Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 5. Januar 2000
Aktenzeichen: 15 W 314/00
(OLG Hamm: Beschluss v. 05.01.2000, Az.: 15 W 314/00)
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben als Teilschuldner zu gleichen Teilen die dem Beteiligten zu 3) im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde etwa entstandenen
außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 10.0000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Kinder des Erblassers aus seiner Ehe mit Frau E2. Die Ehe wurde, nachdem sich die Ehegatten im März 1996 getrennt hatten, durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg vom 15.01.1998 geschieden.
Nach der Trennung der Ehegatten kam es zu einer Vielzahl von gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen, in denen sich der Erblasser durchgehend von dem Beteiligten zu 3) anwaltlich vertreten ließ. U.a. nahmen die Beteiligten zu 1) und 2), die weiterhin im Haushalt ihrer Mutter lebten, den Erblasser auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Ihre Anträge, den Erblasser durch den Erlaß einstweiliger Verfügungen zur Zahlung von Unterhalt zu verpflichten, wurden von dem Amtsgericht zurückgewiesen (1 F 121 und 123/96 AG Tecklenburg). Wegen der ihm daraus erwachsenen Kostenerstattungsansprüche betrieb der Erblasser - teilweise erfolgreich - die Zwangsvollstreckung gegen seine Kinder. In den von den Beteiligten zu 1) und 2) anhängig gemachten Hauptsacheverfahren (1 F 126 und 127/96 Tecklenburg) stritten die Parteien mit Heftigkeit über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erblassers. Dieser verteidigte sich gegenüber der Unterhaltsforderung im wesentlichen mit der Behauptung, er könne aus seinem Vermögen (insbesondere seiner Kommanditbeteiligung an der I KG sowie seinen bebauten Innenstadtgrundstücken Altstadt 1 und 3 in M) wegen entstandener Verluste und der vorrangigen Bedienung von Verbindlichkeiten keine Einnahmen erzielen. Auch seine Tätigkeit als Rechtsanwalt mit eigener Praxis in C werfe wegen seiner eingeschränkten Arbeitskraft infolge Krankheit keine Überschüsse ab. Das Amtsgericht hat den Erblasser durch Urteil vom 14.04.1998 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 1.000,00 DM für die Beteiligte zu 2) verurteilt. Seine Berufung hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts durch Urteil vom 23.03.1999, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, zurückgewiesen. In dem von dem Beteiligten zu 1) geführten Unterhaltsrechtsstreit hat sodann das Amtsgericht durch Urteil vom 14.10.1999 den Erblasser zu Unterhaltszahlungen verurteilt.
Der Erblasser errichtete nach der Trennung von seiner Ehefrau am 09.09.1996 ein privatschriftliches Testament, in dem er seine Ehefrau von der Erbfolge ausschloß und die Beteiligten zu 1) und 2) zu gleichen Teilen zu seinen Erben berief, Vermächtnisse aussetzte sowie Anordnungen für die Auseinandersetzung traf. Ferner ernannte er den Beteiligten zu 3) zum Testamentsvollstrecker.
Nach Eröffnung der letztwilligen Verfügung hat der Beteiligte zu 3) mit Schreiben vom 28.01.2000 gegenüber dem Nachlaßgericht erklärt, er nehme das Amt des Testamentsvollstreckers an. Er hat ferner am 31.01.2000 zur Niederschrift des Rechtspflegers des Nachlaßgerichts die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 03.02.2000 bei dem Amtsgericht beantragt, den Beteiligten zu 3) gem. § 2227 BGB aus dem Amt des Testamentsvollstreckers zu entlassen. Zur Begründung haben sie im wesentlichen vorgetragen, der Beteiligte zu 3) habe durch seine anwaltliche Tätigkeit den Erblasser in seinem Bestreben unterstützt, ihnen, den Beteiligten zu 1) und 2), den ihnen zustehenden Unterhalt vorzuenthalten. Der Beteiligte zu 3) habe durch seine Verfahrenshandlungen und seinen Sachvortrag nicht nur die Grenze der Sachlichkeit überschritten, sondern zu den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Erblassers auch vorsätzlich falsch vorgetragen. Aufgrund verschiedener Umstände, nicht zuletzt durch die Entgegennahme von Gerichtskostenvorschüssen und Honorarzahlungen, sei dem Beteiligten zu 3) bekannt gewesen, daß der Erblasser den Kindesunterhalt habe aufbringen können. Der Beteiligte zu 3) sei ferner hinsichtlich seiner Honoraransprüche zugleich Nachlaßgläubiger. Er beabsichtige zudem, wesentliche Nachlaßwerte wie die Kommanditbeteiligung und die beiden Grundstücke unter Wert zu veräußern. Diese Umstände begründeten eine gegen sie, die Beteiligten zu 1) und 2), gerichtete Feindschaft des Beteiligten zu 3), die seine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers erfordere.
Der Beteiligte zu 3) ist dem Antrag entgegengetreten. Er hat im wesentlichen geltend gemacht, er habe sich in den gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen darauf beschränkt, als Rechtsanwalt entsprechend den ihm von dem Erblasser erteilten Informationen seinen Standpunkt vorzutragen und entsprechend seinen Aufträgen zu agieren. Der Erblasser habe das Honorar für seine anwaltliche Vertretung im wesentlichen bezahlt; es stehe allenfalls noch ein geringer Restbetrag offen. Eine feindselige Einstellung gegenüber den Beteiligten zu 1) und 2) bzw. gegenüber ihrer Mutter liege ihm fern. Er beabsichtige nicht, die Kommanditbeteiligung bzw. die Grundstücke zu veräußern.
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 11.05.2000 den Beteiligten zu 3) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers entlassen und die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses für ihn abgelehnt.
Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz vom 16.05.2000 sofortige Beschwerde eingelegt, der die Beteiligten zu 1) und 2) entgegengetreten sind. Durch Beschluß vom 27.07.2000 hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2), die sie mit einem bei dem Oberlandesgericht am 18.08.2000 eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom Vortag eingelegt haben.
Der Beteiligte zu 3) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 81, Abs. 2 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) folgt daraus, daß das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts zu ihrem Nachteil abgeändert hat.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3) ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.
In dem Verfahren nach § 2227 Abs. 1 BGB ist über die Wirksamkeit der Testamentsvollstreckungsanordnung als Vorfrage zu entscheiden. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob das Amt des Testamentsvollstreckers aus anderen Gründen bereits beendet ist (RGZ 167, 177, 179; BayObLGZ 1985, 233, 238 sowie FamRZ 1987, 101, 104; Senatsbeschluß vom 23.03.1992 - 15 W 303/91-). Das Landgericht hatte hier weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch nach dem sonstigen Akteninhalt einen Anlaß, auf diese Fragen näher einzugehen. Die Wirksamkeit des privatschriftlichen Testaments vom 09.09.1996, durch das der Erblasser den Beteiligten zu 3) zum Testamentsvollstrecker ernannt hat, wird von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Sein Amt ist auch nicht durch Erledigung der ihm zugewiesenen Aufgaben beendet. Zwar gehen die Beteiligten übereinstimmend zutreffend davon aus, daß der Erblasser mangels einer gem. § 2209 BGB getroffenen Verfügung keine Dauertestamentsvollstreckung, sondern nur eine Auseinandersetzungsvollstreckung (§§ 2203, 2204 BGB) angeordnet hat. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) und 2) ist die Aufgabe der Auseinandersetzung des Nachlasses nicht dadurch gegenstandslos, daß sie sich untereinander über die Art der Auseinandersetzung einig sind. Dabei kann offenbleiben, ob und wie die Verteilung des Nachlasses hier durchzuführen ist. Vorrangige Aufgabe der vom Testamentsvollstrecker vorzunehmenden Auseinandersetzung ist indessen die Berichtigung der Nachlaßverbindlichkeiten (§§ 2204 Abs. 1, 2046 Abs. 1 BGB), die nach dem eigenen Vorbringen der Beteiligten zu 1) und 2) noch aussteht.
Nach § 2227 Abs. 1 BGB kann das Nachlaßgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift ergibt sich, daß die ausdrücklich genannten Entlassungsgründe nur beispielhaft zu verstehen sind. Daneben sind als wichtige Entlassungsgründe in der Rechtsprechung allgemein anerkannt: Verstöße des Testamentsvollstreckers gegen Anordnungen des Erblassers, grobe Verstöße gegen seine Pflicht zur Rechnungslegung, Auskunftserteilung und ordnungsgemäßen Unterrichtung der Erben, ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner Miterben und dergleichen. Ein wichtiger Grund setzt nicht notwendig ein Verschulden des Testamentsvollstreckers voraus. Er liegt auch dann vor, wenn der Testamentsvollstrecker begründeten Anlaß zu der Annahme gegeben hat, daß ein längeres Verbleiben im Amt der Ausführung des Erblasserwillens hinderlich sei oder die Interessen der am Nachlaß Beteiligten schädigen oder erheblich gefährden werde. Als wichtiger Entlassungsgrund anerkannt ist darüber hinaus ein nicht auf subjektiven Gefühlsmomenten, sondern auf Tatsachen beruhendes Mißtrauen der Erben gegen die Amtsführung des Testamentsvollstreckers, wenn dieser dazu, sei es auch ohne Verschulden, Anlaß gegeben hat (vgl. etwa BayObLGZ 1988, 42, 49f. = FamRZ 1988, 770, 772; Haegele/ Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 14. Aufl., Rdnr. 792 f.; ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschluß vom 23.03.1992, a.a.O.).
Ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB vorliegt, ist sowohl Tat- als auch Rechtsfrage; es handelt sich um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff. Dadurch ist die Nachprüfung der tatsächlichen Verhältnisse dem Gericht der weiteren Beschwerde grundsätzlich verwehrt; es kann die Feststellung und Würdigung der objektiven und subjektiven Tatsachen durch das Landgericht nur dahin prüfen, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hiebei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat. Ob die so einwandfrei festgestellten Tatumstände in ihrer Gesamtheit die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs eines "wichtigen Grundes" im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB erfüllen, ist jedoch eine Rechtsfrage, die der unbeschränkten Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegt (Keidel/Kahl, FG, 14. Aufl., § 27 Rdnr. 30). Einen solchen Rechtsfehler läßt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß die Ablehnung und das Mißtrauen, das die Beteiligten zu 1) und 2) dem Beteiligten zu 3) entgegenbringen, nicht als wichtiger Entlassungsgrund im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB gewertet werden können. Diese ablehnende Haltung leiten die Beteiligten zu 1) und 2) im wesentlichen daraus her, daß der Beteiligte zu 3) als Prozeßbevollmächtigter des Erblassers in den Rechtsstreiten tätig war, in denen sie ihren Vater - im Ergebnis erfolgreich - auf Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen haben (1 F 126 und 127/96 AG Tecklenburg). Richtig ist, daß ein die Entlassung rechtfertigendes Mißtrauen des Erben auch auf einem Verhalten beruhen kann, das der Testamentsvollstrecker vor dem Erbfall gezeigt hat (Senat NJW 1968, 800; Staudinger/Reimann, BGB, 13. Bearbeitung, § 2227, Rdnr. 12). In Anbetracht der Heftigkeit der Auseinandersetzung in den beiden genannten Unterhaltsrechtsstreiten ist auch durchaus nachvollziehbar, daß die Beteiligten zu 1) und 2) subjektiv ihre Gegnerschaft zu dem Erblasser auf seinen Prozeßbevollmächtigten übertragen haben, ihn also als im "Lager" des Erblassers stehend betrachtet haben. Allein diese auf subjektiver Einschätzung beruhende Ablehnung der Person des Testamentsvollstreckers vermag indessen nach anerkannter Auffassung seine Entlassung nicht zu rechtfertigen, weil es sonst der Erbe in der Hand hätte, einseitig den ihm lästigen Testamentsvollstrecker aus dem Amt zu drängen (BayObLG a.a.O.).
Andererseits hat die nach § 2227 BGB zu treffende Entscheidung nicht lediglich solche Umstände zu berücksichtigen, die den Erblasser mutmaßlich zum Widerruf seiner Testamentsvollstreckerernennung bewogen hätten. Den gegenteiligen Standpunkt des Landgerichts hat der Senat bereits in einer früheren Entscheidung abgelehnt (vgl. den bereits eingangs genannten Beschluß vom 23.03.1992 - 15 W 303/91 - = 5 T 956/90 LG Münster); daran hält der Senat weiterhin fest. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Entlassung des Testamentsvollstreckers schon dann gerechtfertigt sein kann, wenn Umstände vorliegen, die den Erblasser, wenn er noch lebte, mutmaßlich zum Widerruf der Ernennung des Testamentsvollstreckers veranlaßt hätten (BayObLGZ 1953, 357, 365; OLG Köln OLGZ 1969, 281, 282). Dabei handelt es sich jedoch nur um einen Bewertungsgesichtspunkt, der im Rahmen der erforderlichen Gesamtbeurteilung eine Entlassung des Testamentsvollstreckers auch dann nicht völlig ausschließen kann, wenn dieser nach dem hypothetischen Willen des Erblassers weiterhin sein Vertrauen genießt. Denn eine andere Bewertung würde darauf hinauslaufen, daß der Erblasser die Entlassung des Testamentsvollstreckers ausschließen könnte; dies ist ihm jedoch nach einhelliger Auffassung versagt (RGZ 133, 128, 135; Haegele/Winkler, a.a.O., Rdnr. 792). Der Senat hat deshalb in seiner genannten Entscheidung im Einklang mit der Rechtsprechung maßgeblich darauf abgestellt, daß unter besonderen Umständen bestehende Zerwürfnisse zwischen Erben und Testamentsvollstrecker seine Entlassung rechtfertigen können, wenn durch solche Spannungen eine ordnungsgemäße Führung des Testamentsvollstreckeramtes gefährdet wird (vgl. insbesondere BayObLGZ 1988, 42, 49 f.). Dabei muß berücksichtigt werden, daß es dem Erblasser nicht verwehrt ist, zu seinem Testamentsvollstrecker eine Person seines Vertrauens auch dann zu berufen, wenn sich - wie hier - bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzeichnet, daß ein Spannungsverhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Erben entstehen kann. Die Testierfreiheit schließt es aus, die Entlassungsentscheidung nach § 2227 BGB als Korrektur einer vom Erben als unangemessen empfundenen Auswahlentscheidung des Erblassers zu instrumentalisieren. Die Testierfreiheit findet ihre Grenze nur im Pflichtteilsrecht. Dieses ermöglicht es dem pflichtteilsberechtigten, durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers beschwerten Erben, die Erbschaft auszuschlagen und seinen Pflichtteil geltend zu machen (§ 2306 Abs. 1 S. 2 BGB). Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, muß er ein von ihm empfundenes Spannungsverhältnis zu dem Testamentsvollstrecker grundsätzlich hinnehmen. Nur wenn solche Spannungen sich in einer von dem Testamentsvollstrecker selbst mitzuverantwortenden Weise zu solchen Zerwürfnissen steigern, daß eine ordnungsgemäße Amtsführung gefährdet ist, ist eine Entlassung des Testamentsvollstreckers - dann allerdings auch unabhängig von der Feststellung eines hypothetischen Widerrufswillens des Erblassers - geboten. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben.
Bei der danach gebotenen objektiven Beurteilung hat der Beteiligte zu 3) durch seine Tätigkeit als Prozeßbevollmächtigter des Erblassers in den genannten Unterhaltsrechtsstreiten den Beteiligten zu 1) und 2) keinen hinreichenden Anlaß zu der Annahme gegeben, er sei persönlich ihnen gegenüber feindselig eingestellt. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, daß in diesen - im übrigen von beiden Seiten - mit erkennbarer Verbitterung geführten Rechtsstreiten die persönliche Gegnerschaft zwischen den Prozeßparteien ausgetragen worden ist. Die Mitwirkung des Beteiligten zu 3) an dem Sachvortrag des Erblassers geht insgesamt nicht über die zulässige Ausübung seines anwaltlichen Mandats hinaus. Dies gilt insbesondere gegenüber dem von den Beteiligten zu 1) und 2) erhobenen Vorwurf, dem Beteiligten zu 3) sei es versagt gewesen, namens seines Mandanten in Abrede zu stellen, daß er über Einkommen bzw. verwertbares Vermögen zur Aufbringung des Barunterhalts seiner Kinder verfügt habe. Der Rechtsanwalt hat einseitig die Interessen seines Mandanten in einem gerichtlichen Verfahren zu vertreten. Als unabhängiges Organ der Rechtspflege und als berufener Berater und Vertreter des Rechtsuchenden hat er die Aufgabe, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen und seinen Mandanten vor der Gefahr eines Rechtsverlustes zu schützen. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erlaubt es dem Anwalt nicht, immer so schonend mit den Verfahrensbeteiligten umzugehen, daß diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Der Anwalt darf im "Kampf um das Recht" auch starke, eindringliche Ausdrücke benutzen, ferner Urteilsschelte üben oder "ad personam" argumentieren (vgl. BVerfG NJW 1988,191, 193). Die von dem Beteiligten zu 3) in den genannten Rechtsstreiten verfaßten Schriftsätze sind deshalb auf dem Hintergrund der Wahrnehmung dieser anwaltlichen Funktion zu bewerten. Dem Beteiligten zu 3) war es deshalb insbesondere nicht versagt, zur Abwehr der Unterhaltsansprüche der Beteiligten zu 1) und 2) eine bestimmte Prozeßstrategie zu verfolgen, hier insbesondere diejenige, seitens seines Mandanten an einer vollständigen Darstellung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht mitzuwirken und auf eine - seiner Auffassung nach bestehende - Darlegungs- und Beweislast der Beteiligten zu 1) und 2) als Kläger hinzuweisen. Daß gerade diese Prozeßstrategie nach dem Urteil des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts vom 23.03.1999 zum sachlichen Erfolg der Klage der Beteiligten zu 2) und später im Urteil des Amtsgerichts vom 14.10.1999 auch derjenigen des Beteiligten zu 1) geführt hat, hat der Beteiligte zu 3) im Rahmen seines Mandatsverherhältnisses zu vertreten. Er war jedenfalls auch berechtigt, das genannte Urteil des Familiensenats mit Schriftsatz vom 10.10.1999 zu kritisieren.
Daß der Beteiligte zu 3) im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erblassers vorsätzlich die Unwahrheit vorgetragen habe, haben die Beteiligten zu 1) und 2) zwar behauptet, jedoch nicht belegen können. Dies wäre nur der Fall, wenn der Beteiligte zu 3) eine eigene, präzise und umfassende eigene Kenntnis der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Erblassers gehabt hätte. Dafür reicht jedoch der Hinweis auf berechtigte Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Angaben des Erblassers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ebensowenig wie derjenige auf das genannte Urteil des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts aus. Letzteres beruht maßgebend darauf, daß der Erblasser der ihm obliegenden Darlegungslast zu seinen Verbindlichkeiten nicht genügt habe. Deshalb läßt in diesem Zusammenhang auch die Entgegennahme einer von dem Erblasser geschuldeten Anwaltsvergütung durch den Beteiligten zu 3) nicht die daraus von den Beteiligten zu 1) und 2) gezogene Schlußfolgerung zu. Im übrigen ist es nicht Aufgabe des Rechtsanwalts, von sich aus eine dem Interesse seines Mandanten entgegengesetzte Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Das von den Beteiligten zu 1) und 2) angeführte Schreiben des Beteiligten zu 3) an den Erblasser vom 31.05.1999 belegt, daß er ihn auf Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Darstellung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse hingewiesen hat. Dem Begehren der Beteiligten zu 1) und 2), den Beteiligten zu 3) zur Vorlage seiner gesamten Handakten aus dem Mandatsverhältnis mit dem Erblasser zu veranlassen, ist das Landgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) verfahrensfehlerfrei nicht nachgekommen. Denn die Behauptung der Beteiligten zu 1) und 2), der Inhalt der Handakten werde ergeben, daß der Beteiligte zu 3) in den genannten Unterhaltsrechtsstreiten vorsätzlich falsch vorgetragen habe, ist ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt, nachdem die Beschwerdeführer in den Räumen des Erblassers seine Korrespondenz mit dem Beteiligten zu 3) bis in das Jahr 1999 bereits eingesehen und aus dieser Quelle Schriftstücke in dem vorliegenden Verfahren vorgelegt haben.
Inwieweit ein Rechtsanwalt bei der gerichtlichen oder außergerichtlichen Interessenwahrnehmung den Wünschen seines Mandanten entspricht, ist eine Frage des Stils der anwaltlichen Berufsausübung, der im Hinblick auf die Unabhängigkeit seines Berufs (§ 1 BRAO) einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist. Deshalb kann der Hinweis der Beteiligten zu 1) und 2) auf bestimmte Einzelmaßnahmen der Interessenvertretung des Beteiligten zu 3) auch dann nicht zu einer anderen Bewertung führen, wenn ihr Sinn für einen Außenstehenden nur schwer nachvollziehbar ist (beispielhaft etwa wenn der Erblasser gegen seine beiden Kinder die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichts wegen eines jeweils deutlich unter 1.000,00 DM liegenden Betrages betrieben hat). Daß der Beteiligte zu 3) insoweit ohne Auftrag des Erblassers gehandelt habe, haben die Beteiligten zu 1) und 2) lediglich behauptet, jedoch nicht belegt.
Aus der früheren anwaltlichen Interessenwahrnehmung für den Erblasser ergibt sich kein Interessengegensatz, der den Beteiligten zu 1) und 2) berechtigten Anlaß zu Mißtrauen in seine Amtsführung als Testamentsvollstrecker geben könnte. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, daß die berufsrechtliche Vorschrift des § 45 Abs. 2 Nr. 1 BRAO, die zur Vermeidung von Interessenkollisionen dem Rechtsanwalt unter bestimmten Voraussetzungen die Aufnahme einer Tätigkeit als Testamentsvollstrecker untersagt, hier nicht eingreift. Nach dieser Vorschrift darf ein Rechtsanwalt "in Angelegenheiten", mit denen er bereits als Rechtsanwalt gegen den Träger des zu verwaltenden Vermögens befaßt war, nicht als Testamentsvollstrecker tätig werden. Der Begriff der Angelegenheit ist hier in derselben Weise zu verstehen wie in Abs. 1 der Vorschrift: Es muß sich jeweils um dieselbe Angelegenheit handeln, also um ein bei natürlicher Betrachtungsweise innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis (vgl. Feuerich/Braun, BRAO, 4. Aufl., § 45, Rdnr. 7, 28 und 33). Um ein solches einheitliches Lebensverhältnis handelt es sich bei der Interessenwahrnehmung zur Abwehr gegen den Erblasser geltend gemachter Unterhaltsansprüche einerseits und der Verwaltung seines Nachlasses in der Funktion des Testamentsvollstreckers erkennbar nicht. Ein Interessengegensatz folgt in diesem Zusammenhang auch nicht daraus, daß dem Beteiligten zu 3) nach seinen Angaben in geringem Umfang noch restliche Honoraransprüche aus seiner genannten anwaltlichen Tätigkeit zustehen. Die Beteiligten zu 1) und 2) beanstanden auch insoweit ohne Erfolg, daß das Landgericht den Beteiligten zu 3) nicht veranlaßt hat, seine sämtlichen Kostenrechnungen aus der Interessenvertretung des Erblassers vorzulegen. Denn soweit Honoraransprüche von dem Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten erfüllt worden sind, betrifft dies nicht die Abwicklung des Nachlasses. So haben denn auch die Beteiligten zu 1) und 2) die Vorlage sämtlicher Honorarrechnungen unter dem Gesichtspunkt verlangt, bei deren Einsichtnahme werde sich herausstellen, daß der Erblasser entgegen seinen Angaben in den von den Beteiligten zu 3) gefertigten Schriftsätzen nicht einkommens- und vermögenslos gewesen sei. Ihnen geht es also um ein erneutes Aufrollen der genannten Unterhaltsrechtreite und den Nachweis der Unrichtigkeit des damaligen Sachvortrags des Erblassers. Dieser Gesichtspunkt ist aber vorstehend bereits behandelt worden. Soweit der Beteiligten zu 3) als Nachlaßgläubiger restliche Gebührenansprüche dem Nachlaß entnehmen will, wird sich seine Rechnungslegung gegenüber den Erben (§ 2218 BGB) auf Entstehung und Höhe solcher Ansprüche zu erstrecken haben.
Zu Recht hat das Landgericht weiter angenommen, daß bei der gebotenen objektiven Bewertung keine greifbaren Anhaltspunkte dafür bestehen, daß eine ordnungsgemäße Führung des Amtes des Testamentsvollstreckers durch den Beteiligten zu 3) gefährdet ist. Die Behauptung der Beteiligten zu 1) und 2), der Beteiligte zu 3) plane die Veräußerung der Kommanditbeteiligung und der Immobilien unter Wert, ist durch nichts belegt. Mag der Erblasser sich zu seinen Lebzeiten mit dem Gedanken getragen haben, diese Vermögenswerte ggf. zu veräußern, so kann daraus nicht geschlossen werden, der Beteiligte zu 3) wolle entsprechendes ohne Rücksicht auf seine Aufgaben als Abwicklungstestamentsvollstrecker nunmehr veranlassen. Ob die Bemerkung des Erblassers in seinem Testament, die ungeteilte Erbengemeinschaft solle in "Sondereigentumsanteile" aufgeteilt werden, eine bindende Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) enthält, muß eine Auslegung der letztwilligen Verfügung ergeben, über die hier nicht zu entscheiden ist. Schon begrifflich kommt eine solche Aufteilung nur hinsichtlich der zum Nachlaß gehörenden Grundstücke in Betracht, die alleine in Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an Räumen aufgeteilt werden könnten (§ 1 WEG). Ob der Erblasser die Beteiligten zu 1) und 2) auch gegen ihren Willen, insoweit die ungeteilte Erbengemeinschaft fortzuführen, zur Begründung von Sondereigentum zwingen wollte oder ob es sich - auch im Hinblick auf die begriffliche Unvollständigkeit der Regelung - um einen Teilungsvorschlag handeln sollte, mag zweifelhaft erscheinen. Hinsichtlich des Kommanditanteils kommt mit Ausnahme der aus ihr abzuleitenden übertragbaren Vermögensrechte eine Auseinandersetzung ohnehin nicht in Betracht, weil dieser nach der Rechtsprechung des BGH bereits mit dem Erbfall im Wege der Sondererbfolge auf die Beteiligten zu 1) und 2) entsprechend ihren Erbanteilen übergegangen ist (BGHZ 108, 187 = NJW 1989, 3152; NJW 1996 1284). Jedenfalls ist nicht erkennbar, daß der Beteiligte zu 3) durch das ihm entgegengebrachte Mißtrauen der Erben an einer korrekten Amtsführung gehindert ist. Auch das Schreiben des Beteiligten zu 3) an den Beteiligten zu 1) vom 10.01.2000 wird von den Beschwerdeführern aus ihrer subjektiven Ablehnung heraus mißdeutet. Denn es gehört zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers, den Nachlaß in Besitz zu nehmen und seinen Bestand zu sichern (§ 2205 S. 2 BGB). Die Bitte um Übergabe des Schlüssels zu der Wohnung des Erblassers ist deshalb verständlich.
Bleibt danach die sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg, wird der Beteiligte zu 3) bei seiner Amtsführung gleichwohl berücksichtigen müssen, daß die subjektiven Vorbehalte der Erben gegen seine Person - wie bereits ausgeführt - zumindest subjektiv nachvollziehbar sind.
Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Dabei haften die Beteiligten zu 1) und 2) für die Kostenerstattung als Teilschuldner(Keidel/Zimmermann, a.a.0., § 13 a, Rdnr. 13), wobei der Senat im Hinblick auf das übereinstimmende Interesse eine Haftung zu gleichen Teilen angeordnet hat
Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
OLG Hamm:
Beschluss v. 05.01.2000
Az: 15 W 314/00
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