Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. März 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 119/03
(BPatG: Beschluss v. 26.03.2004, Az.: 29 W (pat) 119/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der Wortmarke 396 55 364 Leute heuteam 14. Oktober 1999 für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:
Bespielte mechanische, magnetische, magnetooptische, optische und elektronische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten; codierte Telefonkarten; Spielprogramme für Computer; Bildschirmschoner; Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis; elektrische Taschenlampen, elektrische Blinkleuchten; Datenbankprogramme; Computer-Software; Netware; Firmware;
Klasse 16:
Waren aus Papier und Pappe (Karton), nämlich Papierhandtücher, Papierservietten, Filterpapier, Papiertaschentücher, Pappteller, Pappbecher, Papierschmuck, Briefpapier, Toilettenpapier, Papierwindeln, Verpackungsbehälter, Verpackungstüten und Einwickelpapier; Druckereierzeugnisse, nämlich Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Faltblätter, Prospekte, Programmhefte, Pressemappen, Fotomappen, Bücher, Kalender, Plakate (Poster), auch in Buchform, Transparente, nichtcodierte Telefonkarten, Eintrittskarten, Teilnahmekarten, Einladungskarten, Postkarten, auch in Form von Adhäsionspostkarten, Ausweise; Schreibwaren einschließlich Schreib- und Zeichengeräte; Büroartikel, nämlich Stempel, Stempelkissen, Stempelfarbe, Brieföffner, Papiermesser, Briefkörbe, Papierkörbe, Aktenordner, Schreibunterlagen, Locher, Hefter, Büro- und Heftklammern, Aufkleber (auch selbstklebende); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Globen, Wandtafeln und Wandtafelzeichengeräten; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien (letztere auch selbstklebend und für Dekorationszwecke); Spielkarten und Kartenspiele;
Klasse 38:
Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen/-programmen; Verbreitung, Verteilung und Weiterleitungen von Fernseh-, Hörfunk-, Telekommunikations- und Informationssignalen über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch im Online- und Offline-Betrieb sowie mittels Computer; Veranstaltung und Betrieb von interaktiven elektronischen Mediendiensten einschließlich Teleshopping und Telebanking; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Betrieb von Datenbanken und Datendiensten;
Klasse 41:
Film-, Ton-, Video- und Fernsehproduktion; Entwickeln und Gestalten von digitalen Ton- und Bildträgern; Musikdarbietungen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen, von Konferenzen, Tagungen, Seminaren, Lehrgängen, Symposien, Ausstellungen und Vorträgen; Veranstaltung von Sportwettbewerbenist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 970 787 LEUTE eingetragen am 3. Mai 1978 für die Waren Zeitschriften und Magazine.
Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Marke bestritten. Mit Beschlüssen vom 12. März 2001 und 19. Februar 2003 hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch wegen fehlender Glaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen. Aus den von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen ergebe sich lediglich eine Verwendung der Marke als Bestandteil der Zeitschriftenrubriken "Leute von heute", "Leute von gestern" und "Leute von morgen". Auf Grund der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen der inhaltsbeschreibenden Bedeutung des Begriffs "Leute" genügten diese Verwendungen nicht den Anforderungen an eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG, da sie den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke veränderten. Die Verkehrskreise würden in diesen Benutzungsformen daher nicht die eingetragene Marke erkennen.
Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Rubriken "von heute", "von gestern" und "von morgen" seien als die Rubrik "LEUTE" allgemein bekannt. Wie aus den eingereichten Unterlagen ersichtlich, werde die Rubrik "Leute" bzw "LEUTE" in Alleinstellung seit Jahrzehnten im Inhaltsverzeichnis der von der Widersprechenden herausgegebenen Zeitschrift aufgeführt. Die Verwendung als Rubrikentitel stelle unstreitig eine zulässige Benutzungsform einer Marke dar. Zwischen den Waren der Widerspruchsmarke und den von der angegriffenen Marke erfassten Printmedien sowie den Dienstleistungen der Nachrichtenlieferung und der Veröffentlichung und Herausgabe bestehe eine enge Ähnlichkeit. Die angegriffene Marke werde im Gesamteindruck von dem Bestandteil "Leute" geprägt, da der Verkehr dem Anfang einer mehrgliedrigen Wortmarke größere Bedeutung schenke als den Endsilben. Der prägende Bestandteil der angegriffenen Marke und die Widerspruchsmarke seien identisch. Unter Berücksichtigung der Warenähnlichkeit bestehe für den Verkehr daher die Gefahr von Verwechslungen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Einrede der mangelnden Benutzung weiterhin aufrecht. Bei den von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen handele es sich um Fotomontagen, aus denen die tatsächliche Benutzungsform nicht hervorgehe. Im Übrigen seien die erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen als verspätet zurückzuweisen. Auf Grund der beschreibenden Bedeutung des Begriffs "Leute" im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Prominente verfüge die Widerspruchsmarke über eine sehr geringe Kennzeichnungskraft. Eine Verwechslungsgefahr könne daher nur bei einer erheblichen Markenähnlichkeit in Betracht kommen. Daran fehle es im vorliegenden Fall, weil nicht anzunehmen sei, dass das Publikum die angegriffene Marke auf den Bestandteil "Leute" verkürze.
Auf den Einwand des verspäteten Vorbringens hat die Widersprechende erwidert, dass es keine gesetzliche Regelung gebe, die die Vorlage von Benutzungsnachweise im Beschwerdeverfahren verbiete. So wie es der Markeninhaberin möglich sei, in jeder Instanz den Nichtbenutzungseinwand zu erheben, dürfe es nach dem Gebot der Waffengleichheit auch der Widersprechenden zumindest bis zur mündlichen Verhandlung nicht verwehrt sein, die Benutzung glaubhaft zu machen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht keine Gefahr von Verwechslungen (§§ 42 Abs 2 Nr 1 iVm § 9 Abs 1 Nr 2, 43 Abs. 2 MarkenG).
1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr; vgl BGH WRP 2003, 521, 524 - Abschlussstück mwN). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall keine Gefahr von Verwechslungen gegeben.
2. Die von der Markeninhaberin beantragte Zurückweisung des Vorbringens der Widersprechenden gemäß § 82 Abs 1 S 1 MarkenG, §§ 296 Abs 2, 282 Abs 1 und 2 ZPO kommt im schriftlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht grundsätzlich nur in engen Grenzen in Betracht.
Diese Problematik muss hier aber nicht näher erläutert werden, da es in jedem Fall an einer Verfahrensverzögerung fehlt.
3. Für den Vergleich der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen unterstellt der Senat zu Gunsten der Widersprechenden die Benutzung der Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren "Zeitschriften und Magazine". Diese Waren sind identisch im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthalten. Hinsichtlich der Waren "Druckereierzeugnisse, nämlich Zeitungen, Broschüren, Faltblätter, Prospekte, Programmhefte, Pressemappen, Fotomappen, Bücher, Kalender, Plakate (Poster), auch in Buchform, Transparente, Eintrittskarten, Teilnahmekarten, Einladungskarten, Postkarten, auch in Form von Adhäsionspostkarten, Ausweise" der angegriffenen Marke besteht eine enge Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke, da sie ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft und ihrem Verwendungszweck nach enge Berührungspunkte aufweisen. Auch die Dienstleistungen "Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen" liegen im engen Ähnlichkeitsbereich. Zum einen ist der Verkehr im Bereich der Printmedien daran gewöhnt, dass sowohl die Druckschriften selbst als auch die Dienstleistungen ihrer Veröffentlichung und Herausgabe von ein und demselben Unternehmen erbracht werden. Zum anderen ist die elektronische Präsentation von Zeitschriften und Magazine im Internet mittlerweile allgemein üblich, so dass der Verkehr auch insoweit von einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft ausgehen wird. Hingegen kann hinsichtlich der Dienstleistung "Liefern von Nachrichten" allenfalls eine entfernte Ähnlichkeit angenommen werden, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass Hersteller von Zeitschriften und Magazine üblicherweise auch als Nachrichtenagenturen tätig sind.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Senat erhebliche Bedenken hat, ob die Verwendung einer Marke für eine Rubrik als eine markenmäßige Benutzung gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG angesehen werden kann. Denn der angesprochene Verbraucher nimmt im redaktionellen Teil einer Zeitschrift in der Regel nur den Inhalt und nicht den betrieblichen Herkunftshinweis wahr. Insoweit ist zweifelhaft, ob eine Verwendung der Marke als inhaltsbeschreibender Rubrikenüberschrift die Funktion einer Marke erfüllen kann, nämlich dem Verbraucher die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb zu garantieren, in dem sie im ermöglicht diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl EuGH GRUR 2002, 804 Rn 30 ff - Philips). Im vorliegenden Fall konnte die Frage der markenmäßigen Benutzung aber dahingestellt bleiben, weil selbst bei einer unterstellten Benutzung für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen besteht.
4. Der Widerspruchsmarke kommt nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu. Zum einen ist der Begriff "Leute" ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache zur Bezeichnung "mit anderen zusammen auftretende[r], als Menge o.Ä. gesehene[r] Menschen", zur Bezeichnung von "Personen, die unter jmds. Leitung arbeiten, bei jmdm. angestellt sind" oder zur umgangssprachlichen Bezeichnung von "Familienangehörige[n]" (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Auflage, 2001, S. 1014 f.), das vom Verkehr nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Zum anderen beinhaltet der Begriff im Zusammenhang mit Zeitschriften und Magazinen lediglich einen beschreibenden Hinweis darauf, dass sich diese mit bestimmten Gruppen von Menschen, zB Prominenten, ihren Interessen und Vorlieben, ihren Schicksalen oder ihrem Wissen beschäftigen. Wie aus den den Parteien übermittelten Rechercheunterlagen ersichtlich, findet der Begriff daher als Zeitschriftenrubrik häufig Verwendung.
5. Für die Frage der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der Marken abzustellen. Die Ähnlichkeit ist nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr in der Regel ausreicht, wenn die Zeichen in einer Hinsicht ähnlich sind (st Rspr; vgl BGH WRP 2003, 1436, 1438 - Kelly mwN). Die Marken "LEUTE" und "Leute heute" unterscheiden sich im Gesamteindruck durch den zusätzlichen Bestandteil "heute" der angegriffenen Marke in der schriftbildlichen und klanglichen Wahrnehmung sowie in der Bedeutung deutlich voneinander.
6. Weichen - wie im vorliegenden Fall - die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet deutlich voneinander ab, so kann eine Verwechslungsgefahr trotzdem in Betracht kommen, wenn die mehrgliedrigen Marken übereinstimmende oder ähnliche Bestandteile enthalten und diese den Gesamteindruck der mehrteiligen Marke alleine prägen (st Rspr; vgl BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud). Dies ist hier jedoch im Hinblick auf den allein für eine Kollision in Frage kommenden Bestandteil "Leute" nicht der Fall. Als eine die hier verfahrensgegenständlichen Waren beschreibende Angabe kann der Bestandteil "Leute" bereits aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks bewirken (vgl BGH WRP 2003, 1431, 1435 - Kinder). Aber auch der durch die Aneinanderreihung sich reimender Worte hervorgerufene Sprechrhythmus spricht für die gleichwertige Prägung des Gesamteindrucks des angegriffenen Zeichens durch beide Markenbestandteile in ihrer Kombination. Die Rhythmik der Marke "Leute heute" führt zu einer gleichmäßigen, fließenden Betonung, so dass beide Bestandteile bei der Aussprache gleichermaßen zur Geltung kommen und nicht davon auszugehen ist, dass der Verkehr die angegriffene Marke auf den Bestandteil "Leute" verkürzt. Bei dieser Sachlage können Verwechslungen zwischen den Marken ausgeschlossen werden.
7. Eine Verwendung der Marke "LEUTE" als Stammbestandteil eines Serienzeichens ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen, so dass auch die Gefahr einer mittelbaren Verwechslung nicht gegeben ist.
8. Zu eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG bestand keine Veranlassung.
Grabrucker Baumgärtner Fink Cl
BPatG:
Beschluss v. 26.03.2004
Az: 29 W (pat) 119/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ea5203844115/BPatG_Beschluss_vom_26-Maerz-2004_Az_29-W-pat-119-03