Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2002
Aktenzeichen: 7 W (pat) 56/01
(BPatG: Beschluss v. 17.07.2002, Az.: 7 W (pat) 56/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F16 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Juli 2001 aufgehoben und das Patent erteilt mit den jeweils am 17. Juli 2002 überreichten Patentansprüchen 1 bis 9, mit Beschreibung und 1 Blatt Zeichnung.
B e z e i c h n u n g: Verfahren zum Verfügen von Fügepartnern A n m e l d e t a g: 27. Juni 1996 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung Seiten 1 bis 7 und 9 bis 11, 1 Blatt Zeichnung (Fig 1), jeweils eingegangen am 17. Juli 2002.
In den Unterlagen sind folgende redaktionelle Änderungen vorgenommen worden:
In der Bezeichnung und in der 2. Zeile auf Seite 1 der Beschreibung wurde jeweils an das Wort "Fügepartner" ein "n" angefügt.
Auf Seite 2 der Beschreibung, letzter Absatz, wurde die Wortfolge "und geschlossenen" vor dem Wort "Hohlkörpern" und vor dem Wort "mittels" das Wort "und" eingefügt. Auf Seite 3, 7. Zeile von unten wurde eines der Worte "der" gestrichen. Auf Seite 9, 1. Absatz wurde die Wortfolge "von Ausführungsbeispielen" und das Wort "zeigen" ersetzt durch "eines Ausführungsbeispiels" bzw. "zeigt".
Gründe
I Durch Beschluß vom 11. Juli 2001 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 16 B des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, daß ihr Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und daher nicht patentfähig sei.
Die Anmelderin hat gegen diesen Beschluß Beschwerde erhoben. In der mündlichen Verhandlung legt sie neue Patentansprüche 1 bis 9 sowie eine daran angepasste Beschreibung und eine Zeichnung vor. Sie vertritt die Ansicht, daß der beanspruchte Anmeldungsgegenstand durch den aufgezeigten Stand der Technik dem Fachmann nicht nahegelegt werde. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den am 17. Juli 2002 überreichten Patentansprüchen 1 bis 9 mit Beschreibung und 1 Blatt Zeichnung.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Herstellung eines aus zwei Fügepartnern bestehenden Verbindungsstückes zur Verbindung von Bauteilen aus der Karosseriekonstruktion, durch Verfügen beider Fügepartner zu einem offenen Hohlkörper, mit dem die Bauteile gegenseitig fixierbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß die gegenseitig zu fixierenden Bauteile in einen Fügepartner eingelegt werden, daß die zwei Fügepartner, von denen wenigstens einer eine Stoßkante aufweist, derart unter elastischer oder thermischer Verformung eines Fügepartners definiert teilweise in Überlappung gebracht werden, dass sich beide Fügepartner im Überlappbereich, der von der Stoßkante, an der der andere Fügepartner anliegt, begrenzt wird, ganzflächig, durch Vorspannung des elastisch oder thermisch verformten Fügepartners, derart kraftbeaufschlagt berühren, so daß sie in diesem Bereich zur gegenseitigen Fixierung sowie zur Fixierung der Bauteile ohne weitere Spannmaßnahmen eine selbsthemmende Reibschlussverbindung eingehen bevor sie mittels Schweißverfahren ohne Verwendung von Spann- bzw. Klemmhilfsmitteln verbunden werden."
Weitere Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 sind in den nachgeordneten und auf ihn zumindest mittelbar rückbezogenen Ansprüchen 2 bis 9 angegeben.
Gemäß Beschreibung (S 2 le Abs) liegt dem Anmeldungsgegenstand die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur gegenseitigen Verbindung von Fügepartnern, vorzugsweise zur Herstellung von offenen Hohlkörpern, die teilweise in Überlappung gebracht werden und mittels an sich bekannter Schweißverfahren verbunden werden sollen, derart anzugeben, daß die Fügeverbindungen kompakter und leichter ausgestaltet werden können.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften genannt worden:
1) deutsche Offenlegungsschrift 41 04 941 2) deutsche Offenlegungsschrift 36 26 974 3) deutsche Offenlegungsschrift 37 13 975 4) deutsche Patentschrift 44 41 539 5) Patentschrift DD 265 837 A1
(6) europäische Offenlegungsschrift 0 288 884
(7) Fachbuch "Schweißtechnische Fertigungsverfahren", F. Eichhorn, VDI-Verlag GmbH Düsseldorf, 1983, Band 1, S 81 bis 87.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und hat auch Erfolg.
Die geltenden Ansprüche 1 bis 9 sind zulässig. Die Merkmale des Anspruchs 1 gehen aus dem ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung S 11, 3. Abs von unten, S 12 bis S 13 Abs 1, S 9 Abs 1 und 2 hervor. Die Ansprüche 2 bis 9 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 9.
Der Anmeldungsgegenstand stellt in der geltenden Fassung der Ansprüche eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.
Das Verfahren zur Herstellung eines offenen Hohlkörpers aus zwei Fügepartnern nach Anspruch 1 ist neu. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften offenbart ein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1.
Die Entgegenhaltung 1 (DE-OS 41 04 941), kurz E1, beschreibt ein Verfahren zum Montieren eines offenen Hohlkörpers durch Fügen zweier Fügepartner, hier eine Lochmaske und ein Lochmaskenrahmen für eine Kathodenstrahlröhre. Die Fügepartner werden - wie beim Anmeldungsgegenstand auch - zwar durch elastische Verformung eines Fügepartners (Lochmaske 20) teilweise in reibschlüssige Überlappung gebracht, jedoch ist keine Stoßkante an einem der Fügepartner zur Begrenzung des Überlappbereichs vorgesehen, und das sich an die Erzeugung der Reibschlussverbindung anschließende Schweißverfahren kommt nicht ohne die Verwendung von Spannmitteln aus.(Fig 2 u 4A, 4B u zuhehörige Beschreibungsteile)
Die E 5 (DD 265 837 A1) offenbart ein Verfahren zur Montage eines hermetischen Kühlmittelverdichters, dessen Gehäuse aus einem Kapselunterteil (1), in das Bauteile einsetzbar sind, und einem Deckel (8) besteht. Weder bildet das Gehäuse einen offenen Hohlkörper noch werden der Deckel und das Kapselunterteil vor dem Zusammenschweißen durch reibschlüssige Überlappung verbunden (Fig und Beschr S 2).
Die übrigen Entgegenhaltungen (E2 bis E4, E6 u E7) befassen sich schon nicht mit dem Fügen offener Hohlkörper.
Das Verfahren nach Anspruch 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischer Tätigkeit.
Kern der Lehre des Anspruchs 1 ist das Verbinden zweier Fügepartner zu einem offenen Hohlkörper mittels eines selbsthemmenden Reibschlusses zwischen überlappenden Flächen der Fügepartner, wodurch Spann- und Klemmhilfsmittel zum Halten der Fügeteile beim nachfolgenden Schweißvorgang entbehrlich werden. Mit dieser Herstellungsweise ist eine freie Strahlführung beim Schweißen des vormontierten Hohlkörpers möglich, wodurch die Positionierungsaufgaben beim Schweißvorgang vereinfacht sind.
Der aufgezeigte Stand der Technik gibt dem Fachmann, einem Maschinenbauingenieur mit langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Fügetechnik, zu der diesbezüglichen Lehre keine Anregung.
Bei dem bekannten Herstellungsverfahren nach der E 1 wird der Rand 21 einer auf einer Unterlage 33 aufgelegten Lochmaske 20 mittels außen angreifenden Druckplatten 32 elastisch nach innen verformt, sodann die Unterlage durch Hubeinrichtungen 34 angehoben bis der Rand 21 zwischen den Rändern eines in oberen Aussparungen 31 der Druckplatten 32 eingesetzten Lochmaskenrahmens 10 gelangt und an ihm unter Spannung in Anlage gehalten wird (vgl Fig 4B iVm Sp 2 Z 33 bis 49). Anschließend werden die Fügepartner im Bereich ihrer Überlappung miteinander verschweißt (Sp 2 Z 49 bis 52). Hierbei wird die Druckplatte 32 als Gegenhalter und als Elektrode der Schweißvorrichtung 36 verwendet (vgl Fig 4 B). Das Spannmittel zum Fügen der Fügepartner wird somit auch als Halteeinrichtung beim Schweißvorgang benötigt und zwar unabhängig davon, ob die Reibschlußverbindung zwischen Lochmaske und Rahmen selbsthemmend ist oder nicht. Der anmeldungsgemäße Gedanke, zunächst einen selbsttragenden offenen Hohlkörper durch Erzeugung einer reibschlüssigen Verbindung zwischen den Fügepartnern zu bilden, um im Anschluß daran beliebige Schweißverfahren ohne das Erfordernis von Haltemitteln zur Fixierung der Fügepartner zueinander einsetzen zu können, wird durch diese Druckschrift nicht angeregt. Sie konnte die Lehre des Anspruchs 1 dem Fachmann daher auch nicht nahelegen.
Die zusätzliche Berücksichtigung der E 5 führt den Fachmann nicht näher zur Lehre des Anspruchs 1. Das Gehäuse des daraus bekannten Kältemittelverdichters wird zwar aus Kapselunterteil und Deckel unter Überlappung ihrer Ränder zusammengebaut und zusammengeschweißt. An keiner Stelle der E 5 ist aber davon die Rede, daß im Überlappungsstoß eine reibschlüssige, geschweige denn eine selbsthemmende reibschlüssige Verbindung zwischen den beiden Fügepartnern vorgesehen sein soll.
Auch die weiteren Entgegenhaltungen leisten keinen Beitrag zur Auffindung der Lehre des Anspruchs 1, weil sie sich mit schweißtechnischen Fertigungsverfahren als solchen (E 3 und E 7) oder mit dem Fügen von plattenförmigen Bauteilen, wie zB Blechplatinen, ohne Nutzung eines selbsthemmenden Reibschlusses (E 2 und E 6) befassen. Die E 4, die nicht vorveröffentlicht ist, musste bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ohnehin außer Betracht bleiben.
Der geltende Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.
Die direkt oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 werden von der Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 mitgetragen. Sie sind somit ebenfalls gewährbar.
Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu
BPatG:
Beschluss v. 17.07.2002
Az: 7 W (pat) 56/01
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