Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. September 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 327/04
(BPatG: Beschluss v. 04.09.2007, Az.: 6 W (pat) 327/04)
Tenor
Das Patent 195 39 498 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- neue Patentansprüche 1 und 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- übrige Unterlagen gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Gegen das am 15. April 2004 veröffentlichte Patent DE 195 39 498 mit der Bezeichnung "Verschleißfester Synchronring aus einer Kupferlegierung" ist am 15. Juli 2004 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 4 sei nicht neu bzw. beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben den Entgegenhaltungen D1: DE 38 05 794 C2 D2: Englische Übersetzung der Japanischen Patentschrift JP 59-34221 B D3: Untersuchungsbericht Diehl Metall mit dem Titel "Untersuchung japanischer Synchronringe", mit vorangegangener Aktennotiz D4: Tabellarische Aufstellung der Legierungszusammensetzungen von Proben von bei Diehl Metall gegossenen Legierungen D5: DE 40 35 264 A1 noch auf die folgenden, bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Entgegenhaltungen:
DE 40 35 264 C2 DE 38 09 994 C3 DE 38 05 794 C2 DE 37 35 783 C1 DE 42 40 157 A1 EP 03 13 036 A1 JP 64-055 347.
Zu der Entgegenhaltung D3 bietet die Einsprechende Zeugenbeweis an.
Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin überreicht in der mündlichen Verhandlung neue nebengeordnete Ansprüche 1 und 2 und beantragt, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
neue Patentansprüche 1 und 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, übrige Unterlagen wie erteilt.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand der nunmehr geltenden Ansprüche 1 und 2 sowohl neu als auch erfinderisch sei.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Verschleißfester Synchronring aus einer Kupferlegierung mit einer Zusammensetzung (in Gewichtsprozent), die besteht aus: Zn: 20 bis 40 %, Al: 2 bis 11 %, wenigstens einem Element aus der Gruppe Fe, Ni und Co: 1 bis 5 %, Ti: 0,1 bis 4 %, S: 0,0005 bis 0,01%, optional Mg: 0,01 bis 0,5%, und Rest Cu mit unvermeidbaren Verunreinigungen."
Der nebengeordnete Anspruch 2 lautet:
"Verschleißfester Synchronring aus einer Kupferlegierung mit einer Zusammensetzung (in Gewichtsprozent), die besteht aus: Zn: 20 bis 40 %, Al: 2 bis 11 %, wenigstens einem Element aus der Gruppe Fe, Ni und Co: 1 bis 5 %, Ti: 0,1 bis 4 %, Mn: 0,01 bis unter 0,1 %, S: 0,0005 bis 0,01 %, optional Mg: 0,01 bis 0,5 %, und Rest Cu mit unvermeidbaren Verunreinigungen."
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich des vom Senat erhobenen Zeugenbeweises, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden, weil der Einspruch im in dieser Vorschrift genannten Zeitraum beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Gegen die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach dieser Vorschrift bestehen weder unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BGH X ZB 9/06 v. 17. April 2007 - Informationsübermittlungsverfahren I).
Das Bundespatentgericht ist auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori, der u. a. in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO seine gesetzliche Ausprägung gefunden hat, zuständig geblieben (vgl. hierzu auch 23 W (pat) 327/04; 23 W (pat) 313/03; 19 W (pat) 344/04; BGH X ZB 6/05 v. 27. Juni 2007 Seite 6 -Informationsübermittlungsverfahren II).
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig, was von der Patentinhaberin nicht in Zweifel gezogen worden ist.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
3.1. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 2 sind in den ursprünglichen bzw. den erteilten Unterlagen offenbart, die Ansprüche sind somit zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen bzw. erteilten Ansprüchen 2 und 4 und der geltende Anspruch 2 aus den ursprünglichen bzw. erteilten Ansprüchen 3 und 4.
Die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche wird seitens der Einsprechenden insoweit bestritten, als den Ursprungsunterlagen an keiner Stelle zu entnehmen sei, dass es sich bei den angegebenen Legierungskomponenten in den nunmehr geltenden Ansprüchen 1 und 2 um eine abschließende Aufzählung handle. In den Ursprungsunterlagen sei vielmehr eine nicht abschließende Aufzählung der Komponenten erfolgt, so dass der Synchronring neben den angegebenen Komponenten auch noch weitere Komponenten enthalten könne.
Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Denn zum einen ist es Gang und Gäbe, bei Stahllegierungen gerade wegen der selbst durch kleinste Zusätze bewirkten unterschiedlichen Eigenschaften, die einzelnen Legierungskomponenten abschließend aufzuzählen, und zum anderen würde es sich bei der jetzt geltenden Formulierung - selbst unterstellt, im Gegensatz zu den Ursprungsunterlagen sei in den neu eingereichten Ansprüchen nunmehr eine abschließende Aufzählung der Legierungskomponenten erfolgt - allenfalls um eine Beschränkung, nicht aber um eine Erweiterung handeln.
Auch den keinen Einspruchsgrund darstellenden Einwand der Einsprechenden, die geltenden Ansprüchen 1 und 2 seien unklar, da sie einerseits eine abschließende Aufzählung der Legierungskomponenten enthielten, andererseits jedoch optional die Beigabe von Magnesium ermöglichten, vermag der Senat nicht zu teilen. Denn die Formulierung der geltenden Ansprüche 1 und 2 lässt aufgrund der abgeschlossenen Formulierung klar und eindeutig erkennen, aus welchen notwendigen Komponenten der Synchronring bestehen soll. Zu diesen notwendigen Komponenten kann optional dann noch Magnesium zugegeben werden, weitere Komponenten sind jedoch ausgeschlossen.
3.2. Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Synchronring nach den geltenden Ansprüchen 1 und 2 ist neu.
Denn keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften einschließlich des Untersuchungsberichts D3 ist ein Synchronring zu entnehmen, welcher Schwefel enthält.
Die Neuheit des Gegenstandes der geltenden Ansprüche 1 und 2 ist im Übrigen seitens der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten worden.
3.3. Der Synchronring gemäß den geltenden Ansprüchen 1 und 2 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie der von der Einsprechenden benannte Zeuge im Einzelnen glaubhaft - weil der Lebenserfahrung entsprechend sowie detailliert und plausibel dargelegt - bestätigt hat, kann zwar von der Richtigkeit des Vortrags der Einsprechenden hinsichtlich der D3 ausgegangen werden, wonach aus diesem Stand der Technik ein Synchronring bekannt ist, der hinsichtlich der Gewichtsanteile der Legierungskomponenten Zn, Al, Fe, Ni, Co, Ti und Mg im nunmehr beanspruchten Bereich liegt, was auch die Patentinhaberin nicht mehr bestreitet. Jedoch ist demgegenüber der Gegenstand der Erfindung mit den nach der Zeugenvernehmung eingereichten neuen Ansprüchen patentfähig.
Vom gesamten nachgewiesenen Stand der Technik unterscheidet sich der Synchronring gemäß den nunmehr geltenden Ansprüchen 1 und 2 zumindest dadurch, dass er 0,0005 bis 0,01 Gewichtsprozent Schwefel enthält.
Ein Synchronring mit einer derartigen Zusammensetzung ist weder den seitens der Einsprechenden vorgelegten Unterlagen noch dem im Prüfungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik zu entnehmen. Denn dort ist an keiner Stelle ein Hinweis gegeben, einer Kupferlegierung für einen Synchronring eine Schwefel-Komponente zuzugeben. Auch der vorteilhafte Effekt von Schwefel auf die Verschleißfestigkeit der Synchronringe, der durch die angeführten Beispiele in der Patentschrift dokumentiert ist (vgl. S. 6, Prüfstücke 29 und 1), ist im Stand der Technik nicht belegt oder erwähnt.
Die Einsprechende hat zwar vorgetragen, Schwefel sei eine durchaus üblich Verunreinigung im Kupfer und daher notwendigerweise auch in den von ihr untersuchten Synchronringen zumindest in den beanspruchten geringen Konzentrationen vorhanden. Diese geringen Spuren seien lediglich bisher als unerheblich angesehen und daher nicht gesondert ausgewiesen worden. Aber schon die Beispiele in der Streitpatentschrift beweisen, dass auch Synchronringe herstellbar sind, welche gerade keinen Schwefelanteil in der hier entscheidungserheblichen Größenordnung aufweisen (vgl. Tabellen 1 bis 3, Prüfstücke 1 bis 17, 26 und 27). Und selbst Prüfstücke üblicher Legierungen müssen nicht notwendigerweise einen solchen Schwefelgehalt aufweisen, wie in Tabelle 3 die Prüfstücke der Reihe SII zeigen.
Somit vermag der Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau eine Anregung zu geben, einen Synchronring aus einer Kupferlegierung herzustellen, welche Schwefelanteile enthält.
Die geltenden Ansprüche 1 und 2 sind somit gewährbar.
Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl
BPatG:
Beschluss v. 04.09.2007
Az: 6 W (pat) 327/04
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