Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 28. Juni 2007
Aktenzeichen: 2 U 183/06
(OLG Stuttgart: Urteil v. 28.06.2007, Az.: 2 U 183/06)
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 21. November 2006 (Az. 11 O 56/06 KfH)
a b g e ä n d e r t
und wie folgt neu gefasst:
Dem Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Inhaber, untersagt, im geschäftlichen Verkehr im Magazin "S." Werbung in Form von redaktionellen Veröffentlichungen zu betreiben, wenn dies geschieht wie durch den Beitrag
"Mehr Kraft für die Augen"
in dem Magazin "S.", Ausgabe Dezember 2005, S. 28.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i. H. v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 120 % des beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.000,-- Euro.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt vom Beklagten, es zu unterlassen, zu werben wie auf S. 28 der Zeitschrift "S.", Ausgabe Dezember 2005.
Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 21. November 2006 (Az. 11 O 56/06 KfH) nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, aufgrund der in seinem Urteil näher dargelegten Umstände sei für den maßgebenden Verbraucher klar, dass die beanstandete Seite Werbung enthalte und sich in einem reinen Werbeblatt finde.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese prozessordnungsgemäß begründet.
Er macht mit seinem Rechtsmittel geltend, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die beanstandete Werbung ein Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 3 UWG. Das Vorliegen eines solchen könne nicht mit der Begründung verneint werden, für den Verbraucher sei hinreichend klar erkennbar, dass der Inhalt der Zeitschrift "S." als Kundenzeitschrift ausschließlich Werbezwecken diene.
Der Berufungskläger verfolgt mit seiner Berufung
sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter.
Der Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass in der Ausgabe Dezember 2005 der Zeitschrift "S." eine in gleicher Art wie die beanstandete Seite aufgebaute Seite enthalten ist, auf welcher für ein Produkt geworben wird, welches nicht im Sortiment des Beklagten enthalten ist, und dass auf einer anderen Seite eine werbende Anzeige als solche ausdrücklich gekennzeichnet ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die im Berufungsverfahren bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 14. Juni 2007 Bezug genommen.II.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Bei der beanstandeten S. 28 der Zeitschrift "S.", Ausgabe Dezember 2005 handelt es sich um wettbewerbsbezogene unlautere redaktionelle Werbung im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 3 UWG. Die Subtilität, mit der auf dieser Seite geworben wird, begründet die Überzeugung des Senats, dass der Beklagte diese Art der Werbung absichtlich gewählt hat.1.
Dass es Zweck dieser Seite ist, für das Produkt "t.® Augen Plus" zu werben, stellt der Beklagte nicht in Abrede; er hat es im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich selbst vorgetragen.2.a)
Das Gesetz gebietet die Trennung von Werbung und redaktionellem Text (vgl BVerfG WRP 2003, 69, 71 - Veröffentlichung von Anwalts-Ranglisten). Dieses Gebot gilt für solche Zeitschriften, die nicht auf dem Titelblatt unmissverständlich und eindeutig als reine Werbeschriften gekennzeichnet sind (BGH, GRUR 1989, 516, 518 - Vermögensberater), wohingegen Aufmachung und Vertrieb als Kundenzeitschrift zur Klarstellung allein nicht ausreichen BGH, GRUR 1997, 907, 909 - Emil-Grünbär-Klub). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.
Das genannte Gebot trägt der Erwartung des Lesers und damit des Verbrauchers Rechnung (vgl. nur OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 15, 16), in einem redaktionellen Beitrag eine objektive, nicht von gewerblichen Interessen geleitete Information einer unabhängigen und neutralen Redaktion, nicht aber eine in erster Linie von den Eigeninteressen des Werbenden geprägte Reklame vorzufinden. Dementsprechend misst er einem redaktionellen Beitrag, der Äußerungen über Unternehmen und deren Produkte enthält, regelmäßig größere Beachtung und Bedeutung bei und steht ihm weniger kritisch gegenüber, als wenn es sich um werbende Äußerungen des Unternehmens selbst handelt (st. Rspr; vgl etwa BGH, GRUR 1994, 441, 442 - Kosmetikstudio; BGH, GRUR 1997, 541, 543 - Produkt-Interview; BGH, GRUR 1997, 907, 909 - Emil-Grünbär-Klub). Werbung im Gewande eines redaktionellen Beitrags führt daher regelmäßig zu einer Irreführung des Lesers durch Verschleierung des Werbecharakters der Veröffentlichung (vgl. BGHZ 81, 247, 250 = GRUR 1981, 835 - Getarnte Werbung I; BGH, GRUR 1994, 821, 822 - Preisrätselgewinnauslobung I; BGH, GRUR 1997, 907, 909 - Emil-Grünbär-Klub) und erfüllt damit den Tatbestand des § 4 Nr. 3 UWG (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm - Köhler, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. [2007], Rn. 3.20 zu § 4 UWG). Dies hat das Landgericht nicht verkannt.
Eine relevante Täuschung liegt stets vor, wenn dem Leser eine entgeltliche Anzeige als redaktioneller Beitrag präsentiert wird. Ein Verstoß hiergegen ist unlauter unter dem Gesichtspunkt der Verschleierung des Werbecharakters (§ 4 Nr. 3) und des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11; vgl OLG Hamm WRP, 1985, 655). Unlauter ist es insbesondere, Anzeigen in Stil und Aufmachung von Reportagen, public relations, redaktionellen Beiträgen oder wissenschaftlichen Aufsätzen zu bringen, ohne den Anzeigencharakter deutlich zu machen (BGH, GRUR 1968, 382 - Favorit II; BGHZ 81, 247, 250 = GRUR 1981, 835 - Getarnte Werbung I; OLG Karlsruhe, WRP 1988, 757; Braun, WRP 1983, 600). Eine Veröffentlichung muss aber nur dann als bezahlte Werbung besonders kenntlich gemacht werden, wenn ihr Charakter nicht schon durch Anordnung und Gestaltung (etwa durch Unterbringung im Anzeigenteil) eindeutig erkennbar ist. Ist der Werbetext als redaktioneller Beitrag aufgemacht, sind an die Kennzeichnung als Werbung hohe Anforderungen zu stellen (LG Stuttgart, WRP 2006, 773, 775; LG München, WRP 2006, 775, 776). Maßgebend ist stets, ob der Durchschnittsleser die Bezeichnung dem Werbetext zuordnet und er sie dahin versteht, dass es sich um keinen redaktionellen Beitrag, sondern um Werbung handelt (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm - Köhler, a.a.O., Rn. 3.21 zu § 4 UWG).
Dieselben Grundsätze gelten, wenn die Werbung weder entgeltlich noch zugunsten eines Anderen erfolgt. Denn der Gesetzeswortlaut lässt eine dahin gehende Beschränkung nicht erkennen, und die Täuschung des Verbrauchers hängt von keinem dieser beiden Kriterien ab.b)
An diesem Maßstab gemessen enthält die beanstandete Seite unlautere redaktionelle Werbung. Denn sie tritt dem durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsleser, dessen Verständnis der aus dem angesprochenen Verkehrskreis angehörenden Verbrauchern zusammengesetzte Senat aus eigener Kenntnis beurteilen kann, als redaktioneller Beitrag entgegen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Beklagten heben nicht andere Umstände diesen Eindruck auf, indem sie diesem Leser die Erkenntnis vom Werbecharakter des Beitrages vermittelten.
Das Landgericht hat zwar eine Reihe von Umständen aufgeführt, welche seines Erachtens dem Verbraucher den Werbecharakter hinreichend klar vor Augen führen. Dieser Würdigung kann jedoch nicht beigetreten werden.aa)
Insbesondere das Schema, nach dem die beanstandete Seite dieser Publikation aufgebaut ist, ist geeignet, den Leser über deren Charakter zu täuschen.(1)
Sie steht unter der Überschrift "Gesundheit". Sodann folgt auf einem abgesetzten Untergrund der Text: "Hier schreibt Prof. B. exklusiv für S.:". So wird beim Leser unter Verwendung eines Autorität heischenden Professorentitels (unstreitig von einem österreichischen Ministerium für allgemeine Verdienste verliehen; welcher Hochschule und Fakultät der Professor angehört, bleibt unerwähnt) die Erwartung erzeugt, es folge ein wissenschaftlicher, von wirtschaftlichen Interessen unbeeinflusste Erkenntnis wiedergebender Bericht.
Daneben abgedruckt ist das Bild eines Mannes in vorgerücktem Alter - vermutlich dieses Professors - der entspannt in einem Buch liest. Dadurch wird unausgesprochen ein subtiler Bezug zu dem zu bewerbenden Produkt hergestellt.
In dem gesamten Blickfang findet sich kein Anzeichen dafür, dass es sich um Werbung handele; insbesondere ist - anders als auf einer anderen Seite derselben Publikation - kein ausdrücklicher dahingehender Hinweis vorhanden.(2)
Die drei Textbereiche auf dieser Seite bilden eine logische Abfolge. Zuerst werden in dem links in der unteren Seitenhälfte stehenden, mit der größten Überschrift versehenen Artikel "Gesundheit für die Augen" die Substanzen "Lutein" und "Zeaxanthin" mit ihrer - behaupteten - Bedeutung für die Sehkraft vorgestellt. Daran knüpft ein kürzerer, gleichfalls durch eine Überschrift abgesetzter Bericht (rechts oben) an, in dem darauf hingewiesen wird, dass diese Substanzen in dem Präparat "t.® Augen Plus" enthalten seien, wodurch übergeleitet wird zu dem dritten Teil, der unten rechts stehenden Werbeanzeige für dieses Produkt.
Die beiden erstgenannten Beiträge zeigen sich dem Leser trotz der Trennung durch eine zweite Überschrift als redaktionelle Einheit. Sie führen, unter derselben Seitenüberschrift stehend, sich inhaltlich fortlaufend verengend von einer als allgemein beschriebenen Problemstellung über die Vorstellung angeblich helfender Wirkstoffe zu dem beworbenen Produkt.bb)
Obwohl sich dem Leser durch den dem Firmennamen des Beklagten wortgleichen Namen der Veröffentlichung, dessen markenmäßige, allerdings farbvertauschte Gestaltung und seine Nennung auf einer Vielzahl von Seiten sowie durch die ausschließlich in den Filialen des Beklagten erfolgende kostenlose Abgabe der Publikation erschließen kann, dass deren Inhalt letztlich nur darauf gerichtet ist, ihn zum Einkauf bei dem Beklagten zu bewegen, ist das Blatt doch gerade so aufgemacht, dass es in der Gesamtschau bei einem nicht unerheblichen Teil der Leserschaft den Eindruck einer Illustrierten und nicht eines bloßen Werbeblattes erweckt:
- Es wird auf der Titelseite als "Zeitschrift" bezeichnet.
- Als Blickfang prangt auf der Titelseite das Gesicht einer Schauspielerin.
- Das Blatt gliedert sich in Rubriken, deren Namen jeweils im Seitenkopf hervorgehoben sind.
- Auf S. 1 findet sich ein Impressum.
- Auf etlichen Seiten wird durch die Überschriften und die Bilder der Eindruck einer redaktionellen Berichterstattung erweckt.
- Nach S. 38 finden sich Kino-Tipps.
- Auf S. 52 sind Kochrezepte abgedruckt.
- Auf S. 57 wird dem Leser ein "Mondkalender" nahe gebracht.
- Die S. 63 enthält eine Rubrik "Leser fragen Leser".
In dieselbe Richtung weist der unbestrittene Umstand, dass der Beklagte neben dieser Publikation in seinen Filialen ein reines, als Produktkatalog ausgestaltetes Werbeblatt auslegt.
Demgegenüber tritt in den Hintergrund, dass der Firmenname des Beklagten und derjenige der Publikation aus demselben Wort (Namen) bestehen und grafisch gleich gestaltet sind. Der Verbraucher erkennt daraus zwar eine Verbindung zwischen der Zeitschrift und der Firma des Beklagten. Die aufgezählten Ähnlichkeiten zwischen jener und handelsüblichen Illustrierten überwiegen diesen Gesichtspunkt jedoch so stark, dass beim Verbraucher - ohne dass der Senat dies zu entscheiden bräuchte - der Eindruck aufkommen könnte, der Beklagte wolle durch sie seine Firma bekannt machen oder in Erinnerung halten, nicht jedoch gelangt er aufgrund dieser Übereinstimmung zu der Erkenntnis, dass der Inhalt der Zeitschrift im Ganzen dem Produktabsatz und damit der unmittelbaren Verkaufswerbung diene.
Die doppelte Verwendung des Namens "S." verhindert entgegen der Ansicht des Beklagten auch, dass der Verbraucher aus der Textpassage "Hier schreibt Prof. B. exklusiv für S." abläse, es handele sich bei dem nachfolgenden Text um eine zum Zwecke der Produktwerbung geschriebene, bezahlte und somit interessengeprägte Auftragsarbeit. Der Name "S." kann in diesem Zusammenhang sowohl die Firma bezeichnen, als auch die Zeitschrift. Letzteres liegt für den Verbraucher nahe, weil es, was auch der Beklagte auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Abrede gestellt hat, auf dem Illustriertenmarkt üblich ist, die eigene Publikation hervorzuheben, indem damit geworben wird, Bilder, Interviews oder Berichte seien "exklusiv" in dieser zu finden.III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.IV.
Eine Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), besteht nicht.
OLG Stuttgart:
Urteil v. 28.06.2007
Az: 2 U 183/06
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