Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 30. Juni 2009
Aktenzeichen: 4 U 74/09
(OLG Hamm: Urteil v. 30.06.2009, Az.: 4 U 74/09)
Tenor
Die Berufung des Antragstellers gegen das am 3. März 2009 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Siegen wird zu-rückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien handeln mit Computern und deren Zubehör. Der Antragsteller betreibt unter *Internetadresse* einen Internet-Shop. Die Antragsgegnerin bietet ihre Waren unter der Bezeichnung "H" auf der Internetplattform Ebay an.
Unter der Artikel-Nr. .........# machte die Antragsgegnerin im Januar 2009 ein Angebot zum Kauf eines T Netzteils für Computer. In dem Angebot warb sie zum einen damit, dass es sich um Neuware mit 24 Monaten Gewährleistung handele (Bl.19). Zum anderen wies sie darauf hin, dass der Kunde nach Ablauf der Gewährleistungsfrist bei manchen Produkten darüber hinaus die Möglichkeit habe, eine erweiterte Herstellergarantie in Anspruch zu nehmen, die dann direkt über den Hersteller abgewickelt werde; Informationen über eine erweiterte Herstellergarantie würden auf den Herstellerseiten bekannt gegeben (Bl.28).
Der Antragsteller, der von der Antragsgegnerin zuvor selbst eine Abmahnung erhalten hatte, nahm dieses Angebot zum Anlass, die Antragsgegnerin abzumahnen. Er hat in dem Hinweis auf die "Neuware mit 24 Monaten Gewährleistung" eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten gesehen. Soweit es den Hinweis auf die erweiterte Herstellergarantie angeht, hat er in den unvollständigen Informationen über die Garantie einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 477 Abs. 1 BGB gesehen. Es werde weder der Inhalt der Garantie noch der räumliche Geltungsbereich des Garantieschutzes noch der Name und die Anschrift des Garantiegebers mitgeteilt.
Der Antragsteller hat mit dem am 29. Januar 2009 beim Landgericht eingegangenen Verfügungsantrag der Antragsgegnerin untersagen lassen wollen,
im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs gegenüber privaten Endverbrauchern bei Fernabsatzverträgen auf der Internetplattform Ebay
Computerzubehör anzubieten,
a) und mit einer Garantie zu werben, ohne über den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, aufzuklären, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers,
und/oder
b) mit einer Selbstverständlichkeit wie folgt zu werben: "NEUWARE mit 24 Monaten Gewährleistung"
wie bei der Auktion EBAY .........# geschehen.
Die Antragsgegnerin hat sich gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung verteidigt. Sie hat gemeint, die beanstandete Werbung sei nicht irreführend und wettbewerbswidrig. Die Garantie von 24 Monaten werde nicht hervorgehoben. Die erwähnte erweiterte Garantie des Herstellers stelle schon kein eigenes Garantieversprechen dar. Im Übrigen handele der Antragsteller auch rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Das ergebe sich schon daraus, dass als Streitwert für die Abmahnung überhöht 30.000,-- € zugrunde gelegt worden seien und dass das Verfügungsverfahren in Siegen anhängig gemacht worden sei.
Das Landgericht hat zunächst den Verfügungsantrag für zulässig gehalten und einen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG verneint. Zur Begründung hat es näher ausgeführt, dass und warum sich ein solcher Rechtsmissbrauch nicht daraus herleiten lasse, dass der Antragsteller das nach § 14 Abs. 2 UWG zuständige Landgericht Siegen angerufen habe. Auch der vom Antragsteller angesetzte Streitwert von 30.000,-- € sei als Hauptsachestreitwert nicht so unangemessen hoch, dass allein daraus auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten geschlossen werden könnte. Das Landgericht hat in der Sache dem Verfügungsantrag entsprochen, soweit es um die Werbung mit Selbstverständlichkeiten wie der Garantie von 24 Monaten ging. Insoweit wird auf die Begründung in den Entscheidungsgründen Bezug genommen. Es hat im Übrigen den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insoweit ausgeführt, dass mit dem hier vorliegenden Hinweis auf die Herstellergarantie kein Gesetzesverstoß verbunden sei. Es handele sich insoweit nicht um eine Garantieerklärung, die das Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages voraussetze. An einem derartigen Angebot fehle es, wenn lediglich mitgeteilt werde, die Hersteller mancher Produkte würden nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine erweiterte Herstellergarantie übernehmen. Sodann hat das Landgericht noch ausgeführt, dass dieser Hinweis auf die Herstellergarantie keine irreführende Werbung darstelle, weil damit nicht die Vorstellung erweckt werde, es handle sich um eine Garantie des anbietenden Verkäufers.
Der Antragsteller greift das Urteil mit der Berufung an, soweit der Verfügungsantrag zurückgewiesen worden ist. Er wiederholt seine Meinung, es liege hier eine Garantie der Antragsgegnerin vor, über deren Umfang und Möglichkeiten zur Geltendmachung der Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht informiert worden sei. Mit einer solchen Verletzung der Informationspflichten seien auch erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb verbunden, weil eine Garantie ein nicht unerhebliches Werbeargument sei.
Der Antragsteller beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs gegenüber privaten Endverbrauchern bei Fernabsatzverträgen auf der Internetplattform Ebay Computerzubehör anzubieten, und mit einer Garantie zu werben, ohne über den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, aufzuklären, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers, wie bei der Auktion EBAY .........# geschehen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin meint, dass ein Verstoß gegen § 477 BGB aus rechtlichen und auch aus tatsächlichen Gründen ausscheide. Der Durchschnittsverbraucher, auf dessen Verständnis es im Rahmen der Irreführung ankomme, sehe in der erwähnten Herstellergarantie keine eigene Garantieerklärung von ihrer Seite als Anbieter der Ware. Es werde nur ein Hinweis auf erweiterte Herstellergarantien gegeben, die die betreffenden Hersteller von Fall zu Fall oder generell anbieten würden, wobei der Verbraucher ausdrücklich auf die entsprechenden Herstellerseiten verwiesen würde.
Der Senat hat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9. Juni 2009, 14.00 Uhr anberaumt. Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers haben unter Hinweis auf den Jahreserholungsurlaub der Eheleute F in der Zeit vom 28. Mai bis zum 12. Juni 2009 gebeten, einer Terminsverschiebung zuzustimmen.
Der Senat hat daraufhin den Termin auf den 25. Juni 2009, 10.00 Uhr verlegt.
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist der Termin sodann auf den 30. Juni 2009, 14.30 Uhr verlegt worden.
Der Senat hat den Antragsteller darauf hingewiesen, dass die zu seinen Gunsten bestehende Dringlichkeitsvermutung durch den gestellten Terminsverlegungsantrag widerlegt sein dürfte. Der Antragsteller hat daraufhin erklärt, er habe keine Terminsverlegung nach hinten beantragt, sondern in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats mit einer Vorverlegung des Termins gerechnet. Für den Fall, dass eine solche Vorverlegung nicht in Betracht gekommen wäre, hätte er einen Hinweis des Senats erwartet.
II.
Die Berufung hat schon deshalb keinen Erfolg, weil es an einem Verfügungsgrund fehlt.
Der Antragsteller stützt zwar den Unterlassungsanspruch, um den es in der Berufungsinstanz nur noch geht, auch auf ein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragsgegnerin nach §§ 3, 4 Nr. 11, 5 UWG. Die erforderliche Dringlichkeit ist bei einem solchen Verstoß nach § 12 Abs. 2 UWG dann zunächst zu vermuten. Nach dem Verhalten des Antragstellers in der Berufungsinstanz ist die Vermutung der Dringlichkeit aber widerlegt, weil der Antragsteller damit deutlich gemacht hat, dass es ihm doch nicht so eilig ist.
1) Die Dringlichkeitsvermutung ist hier allerdings nicht schon deshalb widerlegt, weil der Antragsteller mit der Antragstellung selbst zu lange zugewartet hat. Er hat am 11. Januar 2009 von den gerügten Wettbewerbsverstößen erfahren und noch am 29. Januar 2009 in angemessener Frist von weniger als einem Monat den Verfügungsantrag beim Landgericht gestellt.
2) Die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG wird hier aber dadurch widerlegt, dass der Antragsteller am 28. April 2009 den Antrag gestellt hat, den auf den 9. Juni 2009 bestimmten Termin zu verlegen, ohne im Hinblick auf das erstrebte Verbot bereits durch eine einstweilige Verfügung gesichert zu sein. Eine solche zögerliche Prozessführung zeigt grundsätzlich, dass es dem Antragsteller mit der Untersagung des Werbeverhaltens nicht eilig ist (Senatsentscheidungen GRUR 1992, 864; NJWE Wettbewerbsrecht 1996, 164; Urteil vom 16. Oktober 2007 -4 U 118 / 07; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdn. 87; Ahrens / Schmukle, Der Wettbewerbsprozeß, 6. Auflage, Kap. 45, Rdn. 47). Ansonsten wäre für den Antragsteller eine Verlegung des Termins auf einen nicht genau abzusehenden späteren Zeitpunkt nicht in Frage gekommen, mit der er auf seinen Antrag in jedem Fall rechnen musste. Mit einer Vorverlegung des Termins konnte der Antragsteller angesichts der bevorzugten schnellen Terminierung in noch eilbedürftigen Verfügungssachen nicht rechnen. Der Terminsverlegungsantrag ist hier auch nicht aus Gründen gestellt worden, die ihn als unausweichlich erscheinen lassen. Dafür fehlt es an jedem Vortrag; der Wortlaut des Antrages selbst spricht dagegen, weil es um den nicht unüblichen Fall der Urlaubsabwesenheit von Anwälten ging, die regelmäßig eine Vertretungsregelung erforderlich macht.
3) Daraus folgt schon, dass der Antragsteller auch nicht damit gehört werden kann, dass sein Antrag nur so verstanden werden konnte, dass eine -für das Eilbedürfnis unschädliche- Vorverlegung beantragt werden sollte. Der Terminsverlegungsantrag weist auf ein solches Begehren ausdrücklich nicht hin. Es ist -wie ausgeführt- in aller Regel nicht möglich, Senatstermine vorzuverlegen. Deshalb versteht es sich bei einem solchen Terminsverlegungsantrag ohne ausdrückliche anderweitige Erklärung von selbst, dass eine Verlegung jeder Art, also auch die übliche Terminsverlegung auf einen späteren Zeitpunkt gewünscht oder jedenfalls in Kauf genommen wird. Das wird im Antrag sogar durch die Verwendung des Begriffs "Terminsverschiebung" noch verdeutlicht. Selbst wenn ein ungesicherter Antragsteller ausdrücklich eine Terminsverlegung um eine Woche beantragt, aber für den Fall, dass das nicht möglich ist, eine weitere Hinausschiebung des Termins in Kauf nimmt, ist die Dringlichkeitsvermutung widerlegt (vgl. Senatsurteil vom 20. September 2005 - 4 U 82/05). Der Senat musste wegen des nach seinem Inhalt klaren Begehrens im vorliegenden Fall auch nicht auf die selbstverständliche Tatsache hinweisen, dass nur eine Terminsverlegung auf einen späteren Zeitpunkt in Betracht kommen könne. Es wäre vielmehr Sache des dringlich eine Eilentscheidung zu seinen Gunsten wünschenden Antragstellers gewesen, sich nach den Folgen eines solchen Antrages vorher zu erkundigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 30.06.2009
Az: 4 U 74/09
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