Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juli 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 160/01
(BPatG: Beschluss v. 22.07.2003, Az.: 24 W (pat) 160/01)
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. März 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnungsiehe Abb. 1 am Endeist als Marke zur Eintragung in das Register angemeldet.
Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen lautet nach einer im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Beschränkung:
"Veröffentlichungen (Druckschriften) im Gesundheitsbereich; Nachschlagewerke mit Auflistungen von medizinischen Fachkräften, insbesondere von Fachärzten;
elektronische Veröffentlichung von Informationen aus dem Gesundheitsbereich, insbesondere im Internet oder anderen Datennetzen; elektronische Veröffentlichung von Auflistungen von medizinischen Fachkräften, insbesondere von Fachärzten;
sämtliche vorgenannte Waren und Dienstleistungen für gewerbliche Abnehmer".
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und im Hinblick auf ein bestehendes Freihaltebedürfnis zurückgewiesen. Die angemeldete Marke sei aus den Bestandteilen "med", einer geläufigen Abkürzung für "Medizin", und aus dem Wort "führer" zusammengesetzt, womit ua ein Buch bezeichnet werde, das die nötigen Erklärungen zu einem Thema oder einem bestimmten Bereich gebe. Die Bezeichnung "medführer" erschöpfe sich daher in einem sachbeschreibenden Hinweis, daß es sich bei den so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen um Zusammenstellungen handle, die Wissenswertes zum Thema "Medizin" enthielten. Die graphische Ausgestaltung der Marke sei zu einfach, um schutzbegründend zu wirken.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung führt er aus, daß das Markenwort "medführer" ungewöhnlich gebildet sei. Jedenfalls in ihrer Gesamtheit weise die angemeldete Marke die erforderliche geringe Unterscheidungskraft auf. Die Sichtweise der Markenstelle beruhe demgegenüber auf einer unzulässigen Analyse der angemeldeten Marke. Im übrigen seien sowohl der Bestandteil "med" als auch das Wort "führer" mehrdeutig. Insoweit bestehe an der Bezeichnung "medführer" auch kein Freihaltebedürfnis. Hilfsweise beruft sich der Anmelder auf Verkehrsdurchsetzung. Hierzu hat er eine eidesstattliche Versicherung vom 2. Oktober 2002 sowie umfangreiches Benutzungsmaterial vorgelegt.
Der Anmelder beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben, hilfsweise, die Sache zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Anmelders und die hierzu eingereichten Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung führt (§ 8 Abs. 3, § 70 Abs. 3 Abs. 3 MarkenG).
1. Die Markenstelle hat zutreffend angenommen, daß die angemeldete Marke von Hause aus nicht die nach § 8 Abs. 2 Abs. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft aufweist.
Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die (konkrete) Eignung, vom Verkehr als herkunftsindividualisierendes Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2003, 343, 344 "Buchstabe Z"; GRUR 2003, 342 "Winnetou"; GRUR 2002, 1070 "Bar jeder Vernunft"). An dieser Eignung fehlt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ua dann, wenn die betreffende Bezeichnung einen im Hinblick auf die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt aufweist (vgl. z.B. BGH GRUR 2002, 64 "INDIVIDUELLE"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"). Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die angemeldete Marke vom Verkehr als Beschreibung des Inhalts von Werken aufgefaßt werden kann, die Gegenstand der betreffenden Waren oder Dienstleistungen sind (vgl. BGH GRUR 2001, 1042, 1043 "REICH UND SCHOEN"; GRUR 2001, 1043, 1045 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; GRUR 2002, 1070, 1072 "Bar jeder Vernunft"; GRUR 2003, 342, 343 "Winnetou"; s. dazu auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 5 Rn. 102 und § 8 Rn. 158). Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden.
Wie die Markenstelle ausgeführt hat, ist die Bezeichnung "medführer" sprachregelgerecht aus der Abkürzung "med" für "Medizin" und dem Wort "führer" zusammengesetzt und bedeutet soviel wie "Medizinführer". In diesem Sinne hat der Begriff "medführer" auch bereits Eingang in den Sprachgebrauch gefunden. Hierzu wird auf die dem angefochtenen Beschluß und der Terminsladung vom 30. Oktober 2001 beigefügten Internet-Recherchen Bezug genommen. Die angesprochenen Verkehrskreise können der angemeldeten Marke daher ohne nähere Überlegungen den beschreibenden Hinweis entnehmen, daß die so gekennzeichneten Druckschriften, Nachschlagewerke und elektronischen Publikationen eine geordnete Zusammenstellung von Informationen zum Thema "Medizin" enthalten.
Entgegen der Auffassung des Anmelders liegt in dieser Betrachtungsweise keine unzulässige Zergliederung der angemeldeten Marke. Das Verbot der zergliedernden (analysierenden) Betrachtungsweise bedeutet, daß nicht von der Schutzunfähigkeit der (aller) Bestandteile eines Zeichens auf die Schutzunfähigkeit des Zeichens in seiner Gesamtheit geschlossen werden kann (vgl. Ströbele/Hacker, Abs., § 8 Rn. 71 m.w.N.). Demgegenüber geht es hier allein um die Ermittlung des beschreibenden Sinngehalts einer zusammengesetzten Bezeichnung gerade in ihrer Gesamtheit (vgl. dazu auch auch Senatsbeschluß vom 9.1.1996, 24 W (pat) 195/94 "FIBERMUX").
Eine das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ausschließende Mehrdeutigkeit (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Abs., § 8 Rn. 75) wohnt der angemeldeten Marke nicht inne. Der Anmelder weist insoweit zwar zutreffend darauf hin, daß sowohl der Abkürzung "med" als auch dem Wort "führer" mehrere Bedeutungen zukommen können. So kann es sich etwa bei "med" auch um eine Abkürzung für "Medien" und bei "führer" um den Lenker eines Kraftfahrzeuges handeln. Dieser lexikalische Befund ist jedoch markenrechtlich unerheblich. Denn diese und weitere vom Anmelder aufgezeigte Bedeutungen liegen im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ersichtlich fern (vgl. dazu auch Ströbele/Hacker, Abs., § 8 Rn 75).
Die Bezeichnung "medführer" weist allerdings auch in der von der Markenstelle zutreffend zugrundegelegten Bedeutung im Sinne von "Medizinführer" insoweit eine gewisse begriffliche Unschärfe auf, als die allgemeine Bereichsangabe "Medizin" ein sehr weites Feld abdeckt, so daß nicht ohne weiteres ersichtlich ist, welche konkreten Informationen die so gekennzeichneten Druckschriften und elektronischen Publikationen enthalten. Solche begrifflichen Unschärfen sind jedoch gerade bei Marken, die - wie hier - nach Abs. eines inhaltsbeschreibenden Werktitels gebildet sind, nicht geeignet, einer Marke die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Abs. 1 MarkenG zu verschaffen (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt").
Die graphische Gestaltung der angemeldeten Marke fällt gegenüber dem beschreibenden Aussagegehalt nicht nennenswert ins Gewicht. Insoweit kann nicht angenommen werden, daß die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke allein wegen der graphischen Elemente als individualisierende betriebliche Herkunftskennzeichnung auffassen (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 "anti KALK"; BPatG GRUR 1996, 410, 411 "Color COLLECTION").
Der Hauptantrag des Anmelders konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
2. Die vom Anmelder im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereichten Unterlagen lassen es indessen als möglich erscheinen, daß sich die angemeldete Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen zugunsten des Anmelders durchgesetzt hat (§ 8 Abs. 3 MarkenG).
Der Anmelder hat nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, daß er die angemeldete Marke sowohl für Bücher als auch für entsprechende elektronische Publikationen im Internet benutzt. Gegenstand dieser Veröffentlichungen ist eine nach Indikationen gegliederte Auflistung von Kliniken und Fachärzten sowie eine nähere Beschreibung des jeweiligen Tätigkeitsbereichs.
Was den Umfang der unter der angemeldeten Marke vertriebenen Waren und Dienstleistungen angeht, ist zwar die in der eidesstattlichen Versicherung des Anmelders vom 2. Oktober 2002 angegebene Zahl von ... Millionen Internet- besuchen wenig aussagekräftig, weil sich derartige Zahlen verhältnismäßig leicht beeinflussen lassen. Auch der angegebene Absatz von ca. ... Bü- chern und die Ausgaben für Marketing und Internet-Auftritte in Höhe von etwa ... € erscheinen im Vergleich zu anderen Fällen der Verkehrsdurch- setzung eher gering. Dem steht jedoch ein beschränkter Abnehmerkreis, insbesondere Ärzte und Kliniken, gegenüber, der auch in der nunmehr geltenden Fassung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen Ausdruck gefunden hat. Darüber hinaus hat der Anmelder mehrere Schreiben von Ärzteverbänden und Fachärzten vorgelegt, aus denen eine gewisse Bekanntheit der Bezeichnung "medführer" als Individualmarke des Anmelders ersichtlich ist.
Bei dieser Sachlage war dem Anmelder Gelegenheit zu geben, der Markenstelle die behauptete Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke in den gewerblichen Abnehmerkreisen im einzelnen nachzuweisen.
Ströbele Guth Hacker Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/24W(pat)160-01.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 22.07.2003
Az: 24 W (pat) 160/01
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