Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. Juni 2002
Aktenzeichen: 28 U 3/02
(OLG Hamm: Urteil v. 18.06.2002, Az.: 28 U 3/02)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 01. Oktober 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsver-fahrens werden dem Kläger auf-erlegt.
Das Urteil ist vorläufig voll-streckbar.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung von 15.334,41 DM = 7.840,36 EUR gemäß § 812 BGB zu. Daß der Kläger an die Beklagten 22.000,00 DM gezahlt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Diese Zahlung ist jedoch insgesamt mit Rechtsgrund erfolgt. Dieser liegt in den vom Kläger unterzeichneten schriftlichen Honorarvereinbarungen vom 31. März 1998 (Bl. 11) über einen Betrag von 15.000,00 DM zuzüglich gesetzlicher Auslagen für die Vertretung des Klägers in dem Ermittlungsverfahren StA Bochum - 42 Js 50/98 - und vom 29. Juni 1998 (Bl. 41) über 5.000,00 DM für die Verteidigung des Klägers in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Recklinghausen - 26 AK 90/98 -. Soweit der Kläger die Unterzeichnung des Honorarscheins vom 29. Juni 1998 zunächst mit "Nichterinnern" bestritten hat, ist die Unterzeichnung im Verhandlungstermin vor dem Landgericht zugestanden worden. Beide Honorarscheine sind auch formwirksam. Sie entsprechen den Anforderungen des § 3 BRAGO, insbesondere sind in den Formularen keine Regelungen enthalten, die nicht das Honorar betreffen.
Der Rechtsgrund ist nicht weggefallen. Das vereinbarte Honorar ist nicht gemäß § 3 Abs.3 S.1 BRAGO infolge unangemessener Höhe herabzusetzen.
1. Soweit der Kläger eine unangemessene Höhe des in dem Honorarschein vom 31. März 1998 vereinbarten Honorars von 15.000,00 DM daraus herleiten will, daß sich die Angemessenheit des vereinbarten Honorars ausschließlich nach einem - wie auch immer festzusetzenden - bestimmten Vielfachen der gesetzlichen Gebühr richtet, kann dem nicht gefolgt werden. Dieser Ansatz findet weder im Wortlaut des Gesetzes, noch in seinem Verständnis durch Rechtsprechung und Schrifttum eine Stütze.
§ 3 Abs. 3 BRAGO spricht ausdrücklich von einer Berücksichtigung "aller Umstände", und nicht nur von einem bestimmten, festen Verhältnis zu den gesetzlichen Gebühren. Es ist vielmehr allgemein anerkannt, daß eine Herabsetzung nur zulässig ist, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar wäre, den Auftraggeber an seinem Honorarversprechen festzuhalten (vgl. Fraunholz, in: Riedel-Sußbauer, BRAGO, 7. Aufl., § 3 Rdnr. 37;Gerold-Schmidt-Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 3 Rdnr. 20; OLG Köln in NJW 1998, 1960 [1962]; OLG München, NJW 1967, 1571). Es soll damit verhindert werden, das Ansehen des Anwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) durch unangemessen hoch vereinbarte Honorare zu gefährden (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 211; OLG München NJW 1967, 1571, 1572).
Zwar werden in Rechtsprechung und Schrifttum die gesetzlichen Gebühren zum Vergleich mit herangezogen. Sie stellen aber gerade nicht den ausschließlichen Ausgangspunkt der Betrachtung und die allein maßgebliche Vergleichsgröße dar, weil die gesetzlichen Gebühren, insbesondere auch die Gebühren in Strafverfahren (vgl. insoweit Hartmann "Kostengesetzte", 30. Aufl., BRAGO § 3 Rdn. 50; OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 211), mitunter kein angemessenes Entgelt darstellen (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 3 Rdn. 27; BGH in NJW 1997, 2388 [2389] zu § 138 BGB und der Frage des groben Mißverhältnisses; OLG Hamm (Senat) in OLGR 1998, 193). Soweit daher insbesondere in der Rechtsprechung der Instanzgerichte vertreten wird, daß das Überschreiten der gesetzlichen Gebühren um das 5 bis 7-fache nicht zur Unangemessenheit des Honorars führt, erlaubt dies nicht den Rückschluß auf eine allgemein verbindliche Höchstgrenze, deren Überschreiten eine Herabsetzung des Honorars nach § 3 Abs.3 BRAGO erfordert. Es gibt keine feste Obergrenze, ab der die Unangemessenheit einer Honorarvereinbarung zu bejahen ist. Gerade die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Festlegung eines solchen Rahmens abgelehnt. Der Bundesgerichtshof hat es insoweit beanstandet (vgl. BGHZ 77,250 [253 f.] = NJW 1980, 1962; vgl. auch BGH in NJW 1997, 2388 f.), daß das Berufungsgericht ohne Berücksichtigung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit die Unangemessenheit bereits deshalb bejaht hat, weil der Anwalt für den Antrag auf Einleitung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens das Zehnfache der gesetzlichen Gebühr verlangt hat. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senates (vgl. in OLGR 1998, 193; NJW 1998, 1871; so auch wohl OLG Köln in NJW 1998, 1960).
Gerade bei (Pauschal-)Honorarvereinbarungen in Strafsachen ist deshalb deren Angemessenheit durchaus auch in Hinblick auf den erforderlichen Zeitaufwand und einen sowohl die Reputation/Qualifikation des Anwaltes, als auch dessen Gemeinkosten berücksichtigenden Stundensatz zu beurteilen und insoweit der von der Rechtsanwaltskammer ihrem Gutachten zugrundegelegte Bewertungsmaßstab nicht zu beanstanden (vgl. insoweit Senat in OLGR 1998, 193; Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 3 Rdn. 25 m.w.N.; siehe auch OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 211: das ebenfalls die Angemessenheit eines vereinbarten Pauschalhonorars auf der Grundlage eines Zeithonorars erörtert und nur den - zur Rechtfertigung des Pauschalhonorars angegebenen - Zeitaufwand in Frage stellt.). Ein Stundensatz von 500,00 DM für die Sozietät der Beklagten erscheint dem Senat nicht als unangemessen (Senat in OLGR 1998, 193; siehe auch OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 211). Der von der Rechtsanwaltskammer zugrunde gelegte Zeitaufwand ist von der Berufungsbegründung als solcher nicht konkret und nachvollziehbar in Abrede gestellt, sondern es ist allein gerügt worden, daß dieser Stundensatz nicht für Fahrt- und Wartezeiten in Ansatz gebracht werden könne. Dafür gibt es keine Grundlage. Wer die Zeit eines Anwaltes in Anspruch nimmt, hält ihn davon ab, in dieser Zeit anderer gewinnbringender Tätigkeit (in der Kanzlei oder bei der Wahrnehmung von Terminen) nachzugehen. Aus diesem Grunde kann der Anwalt grundsätzlich seine volle Vergütung auch für Zeiten in Anspruch nehmen, in der er keine spezifisch juristischen Leistungen erbringt.
Ein Zeitaufwand von 30 Stunden für die von den Beklagten nachvollziehbar behaupteten 6-maligen, mehrstündigen Besuche des Klägers in der JVA, die Gespräche mit der Lebensgefährtin des Klägers, der Kontaktaufnahmen mit der Staatsanwaltschaft, sowie der Durchsicht der Ermittlungsakten und der Abfassung der einer schriftlichen, sich mit den Ermittlungsergebnissen gezielt auseinandersetzenden Einlassung erscheint dem Senat mit dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer als glaubhaft und füllt bei einem nicht zu beanstandenden Stundensatz von 500,00 DM das vereinbarte Pauschalhonorar von 15.000,00 DM aus. Da zwischen den Parteien kein Zeithonorar vereinbart worden ist, das den Beklagten den Nachweis ihres tatsächlich erbrachten Zeitaufwandes auferlegen würde, hatte der Kläger den nachvollziehbar behaupteten Zeitaufwand der Beklagten zu widerlegen, da sich nur daraus die Voraussetzungen der von ihm begehrten Herabsetzung gemäß § 3 Abs. 2 BRAGO ergaben, die der Kläger darzulegen und zu beweisen hatte. Dies ist nicht geschehen. Daß der von den Beklagten bei Abschluß der Honorarvereinbarung kalkulierte Zeitaufwand für die Betreuung des Klägers, an dem sie nach den Erklärungen des Beklagten zu 2) in seiner Anhörung durch den Senat auch den Umfang ihrer Tätigkeit ausgerichtet haben, deutlich unterschritten worden ist, und sich dadurch eine zunächst berechtigte Erwartung als so unzutreffend herausgestellt hat, daß ihre Grundlagen mit der Folge einer entsprechenden Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse entfallen sind (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 211), kann somit zu Lasten des Klägers nicht festgestellt werden.
2. Auch die Vereinbarung vom 29. Juni 1998 hat nicht zu einem unangemessen hohen Honorar geführt, das herabzusetzen wäre.
Zwar ist dem Kläger einzuräumen, daß der zeitliche Aufwand des Beklagten zu 1) zur Vorbereitung und Wahrnehmung der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Recklinghausen bei einem Stundensatz von 500,00 DM wohl nicht den Betrag des Pauschalhonorar von 5.000,00 DM ausfüllt. Allerdings kann insoweit nicht allein auf die Dauer der Hauptverhandlung von rd. 1 Stunde abgestellt werden. Auch hier wären zusätzlich - wie bei den Besuchen des Klägers in der JVA - noch Fahrt- und Wartezeiten in Ansatz zu bringen. Eine Zeit von insgesamt 3 Stunden erscheint dem Senat für die Wahrnehmung des Termines deshalb plausibel. Auch bedurfte es einer Durchsicht der Akten und Prüfung der Stichhaltigkeit der vom Beklagten zu 2) im Ermittlungsverfahren vorgebrachten Einlassungen durch den Beklagten zu 1), der auf Wunsch des Klägers statt des bisher tätigen Beklagten zu 2) den Termin wahrnehmen sollte und sich deshalb neu in die Angelegenheit einarbeiten mußte. Bei sorgfältigem Arbeiten dürfte noch ein weiterer Ansatz von etwa 2 Stunden gerechtfertigt sein. Daraus ergäbe sich allerdings nur ein "Zeithonorar" von 2.500,00 DM, das von dem vereinbarten Pauschalhonorar um das Doppelte überstiegen wird. Wäre die Frage nach der "Angemessenheit" des vereinbarten Honorars ausschließlich nach dem zeitlichen Aufwand des Anwaltes zu beurteilen, so wäre schon in Betracht zu ziehen, ob sich das vereinbarte Honorar unangemessen von dem üblichen Honorarsatz entfernt (vgl. dazu OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 211).
Wie aber bereits dargelegt, beurteilt sich die "Angemessenheit" der Honorarvereinbarung nicht ausschließlich nur nach einem Gesichtspunkt, sondern es sind die gesamten Umstände zu berücksichtigen und auf einer solchen umfassenden Grundlage zu beurteilen, ob es nach Treu und Glauben unerträglich erscheint, den Mandanten an einer Gebührenvereinbarung festzuhalten, für die der Grundsatz der Vertragsfreiheit und der daraus folgenden Bindung an das Vereinbarte gilt (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR 1996, 211). Insoweit ist aber zu berücksichtigen, daß nach gängiger Rechtsprechung ein Mehrfaches der gesetzlichen Gebühr zwar keinen zwingenden Schluß auf die Unangemessenheit einer darüber liegenden Honorarvereinbarung zuläßt, eine darunter liegende Vereinbarung jedoch noch regelmäßig als angemessen erachtet wird. Soweit daher die Gebühren des eigentlichen Strafverfahrens dem Arbeitsaufwand des Anwalt und der Bedeutung der Angelegenheit mehr entgegenkommen als die gesetzlichen Gebühren für das Ermittlungsverfahren kann nach Auffassung des Senates entsprechend dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer nach einer "Meistbegünstigungsklausel" verfahren werden. Selbst wenn dann im vorliegenden Fall nicht die vom Kläger seinem Rückzahlungsbegehren in der Berufungsbegründung zugrundegelegte Höchstgebühr von 1.300,00 DM sondern nur eine in der Regel zumindest gerechtfertigte Mittelgebühr von 700,00 DM anzusetzen wäre, beliefe sich das nach der Faustformel der Instanzrechtsprechung zu beurteilende "angemessene" Honorar ohne weiteres auf 4.200,00 DM. Soweit das vereinbarte Honorar diesen Betrag eher geringfügig um 800,00 DM übersteigt, wiegt dies angesichts aller Umstände nicht so schwer, daß ein Festhalten an der Vereinbarung wider Treu und Glauben verstoßen würde.
II. Die Voraussetzungen der Zulassung einer Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage allgemein vertretener und anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat. Insbesondere zur Frage, ob sich die Angemessenheit eines vereinbarten Honorars nach einer festen, sich an einem Vielfachen der gesetzlichen Gebühren ausrichtenden Obergrenze bemißt, liegen bereits Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs vor, denen der Senat gefolgt ist. Die Rechtssache besitzt so weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
IV, Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 18.06.2002
Az: 28 U 3/02
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