Landgericht Bielefeld:
Beschluss vom 20. März 2009
Aktenzeichen: 4 OH 49/09

(LG Bielefeld: Beschluss v. 20.03.2009, Az.: 4 OH 49/09)

Tenor

In dem selbständigen Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG...

wird der T. GmbH gestattet, der Antragstellerin unter Verwendung der jeweiligen Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift derjenigen Internetnutzer, denen zu den nachfolgend aufgeführten Zeiten die folgenden IP-Adressen zugewiesen waren:

# Rechteinhaberin IP-Adresse Datum Uhrzeit Zeitzone

1 D. xxx 15.03.2009 22:46:45 CET

2 D. xxx 15.03.2009 22:33:29 CET

3 D. xxx 15.03.2009 21:03:01 CET

4 D. Xxx 15.03.2009 20:32:32 CET

5 D. Xxx 15.03.2009 20:09:52 CET

6 D. Xxx 15.03.2009 17:26:06 CET

7 D. Xxx 15.03.2009 17:06:23 CET

8 D. Xxx 15.03.2009 14:55:53 CET

9 D. Xxx 15.03.2009 14:35:17 CET

10 D. Xxx 15.03.2009 14:08:45 CET

11 D. Xxx 15.03.2009 13:01:28 CET

12 D. Xxx 15.03.2009 11:39:42 CET

13 D. Xxx 15.03.2009 11:11:10 CET

14 D. Xxx 15.03.2009 10:47:59 CET

15 D. Xxx 15.03.2009 10:45:17 CET

16 D. Xxx 15.03.2009 09:55:16 CET

17 D. Xxx 15.03.2009 09:54:24 CET

18 D. Xxx 15.03.2009 07:01:11 CET

19 D. Xxx 15.03.2009 05:35:34 CET

20 D. Xxx 15.03.2009 05:05:15 CET

21 D. Xxx 15.03.2009 03:47:27 CET

22 D. Xxx 15.03.2009 03:44:37 CET

23 D. Xxx 15.03.2009 03:34:14 CET

24 D. Xxx 15.03.2009 03:05:22 CET

25 D. Xxx 15.03.2009 00:17:27 CET

26 D. Xxx 14.03.2009 23:24:26 CET

27 D. Xxx 14.03.2009 20:31:02 CET

28 D. Xxx 14.03.2009 19:54:08 CET

29 D. Xxx 14.03.2009 19:15:00 CET

30 D. Xxx 14.03.2009 19:10:35 CET

31 D. Xxx 14.03.2009 18:44:38 CET

32 D. Xxx 14.03.2009 18:18:00 CET

33 D. Xxx 14.03.2009 15:58:49 CET

34 D. Xxx 14.03.2009 15:26:48 CET

35 D. Xxx 14.03.2009 15:15:57 CET

36 D. Xxx 14.03.2009 15:09:25 CET

37 D. Xxx 14.03.2009 14:56:25 CET

38 D. Xxx 14.03.2009 14:35:27 CET

39 D. Xxx 14.03.2009 14:05:51 CET

40 D. Xxx 14.03.2009 13:50:29 CET

41 D. Xxx 14.03.2009 12:52:01 CET

42 D. Xxx 14.03.2009 12:48:07 CET

43 D. Xxx 14.03.2009 11:18:02 CET

44 D. Xxx 14.03.2009 11:15:17 CET

45 D. xxx 14.03.2009 10:56:19 CET

46 D. Xxx 14.03.2009 08:17:11 CET

47 D. Xxx 14.03.2009 07:58:27 CET

48 D. Xxx 14.03.2009 01:07:19 CET

49 D. Xxx 14.03.2009 00:19:56 CET

50 D. Xxx 13.03.2009 22:44:33 CET

51 D. Xxx 13.03.2009 22:35:34 CET

52 D. Xxx 13.03.2009 20:15:15 CET

53 D. Xxx 13.03.2009 19:48:01 CET

54 D. Xxx 13.03.2009 19:27:35 CET

55 D. Xxx 13.03.2009 17:07:39 CET

56 D. Xxx 13.03.2009 16:19:34 CET

57 D. Xxx 13.03.2009 15:37:19 CET

58 D. Xxx 13.03.2009 15:09:32 CET

59 D. Xxx 13.03.2009 05:56:57 CET

60 D. Xxx 13.03.2009 03:46:40 CET

61 D. Xxx 13.03.2009 01:58:37 CET

62 D. Xxx 12.03.2009 23:19:30 CET

63 D. Xxx 12.03.2009 23:17:29 CET

64 D. Xxx 12.03.2009 22:58:55 CET

65 D. Xxx 12.03.2009 21:46:51 CET

66 D. Xxx 12.03.2009 19:05:54 CET

67 D. Xxx 12.03.2009 18:18:41 CET

68 D. Xxx 12.03.2009 18:16:30 CET

69 D. xxx 12.03.2009 17:14:17 CET

70 D. Xxx 12.03.2009 17:09:47 CET

71 D. Xxx 12.03.2009 12:57:32 CET

72 D. Xxx 12.03.2009 11:04:53 CET

73 D. Xxx 12.03.2009 08:33:17 CET

74 D. Xxx 12.03.2009 04:02:17 CET

75 D. Xxx 12.03.2009 01:12:10 CET

76 D. Xxx 12.03.2009 00:51:10 CET

77 D. xxx 12.03.2009 00:13:43 CET

Gründe

I.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Ist ein Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht offensichtlich verletzt, hat der Verletzte nach § 101 Abs. 2 UrhG einen Anspruch auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse. Dieser Anspruch richtet sich gemäß § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG u.a. gegen Personen, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben. Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG erteilt werden, ist nach § 101 Abs. 9 TKG für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der betreffenden Verkehrsdaten erforderlich, die unter den vorgenannten Voraussetzungen von der Zivilkammer zu erlassen ist.

So liegen – ausgehend von dem hinreichend glaubhaft gemachten Vortrag der Antragstellerin – die Dinge hier:

1.

Es liegt eine offensichtliche Verletzung von Urheberrechten vor. Die Antragstellerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte nach §§ 89, 16, 17, 19a UrhG an den Film- und Tonaufnahmen des Filmes "Y". Diese Aufnahmen wurden von den Nutzern der in der Beschlussformel genannten IP-Adressen zu den in der Beschlussformel genannten Zeitpunkten über die Internet-Tauschbörsen f. und C. zum elektronischen Abruf durch andere Nutzer bereitgehalten und damit unter Verletzung der Verwertungsrechte der Antragstellerin öffentlich zugänglich gemacht.

2.

Die T. GmbH bietet als Internet-Service-Provider in gewerblichem Ausmaß als Dienstleistung die Verschaffung des Zugangs zum Internet an. Darüber hinaus bietet sie ihre Internet-Infrastruktur solchen Internet-Service-Providern für deren Endkundengeschäfte an, die über keine eigene Internet-Infrastruktur verfügen. Diese Dienstleistung wird u.a. von der E. AG in Anspruch genommen und wurde von deren Kunden für die vorbeschriebenen Rechtsverletzungen genutzt. Die für die Downloads genutzten IP-Adressen zählen zum Bestand der T. GmbH. Sie hat diese Adressen den betreffenden Internetnutzern zugeordnet und diesen dadurch über deren Internetanschlüsse Zugang zum Internet gewährt.

3.

Entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung ist darüber hinaus keine Voraussetzung einer Drittauskunft im Sinne des § 101 Abs. 2 und 9 UrhG, dass auch die Verletzungshandlung, auf welche sich die begehrte Auskunft bezieht, ein gewerbliches Ausmaß im Sinne des § 101 Abs. 1 UrhG aufweist. Ein solches Erfordernis ist dem Wortlaut des § 101 Abs. 2 UrhG nicht zu entnehmen. Das darin ausdrücklich aufgenommene Erfordernis eines gewerblichen Ausmaßes bezieht sich nach dem Wortsinn der Vorschrift eindeutig auf die Tätigkeit des jeweiligen Dritten im Sinne der § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 UrhG. Hinsichtlich der als Voraussetzung für Auskunftsansprüche nach § 101 Abs. 2 UrhG erforderlichen Rechtsgutsverletzung ist in der Vorschrift lediglich das Erfordernis der Offensichtlichkeit normiert. Dass die Rechtsgutsverletzung darüber hinaus auch die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 UrhG und insbesondere ein gewerbliches Ausmaß aufweisen muss, ergibt sich aus dem Gesetzestext nicht. Der insoweit entgegenstehende Wille des Gesetzgebers hat im Wortlaut des § 101 Abs. 2 UrhG in keiner Weise Niederschlag gefunden (vgl. Jüngel/Geißler MMR 2008, 787; Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., 2008, § 101 Rn. 12).

Ein solches Erfordernis ergibt sich auch nicht aus einer systematischen Auslegung des § 101 UrhG. Insbesondere erscheint es nicht zwingend, den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG wie teilweise vertreten (vgl. OLG Köln MMR 2008, 820) deswegen von den zusätzlichen Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 UrhG abhängig zu machen, weil die Drittauskunft nach § 101 Abs. 2 UrhG letztlich der Verfolgung von Ansprüchen gegen den Urheberrechtsverletzer nach § 101 Abs. 1 UrhG diene und daher nicht über den diesem gegenüber bestehenden Auskunftsanspruch hinausgehen dürfe. Systematisch handelt es sich bei § 101 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG um gänzlich verschiedene Auskunftsansprüche. Während der Anspruch aus § 101 Abs. 1 UrhG bei bekannter Identität des Verletzers lediglich auf Auskünfte bezüglich des konkreten Ausmaßes der Rechtsverletzung gerichtet ist, dient der Anspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG dazu, dem Urheberrechtsinhaber die für eine Verfolgung seiner Rechte erforderlichen Ermittlungen insbesondere auch hinsichtlich der Identität eines bislang unbekannten Verletzers zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund ist der Schluss, dass § 101 Abs. 2 UrhG hinsichtlich des Ausmaßes der Verletzungshandlung dieselben Anforderungen wie § 101 Abs. 1 UrhG stellen muss, keinesfalls zwingend. Angesichts des Umstandes, dass der Verletzte in den Fällen des § 101 Abs. 2 UrhG das Ausmaß der Urheberrechtsverletzung regelmäßig erst nach dem Erhalt der Auskunft überblicken kann, wie gerade die Fälle der vorliegend in Rede stehenden gegen Internet-Provider gerichteten Auskunftsbegehren nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG belegen, ist es vielmehr naheliegend, insoweit geringere Anforderungen an die zugrundeliegende Rechtsverletzungen zu stellen, um dem Urheberrechtsinhaber überhaupt erst die Prüfung zu ermöglichen, ob eine Rechtsverletzung im Sinne des § 101 Abs. 1 UrhG gegeben ist.

Gegen die Annahme eines so genannten "doppelten Gewerbsmäßigkeitserfordernisses" spricht auch die für das Gericht bestehende Verpflichtung, die Vorschrift des § 101 Abs. 2 UrhG richtlinienkonform und damit so auszulegen, dass das Ziel der Richtlinie nicht durch die Auslegung des nationalen Rechts gefährdet wird. Zwar sieht Erwägungsgrund 14 der dem § 101 UrhG zugrundeliegenden Richtlinie 2004/48/EG vor, dass der Auskunftsanspruch gegen Dritte von den Gesetzgebern der Mitgliedstaaten zwingend nur "bei in gewerblichem Ausmaß vorgenommenen Rechtsverletzungen" umgesetzt werden muss. Er gibt den Mitgliedstaaten aber darüber hinaus die Möglichkeit, "diese Maßnahmen auch bei anderen Rechtsverletzungen" anzuwenden. Die Ausgestaltung eines solchen weitergehenden Auskunftsanspruchs stand dabei aber nicht im Belieben des Gesetzgebers. Vielmehr gibt Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie vor, dass die "Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe [...] darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden [müssen], dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist." Diese Anforderungen wird die Annahme eines doppelten Gewerbsmäßigkeitserfordernisses nicht gerecht. In diesem Fall liefe die Vorschrift des § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG weitgehend leer:

Den Rechteinhabern ist im Bereich des illegalen Filesharing, auf welches § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG im Wesentlichen abzielt, nahezu unmöglich, ein gewerbliches Ausmaß der Verletzungshandlung dazulegen und zu beweisen (so auch die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drs 16/5048 S. 59). Die Rechteinhaber können nämlich technisch bedingt eine Verletzungshandlung eines Nutzers in der Regel nur bezüglich einer einzigen Datei nachweisen. Dass allein das Zurverfügungstellen einer einzelnen Datei – auch wenn diese in gepackter Form z.B. ein komplettes Musikalbum enthält – etwa unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Urheberrechtsverletzung bereits in jedem Fall ein "gewerbliches Ausmaß" der Verletzungshandlung begründen kann, erscheint zumindest zweifelhaft. In gewerblichem Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen zeichnen sich nach dem Erwägungsgrund 14 der Richtlinie dadurch aus, "dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden". Dies im Falle des Bereithaltens einer einzigen Datei anzunehmen, ist jedenfalls nicht zwingend. Es ist gerichtsbekannt, dass von einigen Filesharingprogrammen automatisch die auf dem Rechner des Nutzers vorhandenen Dateien freigegeben werden, ohne dass dies ein Zutun des Nutzers erfordern würde oder diesem auch nur zur Kenntnis gelangen muss. Selbst wenn von dem Nutzer willentlich eine Datei zum Download angeboten wird, ist nicht ersichtlich inwiefern damit ein wirtschaftlicher Vorteil des Nutzers verbunden sein muss. Denn es ist ebenfalls gerichtsbekannt, dass der Nutzer sich bei zahlreichen Filesharingprogrammen die Möglichkeit, Dateien anderer Nutzer herunterzuladen, nicht durch das gleichzeitige Anbieten eigener Dateien "erkaufen" muss, sondern unbeschränkt Dateien anderer Nutzer herunterladen kann.

Der Gefahr eines weitgehenden Leerlaufens insbesondere der Vorschrift des § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG kann im Falle der Annahme eines "doppelten Gewerbsmäßigkeitserfordernisses" – wie ein Blick in die bislang hierzu veröffentlichen Entscheidungen belegt – nur dadurch begegnet werden, dass die Anforderungen an das gewerbliche Ausmaß der Urheberrechtsverletzung weit herabgesetzt werden. Dies erscheint indessen wenig sachgerecht, weil dadurch zugleich der Anwendungsbereich auch des § 101 Abs. 1 UrhG unangemessen ausgeweitet würde.

4.

Den danach bestehenden Auskunftsanspruch der Antragstellerin hinsichtlich der Namen und der Anschriften der betreffenden Internetnutzer kann die T. GmbH nur unter Verwendung der bei ihr insoweit gespeicherten Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG erfüllen.

Diese Verwendung von Verkehrsdaten war der T. GmbH zu gestatten.

II.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

III.

Der Geschäftswert wird gem. §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 KostO auf 23.100,00 € festgesetzt (300,00 € pro Auskunftsanspruch).

Bielefeld, 20. März 2009

Landgericht – 4. Zivilkammer






LG Bielefeld:
Beschluss v. 20.03.2009
Az: 4 OH 49/09


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