Oberlandesgericht München:
Urteil vom 7. November 2012
Aktenzeichen: 7 U 1226/12
(OLG München: Urteil v. 07.11.2012, Az.: 7 U 1226/12)
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.02.2012, Az. 5HK O 10751/05, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen ein den Beklagten aus seiner Organtätigkeit treffendes Konkurrenzverbot.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die mit ihren Berufungsanträgen ihren erstinstanzlichen Antrag unter Vorlage eines weiteren Privatgutachtens von Herrn El. vom 23.2.2012 (Anlage K48) weiter verfolgt.
Die Klägerin trägt vor, das Landgericht München I sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass es zum streitgegenständlichen Zeitpunkt in der Russischen Föderation kein Wettbewerbsverbot gab, der Klägerin deshalb weder ein vertraglicher noch ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch zustehe und mangels Fehlens eines Rechtsgrundes auch der Bereichungsanspruch ausscheide. Die Klägerin habe zahlreiche Gegengutachten von renommierten russischen Rechtsexperten vorgelegt und mehrfach die Einholung eines Obergutachtens beantragt. Dies sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden. Die Erholung eines Obergutachtens sei geboten, da die gerichtlich bestellte Sachverständige Prof.Dr. V. viele Fragen fehlerhaft beantwortet habe und daher die Einholung der Meinung eines für das russische Wirtschaftsrecht tatsächlich qualifizierten Rechtsexperten notwendig sei. Das Erstgericht habe die Grundsätze des § 293 ZPO zur Ermittlung ausländischen Rechts verkannt, jedenfalls nicht richtig angewandt. Ein Wettbewerbsverstoß ergebe sich aus verschiedenen Vorschriften, insbesondere auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der hier ebenfalls anzuwenden sei. Der Klägerin stehe auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu, ebenso wie ein Bereicherungsanspruch. Da ein Wettbewerbsverstoß vorliege, sei auch die Feststellungsklage begründet.
Die Klägerin beantragt daher:
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.467.751,10 US-Dollar = 1.907.571,60 Euro (Umrechnungskurs 12.4.2005) nebst den in der Klageschrift vom 1.6.2005 sowie im Schriftsatz vom 16.3.2011 näher aufgeführten Zinsen zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Schadensersatzforderung der Klägerin dem Grunde nach und in der Höhe von 2.467.751,10 US-Dollar aus der geschäftlichen Tätigkeit des Beklagten in der Russischen Föderation im Zeitraum von 1991 - 1995 als Organ des Joint Venture "Kamennij O." besteht,
hilfsweise
festzustellen, dass die Schadensersatzforderung der Klägerin dem Grunde nach aus der geschäftlichen Tätigkeit des Beklagten in der Russischen Föderation im Zeitraum von 1991 - 1995 als Organ des Joint Venture "Kamennij O." besteht.
Der Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Der Beklagte führt an, es fehle bereits an der Parteifähigkeit der Klägerin. Zudem verteidigt er das angefochtene Urteil. Die Voraussetzungen für ein Obergutachten würden nicht vorliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7.11.2012 Bezug genommen.
Zu den Details des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen (§ 540 I ZPO).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
1. Hinsichtlich der Parteifähigkeit der Klägerin schließt sich der Senat der Auffassung des Erstgerichts an und nimmt auf die dortigen Ausführungen (Ziffer I. 1. a der Entscheidungsgründe) Bezug.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht rechtsfehlerhaft. Das Erstgericht hat in nicht zu beanstandender Weise nach § 293 ZPO das hier maßgebliche russische Recht ermittelt. Der Einwand der Klägerin, das Erstgericht habe rechtsfehlerhaft kein sogenanntes Obergutachten erholt, greift nicht.
Es liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, auf welche Weise er sich die Kenntnis von dem maßgeblichen ausländischen Recht verschafft.
An die Ermittlungspflicht werden allerdings umso höhere Anforderungen gestellt, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist (vgl. BGH IX ZR 233/90 = BGHZ 118, 151; BGH II ZR 50/90 = NJW 91, 1418).
Von einem komplexen Sachverhalt ist hier sicher auszugehen, zumal auch seitens der Klagepartei durch Vorlage diverser Parteigutachten umfassende Ausführungen zur ausländischen Rechtspraxis gemacht worden sind.
Das Erstgericht ist aber gleichwohl der ihm obliegenden gesteigerten Ermittlungspflicht zur Ermittlung des ausländischen Rechts nachgekommen und hat die sich anbietenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und insbesondere auch die Gerichtspraxis, wie sie in der Rechtsprechung der russischen Gerichte zum Ausdruck kommt, berücksichtigt. Das Erstgericht durfte sich dabei auf die umfangreichen Gutachten der gerichtlich beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. V. stützen. Die Sachverständige ist Universitätsprofessorin an der Universität W., Rechtswissenschaftliche Fakultät, Institut für Europarecht, Internationales Recht und Abteilung für Rechtsvergleichung. Die Sachverständige hat in ihren Gutachten erkennbar zum Ausdruck gebracht, über spezielle Kenntnisse des russischen Rechts und vor allem der dort bestehenden Rechtspraxis zu verfügen. Sie hat sich nicht nur auf die Auswertung der ihr zugänglichen Literatur und der einschlägigen Gesetze beschränkt. Sie hat mehrfach sowohl in ihren schriftlichen Gutachten als auch in ihren Anhörungen vor Gericht zur Rechtspraxis in Russland Stellung bezogen (vgl. z. B. Anhörung vom 6.10.2011, Seite 9 ff. des Protokolls = Bl. 561 ff. d. A., Gutachten vom 28.4.2010 Seite 10 ff. = Bl. 339 ff. d. A., Gutachten vom April 2010, Seite 3 ff. = Bl. 358 ff. d. A., Gutachten vom 10.2.2011, Seite 16 ff. = Bl. 441 ff. d. A.).
Soweit die Klägerin als Einwand gegen die fachliche Kompetenz der Gutachten anführt, die Sachverständige habe entgegen den vorgelegten klägerischen Parteigutachten bislang nicht in Russland Recht gesprochen bzw. sei dort nie beruflich tätig gewesen, ist dies rechtsunerheblich und nicht notwendige Voraussetzung für die erforderliche Qualifikation der Sachverständigen.
Maßgeblich ist, dass die Sachverständige mit der russischen Rechtslehre und Rechtspraxis vertraut ist. Dies ist hier, wie die Gutachten und die Anhörungen der Sachverständigen zeigen, der Fall. Es bestand und besteht auch weiterhin kein Anlass für ein weiteres, sogenanntes Obergutachten.
Auch wenn die seitens der Klägerin vorgelegten Privatgutachten je ein der gerichtlich bestellten Sachverständigen widersprechendes Gutachten erstellt haben, hat das Erstgericht den ihm eigenen Ermessensspielraum bei der Würdigung widerstreitender Gutachten nicht verletzt.
Das Erstgericht hat eingehend mit logisch nachvollziehbarer Begründung (vgl. Ersturteil, Seite 24, 29 f.) dargelegt, warum es der gerichtlich bestellten Sachverständigen den Vorzug gibt, so dass diese für das Erstgericht keine Zweifelsfragen offen ließ. Das Erstgericht führt hierzu aus: "Gerade der Hinweis auf die Übersetzung und Auslegung eines bestimmten Begriffs aus dem Zeitraum des Entstehens der genannten Verordnung, die noch zu Zeiten der Planwirtschaft der UdSSR verabschiedet wurde, erhellt, dass sich die Sachverständige deutlich differenzierter mit der Rechtslage und den Vorschriften auseinandergesetzt hat als die von der Klägerin beauftragten Privatgutachter. So kann in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass beispielsweise in dem als Anlage K38 vorgelegten Privatgutachten des Moskauer Regionalen Rechtsanwaltskollegiums im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Verfassungswidrigkeit von Punkt 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1111 die Gerichtsentscheidung nur unvollständig zitiert wurde, indem gerade der Satz weggelassen wurde, wonach Gesetze, die vor dem Inkrafttreten der Verfassung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gegolten haben, in dem Umfang anzuwenden sind, die der Verfassung der Russischen Föderation nicht widersprechen." An weiterer Stelle führt es aus: "An der Fachkompetenz der gerichtlich bestellten Sachverständigen, zu der auch das Beherrschen der russischen Sprache gehört, besteht kein Zweifel. Dies wird letztlich auch bestätigt durch die Feststellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Termin vom 17.3.2011, wonach seine russischen Zuarbeiter aus der Zitierweise der Sachverständigen ableiten würden, sie sei mit der russischen Denkungsweise sehr eng vertraut."
Eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung eines weiteren (Ober-) Gutachtens besteht nur ausnahmsweise, nämlich bei besonders schwierigen Fragen, bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten und dann, wenn ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt (vgl. BGH VI ZR 6/79, nach Juris Rz. 7). Der Umstand allein, dass ein gegebenenfalls neu zu bestellender Sachverständiger wegen der eigenen Rechtspraxis in Russland über entsprechende Erfahrungen verfügt, stellt keine überlegenen Forschungsmittel dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind auch keinerlei grobe Mängel der vorliegenden Sachverständigengutachten der Gutachterin Prof.Dr. V. feststellbar (siehe hierzu im Einzelnen unten unter 3.). Vielmehr sind eher vereinzelt Bedenken gegen die vorgelegten Parteigutachten anzumelden, wie das Erstgericht zutreffend ausführt, was beispielsweise die oben angeführte unvollständige Zitierung der Gerichtsentscheidung zu Punkt 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1111 betrifft.
Auch hinsichtlich des Parteigutachtens von Prof. E. (Anlage K35) stellt die Sachverständige fest, dass dieser offensichtlich die in intertemporaler Hinsicht nicht einschlägige Fassung des RussWettbG anwendet (vgl. Gutachten vom 10.2.2011, S.8 = Bl. 433 d. A.).
Zum Parteigutachten von Herrn El. (Anlage K42) stellt die Gutachterin zu Punkt VIII Tz. 94 der dortigen Ausführungen fest, dass dem Privatgutachter eine andere Übersetzung vorlag (vgl. Anhörung der Sachverständigen vom 6.10.2011, Seite 12 des Protokolls = Bl. 564 d. A.). Auch im Hinblick auf das im Berufungsverfahren neu vorgelegte Privatgutachten von Herrn El. (Anlage K48) bestand für den Senat kein Anlass auf Erholung eines weiteren Gutachtens. Diese Ausführungen stellen jeweils nur erneut die Rechtsauffassung des Privatgutachters dar, die zum Teil der Rechtsauffassung der gerichtlich bestellten Sachverständigen widerspricht. Im Gutachten werden aber keine Tatsachen vorgetragen, die Rückschlüsse darauf zuließen, dass das vorhandene gerichtliche Sachverständigengutachten grobe Fehler aufweist, d. h. die Ausführungen der Sachverständigen zu den hier streitgegenständlichen Anspruchsgrundlagen grob falsch sein sollen. Dass der private Sachverständige über überlegene Forschungsmittel verfügen soll, wird ohnehin nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
3. Der Senat schließt sich der Auffassung des Erstgerichts an, dass der Klägerin nach russischem Recht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.
Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts (siehe Entscheidungsgründe unter I. 2.) wird Bezug genommen.
Ergänzend wird auf die Einwendungen der Klägerin in der Berufungsbegründung Folgendes ausgeführt:
3.1. Artikel 34 Abs. 2 der Russischen Verfassung:
Aus Artikel 34 Abs. 2 der Russischen Verfassung (RF) lässt sich kein Wettbewerbsverbot und damit keine Schadensersatzpflicht ableiten. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof.Dr. V. können auf diese hier streitgegenständliche privatrechtliche Auseinandersetzung die Regelungen der Verfassung der Russischen Föderation nicht zur Anwendung gelangen. Die Sachverständige verwies bei ihrer Anhörung vom 6.10.2011 (Protokoll Seite 11 ff. = Bl. 563 d. A.) ausdrücklich darauf, dass die Grundrechte in der Russischen Föderation traditionell als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden werden und ihnen keine Drittwirkung beigemessen werden könne; hierfür gebe es in den gerichtlichen Entscheidungen keine ausreichenden Hinweise. Entsprechende Ausführungen macht die Gutachterin auch in ihrem Gutachten vom 10.2.2011, (dort Seite 18 ff. = Bl. 443 d. A.).
Soweit sich die Klägerin unter Berufung auf das Privatgutachten von Herrn El. vom 29.7.2011 (Anlage K42, dort Rz. 93) auf die Entscheidung des Wirtschaftsgerichts des Moskauer Gebiets vom 15.3./22.3.2006 beruft, hat die Sachverständige Prof.Dr. V. auch auf diese Entscheidung Bezug genommen (vgl. Anhörung vom 6.10.2011, Seite 11 = Bl. 563 d. A.). Sie hat hierzu ausgeführt: "Aus der in Tz. 93 des Privatgutachtens El. zitierten Entscheidung lässt sich nicht ableiten, dass Artikel 34 Abs. 2 als Anspruchsgrundlage herangezogen wurde, wenn es dort heißt "dass die Handlungen der Beklagtenpartei die wirtschaftlichen Interessen der klagenden Partei schädigen. Die Interessen sind insbesondere von Artikel 1 ZGB RF und Art. 34 Abs. 2 der Verfassung geschützt. ... In Russland werden die Grundrechte bis heute traditionell als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden. Es gibt in den Entscheidungen keinerlei Hinweise auf die Drittwirkung der Grundrechte."
Auch die Entscheidung des 10. Wirtschaftsberufungsgerichts vom 26.4./28.4.2006 (Anlage K50 in original russischer Sprache) hat die Sachverständige Prof.Dr. V. bereits gewürdigt. Die im Privatgutachten des Moskauer Regionalen Rechtsanwaltskollegiums, Privatgutachter Rechtsanwalt J., zitierte Entscheidung lag der Sachverständigen Prof.Dr. V. bei ihrer Gutachtenserstattung als Auszug vor und wurde von ihr gewürdigt (vgl. Gutachten vom 24.6.2011, Seite 22 = Bl. 502 d. A., dort Fußnote 27). Hierzu stellt die Gutachterin fest: "Das angeführte Unikat27 war im Volltext nicht verfügbar. Es konnte nur ein Auszug eingesehen werden, der keine Berücksichtigung von Artikel 34 Abs. 2 der Verfassung enthält. Nach diesem Auszug begründet das Gericht seine Entscheidung unter Berufung aus Artikel 3 und 26 des Gesetzes "Über Elektrizitätswirtschaft" und Artikel 426 ZGB RF."
Soweit nunmehr die Klagepartei die vollständige Gerichtsentscheidung im Original (Anlage 50, ohne Übersetzung) vorlegt, beruft sie sich hier nicht auf weitere bislang nicht berücksichtigte Fundstellen in der zitierten Entscheidung. Die Klägerin gibt vielmehr an, die Anlage sei lediglich vorgelegt worden, um zu beweisen, dass diese Stellen in den zitierten Gerichtsentscheidungen auch tatsächlich enthalten sind (vgl. klägerischer Schriftsatz vom 16.10.2012, Seite 2 = Bl. 709 d. A.). Diese zitierte Fundstelle wurde von der Sachverständigen Prof.Dr. V. bereits, wie oben gezeigt, berücksichtigt, so dass es der neuen Einvernahme der Sachverständigen nicht mehr bedurfte.
3.2. Russisches Wettbewerbsgesetz (RussWettbG)
Das Erstgericht führt auch zutreffend aus, dass sich ein Anspruch der Klägerin auch nicht aus Artikel 10 des Russischen WettbG bzw. MonopolG ergibt. Der Beklagte ist nicht Adressat dieses Gesetzes. Adressaten sind Wirtschaftssubjekte, deren Begriff in Artikel 4 RussWettbG vorgegeben ist. Der Beklagte als Generaldirektor und damit als Organ von "Kamennij O." ist von der Definition des Wirtschaftssubjekts nicht umfasst.
Die Klägerin hat hierzu eingewandt, das Landgericht habe hier Artikel 563 Punkt 1 Abs. 1 des ZGB RSFSR 1964 nicht berücksichtigt, wonach die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit eines ausländischen Bürgers nach dem "lex patriae" zu bewerten sei.
Im zitierten Privatgutachten von Herrn El. vom 23.2.2012 (Anlage K48, dort Seite 2) wird hierzu ausgeführt: "Folglich, wenn der Beklagte im entsprechenden Zeitraum der Ausübung seiner Tätigkeit auf dem Territorium Russland den Status eines Unternehmers nach dem lex patriae hatte und in diesem Fall ist es m. E. das Recht Deutschlands, so muss er auch in Russland als Unternehmer mit allen daraus folgenden Konsequenzen betrachtet sein."
Selbst wenn hier das lex patriae als deutsches Recht Anwendung finden würde, (was der Senat für fernliegend hält) wäre der Beklagte jedenfalls als Generaldirektor und damit als Organ der "Kamennij O." nach deutschem Recht noch nicht als Unternehmer, welcher im deutschen Recht mit dem Kaufmanns-Begriff gleichzusetzen wäre, anzusehen. Ein Organ ist aber nicht Kaufmann nach deutschem Recht (vgl. BGHZ 104/98, BGHZ 133, 78; Baumbach/Hopt HGB 35. Aufl. § 1 Rz. 31).
Der weitere Einwand, dass die Registrierung im Russischen Wettbewerbsgesetz nicht vorausgesetzt werden dürfe, greift nicht. Das Erstgericht führt hierzu zu Recht aus, selbst wenn man der Auffassung sein sollte, ein nicht registrierter Einzelunternehmer könne vom Wortlaut des Artikel 4 RussWettbG grundsätzlich umfasst sein, führe dies nicht zur Bejahung der Eigenschaft des Beklagten als Wirtschaftssubjekt. Dann nämlich müsse davon ausgegangen werden, dass es an der weiteren Voraussetzung einer unternehmerischen Tätigkeit fehle, wie sie in Artikel 1 russ. UGB definiert werde. Als Geschäftsführer von "Kamennij O." werde der Beklagte nicht eigenständig tätig.
Soweit sich die Klägerin auf das Privatgutachten von Herrn A. (Anlage K37, K37a), dort S. 22 f. bezieht, wird dort ausgeführt: "Außerdem war F. S. als Unternehmer im Rahmen der Verhandlung im Schiedsinstitut der Stockholmer Handelskammer der Arbitrageangelegenheit aus der Klage von F. S. gegen die Russische Föderation anerkannt. Dementsprechend ist F. S. im Sinne des Artikels 4 des Gesetzes der RSFSR vom 22. März 1991 Nr. 948/1 "Über den Wettbewerb und die Einschränkung der monopolistischen Tätigkeit auf den Warenmärkten" als Wirtschaftssubjekt, der vom im Artikel 10 dieses Gesetzes verkündeten Verbot des unlauteren Wettbewerbs erfasst ist, anzusehen." Wieso allein aus der Tatsache, dass eine Stockholmer Handelskammer den Beklagten als Unternehmer ansieht, nach russischem oder, wie die Klägerin meint, nach hier zu beurteilendem deutschem Recht, Unternehmereigenschaft anzunehmen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht und bedarf keiner weiteren Erörterung.
3.3. Artikel 10 bis der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ)
Der Senat schließt sich der Auffassung des Erstgerichts an, dass die Regeln des internationalen Vertrags - und damit der PVÜ - dann angewandt werden, wenn durch den internationalen Vertrag andere Regelungen festgesetzt worden sind als die im Gesetz vorgesehenen Regeln. Vorliegend aber sind die innerstaatlichen Regeln aus Artikel 10 RussWettbG vorrangig; diese genügen den internationalen Standards, weshalb sie das PVÜ verdrängen. Da die Pariser Verbandsübereinkunft mit dem RussWettbG umgesetzt wurde und Ansprüche danach nicht bestehen, lässt sich auch ein Verstoß gegen Artikel 10 bis PVÜ bereits aufgrund der fehlenden Anwendbarkeit dieser Norm nicht bejahen. Abgesehen davon muss auch davon ausgegangen werden, dass der Beklagte als Person in keinem Wettbewerbsverhältnis zu "Kamennij O." stand. Wettbewerber war allenfalls die SGC International, weil der Beklagte in deren Namen und nicht im eigenen Namen auftrat.
Soweit sich die Klägerin auch hierzu auf ihr Privatgutachten von Herrn El.(Anlage K47 = Anlage zu Bl. 595 d. A.) beruft, gibt dieses Gutachten letztlich den rechtlichen Standpunkt des privaten Sachverständigen wieder, Anlass für eine weitere Befragung der gerichtlich bestellten Sachverständigen ergeben sich hieraus nicht. Die Gutachterin hat bereits im Gutachten vom 10. Februar 2011, dort Seite 19 (= Bl. 444 d. A.) ausgeführt: "Richtig ist, dass in der heutigen Rechtsprechung Artikel 10 bis PVÜ direkt angewendet wird, wobei bei Verstößen gegen den unlauteren Wettbewerb von den Gerichten nur in sehr wenigen Fällen auch ein Verstoß gegen Artikel 10 bis PVÜ festgestellt wird."
Hier ist aber maßgeblich die Rechtsprechung zum streitgegenständlichen Zeitpunkt zwischen den Jahren 1991 und 1995.
Hinsichtlich des privaten Sachverständigen A. (Anlage K37, K37a) stellt die Sachverständige im selben Gutachten fest, dass Herr A. in seiner Stellungnahme den hier wesentlichen zweiten Teil der Verfassungsbestimmung nicht angeführt hat, demgemäß werden internationale Verträge dann direkt angewendet, wenn sie andere Regelungen vorsehen als das Gesetz.
3.4. Grundsatz von Treu und Glauben
Das Erstgericht stellt zutreffend fest, dass zum streitgegenständlichen Zeitpunkt die hier zentralen Vorschriften keine Regelungen hinsichtlich einer Haftung nach Treu und Glauben enthalten.
Der Einwand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 7.11.2012, es komme vorliegend nicht auf die Rechtslage, sondern auf die " gelebte Rechtspraxis" an, dass nämlich in Rußland nach dem Grundsatz von Treu und Glauben entschieden werde, greift nicht.
Die Sachverständige führte aus, aus den Grundsätzen von Treu und Glauben lasse sich für die damalige Zeit kein Wettbewerbsverbot ableiten. Sie gibt an, wie sich insbesondere seit der Geltung des ZGB RSFSR 1964 der entsprechende Grundsatz entwickelt hat (vgl. Gutachten vom 9.3.2009 = Bl. 228 ff. d. A..) Ganz abgesehen davon, dass nicht nur in der Sowjetära ein gehöriges Mißtrauen gegenüber Generalklauseln bestanden hätte und Gesetze und Verträge traditionell nach ihrem Wortlaut auszulegen waren und seien, habe sich auch im russischen Recht der Grundsatz bislang nicht verankern können. Das in Art. 5 GZG 1991 verankerte "Missbrauchsverbot" sei traditionell eng und zwar als "Schikaneverbot" ausgelegt worden (Vgl. Gutachten vom 29.2.08, S. 30 = Bl. 168 ff). Nach den Ausführungen der Sachverständigen bestehe auch heute - lange nach den Umwälzungen zu Beginn und im Laufe der 90er Jahre - erhebliche Unsicherheit darüber, wann und wie der Grundsatz von Treu und Glauben angewendet werden könne. Die Literatur setze sich neuerdings vermehrt mit der Problematik auseinander, woraus nicht zu schließen sei, dass einzelne Rechtsvorschriften "reell in die Tat" umgesetzt würden. Im Gegenteil, noch in der Gegenwart sei weder eine einheitliche Linie in der Rechtsprechung noch eine verallgemeinerungsfähige Konkretisierung des Grundsatzes durch die Rechtsprechung feststellbar, und zwar obwohl das damals nicht geltende russ. AktienG durchaus über einschlägige Bestimmungen verfüge. (vgl. Gutachten vom 9.3.09, S. 12f = Bl. 230f).
Dass die Gutachterin auch mit dem russischen Rechtssystem vertraut ist, ergibt sich aus ihrer Äußerung anlässlich ihrer Anhörung vom 26.3.2009 (Seite 3 des Protokolls = Bl. 240 d. A.). Hierin stellt die Gutachterin fest: "Ich war vor drei Wochen in Russland. Sie sehen dort viele Verstöße auch gegen Vorgaben über den Wettbewerb. Es wird aber nur das geahndet, was der russische Staat geahndet wissen will- das ist die Realität. Die rechtlichen Vorgaben werden vielfach nicht angewandt, weil die Anwendungsbedingungen nicht bekannt sind".
Die Sachverständige hat sich auch ausführlich mit dem Privatgutachten des Anwaltskollegiums (Anlage K38), und Herrn El. (Anlage K42) und Herrn A. (Anlage K37a) befasst (vgl. Gutachten vom 10.2.2011S. 21ff = Bö- 446ff und Gutachten vom 24.6.2011 = Bl. 481 ff. d. A., Anhörung vom 6.10.2011, Protokoll Seite 12 = Bl. 564 d. A.). Bzgl. des Gutachtens von Herrn El. kritisiert die Sachverständige, dass dem Gutachter eine andere Übersetzung vorlag (vgl. Bl. 564 d. A.).
Auch das neu vorgelegte Gutachten von Herrn El. (Anlage K48) ergab keine neuen Gesichtspunkte, die Veranlassung dazu gegeben hätten, die Sachverständige Prof.Dr. V. hier erneut anzuhören.
3.5. Artikel 5 Abs. 3 GZG 1991
Die Anwendbarkeit der Vorschrift scheitert wegen der fehlenden Unternehmereigenschaft des Beklagten. Soweit die Klägerin rügt, die gerichtlich bestellte Sachverständige sei selbst zum Schluss gelangt, dass der Schadensersatz nach GZG 1991 möglich sei, hat die Sachverständige diese Äußerung in einem anderen Zusammenhang getätigt. Die Sachverständige stellt an der zitierten Stelle lediglich die einschlägigen Regelungen der GZG dar und kommt zu dem Schluss: "Der Zuspruch von Schadensersatz erfolgt also, wenn eine Person die Verletzung des subjektiven Rechts darzulegen vermag." (vgl. Gutachten vom 28.4.2010, Seite 14 = Bl. 343 d. A.). Gerade an dieser Voraussetzung mangelt es jedoch vorliegend. Die Klägerin vermag keine Verletzung ihres subjektiven Rechts darzulegen, da den Beklagten weder nach dem GZG noch nach anderen einschlägigen Rechtsvorschriften ein Wettbewerbsverstoß traf (siehe obige und nachfolgende Ausführungen).
3.6. Verordnung Nr. 1111 vom 22.11.1988 "Über die Zweitbeschäftigung"
Das Erstgericht hat hier zu Recht Bedenken gegen das Gutachten des Moskauer Regionalen Rechtsanwaltskollegiums (Anlage K38) angeführt, zumal das Gutachten im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Verfassungswidrigkeit von Punkt 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1111 die Gerichtsentscheidung nur unvollständig zitiert hat, indem gerade der Satz weggelassen wurde, wonach Gesetze, die vor dem Inkrafttreten der Verfassung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gegolten haben in dem Umfang anzuwenden sind, die der Verfassung der Russischen Föderation nicht widersprechen.
Mit dem Gutachten El. (Anlage K42) hat sich die gerichtlich bestellte Sachverständige ausführlich auseinandergesetzt (vgl. Anhörung vom 6.10.2011 Bl. 553 ff. d. A.). Die Sachverständige hat weiter festgestellt, die Ausführungen im Gutachten El., der von staatlichen Unternehmen spreche, werde von der Klägerin insoweit verkürzt, als im Schriftsatz des Klägervertreters vom August 2011 schlicht von Unternehmen gesprochen werde (vgl. Protokoll Seite 9 = Bl. 561 d. A.).
Aus dem neu vorgelegten Gutachten von Herrn El. (Anlage K48) ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine neue Anhörung der Sachverständigen erforderlich machen würden.
3.7. Artikel 28 Abs. 3 GZG 1991
Die Sachverständige hat in ihrer Anhörung zu Recht darauf verwiesen, dass diese vertragsrechtliche Schutzvorschrift als Regelung des allgemeinen Teils zwar auf alle Rechtsgebiete anzuwenden sei, sie sich indes typischerweise im schuldrechtlichen Bereich auswirkt und daraus dann aber kein spezifisch wettbewerbsrechtlicher Regelungsgehalt abgeleitet werden kann. Mit den Gutachten von Herrn El. (Anlage K42) und des Anwaltskollegiums (Anlage K38) hat sich die Sachverständige ebenfalls auseinandergesetzt.
3.8. Artikel 2 Abs. 9 Eigentumsgesetz RSFSR
Soweit die Klägerin rügt, dieses Gesetz sei vom Erstgericht nicht erwähnt worden, kann auch aus diesem Gesetz die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten herleiten.
Nach dem Privatgutachten von Dr. Er. (Anlage K31, dort Seite 9) zählen zu den Personen, um die es in Abschnitt 2.9 Artikel 2 des Eigentumsgesetzes geht, jegliche Personen, denen durch rechtswidrige Handlungen des Eigentümers der "Schaden verursacht wurde, darunter auch andere Eigentümer desselben Eigentums (im vorliegenden Fall des Eigentums von AOST "Kamennij O.")". Im vorliegenden Fall wäre die Klägerin der andere Miteigentümer.
Entgegen der Auffassung dieses Privatgutachters ist aber der Beklagte, welcher nur als Organ der Gesellschaft "Kamennij O." fungiert hat, nicht als anderer Eigentümer im Sinne dieses Gesetzes anzusehen.
Die gerichtlich bestellte Gutachterin hat zum Gutachten von Dr. Er. auch Stellung bezogen (Gutachten vom 9.3.09, Bl. 219 ff.). Sie führt hierzu u. a. aus, Herr Dr. Er. untermauere seine Ausführungen vorwiegend mit aktueller Judikatur auf heute geltenden Rechtsgrundlagen. Dies gehe grundsätzlich nicht an.
Dem stimmt der Senat zu.
3.9. Artikel 8 der Grundlagen der Gesetzgebung über die Investitionstätigkeit in der UdSSR
Ein Verstoß gegen Artikel 8 der Grundlagen der Gesetzgebung über die Investitionstätigkeit in der UdSSR liegt nicht vor. Nach den zutreffenden Ausführungen der Sachverständigen (Gutachten vom 10.2.2011, dort Seite 15 = Bl. 440 d. A.) sind Investoren im Sinne des Gesetzes gemäß Artikel 4 Abs. 2 Anleger, Gläubiger, Käufer und andere Teilnehmer an einer Investitionstätigkeit. Dies trifft auf Geschäftsführer wie den Beklagten nicht zu, weshalb Artikel 8 dieses Gesetzes auf Organe nicht anzuwenden ist.
3.10. Punkt 10 Abs. 2 der Russischen AktienO
Punkt 10 Abs. 2 der Russischen AktienO ist ebenfalls nicht einschlägig, da Voraussetzung hierfür die Insolvenz ist, wie die Sachverständige in ihrem Gutachten vom 29.2.08 (Bl. 168 ff. der Akten, dort Seite 26 f.) feststellt. Insolvenz liegt hier unstreitig nicht vor.
3.11. Artikel 20 des Unternehmensgesetzes der RSFSR vom 25.12.1990 Nr. 445
Diese Vorschrift ist ebenfalls nach den Ausführungen der Sachverständigen (vgl. Gutachten vom 24.10.2011 Bl. 573 d. A.) nicht einschlägig. Dieses Gesetz, welches Unternehmen mit staatlichen Eigentümern im Blick hat, sieht in Artikel 11 Abs. 2 vor, dass alle Teilnehmer nur in Höhe ihrer Einlagen haften. Abs. 4 klärt, dass es sich bei den Aktiengesellschaften geschlossenen Typs um eine juristische Person handelt. Die Sachverständige führt weiter aus, da sich Artikel 11 großteils auf Legaldefinitionen beschränke und eine juristische Person und Aktiengesellschaft vor dem Hintergrund des sowjetischen Gesellschaftsrechts vor Augen habe, sei auch schon aus dem Gesetz selbst die von Dr. El. vorgeschlagene Auslegung nicht zu entnehmen.
Die Klägerin behauptet zudem selbst nicht, dass sich hieraus ein unmittelbarer Anspruch ableiten ließe. Sie spricht vielmehr davon, der unlautere Wettbewerb habe erstmalige Erwähnung in der russischen Gesetzgebung gefunden in dem Gesetz "Über die Unternehmen und die Unternehmenstätigkeiten vom 25. Dezember 1990 in der Fassung der Änderung vom 24. Juni 1992, dessen Artikel 20 sich mit der Garantie der Unternehmensaktivitäten befasste und sich ausdrücklich gegen die Zulassung von Monopolen einzelner Unternehmen und gegen unlauteren Wettbewerb wendet (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 25.8.08, Seite 11 = Bl. 191 d. A.).
3.12. Artikel 10 Abs. 1 Satz 2, Artikel 53 ZGB RF 1994
Die Sachverständige Prof.Dr. V. stellt hierzu zutreffend fest, die Anwendung von Artikel 53, insbesondere Artikel 53 Abs. 3 der Vorschrift, der die Sorgfaltspflichten bzw. Haftung eines Organs und seine Haftung im Falle einer Verletzung dieser Pflichten (erstmals) regelt, sei rechtlich (auch in inhaltlicher Hinsicht) nicht angebracht. Die Vorschrift sei am 8.12.1994 in Kraft getreten und finde keine rückwirkende Anwendung (vgl. Gutachten vom 9.3.09, Seite 3 = Bl. 221 d. A.).
Zudem bleibt auch hier unklar, welcher Schaden der Klägerin nach dieser Anspruchsgrundlage überhaupt entstanden sein soll, zumal die Klägerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden ist (nämlich am 9.11.1994).
3.13. Vertragliche Schadensersatzansprüche
Vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden aus den zutreffenden Gründen des Erstgerichts, auf die Bezug genommen wird (s.Entscheidungsgründe, Ziffer I. 2 b) aus.
Auch die Sachverständige stellt hierzu fest, Artikel 6.1.5 des Vertrags betreffe die Pflicht des Gesellschafters, eine Personenidentität zwischen dem Gesellschafter und dem Beklagten im Sinne der in Erwägung gezogenen Bestimmungen des russischen Rechts liege jedoch nicht vor (vgl. Gutachten vom 10.2.2011, Seite 4 = Bl. 429 d. A.).
Zu dem Gutachten von Herrn El. (Anlage K42) und Herrn J. (Anlage K38) hat die Gutachterin ausführlich Stellung genommen (vgl. Anhörung der Sachverständigen vom 6.10.2011, Bl. 553 ff.), insbesondere auch zu der von den Privatsachverständigen vertretenen Kontrolltheorie (Bl. 554 d. A.). Danach ist die Kontrolltheorie bereits im Völkerrecht sehr umstritten. Die Sachverständige führt aus, das Privatgutachten El. mache sich diese Theorie für das innerstaatliche russische Recht zu eigen. Indes gelte die Kontrolltheorie in Russland nicht und schon gar nicht im Gesellschaftsrecht. Es gebe keinen Beleg, dass diese Theorie in diesem Zusammenhang je im Gesellschaftsrecht angewandt worden wäre. Vielmehr gehe das russische Recht vom Trennungsprinzip aus. Artikel 15 Abs. 2 GZG 1991 wäre durch die Kontrolltheorie verdrängt. Auf dieses Problem gehe das Privatgutachten El. nicht ein. Artikel 15 Abs. 2 GZG sei Zeugnis des Trennungsprinzips und lege eine beschränkte Haftung fest wie bereits in ihrem früheren Gutachten vom 24.6.2011, S.7f (= Bl. 487d.A.) ausgeführt.
3.14. Artikel 117 ZGB RSFSR 1964
Das Erstgericht führt zutreffend aus, dass sich diese Vorschrift auf unitarische Unternehmen und nicht auf Körperschaften wie die "Kamennij O." beziehe. Dies wird gestützt durch die Ausführungen der Sachverständigen. Diese führt aus: "Artikel 116 Begriff des gemeinsamen Eigentum, lautet:
"Das Vermögen kann als gemeinsames Eigentum zwei oder mehreren Kolchosen oder anderen Kooperativen und anderen gesellschaftlichen Organisationen, oder dem Staat und einer oder mehreren Kolchosen oder anderen Kooperativen und anderen gesellschaftlichen Organisationen, oder zwei oder mehreren Bürgern gehören." (vgl. Gutachten vom 24.6.2011, Seite 9 = Bl. 489 d. A.).
Dass es entgegen dem Wortlaut der Vorschrift dies hier anders auszulegen sein soll, wurde durch Vorlage des Gutachtens von Herrn El.(Anlage K48, dort Seite 8 f.) nicht näher dargetan. Der Privatgutachter gibt lediglich seine Rechtsmeinung wieder, ohne dass er neue, bislang unbekannte Rechtsprechung oder sonstige Fundstellen als Beleg hierfür angegeben hätte. Der erneuten Anhörung der gerichtlich bestellten Gutachterin bedurfte es daher nicht.
3.15. Bereicherungsansprüche
Auch aus Artikel 1102 ZGB RF als auch Artikel 133 GZG 91 aus Bereicherungsrecht hat das Erstgericht zu Recht dem Anspruch nicht stattgegeben. Auf die dortigen Ausführungen (Entscheidungsgründe, Ziffer I.2. c) wird verwiesen. Das neu vorgelegte Privatgutachten von Herrn El. (Anlage K48) trägt hierzu keine weiteren Erkenntnisse vor.
3.16. Die zulässige Feststellungsklage war aus den oben genannten Gründen zu Ziffer II.3.1 bis 3.15 ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
3.17. Da aus den genannten Gründen der Klägerin bereits keine Anspruchsgrundlage zusteht, konnte letztlich dahingestellt bleiben, ob die Ansprüche nicht ohnehin verjährt sind, wie sich den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnehmen lassen könnte. Nicht zuletzt ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ihre Ansprüche in eigenem Namen geltend machen kann.
3.18. Abschließend ist anzumerken, dass nach neuerem Recht, d. h. in Artikel 81 RussAktG vom 26.12.95, welches die RussAktO vom 25.12.1990 ersetzt hat und am 1.1.1996 in Kraft getreten ist, erstmals eine Regelung über Geschäfte der Aktiengesellschaft mit Personen, die am Abschluss eines Rechtsgeschäfts interessiert sind, enthalten ist. Diese Vorschrift hat aber, wie die Sachverständige zu Recht ausführt, keine rückwirkende Kraft und ist hier nicht anzuwenden (vgl. Gutachten vom Februar 2008 Seite 168 ff., dort Seite 28 des Gutachtens). Die Einführung dieses neuen Gesetzes zeigt aber, dass bis dahin offenbar eine Gesetzeslücke vorlag, so dass eine Neuregelung veranlasst schien.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
OLG München:
Urteil v. 07.11.2012
Az: 7 U 1226/12
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