesetzt, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht ihre deformierte Form beibehält.
Das in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Wärmekonservierungsverfahren bezieht sich auf Behälter mit den in den Merkmalsgruppen 2 bis 4 bestimmten Eigenschaften. Dabei wird dem Fachmann, bei dem es sich um einen Ingenieur der Verpackungstechnik mit praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Verpackung von wärmekonservierten Stoffen handelt, in der Streitpatentschrift erläutert, dass unter einem Kunststoff mit Formerinnerungsvermögen ("plastic with memory"), aus dem die wenigstens eine Kunststoffschicht des laminierten Verpackungsmaterials bestehen soll, ein Polymermaterial zu verstehen ist, das bei einer geeigneten Temperatur deformiert wird und beim Abkühlen wieder seine ursprüngliche, nicht deformierte Form einnimmt (K1 Rn. 22). Diese Begriffsbestimmung ist für das fachliche Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre maßgebend und geht der allgemeinen Definition des Formerinnerungsvermögens ("memory effect") vor, soweit diese davon abweicht (Senat, Urteil vom 2. März 1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube), wie auch bereits das Patentgericht zutreffend erkannt hat.
Patentanspruch 1 gibt vor, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht des Behälters während der Haltezeit durch äußere Druckausübung zu einer konkaven Form deformiert wird. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt dies offen, ob die Oberfläche des Behälters im Ausgangszustand plan ist und die 12 Form eines Quaders hat. Etwa kann die Oberfläche auch konvex sein oder eine andere geometrische Form aufweisen, welche, wie etwa eine zylindrische Form, die Deformierung der wenigstens einen Kunststoffschicht und damit auch des Behälters durch äußere Druckausübung während der Haltezeit zu einer konkaven Form erlaubt. Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Beschreibung zum Stand der Technik beanstandet wird, dass Glasbehälter normalerweise in zylindrischer Form hergestellt würden und aus diesem Grunde nicht effektiv gelagert werden könnten (K1 Rn. 6). Auch zylindrisch geformte Behälter sind von der Ausübung der Verfahrenslehre nach Patentanspruch 1 umfasst. Entsprechend legt Patentanspruch 1 auch nicht fest, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht infolge der äußeren Druckausübung an allen Oberflächen des Behälters zu einer konkaven Form deformiert wird. Vielmehr ist es hinreichend, wenn, etwa bei einem zylindrisch geformten Behälter, die äußere Druckeinwirkung lediglich zu einer konkaven Deformierung des Boden- und/oder Deckelbereiches führt.
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Wärmekonservierung der genannten Behälter umfasst die Aufwärmzeit, die Haltezeit und die Abkühlzeit, wobei allein die beiden letztgenannten in Patentanspruch 1 erwähnt werden. Die Aufwärmzeit betrifft die Zeitspanne bis zur Erreichung der gewünschten Temperatur. Die Haltezeit ist die Zeit, in der die Temperatur auf einem konstanten Niveau gehalten wird und die Abkühlzeit ist die Zeit, in der die Temperatur mittels Kühlen des Autoklaven abgesenkt wird (vgl. K1 Rn. 29). Während der Haltezeit wird erfindungsgemäß ein äußerer Druck in derartiger Höhe auf den Behälter ausgeübt, dass sich die wenigstens eine Kunststoffschicht zu einer konkaven Form deformiert (Merkmal 6.2.1), sich also nach innen ausbeult. 14 Patentanspruch 1 schreibt nicht vor, dass die Ausübung des äußeren Drucks, der zur Deformation der wenigstens einen Kunststoffschicht zu einer konkaven Form führt, bereits zu Beginn der Haltezeit einsetzen muss. Daher ist es gleichermaßen möglich, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht am Anfang der Haltezeit eine andere, etwa eine konvexe Form annimmt, und erst im weiteren Verlauf der Haltezeit aufgrund der dann erst einsetzenden Ausübung äußeren Drucks zu einer konkaven Form deformiert wird. Dieses Verständnis wird durch die Beschreibung eines Ausführungsbeispiels in der Streitpatentschrift gestützt, wo gleichfalls offen bleibt, ob die erhöhte Druckausübung schon zu Beginn oder erst zu einem späteren Zeitpunkt der Haltezeit einsetzt (K1 Rn. 30). Zudem könnte die Beschreibung eines insoweit konkreter fesgelegten Ausführungsbeispiels auch nicht zu einer Einschränkung der im Anspruch weiter gefassten Verfahrenslehre führen (BGH, Urteil vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 210 - bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).
Die zu einer konkaven Form deformierte wenigstens eine Kunststoffschicht soll während der Haltezeit gesperrt ("locked") werden (Merkmal 6.2.2). Damit ist gemeint, dass die während der Haltezeit erzeugte konkave Form der wenigstens einen Kunststoffschicht für den Rest der Haltezeit gehalten wird (GA 12 f.). Dieses "Sperren" der Form ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass die wenigstens eine Kunststoffschicht auch in der anschließenden Abkühlzeit ihre konkave Form beibehalten kann, indem während der Abkühlzeit auf den Behälter ein äußerer Stützdruck ausgeübt wird (Merkmal 7). Der Senat tritt damit nicht der Ansicht des Patentgerichts bei, wonach unter dem erfindungsgemäßen Begriff des "Sperrens" das "Einfrieren" am Ende der am Ende der Haltezeit erreichten (konkaven) Form der wenigstens einen Kunststoffschicht zu verstehen sei. Im Rahmen der Lehre aus Patentanspruch 1 wird dieses "Einfrieren" vielmehr erst in Merkmal 7 bewirkt, während Merkmal 6.2.2 allein das Bei-15 behalten ("Sperren") der nach Merkmal 6.2.1 erzeugten konkaven Form für den Rest der Haltezeit betrifft (vgl. auch GA 12).
II. 1. Das Patentgericht hat angenommen, dass das beanspruchte Verfahren neu sei.
Die veröffentlichte europäische Patentanmeldung 115 380 A1 (D1) betreffe Verfahren zum Verpacken von Lebensmitteln, insbesondere ein Verfahren zum Wärmekonservieren von Lebensmitteln in Behältern. Die Wärmekonservierung erfolge mittels Wärme und in einem Autoklaven. Sie werde bei einem äußeren Druck durchgeführt, der während der Haltezeit des Konservierungsprozesses aufrechterhalten werde. In Tabelle IV der D1 sei angegeben, dass die Wärmekonservierung während der Haltezeit ("cooking cycle") bei einer maximalen Temperatur von 116¡ C und einem Druck von 0,69 bar erfolge. Da dem Fachmann das Wertepaar der Temperatur von 116¡ C und des Drucks von 0,69 bar geläufig sei, erkenne er es ohne weiteres als der Dampfdruckkurve von Wasser zugehörig. Der angegebene Druck sei der Überdruck bei der zugehörigen Temperatur im Autoklavenbetrieb. Auf die Behälter werde während der sich an die Haltezeit anschließenden Abkühlzeit ein äußerer Stützdruck ausgeübt. Der Tabelle IV seien Druckwerte von 1,03 und 1,72 bar zu entnehmen, die in der Abkühlzeit aufrechterhalten würden. Nach Fußnote 2 geschehe dies bis zum Erreichen einer Temperatur des Behälterinhalts von 71¡ C. Die Behälterwände bestünden bevorzugt aus einem laminierten Verpackungsmaterial, das wenigstens eine Kunststoffschicht aufweise, und könnten eine Kunststoffschicht aus Polypropylen umfassen. Die Behälter verfügten somit wenigstens über eine Kunststoffschicht aus einem Kunststoff mit Formerinnerungsvermögen. Während der Abkühlzeit werde die Kunststoffschicht nach Unterschreiten der Erweichungstemperatur so gesperrt, dass nach der Behandlung eine Behälterform 17 vorliege, wie in Figur 1H der D1 gezeigt. Die Merkmale 6.2.1 und 7 seien in der D1 hingegen nicht offenbart.
Aus der veröffentlichten japanischen Patentanmeldung Sho 56-41136 (D3, mit deutscher Übersetzung) sei ebenfalls ein Verfahren zum Wärmekonservieren eines Behälters bekannt, der mit Inhalten gefüllt sei. Es kämen quaderförmige Behälter aus einem laminierten Verpackungsmaterial zum Einsatz. Das Verpackungsmaterial weise wenigstens eine Kunststoffschicht auf. Zu Verformungen während der Behandlung oder als Ergebnis der Behandlung fänden sich in der Entgegenhaltung keine Angaben. Die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 des Streitpatents sei auch gegenüber den weiteren Vorveröffentlichungen gegeben.
2. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht jedoch nach den weiteren Ausführungen des Patentgerichts nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Durch die Erfindung solle ein Verfahren zum Wärmekonservieren, vorzugsweise mittels feuchter Hitze, eines aus Verpackungs-Laminat hergestellten und mit Inhalten gefüllten Behälters angegeben werden, das die zuvor in der Beschreibung erwähnten Nachteile (vgl. oben unter I) nicht aufweise.
Die D1 befasse sich mit der Sterilisation von Behältern mit Inhalten, bei denen in der Haltezeit der Gesamtinnendruck im Behälter den Druck der Behandlungsapparatur bzw. des Autoklaven übersteige. Dadurch komme es am Ende der Haltezeit zu einer Auswölbung des Behälters nach außen. Diese Auswölbung des Behälters nach außen werde nach der Lehre der D1 gezielt zugelassen, um durch die damit einhergehende Volumenvergrößerung des Behälters dem Druckanstieg in seinem Inneren zu begegnen. Die Entgegenhal-19 tung gebe die Anweisung, den Druck im Autoklaven während der Abkühlzeit so einzustellen, dass nach der Abkühlung von Behälter und Inhalt keine unerwünschte Verformung verbleibe. Der Druck müsse einerseits ausreichend groß sein, damit ein während der Haltezeit nach außen ausgewölbter Bodenbereich des Behälters gezielt nach innen zurückgebogen werde ("reforming of the container"), vgl. Figur 1H. Er dürfe andererseits eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten, damit eine Veränderung der Seitenwand, wie in z.B. in Figur 1E gezeigt, vermieden werde. Die D1 zeige dem Fachmann, wie sowohl die am Ende der Haltezeit bestehende Form der Behälterwände beibehalten und damit ein Eindellen derselben vermieden werde könne, als auch, wie sich der eingewölbte Boden des Behälters ohne "rocker bottom" entsprechend der ursprünglichen Form wieder einstellen lasse.
Der Fachmann erhalte somit aus der D1 die Lehre, dass durch gezielte Ausübung des Drucks im Autoklaven während dessen Abkühlung die endgültige Form des Behälters beeinflusst werden könne. Habe der Fachmann einen Behälter mit einem eingefüllten Produkt in einem Wasserdampf-Autoklaven zu sterilisieren, bei dem am Ende der Haltezeit - bei der dann herrschenden Temperatur des Inhalts - aufgrund der Eigenschaft des Produkts ein niedrigerer Behälterinnendruck als der im Autoklaven herrschende Dampfdruck des Wassers vorliege, ergebe sich zwangsläufig, dass die Behälterwandung bzw. die wenigstens eine Kunststoffschicht zu einer konkaven Form deformiert werde. Wolle der Fachmann die zum Ende der Haltezeit der Wärmebehandlung im Autoklaven vorliegende konkave Form des Behälters und der wenigstens einen Kunststoffschicht beibehalten, lehre ihn die D1, dafür den Druck im Autoklaven in der Abkühlzeit gezielt so einzustellen, dass die am Ende der Haltezeit bestehende Form von Wandungsteilen des Behälters unverändert aufrechterhalten bleibe. 23 Das beanspruchte Verfahren habe sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus der D1 in Verbindung mit dessen Fachwissen ergeben.
III. Die Angriffe der Berufung gegen diese Entscheidung bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Ob es dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung an der Neuheit fehlt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Er ist jedenfalls deshalb nicht patentfähig, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus der D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Wissen und Können des Fachmanns ergeben hat und deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Wie bereits das Patentgericht zutreffend erkannt hat, befasst sich die D1 mit der Verbesserung von Verfahren zum Wärmekonservieren von Kunststoffbehältern (D1, S. 1, Z. 3 ff.), insbesondere laminierten Kunststoffbehältern mit zumindest einer Schicht aus der Gruppe der Polyolefine (D1, S. 12, Z. 6 ff.) und damit von Behältern im Sinne der Merkmalsgruppen 2 bis 4 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung.
Dabei geht die Vorveröffentlichung davon aus, dass die Kunststoffbehälter unter den thermischen Behandlungsbedingungen dazu neigen, sich derart zu verformen, dass an den Seitenwänden Dellen ("bucklings") und/oder an den Bodenwänden Auswölbungen ("bulgings") oder "Wippböden" ("rockerbottoms") entstehen. Derartige Verformungen seien unerwünscht, weil sie unansehnlich seien, das Stapeln der Behälter behinderten und vom Verbraucher als Anzeichen für einen möglicherweise verdorbenen Lebensmittelinhalt angesehen werden könnten (D1, S. 2, Z. 4 ff.). 24 Ein Grund für die genannten unerwünschten Verformungen liegt nach der D1 darin, dass während der thermischen Behandlung der (Innen-)Druck in dem Behälter den (Außen-)Druck im Autoklaven übersteigt (D1, S. 2, Z. 12 ff.), wobei die disproportionale Erhöhung des Innendrucks im Behälter insbesondere auf einen erwärmungsbedingten Anstieg der Luft oder anderer Gasen im Kopfraum des Behälters oder auf die Wärmeausdehnung des Produkts zurückzuführen ist (D1, S. 3, Z. 5 ff.).
Eine bekannte Abhilfemaßnahme sei es, dafür zu sorgen, dass der Außendruck immer den Innendruck übersteige. Das herkömmliche Mittel dafür sei eine Behandlung des gefüllten Behälters in einem Wassermedium mit einem Luftüberdruck, der ausreichend sei, um den Innendruck auszugleichen. Entsprechend würden Nahrungsmittel behandelt, die in den allgemein bekannten "Retort-Beutel" gepackt seien. Der wesentliche Nachteil dieser Lösung bestehe darin, dass eine Wärmeübertragung in einem Wassermedium nicht so wirksam sei wie in einer Dampfatmosphäre (D1, S. 2, Z. 12 ff.).
Durch die D1 sollen demnach die Konfiguration der Kunststoffbehälter nach der thermischen Behandlung verbessert und insbesondere Auswölbungen des Bodens oder Dellen in den Seitenwänden vermieden werden (D1, S. 4, Z. 20 ff.).
Hierzu offenbart die D1 für ein Verfahren zur Wärmekonservierung von Kunststoffbehältern, die mit Nahrungsmitteln gefüllt sind, neben der Möglichkeit, den Behälter vor dem Füllen zu schrumpfen (D1, Patentanspruch 1), auch die Möglichkeit, den Behälter umzuformen, um eine annehmbare Behälterkonfiguration zu erreichen (D1, Patentanspruch 3), wobei die Umformung insbesondere - wie in Merkmal 6.2 vorgesehen - durch Aufrechterhalten eines Drucks au-28 ßerhalb des Behälters erreicht werden soll, der den Innendruck innerhalb des Behälters übersteigt (D1, Patentanspruch 6).
Dass die konkave Umformung eines Kunststoffbehälters durch Ausübung eines äußeren Drucks während der Haltezeit des Konservierungsprozesses jedenfalls im Bodenbereich erfolgt, entnimmt der Fachmann den Erläuterungen zu zwei in Tabelle IV der D1 dargestellten Versuchsreihen. Danach wurden jeweils mehrere warmgeformte und mit Wasser gefüllte Kunststoffbehälter thermisch unter einer Dampfatmosphäre von 240¡ F (116¡ C) während 15 Minuten behandelt. Am Ende des thermischen Sterilisationsprozesses, aber noch vor Einleiten des Kühlwassers und damit noch in der Zeit, in der die Temperatur auf einem konstanten Niveau gehalten wurde, wurde in der zweiten Versuchsreihe der Außendruck auf die Behälter so erhöht (nämlich von 0,69 auf 1,72 bar statt - wie in der ersten Versuchsreiche - von 0,69 auf nur 1,03 bar, vgl. D1, S. 24, Z. 4 ff.), dass die aufgrund von Umformung erhaltenen Behälter keine "Wippböden" ("rockerbottoms") oder "Seitendellen" ("sidewall panelling" mehr hatten (D1, S. 24, Z. 8 ff., vgl. auch S. 23, Z. 22 ff.). Aus fachlicher Sicht folgt daraus, dass die Kunststoffbehälter bzw. die wenigstens eine Kunststoffschicht durch die erhöhte Druckausübung im Bodenbereich zu einer konkaven Form deformiert wurden und die so erzeugte Form bis zum Beginn des Abkühlens und damit bis zum Ende der Haltezeit "gesperrt" waren (vgl. auch GA, S. 8).
Dem steht nicht entgegen, dass sich die Kunststoffbehälter, nachdem sie unter einer Druckatmosphäre von 240¡ F (116¡ C) behandelt wurden, im Bodenbereich zunächst nicht konkav, sondern konvex verformt hatten, weil der äußere Druck auf lediglich 0,69 bar eingestellt war. Denn wie oben erläutert, verlangt die Verfahrenslehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht, dass die Deformierung der Kunststoffschicht zu einer konkaven Form bereits 32 am Anfang der Haltezeit erfolgt. Möglich ist es vielmehr auch, dass sich während des Zeitraums, in welchem die Temperatur konstant gehalten wird, zunächst eine konvexe und dann erst eine konkave Form herausbildet, weil nicht von Anfang an, sondern erst im weiteren Verlauf der Haltezeit ein hinreichend erhöhter äußerer Druck auf den Behälter ausgeübt wird.
Dass die durch Ausübung äußeren Drucks erlangte Umformung eine Deformation zu einer konkaven Form darstellt, folgt aus Fußnote 4 zur Tabelle IV, wonach alle Behälter eine Bodenausweitung nach innen - mithin eine konkave Form - zwischen 3,05 und 6,22 mm aufgewiesen haben (D1, S. 26, Z. 1 ff.). Eine konkave Ausgestaltung ist zudem Figur H der D1 zu entnehmen, welche nach den Erläuterungen der Beschreibung die gewünschte Behälterkonfiguration nach der thermischen Behandlung und dem Umformen des Behälters darstellen soll (D1, S. 14, Z. 11 ff.).
In Fußnote 2 zur Tabelle IV wird schließlich erläutert, dass der auf den Behälter ausgeübte gesteigerte äußere Druck (im zweiten Ausführungsbeispiel 25 p.s.i.g) während der Abkühlung aufrechterhalten wurde, bis der Behälterinhalt auf 160¡ F (71¡ C) abgekühlt war. Aus Sicht des Fachmanns folgt daraus, dass der Kunststoffbehälter in der Zeit, in der er bis auf 160¡ F (71¡ C) abgekühlt wurde, - entsprechend Merkmal 7 des Streitpatents - einem derartigen äußeren Stützdruck ausgesetzt wurde, dass der Kunststoffbehälter bzw. wenigstens eine Kunststoffschicht ihre deformierte Form beibehielt.
Nach alledem werden die Merkmale 5 bis 7 durch die Beschreibung der zweiten Versuchsreihe aus Tabelle IV der D1 offenbart.
Allerdings weist die Beklagte darauf hin, dass der für den zylinderförmigen Kunststoffbehälter der D1 vorgesehene Deckel nicht aus einem laminierten 34 Material bestehe, sondern einen Endverschluss aus Metall aufweise. Zutreffend ist insoweit, dass in der Entgegenhaltung Kunststoffbehälter beschrieben werden, die nach dem Befüllen mit Metallendverschlüssen versehen wurden, bevor sie wärmekonserviert wurden (D1, S. 26, Z. 18 und 20; S. 27, Z. 15; vgl. auch S. 16, Tabelle I, vierter Wert: "... metal end wall"). Allerdings wird dies in der Beschreibung allein in Zusammenhang mit anderen als die in Tabelle IV dokumentierten beiden Versuchsreihen erwähnt. Hinsichtlich der in Tabelle IV dokumentierten Versuchsreihen werden die Behälter in der Beschreibung der D1 allein als Kunststoffbehälter bezeichnet, ohne dass die Materialbeschaffenheit der Deckel weiter spezifiziert wird (vgl. D1, S. 23, Z. 12 ff.; S. 24, Z. 4 ff.). Das lässt es zumindest offen, ob auch bei diesen, dem Verfahrensablauf der Merkmale 5 bis 7 entsprechenden Versuchsreihen die ansonsten aus Kunststoff bestehenden Behälter Metallendverschlüsse aufwiesen.
Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass aus Sicht des Fachmanns auch die in Tabelle IV dokumentierten Versuchsreihen mit Kunststoffbehältern durchgeführt worden sind, die Metallendverschlüsse aufgewiesen haben, beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Es war nämlich aus Sicht des Fachmanns naheliegend, das ihm in der Beschreibung der D1 in Zusammenhang mit der zweiten Versuchsreihe aus Tabelle IV offenbarte Konservierungsverfahren auch auf Behälter anzuwenden, die ausschließlich aus einem laminierten Verpackungsmaterial mit wenigstens einer Kunststoffschicht mit Formerinnerungsvermögen hergestellt waren. Eine entsprechende Anregung konnte er der D1 entnehmen, in der Behälter für thermische Konservierungsverfahren allgemein als geeignet bezeichnet werden, die aus mehrschichtigen Laminatstrukturen bestehen, wobei diese insbe-38 sondere auch aus Polyolefinen bestehen können (D1, S. 12, Z. 6 ff.). Aus fachlicher Sicht sprach danach alles dafür, dass das in Tabelle IV dokumentierte Konservierungsverfahren auch mit solchen ausschließlich aus Kunststoff hergestellten Behältern durchgeführt werden kann.
2. Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von der erteilten Fassung dadurch, dass der Behälter aus einem laminierten Verpackungsmaterial, mit dem das erfindungsgemäße Verfahren zum Wärmekonservieren ausgeübt wird, "quaderförmig" ausgestaltet sein soll.
Der Gegenstand des derart ergänzten Patentanspruchs 1, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab. Zwar sind in der D1 als besonders geeigneter Gegenstand für die dort beschriebenen Verpackungsverfahren zylindrische Kunststoffbehälter genannt (vgl. etwa D1, S. 7, Z. 17; Patentanspruch 18) und in den Figuren (etwa Figuren 1A bis 1F) gezeigt. In Zusammenhang mit Wärmekonservierungsverfahren waren dem Fachmann jedoch neben zylindrischen auch quaderförmige Kunststoffbehälter bekannt, wie auch aus Figur 1 der D3 hervorgeht und vom gerichtlichen Sachverständigen im Verhandlungstermin bestätigt wurde. Aufgrund seines Fachwissens erschloss es sich ihm daher ohne weiteres, dass das in der D1 offenbarte Umformungsverfahren zur Vermeidung von Auswölbungen in den Behälterwänden gleichermaßen auf quaderförmige Kunststoffbehälter angewendet werden kann.
3. Patentanspruch 1 in der Fassung der weiteren Hilfsanträge unterscheidet sich von der Fassung des ersten Hilfsantrags dadurch, dass der quaderförmige Behälter, mit dem das erfindungsgemäße Verfahren zum Wärmekonservieren ausgeübt wird, zusätzlich durch Falten eines laminierten Verpa-40 ckungsmaterial hergestellt worden sein soll (zweiter Hilfsantrag), zusätzlich eine plane Oberfläche aufweisen soll (dritter Hilfsantrag), zusätzlich das Verpackungsmaterial in Form eines Blattes vorliegen soll (vierter Hilfsantrag) und schließlich zusätzlich die Grundschicht ein Material umfassen soll, bei dem es sich um Pappe oder Papier handelt (fünfter Hilfsantrag).
Auch ein in den vorgenannten Fassungen zulässigerweise ergänzter Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil es sich für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres ergab, dass das in der D1 offenbarte Umformungsverfahren auch auf einen quaderförmigen Behälter angewendet werden kann, der die vorgenannten zusätzlichen Eigenschaften aufweist.
Das gilt nach den Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen insbesondere auch für Behälter nach Patentanspruch 1 in der Fassung des fünften Hilfsantrags, die zusätzlich eine Grundschicht aus Papier oder Pappe aufweisen. Es lag im allgemeinen Wissen des Fachmanns, dass auch derartige Behälter bei entsprechender Ausgestaltung für das erfindungsgemäße Konservierungsverfahren mit hoher Hitzeeinwirkung verwendet werden können. 43 IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. §§ 91, 97 ZPO.
Keukenschrijver Grabinski Bacher Hoffmann Schuster Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.04.2010 - 1 Ni 47/08 (EU) - 45
BGH:
Urteil v. 20.12.2012
Az: X ZR 114/10
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