Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Februar 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 34/02
(BPatG: Beschluss v. 20.02.2003, Az.: 10 W (pat) 34/02)
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsgegner reichte am 21. August 2001 beim Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren beim Erzeugen von Aerosolen und Vorrichtung" ein. Die Patentanmeldung ist noch nicht offengelegt.
Der Antragsteller hat in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S... GmbH Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Das be rechtigte Interesse an der Akteneinsicht ergebe sich daraus, dass die S... ...GmbH als ehemalige Arbeitgeberin des Antragsgegners überprüfenkönnen müsse, ob und welche Rechte ihr an den technischen Entwicklungsarbeiten ihres ausgeschiedenen Arbeitnehmers zustünden. Der Antragsgegner sei nämlich von 1. Mai 2000 bis 9. Juli 2001 bei der S... GmbH be schäftigt gewesen. Er sei dann Geschäftsführer der L... GmbH geworden; diese Firma habe sich in einer Bedienungsanleitung für ihr "MMS-System AeroTEC-100" einer Patentanmeldung berühmt. Gegenüber einer Wettbewerberin, der V... AG, habe sie auf Anfrage mitgeteilt, dass es sich bei der Patentanmeldung um die Patentanmeldung mit dem vorliegenden Aktenzeichen handle. Die vorliegende Patentanmeldung betreffe Minimalschmiersysteme, auch die S... GmbH habe derartige Minimalschmiersysteme vertrieben. Die vorliegende Patent anmeldung stehe daher in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem ehemaligen Arbeitsverhältnis des Antragsgegners mit der S... ... GmbH.
Der Antragsgegner hat der Akteneinsicht widersprochen mit der Begründung, die Basis-Technologie seiner Erfindung habe nichts mit der S...
GmbH zu tun; die Erfindung sei erst Wochen nach seinem Ausscheiden gemacht und angemeldet worden. Zudem trete der Antragsteller nur als Informationsbeschaffer für die V... AG auf, die das Know-How der S... GmbH käuflich erworben und einen Rechtsstreit gegen die L... GmbH verloren habe. Sollte der Antragsteller oder die V... AG Akteneinsicht erhalten, bevor die Of fenlegung erfolgt sei, seien die Arbeitsplätze bei der L... GmbH gefährdet.
Durch Beschluss der Prüfungsstelle 11.23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juli 2002 ist die Akteneinsicht gewährt worden. In der Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsgegner dadurch, dass er sich seiner Patentanmeldung berühmt habe, ohne Not die Geheimhaltungssphäre verlassen habe. Er könne daher nicht verhindern, dass das Patentamt einem Antragsteller, der sein berechtigtes Interesse glaubhaft nachgewiesen habe, die Akteneinsicht gewähre.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde und trägt vor, die Akteneinsicht werde damit begründet, dass das "MMS-System AeroTEC-100" mit dem "LubriLean Digital-1" übereinstimme; dies sei aber falsch, wie sich aus einem in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteil des LG Hannover vom 31. Oktober 2001 ergebe. Ferner habe die L... GmbH nur 10 Exemplare der Bedienungsanleitung, auf der auf die Patentanmeldung hingewiesen werde, jemals hergestellt und aufgrund eines Versehens in Umlauf gebracht. Auf der kurze Zeit danach verbreiteten richtigen Bedienungsanleitung fehle jeder Hinweis auf das Patent aus Geheimhaltungsgründen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren bisher nicht geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten der bisher nicht offengelegten vorliegenden Patentanmeldung.
Gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 PatG kann die Einsicht in die Akten einer nicht offengelegten Patentanmeldung ohne Zustimmung des Anmelders nur gewährt werden, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Ein Interesse kann als berechtigt anerkannt werden, wenn die Kenntnisnahme vom Akteninhalt für die Wahrung des Rechts des Antragstellers notwendiger erscheint als das legitime Geheimhaltungsinteresse des Anmelders (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 31 Rdn 14). Insbesondere kann einem Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Patentanmeldung eines ehemaligen Arbeitnehmers zustehen, wenn dieser kurze Zeit vor der Anmeldung ausgeschieden ist (vgl BPatGE 23, 278; Schulte, aaO, § 31 Rdn 15i; Busse, PatG, 5. Aufl, § 31 Rdn 31; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 4. Auf, § 4 Rdn 16). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag des Antragstellers ist der Antragsgegner Arbeitnehmer bei der S... GmbH gewesen, und zwar, wie das in Kopie eingereichte Kündigungsschreiben zeigt, bis zum Ablauf des 9. Juli 2001. Die vorliegende Patentanmeldung hat der Antragsgegner am 21. August 2001, mithin nur sechs Wochen nach seinem Ausscheiden aus diesem Arbeitsverhältnis eingereicht, was eine beachtliche zeitliche Nähe darstellt. Die Patentanmeldung des Antragsgegners betrifft auch das gleiche technische Gebiet, in dem sich seine ehemalige Arbeitgeberin betätigt hat, wie die vom Antragsteller eingereichte Bedienungsanleitung der S... GmbH bezüglich des "Minimalschmiersystem LubriLean Digital-1" zeigt. Vor diesem Hintergrund ist es für den Antragsteller als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S... GmbH zur Wahrung der ihr aus dem Arbeitnehmererfindungsgesetz zustehenden Rechte, insbesondere zur Prüfung der Frage, ob es sich bei der der Anmeldung zugrundeliegenden Erfindung um eine Diensterfindung handelt, erforderlich, Einsicht in die Akte der Patentanmeldung zu nehmen. Ob das "MMS-System AeroTEC-100" des Antragsgegners mit dem ehemals von der S... ... GmbH und nunmehr von der Vogel AG hergestellten "LubriLean Digital-1"
übereinstimmt oder nicht, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang, da es für die Bejahung des berechtigten Interesses nicht erforderlich ist.
Ein dieses berechtigte Interesse übersteigende Geheimhaltungsinteresse des Antragsgegners ist, wie das Patentamt zu Recht ausgeführt hat, schon deswegen nicht ersichtlich, weil er selbst die Geheimhaltungssphäre verlassen hat, indem er sich der noch nicht offengelegten Patentanmeldung berühmt hat (vgl auch Schulte, aaO, § 31 Rdn 15a). Diese Berühmung mag, wie nunmehr geltend gemacht worden ist, in nur wenigen Exemplaren und versehentlich geschehen sein, ändert jedoch nichts am Ergebnis, dass die Geheimhaltungssphäre verlassen worden ist und die Kenntnis von der Patentanmeldung auch einen Wettbewerber erreicht hat. Im übrigen ist zum jetzigen Zeitpunkt auch zu berücksichtigen, dass die Offenlegung der Patentanmeldung in den nächsten Wochen erfolgen wird, da die 18-Monatsfrist abläuft.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs 1 PatG. Da es sich bei dem Akteneinsichtsverfahren um ein echtes Streitverfahren handelt (vgl Busse, aaO, § 31 Rdn 88, § 80 Rdn 18) entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Schülke Püschel Schuster Pr
BPatG:
Beschluss v. 20.02.2003
Az: 10 W (pat) 34/02
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