Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juni 2011
Aktenzeichen: 20 W (pat) 28/10

(BPatG: Beschluss v. 06.06.2011, Az.: 20 W (pat) 28/10)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 J des Deutschen Patentund Markenamts vom 1. März 2010 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Am 25. November 2002 haben die Anmelder unter der Bezeichnung "Resonatorverstärktes Absorptions-Spektrometer" eine Patentanmeldung beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Auf den ersten Prüfungsbescheid vom 24. November 2003 hin reichten die Anmelder mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2004 neue Patentansprüche 1, 12 und 13 ein.

In einer im weiteren Verfahrensablauf anberaumten Anhörung am 18. November 2008 machten die Anmelder neue Patentansprüche 1 und 12 geltend. In dem Protokoll über die Anhörung heißt es diesbezüglich:

"Die Prüfungsstelle führte aus, dass das Verfahren gemäß dem neuen Patentanspruch 12 aus der Entgegenhaltung (3) bekannt ist, weshalb der neue Patentanspruch 12 mangels Neuheit nicht gewährbar ist. Zudem fehlt es der Vorrichtung gemäß dem neuen Patentanspruch 1 gegenüber der Entgegenhaltung (3) an der für eine Patenterteilung erforderlichen erfinderischen Tätigkeit."

Die in der Anhörung vorgelegten unabhängigen Patentansprüche 1 und 12 lauten: "1. Vorrichtung (10) zur Bestimmung der Absorption einer Probe, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

(a)

eine inkohärente Strahlungsquelle (12) zum Erzeugen eines Messlichtstrahles (20);

(b)

einen optisch stabilen Resonator (14), in den der Messlichtstrahl ein koppelbar ist, mit wenigstens zwei Spiegeln, die in einem ausgewählten Wellenlängenbereich eine hohe Reflektivität aufweisen;

(c)

ein Probenvolumen (38) zur Aufnahme einer absorbierenden Probe innerhalb des Resonators (14); und

(d)

einen Detektor (18) zur Aufnahme der Strahlung, welche aus dem Resonator (14) auskoppelbar ist, wobei

(e)

zwischen dem Resonator (14) und dem Detektor (18) Mittel (16) zur spektralen Zerlegung des Messlichtstrahls vorgesehen sind.

12. Verfahren zur Bestimmung von Substanzen in Proben mittels einer Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche mit den Schritten:

(a)

Erzeugen eines Messlichtstrahls aus inkohärenter Strahlung,

(b)

Einkoppeln des Messlichtstrahls in einen optisch stabilen Resonator mit wenigstens zwei Spiegeln, die in einem ausgewählten Wellenlängenbereich eine hohe Reflektivität aufweisen,

(c)

Einbringen einer absorbierenden Probe in den Resonator,

(d)

spektrales Zerlegen des Messlichtstrahls,

(e)

Aufnehmen des aus dem Resonator ausgekoppelten Messlichtstrahls mit einem Detektor und

(f)

Bestimmen der Absorption der Probe auf ausgewählten Wellenlängen."

Mit Beschluss vom 1. März 2010 hat die Prüfungsstelle die Anmeldung "aus den Gründen des Bescheids vom 18. November 2008" (das ist die Niederschrift dero. g. Anhörung) zurückgewiesen. Eine weitere Begründung enthält dieser Formalbeschluss nicht.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss haben die Anmelder mit Schriftsatz vom 31. März 2010, beim Deutschen Patentund Markenamt am selben Tag eingegangen, Beschwerde eingelegt.

II.

Die fristund formgerecht erhobene Beschwerde der Anmelder ist zulässig und auch begründet, denn das patentamtliche Verfahren leidet an schweren Verfahrensfehlern i. S. v. § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PatG, so dass die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 PatG sind die Beschlüsse der Prüfungsstellen zu begründen. Tenor und Begründung der Beschlüsse sind den Verfahrensbeteiligten in schriftlichen Ausfertigungen zuzustellen. An einer solchen schriftlichen Niederlegung der Gründe für die Entscheidung der Prüfungsstelle, die Patentanmeldung zurückzuweisen, fehlt es im vorliegenden Fall.

Für die ausreichende Begründung einer die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung ist es erforderlich, dass der konkrete gesetzliche Zurückweisungsgrund benannt und dann dargelegt wird, aus welchen konkreten sachlichen Gründen dieser Zurückweisungsgrund gegeben ist. Die Begründung des vorliegend angegriffenen Beschlusses erfüllt diese Anforderungen nicht, weil sie sich zwar richtigerweise auf § 48 PatG stützt, aber nicht die konkreten sachlichen Umstände darlegt, die die Zurückweisung der Anmeldung begründen sollen.

Soweit es in der -in dem angegriffenen Beschluss in Bezug genommenen -Niederschrift der Anhörung vom 18. November 2008 heißt: "Die Prüfungsstelle führte aus, dass das Verfahren gemäß dem neuen Patentanspruch 12 aus der Entgegenhaltung (3) bekannt ist, weshalb der neue Patentanspruch 12 mangels Neuheit nicht gewährbar ist. Zudem fehlt es der Vorrichtung gemäß dem neuen Patentanspruch 1 gegenüber der Entgegenhaltung (3) an der für eine Patenterteilung erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.", beruft sich die Prüfungsstelle zwar auf die in § 48 i. V. m. § 1 Abs. 1 PatG, § 3 PatG und § 4 PatG festgeschriebenen gesetzlichen Zurückweisungsgründe fehlender Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit. Die bloße Bezugnahme auf diese grundsätzlich zulässigen Zurückweisungsgründe unter pauschaler Nennung der Entgegenhaltung (3) reicht jedoch zur Begründung nicht aus. Notwendig ist eine vollständige Darlegung der tragenden Erwägungen in logischer Gedankenführung, aus welchen konkreten, sachlichen Gründen die angemeldete Lehre auf keiner erfinderischen Tätigkeit i. S. v. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG beruht bzw. warum sie i. S. v. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 PatG nicht als neu gelten kann. Solche Darlegungen lassen sich weder der Niederschrift über die Anhörung vom 18. November 2011 noch dem angegriffenen Beschluss vom 1. März 2010 entnehmen. Die Zurückweisungsgründe sind vielmehr bislang durch die Prüfungsstelle nicht verbindlich geklärt worden, weil sie in keiner Phase des Verfahrens, insbesondere im Protokoll zur mündlichen Verhandlung oder im Beschluss, vollständig, eindeutig und aus sich heraus verständlich schriftlich niedergelegt worden sind. Außer in der Niederschrift der Anhörung vom 18. November 2011 hat sich die Prüfungsstelle schriftlich zur in Rede stehenden Entgegenhaltung (3), der Druckschrift GB 2 181 536 A, lediglich kursorisch im Erstbescheid vom 24. November 2003 geäußert:

"Abschließend weist die Prüfungsstelle noch auf die Entgegenhaltung [3] hin, aus der ebenfalls eine Vorrichtung bekannt ist, die einen Resonator (3) enthält, in den weißes Licht eingekoppelt wird (Seite 1, Zeilen 84 bis 87)."

Auf weitere Zurückweisungsgründe geht der angegriffene Beschluss nicht ein.

Der Amtsakte lassen sich auch sonst keine Hinweise auf eine umfassende patentrechtliche Prüfung der Anmeldung entnehmen, wie sie zuletzt zur Entscheidung der Prüfungsstelle gestellt wurde. Insbesondere ist eine Auseinandersetzung mit dem von den Anmeldern offensichtlich für wesentlich gehaltenen, erstmals in den in der Anhörung vom 18. November 2008 vorgelegten Patentansprüchen enthaltenen Merkmal eines "optisch stabilen" Resonators (vgl. geltende Patentansprüche 1 und 12) nicht erkennbar. Bei dieser Sachlage lässt sich nicht feststellen, ob die Prüfungsstelle die Anmeldung umfassend und abschließend auf ihre Patentfähigkeit hin geprüft hat. Daher hätte der Senat im Beschwerdeverfahren eine von dem vorangegangenen patentamtlichen Verfahren losgelöste erste und eigene Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Patents vornehmen müssen. Das ist jedoch nicht der Zweck des Beschwerdeverfahrens, das in erster Linie auf eine sachliche und rechtliche Überprüfung der erstinstanzlichen Sachentscheidung der Prüfungsstelle angelegt ist.

Bei der Fortführung des patentamtlichen Prüfungsverfahrens wird die Prüfungsstelle sich zunächst mit dem Inhalt der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 12 in der in der Anhörung vom 18. November 2008 übergebenen Fassung unter Einbeziehung der Beschreibung auseinanderzusetzen und ihr Verständnis von diesem Anspruch darzulegen haben. Sodann hat sich die Prüfungsstelle mit allen Merkmalen der geltenden Patentansprüche im einzelnen auseinanderzusetzen und festzustellen, ob sie die Grundlage für die Erteilung des beantragten Patents sein können oder aus welchen Gründen des § 48 PatG die Anmeldung zurückgewiesen werden muss. Das Ergebnis dieser Prüfung muss ggf. vollständig, eindeutig und aus sich heraus verständlich in der Begründung eines neu zu erlassenden Beschlusses schriftlich niedergelegt werden. Hierbei erscheint insbesondere die in der Niederschrift zur Anhörung ausgedrückte Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 12 könne in Ansehung der Druckschrift GB 2 181 536 A nicht mehr als neu gelten, der des Patentanspruchs 1 nicht mehr als erfinderisch, in Ansehung des Rückbezuges des Patentanspruches 12 (auch auf den Patentanspruch 1) überdenkenswert, da sie gegen die Gesetze der Logik verstößt.

Da der Senat mit der Aufhebung des Beschlusses der Prüfungsstelle dem im Wege der Auslegung ermittelten Antrag der Anmelderin auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses gefolgt ist und über eine Patenterteilung wegen des fehlerhaften Prüfungsverfahrens noch nicht zu entscheiden war, konnte eine, von der Anmelderin auch nicht beantragte, mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Senat hat gem. § 80 Abs. 3 PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, weil es der Billigkeit entspricht, dem Beschwerdeführer die Beschwerdegebühr zu erstatten, wenn die Zurückverweisung des Verfahrens -wie hier -ausschließlich auf Verfahrensfehler des Patentamtes zurückgeht.

Dr. Mayer Dr. Mittenberger-Huber Gottstein Musiol Pr






BPatG:
Beschluss v. 06.06.2011
Az: 20 W (pat) 28/10


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