Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 65/01
(BPatG: Beschluss v. 21.01.2002, Az.: 30 W (pat) 65/01)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. Dezember 2000 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus der Marke 1 018 260 zurückgewiesen ist.
2. Die Löschung der Marke 398 60 836 wird auch bezüglich der Waren unedle Metalle und deren Legierungen angeordnet.
G r ü n d e:
I.
Die Bildmarkesiehe Abb. 1 ist am 23. November 1998 unter der Rollennummer 398 60 836 für die Waren und Dienstleistungen
"Unedle Metalle und deren Legierungen; Materialbearbeitung"
in das Markenregister eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 22. Mai 1981 eingetragenen Bildmarke 101 82 60 deren Schutzdauer zuletzt am 16. September 2000 verlängert wurde und die für die Waren und Dienstleistungen
"Walz-, Preß-, Schmiede- und Gießanlagen zur Formung von Stahl, Nichteisenmetallen, Kunststoffen, Werkstoffen auf organischer Basis und zur Herstellung von Walz- und Preßteilen aus Metallen und Kunststoffen, bestehend aus Maschinen und Apparaten zum spanlosen und spanabhebenden Formen, Manipulieren, Transportieren, Führen, Stoppen, Kühlen, Wärmebehandeln, Reinigen, Beizen, Beschichten, Entzundern, Flämmen, Glühen, Schweißen, Schneiden, Trennen, Entgraten, Drallen, Entdrallen, Richten, Prüfen, Messen, Sortieren, Sammeln, Stapeln, Wickeln, Bündeln, Kennzeichnen und Verpacken; Verbindungs- und Verankerungsteile sowie aus Fertigteilen hergestellte Fundamente und Unterbauten (auch aus Metall) für Walz-, Preß-, Schmiede- und Gießanlagen, transportable Werkshallen aus Metall, Kunststoffen und anderen Baumaterialien; Öl-, Wasser- und Hydraulikkreisläufe sowie Öl- und Wasseraufbereitungs-, -kühl- und Reinigungsapparate für Walz-, Preß-, Schmiede- und Gießanlagen, Pumpen (soweit in Klasse 7 enthalten), Meß-, Steuer- und Regelinstrumente, hydraulische und elektrische Antriebsmaschinen (ausgenommen für Landfahrzeuge), hydraulische, elektrische und mechanische Energieübertragungseinrichtungen, nämlich Rohrleitungen, Ventile, Schieber, Kabel, Schalter, Transformatoren, Wellen, Getriebe, Kupplungen, Lager (ausgenommen für Fahrzeuge); Maschinen- und maschinenartige Geräte zum Abtransport, zur Aufbereitung, Reinigung und Verarbeitung von anfallenden Neben- und Abfallprodukten; Hüttenmaschinen, nämlich Maschinen zum Kippen, Schwenken und Bewegen von Konvertern und Pfannen, Gießmaschinen; Förder- und Hebezeuge, nämlich Förderbänder, Förderketten, Schütt- und Förderrinnen, Krane (soweit in Klasse 7 enthalten), gegossene, geschmiedete und formbearbeitete Bauteile; Maschinen und Maschinenwerkzeuge zur Be- und Verarbeitung von Kunststoffen, einschließlich zugehöriger Transport-, Regel- und Steuergeräte; Formen aus Metall für Kunststoffverarbeitung; Installationen, Montage, Reparatur und Instandhaltung von Industrie- und Maschinenanlagen, nämlich Walz-, Preß-, Schmiede-, Gieß-, Heizungs-, Lüftungs-, Kühl-, Klima- und wärmetechnische Anlagen, Feuerungsbau, Industrieofenbau, Gerüstbau, Hoch-, Tief- und Ingenieurbau, Vermietung von Maschinen, Ausbildung von betriebsfremdem Personal für die Ausführung der vorstehenden Dienstleistungen, Metallbearbeitung und -härtung, Metalloberflächenveredelung; Bau- und Konstruktionsplanung und -beratung, technische Beratung, Dienstleistungen von Ingenieuren"
eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2000 auf den Widerspruch hin die Marke bezüglich der Dienstleistung "Materialbearbeitung" gelöscht und im übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, mit Ausnahme bei dieser Dienstleistung bestehe keine Verwechslungsgefahr, da die übrigen Waren der Widerspruchsmarke nicht im markenrechtlich relevanten Identitäts- oder Ähnlichkeitsbereich mit denen der angegriffenen Marke lägen.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und diese im wesentlichen damit begründet, zumindest zwischen den "Verbindungs- und Verankerungsteilen sowie aus Fertigteilen hergestellten Fundamenten und Unterbauten (auch aus Metall) für Walz-, Preß-, Schmiede- und Gießanlagen" sowie den "gegossenen, geschmiedeten und formbearbeiteten Bauteilen" der Widerspruchsmarke und den Waren der angegriffenen Marke bestehe eine so große Ähnlichkeit, dass eine Verwechslungsgefahr anzunehmen sei. Hinzu komme, dass die von der Markenstelle bezeichneten "Feinbleche, Spaltbänder und Feinblech-Zuschnitte" mit den Waren der Widersprechenden hergestellt würden, woraus auch in diesem Bereich eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit folge. Infolgedessen sei unter Berücksichtigung der klanglichen Identität der Marken und aufgrund der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen eine Markenverwechslung im geschäftlichen Verkehr zu befürchten.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. Dezember 2000 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beiderseitigen Schriftsätze und den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Nach der Auffassung des Senates besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke über den durch die Teillöschung erfaßten Bereich hinaus Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat in Ermangelung anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem daraus resultierenden normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Zum Zeitpunkt ihrer Eintragung habe sie zwar nur Schutz als Gesamtzeichen, nicht als Buchstabenzeichen (vgl § 4 Abs 2 Nr 1 WZG). Mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes (1.1.1995) ist das abstrakte Schutzhindernis von Buchstaben entfallen, so daß auch die Bewertung des Schutzes der Marke insoweit nach der neuen Rechtslage zu erfolgen hat, weil die angegriffene Marke erst nach dem 1. Januar 1995 angemeldet worden ist (vgl. dazu BPatGE Mitt. 2001, 391 mtv). Konkrete Schutzhindernisse bezüglich der Buchstabenfolge SMS sind nicht feststellbar und auch von den Beteiligten nicht vorgetragen.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei eine Wechselbezüglichkeit der Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der in Frage stehenden Waren beziehungsweise Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke besteht (st. Rspr., vgl. EuGH, MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - Honka, GRUR 2001, 158 - Drei-Streifen-Kennzeichnung). Dabei kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit oder Identität der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl. BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Nach der hier maßgeblichen Registerlage liegen die von der angegriffenen Marke noch beanspruchten "unedlen Metalle und deren Legierungen" gegenüber den Waren und Dienstleistungen der Widersprechenden noch im Rahmen des unter die Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu fassenden Ähnlichkeitsbereiches. Denn es ist der Widersprechenden zuzugeben, dass die von ihr beispielhaft herangezogenen "Verbindungs- und Verankerungsteile sowie aus Fertigteilen hergestellte Fundamente und Unterbauten (auch aus Metall) für Walz-, Preß-, Schmiede- und Gießanlagen" und auch die "gegossenen, geschmiedeten und formbearbeiteten Bauteile" regelmäßig aus unedlen Metallen bestehen und die im Warenverzeichnis der Widersprechenden enthaltenen Industrieanlagen (auch) unedle Metalle verarbeiten.
Eine Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinn zwischen den beiderseitigen Waren ist hier anzunehmen, auch wenn es sich auf der Seite der Widersprechenden um Fertigprodukte, auf der Seite der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren aber um Rohprodukte handelt. Die Vertriebswege zwischen den Rohstoffen einerseits und den Fertigprodukten andererseits - jedenfalls soweit der Bereich der Schwerindustrie tangiert wird - unterscheiden sich nicht maßgeblich. So ist etwa Warengleichartigkeit zwischen Metallen und Kraftfahrzeugteilen, nämlich Auspuffrohren und -töpfen; Karosserieteilen... bejaht worden (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl., S. 234, Stichwort Metalle). Eine Warenähnlichkeit zwischen Rohstoffen und Halbfabrikaten einerseits und Fertigprodukten andererseits kommt im übrigen auch dort in Betracht, wo erstere maßgeblich die Wertschätzung des Fertigproduktes bestimmen (vgl. BGH GRUR 2000, 886 - Bayer/BeiChem, Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 70 ff). Dies ist auf dem hier vorliegenden Warengebiet jedenfalls dann nicht auszuschließen, wenn es sich etwa um spezielle Legierungen handelt. Im vorliegenden Fall müssen auch die Abnehmerkreise der beiderseitigen Waren nicht differieren. Bei aus Fertigteilen aus Metall hergestellten Fundamenten und Unterbauten, für die die Widerspruchsmarke auch geschützt ist, kann es sich um Produkte handeln, die aus unedlen Metallen bestehen, ohne daß ein ins Gewicht fallender, spezieller und speziellen Industriezweigen zuordenbarer Verarbeitungsprozeß notwendig ist, sondern bei denen die wesentliche Wertschätzung durch den Rohstoff bestimmt wird. Hinzu kommt, daß jedenfalls einzelne Fertigteile auch regelmäßig von den Metallherstellern selbst (mit-)produziert werden (zB Überlandrohre), so daß hier keine klare Trennung zwischen Herstellern der Roh- und Endprodukte gezogen werden kann.
Bei der gegebenen Ähnlichkeit der beiderseitig erfassten Waren ist daher bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein strenger Maßstab an den Abstand der Zeichen anzulegen, dem die angegriffene Marke nicht mehr genügt.
Denn auch wenn davon auszugehen ist, dass sich die beiderseits noch gegenüberstehenden Waren regelmäßig nicht an das allgemeine Publikum wenden, sondern an jeweils abgegrenzte Abnehmerkreise, die dem Fachpublikum zuzuordnen sind und schon deshalb der Gefahr von Markenverwechslungen nur eingeschränkt unterliegen, schließt das hier eine Verwechslungsgefahr nicht hinreichend sicher aus.
Auch wenn sich auf beiden Seiten Bildzeichen gegenüberstehen und im Rahmen des Fachverkehrs nicht die mündliche Benennung der Waren, sondern der Schriftverkehr im Vordergrund steht und die Beurteilung sich am Gesamteindruck der Zeichen unter Berücksichtigung der die Kennzeichnungskraft bestimmenden Teile unter Beachtung des durchschnittlichen Abnehmers der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu orientieren hat, wobei die Eintragungsform der Marke in ihrer jeweiligen Gesamtheit zugrunde zu legen ist (vgl. BGH aaO - ATTA-CHÉ/TISSERAND; WRP 1999, 192 - Lions) ist eine Verwechslungsgefahr hier nicht auszuschließen. Einmal ist nämlich der Erfahrungssatz zu beachten, wonach sich der Verkehr bei kombinierten Wort-/Bildzeichen und normaler Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils eher an diesem als am Bildbestandteil orientieren wird (vgl BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze), jedenfalls, sofern - wie hier - der graphischen Ausgestaltung die Funktion einer bloßen Verzierung zukommt (vgl. BGH BlPMZ 1999, 226 - LION DRIVER). Anders als in der der Entscheidung ICPI/ICP (BPatG GRUR 1996, 413) ist der Schutz der Widerspruchsmarke auch nicht aus Rechtsgründen auf die Bildwirkung beschränkt. Bei der erforderlichen Wertung ihrer Einzelbestandteile kann der Buchstabengruppe prägende Bedeutung nicht abgesprochen werden. Auch die jüngere Marke wird durch ihre bildhafte Ausgestaltung nicht so beherrscht, daß ihre bloße Benennung mit SMS gleichsam verfälschend, jedenfalls das Wesen der Marke nicht treffend wäre. Danach stehen hier bei beiden Zeichen die identischen Buchstabenfolgen "SMS" im Vordergrund, was weder bei - der nicht ausgeschlossenen - mündlichen, noch bei schriftlicher Bezeichnung der Marken geeignet ist, der Gefahr der Markenverwechslung bei (noch) ähnlichen Waren zu begegnen.
Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung Dr. Buchetmann Winter Voit Na Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/30W(pat)65-01.1.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 21.01.2002
Az: 30 W (pat) 65/01
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