Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 18. August 2015
Aktenzeichen: 6 Ta 277/15

(LAG Hamm: Beschluss v. 18.08.2015, Az.: 6 Ta 277/15)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.03.2015 - 4 Ga 2034/13 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Dem Kläger ist mit Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.10.2014 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Antragsteller beigeordnet worden. Mit Beschluss vom 24.10.2014 hat das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich vom 24.10.2014 bewilligt. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 05.11.2014 die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung in Höhe von 1.537,48 beantragt, wobei für den Mehrvergleich eine 1,2-Termins-, eine 0,8-Verfahrens- und eine 1,5 Einigungsgebühr berücksichtigt worden sind. Das Arbeitsgericht hat die Vergütung in Höhe von 981,75 € festgesetzt und dabei eine 1,0-Einigungsgebühr berücksichtigt. Hiergegen hat sich der Antragsteller mit der erfolglosen Erinnerung und sodann mit der Beschwerde gewandt. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen.

I.

Die Beschwerde ist unbegründet. Dem Antragsteller steht zwar eine 1,5-Einigungsgebühr, jedoch keine 0,8-Verfahrens- und keine 1,2-Terminsgebühr zu.

1. Die Erstattungspflicht der Staatskasse nach den §§ 45ff. RVG ist streng akzessorisch, d.h. sie besteht hinsichtlich der einzelnen Gebührentatbestände nur in demjenigen Umfang, in dem der Mandant selbst einer entsprechenden Vergütungsverpflichtung unterliegt. Für das Bestehen eines erstattungsfähigen Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse reicht indessen der Anfall der angemeldeten Gebühr im Rahmen des Mandatsverhältnisses nicht aus. Denn im Festsetzungsverfahren nach den §§ 45 ff., 55 RVG können - von dem hier nicht einschlägigen Anwendungsbereich des §§ 48 Abs. 3 RVG abgesehen - einem beigeordneten Rechtsanwalt ausschließlich diejenigen Gebühren aus der Staatskasse ersetzt werden, die vom sachlichen Umfang des Bewilligungsbeschlusses gedeckt sind (§ 48 Abs. 1 RVG).

2. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Geht es um Gebühren im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Mehrvergleichs, muss eine Bewilligung für den Mehrvergleich schon wegen der bindenden Wirkung für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts (§ 48 Abs. 1 RVG) und der Vermeidung von Unklarheiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren klar aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erkennbar sein. Dies ergibt sich auch aus § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG, der in Abgrenzung zu den Bestimmungen der Absätze 2 bis 4, eine ausdrückliche Beiordnung für "andere Angelegenheiten" verlangt. Entweder muss sich die Erstreckung daher direkt aus dem Tenor ergeben oder - soweit vorhanden - aus den Gründen des Beschlusses (BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14; LAG Hamm 31. August 2007 - 6 Ta 402/07).

3. Der einen sogenannten Mehrvergleich betreffende Prozesskostenhilfe-Erweiterungsbeschluss wird in der Praxis so gut wie nie begründet, sondern beschränkt sich in aller Regel auf die auch im Streitfall verwendete Tenorierungsformel. In der Frage, welche Gebühren für den abgeschlossenen Mehrvergleich bei einer solchen Fallgestaltung erstattungsfähig sind, gehen die Meinungen nach wie vor weit auseinander (vgl. etwa die Übersicht bei OLG Bamberg 21. März 2011 - 4 W 42/10 m. w. N.).

4. Nach den gesetzlichen Vorgaben kommt einerseits eine Bewilligung nach §§ 119, 114 ZPO für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und andererseits eine eingeschränkte Bewilligung nur für eine Einigung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO in Betracht.

a) Prozesskostenhilfe kann unter den Voraussetzungen von § 114 ZPO einer Partei bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dabei ist für die Partei, die Prozesskostenhilfe für eine Klage begehrt, auf deren Erfolgsaussichten abzustellen. Nicht erforderlich ist, dass die Klage schon erhoben worden ist. Um einer Partei zu ermöglichen, gegebenenfalls auch bei fehlenden oder unzureichenden finanziellen Mitteln einen Rechtsstreit zu führen, kann ihr Prozesskostenhilfe auch für eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht erhobene, sondern nur beabsichtigte Klage bewilligt werden. Anders liegen die Dinge dagegen auf Seiten des Antragsgegners. Ihm ist unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn seine Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussicht hat. Dafür ist erforderlich, dass die gegen ihn gerichtete Klage unschlüssig ist oder er Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können. Solange eine Klage aber noch gar nicht erhoben ist und auch nicht feststeht, ob sie jemals erhoben wird, braucht er sich vor Gericht nicht zu verteidigen. Deshalb darf ihm zur Abwehr eines Begehrens, das mangels Klagezustellung noch nicht rechtshängig geworden ist, im Allgemeinen keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03). Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für den Fall, dass eine Partei Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt und dieser Antrag dem Gegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Stellungnahme zugeleitet wird. Solange die angekündigte Klage nicht erhoben ist, liegen für den Antragsgegner die Voraussetzungen von § 114 ZPO regelmäßig nicht vor. Für das Prozesskostenhilfeverfahren kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03).

b) Nur für den Fall, dass bei der summarischen Prüfung oder Erörterung des Antrags auf Prozesskostenhilfe beide Seiten einigungsbereit sind, erlaubt das Gesetz aus Zweckmäßigkeitsgründen, nämlich zur Ermöglichung einer gütlichen vorprozessualen Regelung, dass im Prozesskostenhilfeverfahren über den Klageanspruch selbst eine Regelung im Wege eines Vergleichs erfolgt (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Hier sprengt das Gesetz den Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens; Gegenstand der Prüfung und Erörterung sind jetzt nicht mehr die Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers und die Erfolgsaussicht seines Begehrens, sondern jetzt geht es um die Sache selbst. Kommt es dabei zu einer Einigung der Parteien, ist aus denselben Zweckmäßigkeitsgründen, aus denen der Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeverfahren gestattet ist, auch eine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt, dass im Bewilligungsverfahren selbst keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Ein Vergleichsabschluss ist keine Regelung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern über die Sache selbst. Der bisher vom Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht unmittelbar betroffene Gegner bindet sich jetzt. Da er dabei - ebenso wie der Antragsteller - rechtliche Beratung benötigen kann, ist die Interessenlage beider Seiten nunmehr gleich. In diesem Sonderfall kann - unter den Voraussetzungen des § 114 ZPO - dem Antragsgegner ebenso wenig wie dem Antragsteller die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auf Staatskosten verwehrt werden. Deshalb darf für den Abschluss eines Vergleichs in einem Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) gegebenenfalls beiden Parteien Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dabei kann einer Partei im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozesskostenhilfe aber nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden (BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03).

Bei einer auf den Vergleich beschränkten Prozesskostenhilfe werden der anwaltlich vertretenen Partei die ihrem Rechtsanwalt gegebenenfalls zustehende 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG und die 1,2 Terminsgebühr auch auf den Mehrwert des Vergleichs nicht aus der Staatskasse erstattet. Dies ist die Folge des Grundsatzes, dass für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe nicht gewährt wird. Eine umfassende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur bei Abschluss eines Vergleichs würde somit zu einem Wertungswiderspruch führen, der mit dem Sinn und Zweck des Instituts der Prozesskostenhilfe nicht zu vereinbaren wäre (BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03; ebenso: OLG Bamberg 7. November 2007 - 2 WF 54/07; OLG Bamberg 5. Mai 2009 - 2 WF 20/09; OLG München 18.3.2009 - 11 WF 812/09; OLG Köln 11. Dezember 2006 - 5 W 122/06; OLG Hamm3. Juli 2008 - 10 WF 77/08; OLG Nürnberg 19.10.2005 - 2 W 2190/05).

Der Grundsatz, wonach keine Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren gewährt wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn das PKH-Verfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG 2. Juli 2012 - 2 BvR 2377/10).

c) Sofern nach bewilligter Prozesskostenhilfe die bedürftige Partei zusätzlich Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines sogenannten Mehrvergleichs beantragt, wird dadurch ein neues - nunmehr auf die Streitmasse der nicht anhängigen (wechselseitigen) Ansprüche bezogenes - Prozesskostenhilfe-Verfahren eingeleitet. Die durch den Ergänzungsantrag eingetretene Verfahrenslage stellt sich somit nicht wesentlich anders dar als die Regelkonstellation, auf die die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zugeschnitten ist. Für eine unterschiedliche Behandlung beider Verfahrenssituationen ist daher kein sachlicher Grund erkennbar (OLG München 18.3.2009 - 11 WF 812/09; OLG Bamberg 5. Mai 2009 - 2 WF 20/09; OLG Nürnberg 19.10.2005 - 2 W 2190/05), so dass für den Ergänzungsantrag wiederum der Grundsatz gilt, wonach für das Bewilligungsverfahren selbst Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht gewährt werden kann.

Die Begrenzung der sachlichen Reichweite einer auf den Vergleichsschluss selbst beschränkten Bewilligungsanordnung entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO entspricht nicht nur dem Ausnahmecharakter dieser Regelung. Sie erfährt ihre innere Rechtfertigung dadurch, dass in dem durch § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO eröffneten Bewilligungsrahmen eine Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) zwar nicht von vornherein entbehrlich ist, sich aber aus prozessökonomischen Gründen jedenfalls darauf beschränken darf, den Umfang der Vergleichsbereitschaft des Antragsgegners nachzuvollziehen. Wird Prozesskostenhilfe für die Mehreinigung beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (BAG 16. Februar 2012 - 3 AZB 34/11). Sind aber insoweit die sachlichen Bewilligungsschranken gegenüber den Regelanforderungen deutlich abgesenkt, so spricht die hierfür maßgebende Zielsetzung des Gesetzes zugleich dafür, dass in einem solchen Ausnahmefall die Gewährung von Prozesskostenhilfe von vornherein nicht die gleiche Anordnungsqualität haben kann wie eine der Vorgabe einer vollen Sachprüfung nach § 114 Satz1 ZPO unterliegende (und insoweit auch begründungsbedürftige) Bewilligung (OLG Bamberg 21. März 2011 - 4 W 42/10).

5. Antragsgemäß ergangene Entscheidungen im Prozesskostenhilfe-Verfahren sind - schon im Interesse eines einheitlichen Verständnisses sämtlicher Verfahrensbeteiligten (einschließlich der Beschwerdeinstanz(en) und im nachfolgenden Festsetzungsverfahren) - objektivtypisierend auszulegen (OLG Bamberg 21. März 2011 - 4 W 42/10).

a) Geht es um die Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf einen sogenannten Mehrvergleich, hat eine Antragstellerseite, die eine Erstattungsfähigkeit sämtlicher mit dem Vergleichsüberhang zusammenhängenden Gebühren anstrebt, alle Veranlassung, diese weitergehende Zielsetzung in ihrer Antragstellung unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Ein Gesuchsteller, der sich stattdessen mit einem floskelhaften Antrag begnügt, kann somit keinesfalls erwarten, dass aus einem entsprechend formelhaft ausgefallenen Bewilligungsbeschluss der für eine umfassende Erstattung sämtlicher angefallenen Gebühren erforderliche Anordnungsumfang im Nachhinein "herausgelesen" wird. Abgesehen davon wäre ein Antragsteller mit dieser weitergehenden Zielsetzung zugleich gehalten, seine Erfolgschancen in Bezug auf die außerprozessuale Streitmasse wenigstens in Umrissen zu verdeutlichen (OLG Bamberg 21. März 2011 - 4 W 42/10).

b) Der übliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich ist nicht darauf ausgerichtet, einen Eindruck von den angeblichen Erfolgschancen der Antragstellerseite hinsichtlich der in den Prozessvergleich einbezogenen nicht anhängigen Ansprüche zu vermitteln. Mithin gibt eine solche Antragstellung keinen Anlass, in eine auch nur eingeschränkte Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Antragstellerseite bezüglich der nicht anhängigen Ansprüche einzutreten. Für die gerichtliche Bewilligungsentscheidung besteht die Vermutung, dass das Gericht die Entscheidungsfindung an den Maßstäben des geltenden Rechts orientieren will. Nach den darauf aufbauenden Auslegungsregeln darf in Prozesskostenhilfe-Sachen dem objektiven Verständnishorizont der Antragstellerseite ohne weiteres die Einsicht zugerechnet werden, dass eine Bewilligung bzw. Beiordnung nur in den Grenzen der hierfür maßgebenden "Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen" ergehen kann (vgl. BAG 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03). Zu diesen verbindlichen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gehören bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich insbesondere die vom BGH entwickelten Grundsätze (BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03). Hiernach lässt ein formelhaft ausgefallener Erweiterungsbeschuss regelmäßig nur die Deutung zu, dass die Entscheidung nur auf einen allein die Einigungsgebühr betreffenden Bewilligungsumfang angelegt ist.

Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 48 RVG im Zuge des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, Satz 2586 ff.) sich damit begnügte, in Absatz 3 dieser Vorschrift zu regeln, dass sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in den dort enumerativ aufgeführten Fällen auf alle mit dem Mehrvergleich erforderlichen anwaltlichen Tätigkeiten erstreckt. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Mehrvergleiche über nicht von Amts wegen einzuleitende Folgesachen bei Anhängigkeit einer Ehesache. Dabei ist dem Gesetzgeber hinlänglich bekannt gewesen, dass in der Frage, welche Gebühren ein beigeordneter Rechtsanwalt für den Abschluss eines Mehrvergleichs aus der Landeskasse beanspruchen kann, die Ansichten in Rechtsprechung und Literatur weit auseinandergehen. Jedenfalls seit der Änderung des § 48 Abs. 3 RVG zum 01.08.2013 kann außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich auch die auf den höheren Vergleichswert entfallenden Differenzverfahrens- und/oder Differenzterminsgebühren erfasst (LG Detmold 29. Mai 2015 - 3 T 52/15; OLG Koblenz 19.5.2014 - 13 WF 369/14; OLG Celle 26. Februar 2015 - 10 WF 28/15; a.A. Enders JurBüro 2014, 449 ff, 505 ff., 561 ff.).

6. Liegt damit eine eingeschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für den Mehrvergleich vor, ist dem beigeordneten Rechtsanwalt für die Mehreinigung die 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG und nicht nur die 1,0 Einigungsgebühr nach 1003 VV RVG zu erstatten.

a) Die Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Dagegen fällt nach Nr. 1003 VV RVG lediglich die 1,0-Einigungsgebühr an, wenn über den Gegenstand der Einigung ein gerichtliches Verfahren, jedoch kein selbständiges Beweisverfahren, anhängig ist. Dies gilt auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird.

Die Einigungsgebühr tritt an die Stelle der bisherigen außergerichtlichen Vergleichsgebühr des § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO. Zielrichtung der Neugestaltung unter Nr. 1000 VV RVG ist es, die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken. Der Rechtsanwalt soll die Gebühr nach Nr. 1000 VV RVG auch dann unvermindert erhalten, wenn die Prozesskostenhilfe nur zur Protokollierung der Einigung beantragt wird (BT-Drucks. 15/1971, S. 204).

b) Die erkennende Kammer ist bislang davon ausgegangen, dass für die Mehreinigung die Festsetzung einer 1,5-Einigungsgebühr im Falle eines Prozesskostenhilfe-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses nur in Betracht kommt, wenn die Prozesskostenhilfe allein zur Protokollierung der Einigung beantragt wurde, weil im Fall der Protokollierung die Tätigkeit des Arbeitsgerichts nicht (mit)ursächlich ist für den Inhalt der Einigung (LAG Hamm 31. August 2007 - 6 Ta 402/07). Hieran kann nicht festgehalten werden. Ergibt die Auslegung des Bewilligungsbeschlusses, dass die Bewilligung entsprechend § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur für den Mehrvergleich erfolgen sollte, liegt die Rückausnahme nach Anm. Abs. 1 Satz 1 zu Nr. 1003 VV ("die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt") vor. Eine fehlende Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Mehrvergleichs ist keine Tatbestandsvoraussetzung für die 1,5 Einigungsgebühr. Die Entstehung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG hat nicht zur Voraussetzung, dass durch die Einigung eine konkrete Entlastung der Gerichte eintritt. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Einigungsgebühr die Erwartung verknüpft, dass der mit dieser Gebühr geschaffene Anreiz zur einvernehmlichen Streitbeilegung generell eine Entlastung der Justiz mit sich bringen werde (BT-Drucks. 15/1971, S. 204), er hat jedoch - wie schon der Gesetzeswortlaut zeigt - eine konkret messbare Entlastung des Gerichts im Einzelfall, deren Feststellung mitunter ohnehin erhebliche Probleme bereiten würde, nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben (BGH 17. September 2008 - IV ZB 14/08; LAG Düsseldorf 25.9.2014 - 5 Sa 273/14; LAG Düsseldorf 13.10.2014 - 13 Ta 342/14; a.A.: LAG Rheinland-Pfalz 12. März 2015 - 5 Ta 51/15; LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010 - 6 Ta 237/10; LAG Schleswig-Holstein 18.11.2011 - 1 Ta 191/11; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010 - 5 Ta 132/10; LAG Nürnberg 25.06.2009 - 4 Ta 61/09; LAG München 2. Januar 2015 - 1 Ta 282/13; LAG München 17.03.2009 - 10 Ta 394/07).






LAG Hamm:
Beschluss v. 18.08.2015
Az: 6 Ta 277/15


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