Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 10. März 2003
Aktenzeichen: 20 W 96/99
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 10.03.2003, Az.: 20 W 96/99)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Der Zwangsgeldfestsetzungsantrag des Gläubigers wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens € beider Instanzen € werden gegeneinander aufgehoben.
Streitwert für jede Instanz: 1.000,00 DM = 511,29 €
Gründe
Der Gläubiger ist Gesellschafter der Schuldnerin und der Schwiegervater des Geschäftsführers. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 11.03.1998 (Bl. 49 ff d. A.) u. a. einen auf § 51 a GmbHG beruhenden Einsichtsrechts- und Auskunftsanspruch des Gläubigers tituliert.
Am 27.01.1999 hat der Gläubiger beim Landgericht einen Beschluss erwirkt, in dem gegen die Schuldnerin zur Durchsetzung des Anspruches zu Ziff. 2) des genannten Beschlusses ein Zwangsgeld von 1.000 DM festgesetzt worden ist (Bl. 71 ff d. A.). Gegen diesen ihr am 01.02.1999 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin durch einen am 15.02.1999 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin Auskünfte erteilt und Einsicht in Unterlagen gewährt.
Der Gläubiger begehrt nunmehr Einzelauskünfte zu den vorgelegten Unterlagen. Er begehrt auch Auskünfte über die Frage, ob die Gesellschaft überschuldet ist. Wegen der Einzelheiten des neuerlichen Antrags wird auf den Schriftsatz vom 07.11.2002 verwiesen (Bl. 117 ff d. A.).
Die Schuldnerin hat sich hierzu nicht mehr geäußert.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Wird die GmbH durch eine gerichtliche Entscheidung auf Antrag eines Gesellschafters zur Auskunftserteilung verpflichtet, so findet aus einer solchen Entscheidung die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt, mit der Folge, dass gegen den ein Zwangsgeld anordnenden Beschluss die sofortige Beschwerde gegeben ist (§ 51 b GmbHG, § 132 IV AktG, §§ 888, 793 ZPO).
Die Beschwerde der Schuldnerin führt zur Aufhebung der angeordneten Zwangsgeldanordnung und zur Zurückweisung des Zwangsgeldfestsetzungsantrags.
Eine Zwangsgeldanordnung findet nur dann statt, wenn der Schuldner eine nach § 888 ZPO zu vollstreckende unvertretbare Handlung schuldet. Vorliegend ist die Schuldnerin durch den landgerichtlichen Beschluss vom 11.03.1998 u. a. verpflichtet worden, dem Gläubiger Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu geben und Auskunft über Geschäftsbelange zu erteilen. Wird einer Gesellschaft im Informationserzwingungsverfahren nach § 51 b GmbHG auferlegt, Einsicht zu gewähren und Auskunft zu erteilen, so richtet sich die Vollstreckung des Einsichtsrechts nach § 883 ZPO entsprechend, die des Auskunftsrechts nach § 888 ZPO (OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1992, 171 ff m. w. N.). Dies wird in dem angegriffenen Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss nicht beachtet. Dieser verhängt vielmehr das Zwangsgeld auch für die titulierten Einsichtsrechte. Der Beschluss unterscheidet ebenso wie der Titel, um dessen Durchsetzung es hier geht, nicht zwischen Einsichts- und Auskunftsrechten. So bezieht sich der Titel unter den Buchstaben a) € j) angefangen von der Nennung der Jahresabschlüsse von 1990 bis 1996 bis zum Umlaufvermögen der Gesellschaft stichwortartig unterschiedslos auf Einsichts- und Auskunftsansprüche.
Im Auskunftserzwingungsverfahren nach §§ 51 a, 51 b GmbHG geht es darum, ob der Gesellschafter einen Informationsanspruch hat oder nicht. Das Informationsbedürfnis des Gesellschafters hängt dabei vom jeweiligen Einzelfall ab. Deswegen hat bereits der Auskunftsantrag die begehrte Information zu präzisieren und das Informationsmittel (Auskunft und/oder Einsicht) zu bezeichnen und zwar unbeschadet der Aufgabe des Gerichts, hier auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken. Die Entscheidung muss also auf eine Verpflichtung zu bestimmten Auskünften bzw. auf Gewährung zu bestimmten Einsichtnahmen lauten (vgl. Rohwedder- Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl., § 51 b Rn 7; Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 51 b Rn 15; Baumbach- Zöllner, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., § 51 b Rn 4).
Soweit der Gläubiger meint, das Einsichtsrecht sei vorliegend nur eine Nebenpflicht einer umfassenden Auskunftsverpflichtung, kann dem nicht zugestimmt werden. Der Informationsanspruch des Gläubigers nach § 51 a GmbHG umfasst vielmehr sowohl Einsichts- als auch Auskunftsrechte. Beide Befugnisse stehen kumulativ und ohne Rangfolge nebeneinander (Lutter-Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 51 a Rn 7; Karl, Das Auskunfts- und Einsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters nach § 51 a GmbHG, DStR 1995, 940 ff, 941). Die Aufgliederung in Einsichts- und Auskunftsrechte dient im Regelfall der Durchsetzung des Informationsanspruches, da der Auskunftsanspruch allein eine stumpfe Waffe ist. Wenn z.B. der Schuldner die Auskünfte erteilt und dadurch den Auskunftsanspruch zum Erlöschen bringt, kann die Richtigkeit der Auskunftserteilung durch das nach § 883 ZPO zu vollstreckende Einsichtsrecht überprüft werden. Der Schuldner kann außerdem, sofern er das Vorhandensein von dem titulierten Einsichtsrecht unterliegenden Unterlagen leugnet, notfalls zur eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der nämlichen Urkunden herangezogen werden (§ 883 II ZPO; vgl. Anm. Soehring, WuB II C § 51 b GmbHG 1.91; Gustavus, Das Informationserzwingungsverfahren nach § 51 b GmbHG in der Praxis, GmbHR 1989, 181 ff, 186).
Dem oben beschriebenen Bestimmtheitsgrundsatz genügt der Auskunftsbeschluss in weiten Teilen nicht. Der Mangel setzt sich in dem mit der Beschwerde der Schuldnerin angegriffenen Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss fort.
Vorliegend hat die Schuldnerin im Laufe des Beschwerdeverfahrens Auskunft zu den einzelnen Punkten des titulierten Informationsanspruches erteilt. Es ist nach dem Aktenstand nicht ersichtlich, dass ein Punkt offen geblieben ist, der Gegenstand des nach § 888 ZPO zu vollstreckenden Auskunftsanspruchs ist, soweit der Titel überhaupt als bestimmt angesehen werden kann. Der Gläubiger hat solches auch nicht aufgezeigt, sondern lediglich seine Auskunftsansprüche konkretisiert und erweitert. Entgegen seiner Darstellung ist er dazu nicht vom Senat aufgefordert worden. Die frühere Zwischenverfügung der Berichterstatterin war nur der Versuch, die unterschiedslos titulierten Auskunfts- und Einsichtsansprüche voneinander zu trennen. Ein ungenauer und deshalb vollstreckungsunfähiger Auskunftstitel kann aber nicht im Vollstreckungsverfahren erweitert werden, denn die Feststellung, ob die Gesellschaft hinsichtlich bestimmter Auskünfte zur Auskunftserteilung verpflichtet ist, wird im Erkenntnisverfahren getroffen. Das Vollstreckungsverfahren dient nur zur Durchsetzung des vollstreckungsfähigen Titels nicht aber zu seiner Erweiterung und Präzisierung (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 61. Aufl. 2003, § 888 ZPO Rn 2; Scholz, GmbHG, § 51 b Rn 26; BayObLG, GmbHR 1989, 204 = NJW-RR 1989, 932). Da die Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO aber nur ein Druckmittel zur Erfüllung des titulierten Auskunftsanspruchs ist, nicht aber ein Druckmittel zur Erfüllung einer möglicherweise bestehenden, aber nicht titulierten Auskunftspflicht, kann die Zwangsgeldfestsetzung nicht aufrechterhalten bleiben. Der Klarstellung halber bemerkt der Senat, dass Einsichtsrechte durch diesen Beschluss nicht berührt werden, ebenso nicht die Geltendmachung der nunmehr verlangten Auskünfte.
Die Kostenentscheidung berücksichtigt (§ 97 II ZPO), dass die obsiegende Schuldnerin erst im Beschwerdeverfahren weitere Auskünfte erteilt hat und die Einsichtsrechte von vornherein nicht der Vollstreckung gem. § 888 ZPO unterlagen.
Die Wertfestsetzung orientiert sich am festgesetzten Zwangsgeld. Für eine darüber hinausgehende Wertfestsetzung besteht kein Anlass.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 10.03.2003
Az: 20 W 96/99
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