Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 2. November 2005
Aktenzeichen: 5 U 44/05
(OLG Hamburg: Urteil v. 02.11.2005, Az.: 5 U 44/05)
1. Zur wettbewerblichen Zulässigkeit der Laienwerbung nach neuem UWG
2. Die VDZ-Wettbewerbsregeln stellen eine den Wettbewerb regelnde Absprache der Zeitschriftenverleger in Deutschland dar und sind unmittelbar bei der rechtlichen Bewertung wettbewerblichen Verhaltens der Zeitschriftenverlage zu berücksichtigen.
3. Zur Wertanmutung von für Laienwerber ausgelobten 10.000 Miles
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 8.2.2005 (312 O 990/04) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I.
Die Parteien sind konkurrierende Zeitschriftenverlage. Die Antragsstellerin ist Verlegerin des Spiegel; die Antragsgegnerin verlegt die wöchentlich erscheinenden Zeitschriften F... und F... M...
Die Antragsgegnerin warb am 27.10.2004 auf ihrer Website im Internet für den Abschluss von Abonnements für die Zeitschriften F... und F... M... für ein Jahr (Anlagen Ast 1, Ast 2). Hierbei versprach sie für die Vermittlung eines Jahresabonnements der Zeitschrift "F..." (Jahresbezugspreis: 52 x EUR 2,50 = EUR 130,-; seit Mai 2005 beläuft sich der Jahresbezugspreis auf (52 x EUR 2,90 = EUR 140,40) sowie für die Vermittlung der Zeitschrift "F... M..." (Jahresbezugspreis: 52 x 2,55 = EUR 132,60) verschiedene technische Geräte, teils gegen Zuzahlung, daneben aber auch einen Tankgutschein im Wert von EUR 100,-, einen Einkaufsgutschein von Media-Markt im Wert von EUR 100,- oder EUR 100,- in bar (bei "F...") oder EUR 125,- per Verrechnungsscheck (bei F... M...). Weiterhin lobte die Antragsgegnerin jeweils als Prämie die Gutschrift von 10.000 Prämienmeilen für das Miles&More-Konto des Vermittlers aus. Personen, die erst Kunden des Miles&More-Programms werden wollten, wurden weitere 2.000 Prämienmeilen versprochen.
Prämienmeilen werden den Teilnehmern des Kundenbindungssystems " Miles&More " der Lufthansa als Zugabe gewährt, wenn sie bestimmte entgeltliche Leistungen der Lufthansa oder deren Partner-Unternehmen in Anspruch nehmen. Im Internet wird seitens des Kundenbindungsprogramms auch die Möglichkeit beworben, einmal im Jahr bis zu 10.000 Prämienmeilen zu kaufen. Der Kaufpreis für 10.000 Prämienmeilen beläuft sich auf EUR 240,- (Anlage Ast 3). Im Jahre 2004 haben 14.070 der insgesamt rund 4,2 Millionen Miles&More-Teilnehmer von der Möglichkeit des Meilenzukaufs Gebrauch gemacht.
Die angesammelten Prämienmeilen können für Freiflüge bei der Lufthansa bzw. anderen kooperierenden Luftfahrtgesellschaften eingesetzt werden. So sind beispielsweise für Freiflüge in der Economy-Class 25.000 Prämienmeilen für inländische Flüge, 30.000 Meilen für innereuropäische Flüge, 60.000 Meilen für Flüge nach Nordamerika und 100.000 Meilen für Flüge nach Australien aufzuwenden. Ergänzend wird auf die Anlage Ast 7 verwiesen. Es können im "Lufthansa-Worldshop" oder bei Partnerunternehmen des Miles&More-Programms Prämienmeilen eingelöst werden, so z.B. 10.000 für einen Kugelschreiber (Barpreis: EUR 32,-) oder eine Brieftasche (Barpreis: EUR 25,-) (Anlage AG 1). Bei verschiedenen Partner-Unternehmen können Waren unter Einsatz von Prämienmeilen erworben werden, wobei ein Umrechnungsfaktor von EUR 30,30 für 10.000 Meilen zugrunde gelegt wird.
Die Antragsstellerin sieht in der Auslobung von 10.000 Prämienmeilen für ein Jahresabonnement von F... oder F... M... einen Verstoß gegen Ziffer 6 der Wettbewerbsregeln des Verbandes der Zeitschriftenverleger. Hiernach darf bei Zeitschriften mit wöchentlicher Erscheinungsweise die versprochene Vermittlungsgebühr nicht den Bezugspreis des Jahresabonnements übersteigen. Dieses sei der Fall, da 10.000 Prämienmeilen nur für einen Kaufpreis von EUR 240,- zu erwerben seien. Auch bei einer Verwertung für Prämienflüge bewege sich der Gegenwert in dieser Größenordnung.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass § 6 der "VDZ-Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Publikumszeitschriften" (Anlage Ast 6) durch die Werbung nicht überschritten werde. Wenn die Prämienmeilen gegen im Lufthansa-Worldshop oder in bestimmten Online-Shops erhältliche Waren eingetauscht würden, ergebe sich ein Gegenwert von EUR 25,- bis EUR 32,-. Auch wenn von allen von der Lufthansa angebotenen Einlösungsmöglichkeiten ausgegangen würde, beliefe sich der Außenwert der Meilen unter proportionaler Berücksichtigung der tatsächlichen Inanspruchnahme EUR 58,96 (Anlage AG 3). Auch bei einer Einlösung der Meilen für Prämienflüge ergebe sich kein die maßgeblichen Grenzen übersteigender Gegenwert. Außerdem werde die Wertanmutung dadurch weiter eingeschränkt, dass auf anderem Wege weitere Prämienmeilen gesammelt werden müssten, um überhaupt eine Flugprämie erwerben zu können.
Das Landgericht erließ am 2.11.2004 eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin untersagt worden ist, "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für die Vermittlung eines Jahresabonnements der Zeitschrift F... und/oder F... M... anzubieten und/oder anbieten zu lassen:
und/oder diese Angebote tatsächlich zu gewähren."
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin wurde diese einstweilige Verfügung durch das angegriffene Urteil vom 8.2.2005 bestätigt. Auf dieses Urteil wird wegen der Einzelheiten - auch zur Ergänzung des Tatbestandes - verwiesen.
Die Antragsgegnerin vertieft mit der Berufung ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt umfangreich neu vor:
Die Fallgruppe der unlauteren Laienwerbung sei nach Wegfall von Rabattgesetz und Zugabenverordnung nicht mehr zeitgemäß. Allein der Anreiz für den Laienwerber könne bei dem Verbraucherleitbild des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers nicht zu einer unsachgemäßen Beeinflussung der Kaufentscheidung führen.
Das Landgericht habe sich nicht gehörig mit dem Schreiben des Finanzministeriums vom 14.4.2004 auseinandergesetzt, in dem der Außenwert einer Prämienmeile auf EUR 0,005896 (für 10.000 Meilen somit EUR 58,96) festgesetzt worden sei.
Selbst wenn die Prämienmeilen für Flugreisen eingesetzt würden, läge der Wert unter dem jeweiligen Jahrespreis der beworbenen Zeitschriften. Im Regelfall, auf den für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung abzustellen sei, sei es nicht möglich, kurzfristig einen Prämienflug für eine Verbindung zu buchen, auf der sonst Tickets nur noch zum Normalpreis erhältlich sind. Denn dieses sei nur möglich, wenn es noch Prämienkontingente gibt (Anlage Ast 8). Vorausbuchungsfristen, die für die von ihr genannten preisgünstigen Bezahltickets (Angebote) der Lufthansa einzuhalten sind, seien praktisch auch für die Prämienflüge einzuhalten, da die Prämienkontingente regelmäßig schnell erschöpft seien. So sei es bei einem Flug Frankfurt-Stockholm so gewesen, dass für alle Verbindungen, für die am 3.5.2005 eine Prämienflug-Buchung möglich gewesen sei, am selben Tag auch noch ein kostengünstiges Bezahl-Ticket von EUR 169,- zuzüglich Steuern und Gebühren erworben werden konnte. Für diesen Flug seien z.B. 28.000 Meilen einzusetzen, d.h. die 10.000 Prämienmeilen hätten einen Wert von rund EUR 60,- (Anlagen BK 1 bis BK 5). Gleiches gelte z.B. auch für die Verbindung Frankfurt-Los Angeles, für welches sich ein Wert von EUR 109,69 bzw. EUR 123,72 ergebe (Anlagen BK 6 bis BK 9). Für einen Flug Frankfurt-Sydney sei ein Prämienflug, für den 97.000 Meilen einzusetzen wären, erstmals am 6.9.2006 verfügbar. Das Bezahlticket würde für den gleichen Flug EUR 889,- kosten. 10.000 Prämienmeilen hätten somit nur einen Wert von EUR 91,65. An diesen faktischen Gegebenheiten richte sich bei dem angesprochenen Verkehr die Bewertung der 10.000 Prämienmeilen aus, nämlich daran, was realistischerweise aufgewendet werden müsse, wenn der Laienwerber den Flug selbst zu bezahlen hätte.
Der Preis von 10000 Meilen im Falle des Zukaufs bei der Lufthansa in Höhe von EUR 240,- bestimme nicht den Anmutungswert der Prämie. Ein Zukauf, der tatsächlich nur von vergleichsweise wenigen Personen vorgenommen würde, mache nur Sinn, wenn die (teuer) zugekauften Meilen für ein werthaltiges Ziel eingesetzt würden, sei es ein wertvolles Produkt oder einen teuren Flug. Die EUR 240,- seien, weil gewissermaßen nur die "letzten" Meilen erworben würden, somit nicht auf die 10000 Prämienmeilen, sondern auf den Wert der unter Verwendung des bestehenden, geschenkten Meilenkontos angestrebten wertvollen Produktes/Fluges in Bezug zu setzen.
Die alternativ ausgelobten Geldprämien von EUR 100,- (F...) und EUR 125,- (F... M...) würden im Verhältnis 5:1 bzw. 9:1 zu den 10000 Prämienmeilen von den Laienwerbern nachgefragt. Hieraus seien Rückschlüsse für die Anmutung der Prämienmeilen zu ziehen.
Die Antragsgegnerin trägt in der Berufungsinstanz weiter vor, dass über e-Bay 10000 Meilen für EUR 126,- (Anlagenkonvolut BK 11) bzw. für EUR 121,- bis EUR 129,- (Anlagenkonvolut BK 12) ersteigert worden seien. Der Marktplatz e-Bay spiegele in den erfolgreichen Höchstgeboten in etwa den Marktwert des jeweiligen Angebotes ab.
Die Antragsstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Von dem Prämienmeilen-Angebot der Antragsgegnerin würde insbesondere ein bestimmter Kreis von Personen angesprochen, der bereits über ein Meilenkonto verfügte. Dieser ginge von einer Wertanmutung von EUR 240,- aus. Die von der Antragsgegnerin herangezogenen günstigsten im Internet auffindbaren Flüge der Lufthansa seien als Vergleichsmaßstab ungeeignet, weil sie Beschränkungen unterlägen, die über diejenigen von Flugprämien weit hinausgingen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Mit Recht hat das Landgericht Hamburg die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Auf die zutreffenden und überzeugenden Erwägungen in dem landgerichtlichen Urteil, die sich der Senat zu Eigen macht, wird - auch zur Vermeidung von Wiederholungen - verwiesen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist lediglich anzumerken:
1. Anspruchsgrundlage für das Unterlassungsbegehren der Antragsstellerin sind die Vorschriften der §§ 3, 4 Nr. 1, 8 Abs. 1 und 3 UWG.
a. Nach § 4 Nr. 1 UWG handelt insbesondere unlauter im Sinne von § 3 UWG, wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen Einfluss zu beeinträchtigen. In Betracht kommt hier allein die dritte Alternative des § 4 Nr. 1 UWG. Die frühere Rechtsprechung zu der Generalklausel des § 1 UWG a.F. kam bei der Frage der wettbewerblichen Zulässigkeit der Laienwerbung, bei der die persönlichen Beziehungen des Werbers zu Dritten für die Kundenwerbung nutzbar gemacht werden, zu dem Ergebnis, dass eine unlautere Werbung bei der Laienwerbung u.a. dann zu bejahen ist, wenn die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung des zu gewinnenden Verbrauchers wegen eines übermäßigen Prämienanreizes des Laienwerbers gegeben war. Entscheidendes Kriterium für die Frage einer unangemessenen unsachlichen Einflussnahme bildete somit der Wert (die Wertanmutung) der ausgelobten Prämie für den Laienwerber insbesondere im Verhältnis zur Belastung des zu gewinnenden Kunden. Bei Übernahme von Dauerverpflichtungen wie bei Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements sollte die kritische Grenze jedenfalls dann überschritten sein, wenn der Wert der Prämie den Betrag einer Jahresbelastung überschreitet (vgl. OLG Hamm WRP 1995, 270 - Zur Höhe von Werbeprämien für Zeitschriften; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 171 - Laienwerbung; vgl. auch BGH GRUR 1991, 150, 151 - Laienwerbung für Kreditkarten).
Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass in der Literatur (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 4 Rn. 1.183; Harte/Henning/Stuckel, UWG, § 4 Nr. 2, Rn. 30) kritisch hinterfragt wird, ob nach Aufhebung des RabattG und der ZugabeVO und im Hinblick auf die Wandlung des Verbraucherleitbildes die Unlauterkeit der Laienwerbung unter dem Aspekt einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung weiterhin bejaht werden kann.
Dieses ist nach Auffassung des Senates jedenfalls für den vorliegenden Fall zu bejahen. Der Wegfall von RabattG und ZugabeVO hat nur insoweit für die wettbewerbsrechtliche Bewertung der Laienwerbung eine Bedeutung, als hiermit die früher bei der Laienwerbung leicht mögliche Umgehung der Vorschriften des RabattG und der ZugabeVO entfällt. Denn das Verbot der Gewährung eines Rabattes oder einer Zugabe bezog sich allein auf die Gewährung solcher den Wettbewerb verzerrenden Vorteile an den Verbraucher selbst. Der Umstand, dass Begünstigter einer Geldprämie oder einer sonstigen Zuwendung nicht der Vertragspartner des Hauptgeschäftes, sondern der Laienwerber war, führte zur Unanwendbarkeit von RabattG und ZugabeVO. Bei der Weiterleitung des Vorteils an den Umworbenen oder einem Weiterverkauf der Ware an den Laienwerber realisierten sich die Gefahren, denen das RabattG und die ZugabeVO entgegenwirken wollten (vgl. Harte/Henning/Stuckel a.a.O. § 4 Nr. 2, Rn. 29). Nunmehr ist es nach Wegfall dieser Regelwerke möglich, dem Kunden unmittelbar den Vorteil in Form der Prämie zukommen zu lassen, so dass der Einsatz eines Laienwerbers nicht mehr erforderlich ist.
Gleichwohl zeigt nicht zuletzt der vorliegende Fall, dass bei dem Absatz von Waren oder Dienstleistungen weiterhin Laienwerber eingesetzt werden. So wird in der Internetwerbung der Antragsgegnerin für F... und F... M... der Internetnutzer ausdrücklich aufgefordert (Anlagen Ast 1, Ast 2), "einem Freund jetzt F.../F... M... ein Jahr im Abo" zu empfehlen. Offensichtlich erzielt die Laienwerbung eine Wirkung, die die Gewährung einer Zugabe oder Prämie an den Kunden selbst nicht erzielen kann. Diese Wirkung beruht nach Einschätzung des Senates auf der Ausnutzung und Merkantilisierung des zwischen dem Laienwerber und seinem persönlichen Umfeld (Verwandte, Bekannte, Freunde, Nachbarn, Berufskollegen) bestehenden Vertrauensverhältnisses. Zwar wird davon auszugehen sein, dass grundsätzlich die Einschaltung von Laienwerbern bei dem Produktabsatz wettbewerbsrechtlich nicht bedenklich ist. Wettbewerbliche Bedenken bestehen jedoch dann, wenn der Laienwerber irreführend wirbt oder die Grenzen der belästigenden Werbung überschreitet (§§ 5, 7 UWG) oder hierzu sogar angehalten wird. Weiterhin kann insbesondere wettbewerbswidrig sein, wenn der Werber auf die Kaufentscheidung des Kunden in unsachgemäßer Weise einwirkt oder zumindest die Gefahr einer solchen (psychischen) Beeinflussung besteht. Ob eine solche Gefahr besteht, muss jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände festgestellt werden.
Hierbei ist insbesondere die Anreizwirkung der von dem Anbieter für den Laienwerber ausgelobten Prämie ("F...-M... lesen macht reich. F...-M... empfehlen auch", Anlage Ast 2) zu berücksichtigen. Denn bei einer attraktiven Prämie ist zu befürchten, dass der Laienwerber bei dem regelmäßig aus seinem persönlichen Umfeld stammenden Kunden jedes Mittel einzusetzen versucht, um die Prämie zu erlangen. Die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG ist somit nicht von der Hand zu weisen, ohne das dieses dem Kunden im Einzelfall auffallen muss, sondern er subjektiv von einer autonomen Kaufentscheidung ausgeht. Das Inaussichtstellen einer unverhältnismäßig hohen Prämie ist daher unlauter (vgl. Fezer/Steinbeck, Lauterkeitsrecht, § 4-1 Rn. 391). Nach Auffassung des Senates ist bei der Eingehung von Dauerverpflichtungen wie Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements weiterhin regelmäßig die Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung gegeben und die Grenze der Zulässigkeit überschritten, wenn die Wertanmutung der Prämie für den Laienwerber den Jahresbetrag des Abonnements überschreitet.
Dieses ist offenbar auch die Rechtsauffassung der Zeitschriftenverleger in Deutschland selbst. Dieses ergibt sich aus Ziffer 6. der VDZ-Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Publikumszeitschriften (VDZ-Wettbewerbsregeln; Anlage Ast 6). Nach dieser Bestimmung der VDZ-Wettbewerbsregeln, die ausdrücklich insgesamt "der Wahrung der Lauterkeit und der Sicherung eines leistungsgerechten Wettbewerbs im Pressevertrieb" dienen (Ziffer 1.), können Vermittlungsprämien für die Vermittlung neuer Abonnenten durch dritte Personen gewährt werden. Der Wert der Vermittlungsprämie darf keine unlauteren Anreize schaffen und insbesondere nicht zu einer unangemessenen Kommerzialisierung der Privatsphäre führen. Die Vermittlungsprämie "darf deshalb in der Regel den Bezugspreis des Abonnements für den Verpflichtungszeitraum nicht überschreiten". Bei Zeitschriften mit einer - hier vorliegenden - wöchentlichen Erscheinungsweise darf der Bezugspreis eines Jahresabonnements nicht überschritten werden. Die kartellrechtlich genehmigten VDZ-Wettbewerbsregeln stellen nach ihrem eigenen Anspruch ein Regelwerk dar, welches sich unmittelbar auf das wettbewerbliche Verhalten der in dem Verband zusammengeschlossenen Zeitschriftenverleger zueinander auswirken soll und die Lauterkeit ihres wettbewerblichen Verhaltens im Wege der Selbstbindung bestimmt. Diese Regelungen gehen somit unmittelbar in die rechtliche Bewertung des Verhaltens der Zeitschriftenverleger als Wettbewerber ein und beanspruchen somit nicht allein Wirkung in Bezug auf die preisgebundenen Einzelhändler.
b. Im Hinblick auf diese Ausführungen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob sich ein Unterlassungsanspruch bereits aus der Generalklausel des § 3 UWG begründen lässt.
So hat nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. derjenige unlauter gehandelt, wer gegen Vertragsvereinbarungen verstößt, die einen unmittelbaren Wettbewerbsbezug haben (OLG Hamburg, 3. Zivilsenat, GRUR 1988, 144; Köhler/Piper, 2. Aufl., § 1 UWG Rn. 757 m.w.N.). Diese Rechtsprechung hat zutreffend berücksichtigt, dass ein Vertragsverstoß allerdings grundsätzlich keine deliktischen Ansprüche zu begründen vermag. Hiervon sind jedoch dann Ausnahmen zu machen, wenn der Verletzer nicht nur gegen den Vertrag verstößt, sondern zugleich in den Wettbewerb eingreift. Dieses kann insbesondere dann zutreffen, wenn die vertragliche Bestimmung den Wettbewerb regelt (OLG Hamburg a.a.O. m.w.N.). Diese Grundsätze werden auch für § 3 UWG n.F. zu gelten haben. Sie könnten nach Auffassung des Senates auch auf den vorliegenden Fall übertragbar sein (vgl. auch OLG Hamburg, 3. Zivilsenat, OLG-Report 2005, 474 ff.).
Unabhängig von der Frage, ob die VDZ-Regeln den Rechtscharakter einer vertraglichen Vereinbarung besitzen, stellen sie zumindest eine den Wettbewerb regulierende Absprache dar, die sogar vom Kartellamt genehmigt worden ist und der sich die Zeitschriftenverleger im Wege der Selbstbindung unterworfen haben. Bei § 6 der VDZ-Regeln handelt es sich somit um eine die Antragsgegnerin als Zeitschriftenverlegerin bindende Bestimmung, die die Prämienhöhe für Laienwerber und damit den unmittelbaren Wettbewerb regelt. Die Verletzung dieser Bestimmung kann somit wegen ihres unmittelbaren Wettbewerbsbezuges zugleich einen Verstoß gegen § 3 UWG beinhalten.
2. Entscheidend ist somit, ob aus der Sicht der Laienwerber die 10.000 Prämienmeilen eine Wertanmutung besitzen, die über den Bezugspreis eines Jahresabonnements für die Zeitschriften F... (EUR 130,-, zuletzt EUR 140,40) oder F... M... (EUR 132,60) hinausgeht. Dieses wird jedenfalls für nicht unerhebliche Teile des Verkehrs nach Auffassung des Senates zu bejahen sein. Hierbei ist mit dem Landgericht darauf abzustellen, dass für die ausgelobten 10.000 Prämienmeilen von vornherein nur eine bestimmte Gruppe von potentiellen Laienwerbern in Betracht kommt, nämlich die 4,2 Millionen Personen, die bereits am Miles&More-Bonusprogramm der Lufthansa teilnehmen, sowie derjenigen, die an diesem teilzunehmen wünschen. Der Senat kann diese und die folgenden Feststellungen treffen, da seine Mitglieder zu den von der Internetwerbung der Antragsgegnerin angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
a. Üblicherweise ist für die Feststellung des Prämienwertes der Endverbraucherpreis für die Prämie zugrunde zu legen (BGH GRUR 1991, 150; 151 - Laienwerbung für Kreditkarten; Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O. § 4 Rn. 1.182). Hiernach ist mit dem Landgericht von einer Wertanmutung von EUR 240,- auszugehen, da die Lufthansa einen entsprechenden Preis für den Ankauf von 10.000 Meilen verlangt. Dieser Betrag liegt deutlich über dem nach § 6 der VDZ-Regeln zulässigen Jahresbezugspreis der Zeitschriften, so dass der Unterlassungsanspruch begründet ist. Der Versuch der Antragsgegnerin, diesen Betrag herunterzurechnen, weil hier nur jeweils die "letzten" Meilen für ein wertvollere Prämie (z.B. Flug) erworben würden und somit der Gegenwert der 10.000 Meilen nur einen Bruchteil dieser wertvollen Prämie ausmache, bleibt ohne Überzeugungskraft. Entscheidend für die Wertanmutung bleibt, dass der am Erwerb von Prämienmeilen interessierte Laienwerber, der bereits Kunde des Miles&More-Programms ist, einen bestimmten Preis für 10.000 Meilen zu zahlen hat. Nach seiner Auffassung hat er für die bereits auf seinem Meilenkonto vorhandenen Meilen einen Gegenwert erbracht, indem er Luftreisen bei der Lufthansa bzw. sonstige Produkte bei den mit der Lufthansa kooperierenden Firmen gekauft hat.
b. Die in der Berufungsinstanz von der Antragsgegnerin vorgebrachte Tatsache, dass über das Internet-Auktionshaus E-Bay 10.000 Prämienmeilen gegen Gebote von bis zu EUR 129,- ersteigert worden sind (Anlagenkonvolute BK 11 und BK 12), führt zu keiner anderen Beurteilung. Dieser Betrag läge zwar unterhalb des Jahresbezugspreises für die Zeitschriften F... (EUR 130,-/EUR 140,40) und F... M... (EUR 132,60) und wäre nach den obigen Ausführungen wettbewerblich unbedenklich. Schon aber die Sonderprämienauslobung von zusätzlich 2.000 Meilen für "neue Miles&More Teilnehmer" (Ast 1, Ast 2), die bei E-Bay für EUR 25,50 ersteigert worden sind (Anlagenkonvolut BK 12), führt dazu, dass der Jahresbezugspreis für beide Zeitschriften jeweils überschritten wird. Unabhängig hiervon ist der Senat der Auffassung, dass die genannten Kaufpreise Versteigerungserlöse eines Internet-Auktionshauses darstellen, bei denen es sich um Einzelfälle handelt, die den - regelmäßig höheren - Verkehrswert von Produkten nur unzureichend abzubilden vermögen. Weiterhin wird mit dem tatsächlichen Vorbringen der Antragsgegnerin nichts für die Wertanmutung der 10.000 Prämienmeilen im Zeitpunkt der Internetwerbung am 27.10.2004 ausgesagt, da die Antragsgegnerin die entsprechenden Feststellungen ausweislich der Anlagenkonvolute BK 11 und BK 12 erst im Juni und Juli 2005 getroffen hat. Zumindest besitzen die E-Bay-Versteigerungen aus Juni und Juli 2005 nur einen begrenzten Aussagewert über die Wertanmutung der Prämienmeilen im Jahre 2004. Dieses insbesondere auch deshalb, weil der Preis von EUR 129,- für 10.000 Meilen nur knapp unterhalb der für 2004 geltenden Abonnementpreise von EUR 130,- bzw. EUR 132,60 liegt.
c. Da für die Wertanmutung der Prämienmeilen von vornherein nur Personen in Betracht zu ziehen sind, die bereits am Miles&More-Bonusprogramm teilnehmen oder teilnehmen wollen, wird sich deren Bewertung auch nachvollziehbar nicht an den Kaufpreisen für vergleichsweise "billige" Produkte im Lufthansa Worldshop oder in bestimmten Online-Shops wie Kugelschreiber oder Brieftaschen ausrichten. Vielmehr wird sich die Wertanmutung dem "Preis" höherwertiger Produkte, insbesondere z.B. für Freiflüge orientieren. Denn nur hier bietet das Kundenbindungsprogramm der Lufthansa für die eingesetzten Prämienmeilen den größten Wertgewinn. Selbst wenn es zutreffend sein sollte, dass die Prämienflüge kontingentiert sind und schnell vergeben sind, wird sich der angesprochene Laienwerber in der Bewertung von 10.000 Prämienmeilen an dem möglichen Normal-Prämienflug ausrichten und seine Bewertung nicht an preislichen Sonderangeboten der Lufthansa ausrichten. Denn diese sind nur unter erheblichen Einschränkungen zu erwerben und unstreitig insoweit nicht mit Normaltickets und auch nicht mit den Prämientickets zu vergleichen. Der Umstand allein, dass der Normal-Prämienflug in den vorgetragenen Beispielen nicht kurzfristig buchbar war, sondern wie ein preisgünstiges Sonderangebot vorausschauend gebucht werden musste, dürfte an der Einschätzung nichts ändern, dass sich der angesprochene Laienwerber regelmäßig an dem Meilenaufwand für ein normales Bezahlticket ausrichten wird. Im Übrigen ist nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass Prämienflüge regelmäßig nur über längere Zeiträume im Voraus bei der Lufthansa und den angeschlossen Fluglinien buchbar sind. Die vorgelegten Beispiele (Anlagen AG 5, 6, 7; BK 1 bis BK 9; BK 13 bis BK 16) beziehen sich nur auf bestimmte Flüge Frankfurt-Stockholm, Frankfurt-Los Angeles und Frankfurt-Sydney.
d. Der Umstand, dass nach Einschätzung des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen der "Außenwert" einer Meile sich unter Berücksichtigung des nach der Häufigkeit der Nachfrage gewichteten Marktpreises für die von der Lufthansa zu realisierenden Leistungen bei Einlösung der Bonusmeilen bei EUR 0,005896, für 10.000 Bonusmeilen also bei EUR 58,96 liegt, vermag an der obigen Bewertung nicht zu ändern. Denn für den hier durch die Werbung der Antragsgegnerin angesprochenen Laienwerber kommt nicht das gewichtete Leistungsangebot der Lufthansa in Betracht, welches somit auch preisgünstige Waren im Lufthansa-Worldshop umfasst, sondern nur die Nutzung der Prämienmeilen für Flüge oder andere wertvolle Produkte. Unabhängig davon handelt es sich bei dem Schreiben des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 14.4.2004 (Anlage AG 3) lediglich um eine umsatzsteuerrechtliche Würdigung, in welche andere Kriterien eingehen können, als dieses für die Wertvorstellungen des von der Antragsgegnerin angesprochenen Laienwerbers der Fall ist.
e. Der mit der Berufungsbegründung vorgetragene Hinweis, dass die Bargeld-Prämien von EUR 100,- (F...) bzw. EUR 125,- (F... M...) im Vergleich zu den Prämienmeilen im Verhältnis 5:1 bzw. 9:1 von den Laienwerbern nachgefragt würden (Anlage BK 10) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Denn insoweit ist darauf hinzuweisen, dass von diesem Prämienangebot auch Laienwerber angesprochen werden, die nicht Teilnehmer des " Miles&More " - Bonussystems der Lufthansa sind und dieses auch nicht werden wollen. Die Verhältniszahlen besitzen demzufolge praktisch keine Aussagekraft für die Wertanmutung der ausgelobten 10.000 Prämienmeilen für die von der Werbung der Antragsgegnerin in Sonderheit angesprochen Kunden der Lufthansa. Die Antragsstellerin hat darüber hinaus das tatsächliche Vorbringen mit Nichtwissen bestritten, so dass der entsprechende Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO verspätet ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
OLG Hamburg:
Urteil v. 02.11.2005
Az: 5 U 44/05
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