Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 9. März 2016
Aktenzeichen: 4 Sa 19/15
(LAG Baden-Württemberg: Urteil v. 09.03.2016, Az.: 4 Sa 19/15)
Ein sog. "echter Betriebsführungsvertrag", der dadurch geprägt ist, dass der Betriebsführer den Betrieb nur aus abgeleitetem Recht im fremden Namen und für fremde Rechnung führen darf, begründet keinen Betriebsübergang. In diesen Fällen wird der Betriebsführer nicht "verantwortlicher Inhaber" des Betriebs. Für den Betriebsübergang ist nicht entscheidend, ob der Betriebsführer im Verhältnis zu den Arbeitnehmern (in Verkennung der Rechtslage) als deren Arbeitgeber auftritt. Maßgeblich ist die umfassende Nutzung des Betriebes nach außen.
(Führendes Verfahren zu 9 weiteren Parallelverfahren 4 Sa 20/15 bis 4 Sa 28/15)
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg vom 08.05.2015 (26 Ca 1842/14) teilweise abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass zwischen der klagenden Partei und der Beklagten zu 2 über den 31.03.2011 hinaus jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 08.05.2015 ein Arbeitsverhältnis bestand.
2. Im Übrigen wird die Klage der klagenden Partei gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zu 2 zurückgewiesen.
III. Die Beklagten zu 1 und 2 haben die Gerichtskosten zu je 3/7 zu tragen, die klagende Partei zu 1/7. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers haben die Beklagten zu 1 und 2 je zu 3/7 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 hat der Kläger zu 1/4 zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und die Beklagte zu 2 streiten vorliegend darüber, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht oder ob das ursprünglich zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs zum 1.4.2011 auf die Beklagte zu 1 übergegangen ist. Außerdem begehrt der Kläger von der Beklagten zu 2 die Weiterbeschäftigung.
Wegen des erstinstanzlich unstreitigen und streitigen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2, 3 Satz 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Ergänzend hierzu ist noch § 12 der €Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung€ vom März 2011 zu zitieren. Dieser lautet:
€C. Allgemeine Bestimmungen§ 12Auskunftsrecht von W.
W. kann von der Geschäftsführung der I. W. jederzeit und in allen die Lohnfertigung und die Betriebsführung betreffenden Angelegenheiten Auskünfte verlangen. Im Hinblick auf die Betriebsführung gemäß Lit. B, nicht aber für Lit. A dieses Vertrages (mit Ausnahme der Vorgaben für die Herstellung, Bearbeitung und Lieferung der Ware gemäß §§ 1, 2 und 3 Abs. 1), kann W. Richtlinien erlassen und Weisungen erteilen. Insbesondere kann W. bestimmen, welche Arten von Geschäften ihrer vorherigen Zustimmung bedürfen.€
Die Beklagte zu 2 kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger Ende Mai 2015 vorsorglich außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich. Gegen diese Kündigung hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - Kündigungsschutzklage erhoben, verbunden mit einem allgemeinen Feststellungsantrag.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 8.5.2015 festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 über den 31.5.2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Beklagte zu 2 wurde zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Die gegen die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 28.10.2014 gerichtete Kündigungsschutzklage wurde dagegen abgewiesen. Das Arbeitsgericht führte zur Begründung aus, dass zum 1.4.2011 kein Betriebsübergang von der Beklagten zu 2 auf die Beklagte zu 1 stattgefunden habe, weshalb das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten zu 2 verblieben sei. Zwar nutze die Beklagte zu 1 seit 1.4.2011 das Betriebsgrundstück, die Hallen, Maschinen und Produktionsmethoden, sowie die von der Beklagten zu 2 geschaffene Betriebsorganisation und deren Kundenbeziehungen, somit den von der Beklagten zu 2 geschaffenen betrieblichen Funktionszusammenhang für ihre wirtschaftliche Tätigkeit. Unerheblich sei, dass die Betriebsmittel nicht im Eigentum der Beklagten zu 2 stehen. Auch eine eigenwirtschaftliche Nutzung der Betriebsmittel sei für einem Betriebsübergang nicht erforderlich. Diese Nutzungsmöglichkeiten seien der Beklagten zu 1 rechtsgeschäftlich, nämlich durch die €Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung€ vom März 2011 eingeräumt worden. Trotz Nutzung des betrieblichen Funktionszusammenhangs sei die Beklagte zu 1 jedoch nicht Inhaberin des Betriebs geworden. Die Betriebsinhaberschaft sei bei der Beklagten zu 2 verblieben. Die Beklagte zu 1 handele nämlich auf Grundlage der vertraglichen Abrede nach außen lediglich namens und für Rechnung der Beklagten zu 2. Eine solche €echte Betriebsführungsvereinbarung€ könne aber einen Betriebsübergang nicht begründen. Sämtlicher Warenbezug, sämtliche Vertragsbeziehungen und sämtliche Produktauslieferungen würden ausschließlich namens der Beklagten zu 2 erfolgen. Der E-Mail-Verkehr - außer gegenüber den Arbeitnehmern - würde über Signaturen der Beklagten zu 2 erfolgen, bzw. die herkömmlichen Außenkontakte auf Geschäftspapier der Beklagten zu 2. Die Arbeitnehmer haben weiterhin die Arbeitskleidung der Beklagten zu 2 getragen und seien nach außen als deren Arbeitnehmer identifizierbar gewesen. Auch gewerbliche Schutzrechte für neu entwickelte Produkte und Verfahrenstechniken kämen ausschließlich der Beklagten zu 2 zugute. Diese seien von der Beklagten zu 1 namens der Beklagten zu 2 anzumelden. Die bloße Personalverwaltung gegenüber den Arbeitnehmern genüge aber zur Begründung einer Betriebsinhaberschaft nicht. Die Beklagte zu 1 verfolge auch keine nennenswerten eigenen wirtschaftlichen Zwecke. Sie erhalte lediglich Kostenerstattung und einen dreiprozentigen Zuschlag auf die Bruttolohnsumme. Sie könne also von einem positiven Ergebnis ihrer Betriebsführung nicht profitieren. Es bestehe kein Anreiz zu einer wirtschaftlich effizienten und kostensparenden Betriebsführung. Die wirtschaftlichen Risiken verblieben vielmehr bei der Beklagten zu 2. Der Normzweck des § 613a BGB gebiete einen Gleichlauf zwischen Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis. Der Arbeitsplatz befinde sich aber noch im Betrieb der Beklagten zu 2. Der Kläger habe wegen der Unzulässigkeit einer subjektiven Eventualklagehäufung unbedingt gegen beide Beklagte Klage erheben müssen. Dies sei kein widersprüchliches Verhalten. Gegen die Beklagte zu 1 habe er zur Meidung der Wirksamkeitsfiktion der Kündigung gemäß § 7 KSchG Klage erheben müssen. Einen Vertrauenstatbestand, die Beklagte zu 2 deswegen nicht in Anspruch zu nehmen, habe der Kläger dadurch nicht geschaffen. Sowohl für eine prozessuale als auch für eine materielle Verwirkung fehle es am erforderlichen Umstandsmoment. Die Verwirkung des Arbeitsverhältnisses als Stammrecht sei ohnehin nicht möglich. Da der Kläger mit dem Bestandsschutzstreit gegen die Beklagte zu 2 obsiegt hat, sei diese auch zur Weiterbeschäftigung verpflichtet. Da das Arbeitsverhältnis noch mit der Beklagten zu 2 fortbestehe, sei die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Kündigungsschutzklage mangels Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung unbegründet.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 10.6.2015 und der Beklagten zu 2 am 12.6.2015 zugestellt. Der Kläger legte gegen dieses Urteil im Umfang seines Unterliegens am 8.7.2015 Berufung ein, welche er innerhalb der bis 10.9.2015 verlängerten Begründungsfrist am 10.9.2015 begründete. Die Beklagte zu 2 legte im Umfang ihres Unterliegens am 10.7.2015 Berufung ein, welche sie am 10.7.2015 und am 31.7.2015 begründete.
Die Beklagte zu 1 anerkannte mit Schriftsatz vom 20.10.2015 den gegenüber ihr geltend gemachten Klageanspruch, woraufhin mit Teilanerkenntnisurteil vom 18.11.2015 das Urteil des Arbeitsgerichts vom 8.5.2015 unter Ziffer 3 abgeändert wurde und festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1 nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 28.10.2014 aufgelöst wurde.
Die Beklagte zu 2 beanstandet im Wesentlichen eine fehlerhafte Rechtsanwendung.
Sie meint, der Kläger könne nicht gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 1 und zur Beklagten zu 2 geltend machen. Ein solches Klageverhalten sei widersprüchlich. Es bestünde eine materielle Abhängigkeit der gegen die beiden Beklagten gerichteten Klageansprüche. Die vom Kläger begehrte Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 2 sei jedenfalls mit der Rechtskraftwirkung des gegen die Beklagte zu 1 ergangenen Teilanerkenntnisurteils nicht vereinbar.
Die Beklagte zu 2 beruft sich auf Prozessverwirkung. Die Beklagte zu 2 habe nach über 4 Jahren und diversen Prozessen mit anderen Arbeitnehmern und dem Betriebsrat, die ebenfalls den Betriebsübergang zum Gegenstand gehabt hätten, nicht mehr damit rechnen müssen, dass der Verlust ihrer Betriebsinhaberschaft noch angezweifelt würde.
Materiell geht die Beklagte zu 2 weiterhin von einem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1 aus. Sie verweist darauf, dass es sich bei den Begriffen der €echten€ und €unechten Betriebsführung€ um keine Rechtsbegriffe handele. Maßgeblich sei allein die tatsächliche Handhabung. Hierbei komme es nicht auf das Auftreten nach außen gegenüber Dritten, insbesondere Kunden, an, sondern darauf, dass nach innen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft die Beklagte zu 1 als Arbeitgeberin aufgetreten sei, diese die Arbeitgeberpflichten übernommen habe und auch das Weisungsrecht im eigenen Namen ausgeübt habe. Eine solche Sichtweise sei aus Gründen der Rechtssicherheit geboten. Die Beklagte zu 1 habe nicht nur die Personalverwaltung übernommen, sondern den Betrieb umfassend eigenverantwortlich koordiniert, auch wenn sie nach außen im Namen der Beklagten zu 2 aufgetreten sei. Aus der Weiternutzung der Arbeitskleidung könne in Bezug auf die Betriebsinhaberschaft nichts abgeleitet werden. Die Beklagte zu 2 habe lediglich keine Verwendung für die Kleidung mehr gehabt und deshalb keine Herausgabe verlangt. Die Beklagte zu 1 habe ihren originären Zweck als Betriebsführungsgesellschaft verwirklicht und eine Vergütung vereinbart, die einer branchentypischen Umsatzrendite entspreche, die im Übrigen über dem Ergebnis liege, welches die Beklagte zu 2 vor dem (behaupteten) Betriebsübergang erzielt habe.
Die Beklagte zu 2 beruft sich weiterhin auch auf eine materiell-rechtliche Verwirkung. Sie trägt vor, sie berufe sich entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht auf eine Verwirkung des Stammrechts. Vielmehr gehe es nur darum, dass der Kläger nicht mehr einen fehlenden Betriebsübergang geltend machen dürfe. Es sei insbesondere unberücksichtigt geblieben, dass zumindest in entsprechender Anwendung von § 613a Abs. 6 BGB der Kläger binnen eines Monats ab Unterrichtung über den Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 1 hätte widersprechen müssen, auch wenn er nur meinte, dass ein Betriebsübergang gar nicht vorgelegen hätte. Die Beklagte zu 2 habe zudem im Vertrauen auf den Betriebsübergang mittlerweile erhebliche Dispositionen, wie zB den Abschluss weiterer Geschäftsbesorgungsverträge, getroffen. Sie habe deshalb keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr für ihre vormaligen Arbeitnehmer. Dies sei als Umstandsmoment zu berücksichtigen.
Der Weiterbeschäftigungsantrag sei zu unbestimmt. Außerdem sei ihr die Beschäftigung des Klägers unmöglich, da ein Arbeitsplatz für den Kläger nicht mehr vorhanden sei. Die Beklagte zu 2 könne nicht zum Betreiben eines Betriebes angehalten werden, den sie nicht unterhalte. Jedenfalls stehe der Weiterbeschäftigung die Folgekündigung von Ende Mai 2015 entgegen.
Die Beklagte zu 2 beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Kammern Ludwigsburg, Az: 26 Ca 1842/14, vom 8. Mai 2015 wird geändert.
2. Die Klage gegen die Beklagte Ziffer 2/Berufungsklägerin wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Er verweist in rechtlicher Hinsicht darauf, dass bei einem echten Betriebsführungsvertrag wie vorliegend wegen des Handelns im fremden Namen auch das Haftungsrisiko beim Eigentümer verbleibe und auch sonst die Organisationsstrukturen erhalten blieben. Auch dies spreche für ein Fortbestehen der Betriebsinhaberschaft beim Eigentümer. Es komme auf die umfassende Nutzung des Betriebes nach außen an und nicht auf das Auftreten gegenüber der Belegschaft im Innenverhältnis. Selbst wenn man annehmen wollte, die Beklagte zu 1 wäre nach außen im fremden Namen und gegenüber dem Arbeitnehmern im eigenen Namen aufgetreten, gebiete der Schutzzweck des § 613a BGB einen Verbleib des Arbeitsverhältnisses bei der Eigentümergesellschaft. Die Beklagte zu 1 stünde nämlich in kompletter wirtschaftlicher Abhängigkeit zur Beklagten zu 2 ohne eigenständige wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Dies entspräche einer konzernrechtlichen Weisungsunterworfenheit. Die Beklagte zu 1 verfolge keine wirtschaftliche Zwecksetzung außerhalb der Zwecksetzung der Beklagten zu 2 und sei auch nicht in der Lage, eigenständig auf dem Markt zu agieren. Zwischen einer reinen Betriebsführungsgesellschaft ohne wesentliches Kapital und Anlagevermögen und einem betriebsmittelgeprägten produzierenden Unternehmen bestehen schon keine Identität der wirtschaftlichen Einheit mehr. Die Beklagte zu 1 sei ein reines Dienstleistungsunternehmen.
Außerdem behauptet der Kläger, der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 2, Herr W., habe auch nach dem 1.4.2011 durchaus noch das Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern ausgeübt. Auf die vom Kläger vorgelegten Beispiele (Bl. 137-141 der Akte) wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird gemäß § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Gründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten zu 2 ist lediglich teilweise bezogen auf den Weiterbeschäftigungsanspruch begründet, im Übrigen unbegründet.
A
Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.
I.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
1. Der Streitgegenstand der gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Feststellungsklage ist in der Berufungsinstanz beschränkt auf den Zeitraum 1.4.2011 bis 8.5.2015. Es soll festgestellt werden, dass jedenfalls bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz am 8.5.2015 ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 bestanden hat.
a) Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage ist in der Regel das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 53; BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - BAGE 85, 262). Hat aber der Arbeitnehmer in der ersten Instanz mit seinem Feststellungsbegehren - nicht rechtskräftig - obsiegt und legt hiergegen der Arbeitgeber Berufung ein, so ist Gegenstand des Berufungsangriffs erst einmal nur der Gegenstand des Urteils erster Instanz, somit der Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz. Ob auch der Zeitraum danach und insbesondere weitere etwaige Beendigungsakte, die nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetreten sind, streitgegenständlich sein sollen, hängt vom Willen des Arbeitnehmers ab, ob dieser eine solche Erweiterung des Streitgegenstands im Rahmen einer Anschlussberufung gemäß § 524 ZPO in das Verfahren einführen möchte oder nicht (BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 622/01 - BAGE 103, 84; HaKo-KSchR/Gallner 5. Auflage § 4 KSchG Rn. 54).
b) Vorliegend hat der Kläger die von der Beklagten zu 2 erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz im Mai 2015 zwischen den Instanzen ausgesprochene Kündigung mit einer gesonderten Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg angegriffen, verbunden mit einem weiteren allgemeinen Feststellungsantrag. Daraus ist zu entnehmen, dass der Zeitraum nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz bis zum Zugang des neuen Kündigungsschreibens Gegenstand der neuen Kündigungsschutzklage sein soll und der Zeitraum nach dem in der Kündigung benannten Kündigungstermin Gegenstand der neuerlichen Feststellungsklage. Für die hier vorliegende Feststellungsklage ergibt sich, dass der Zeitraum nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht in Form einer Anschlussberufung zum Streitgegenstand hat erhoben werden sollen. Dies hat die Klägerseite auf Anfrage im Berufungstermin auch ausdrücklich bestätigt.
c) Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzung der Streitgegenstände liegt auch keine Unzulässigkeit der Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit vor gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.
2. Auch wenn durch diese Antragsauslegung die allgemeine Feststellungsklage zu einer vergangenheitsbezogenen wurde, besteht für diese weiterhin ein rechtliches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.
a) Begehrt ein Arbeitnehmer die Feststellung, dass in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ein - noch fortbestehendes - Arbeitsverhältnis bestanden habe, ist das Feststellungsinteresse nach den Grundsätzen der vergangenheitsbezogenen Statusklage zu beurteilen. Ein Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn sich gerade aus dieser Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (BAG 6. November 2002 - 5 AZR 364/11 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 78).
b) Vorliegend stellt die Beklagte zu 2 den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerade wegen des vergangenheitsbezogenen Betriebsübergangs weiterhin in Abrede. Die begehrte Feststellung hat also noch Auswirkungen auf die Gegenwart und die Zukunft. Insbesondere muss der Kläger auch die Möglichkeit haben, die Folgekündigung durch 2 Instanzen mit einer Kündigungsschutzklage verfolgen zu können. Er kann nicht in eine Anschlussberufung gezwungen werden.
3. Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage ist nicht wegen Prozessverwirkung unzulässig.
a) Eine solche Prozessverwirkung kommt nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Das Klagerecht soll ausnahmsweise verwirken können, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden ist, dass er gerichtlich nicht mehr belangt werde. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist. Durch die Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Dies ist im Zusammenhang mit den an das Zeit- und Umstandsmoment zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen (BAG 20. April 2011 - 4 AZR 368/09 - AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 41).
b) Ob das Zeitmoment für eine Verwirkung erfüllt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an einem Umstandsmoment.
aa) Vorliegend hat der Kläger nämlich entsprechend der Mitteilung der Beklagten zu 1 und 2 lediglich an seinem bisherigen Arbeitsplatz im Betrieb widerspruchslos weitergearbeitet und zur Kenntnis genommen, dass die Beklagte zu 1 eine Arbeitgeberstellung eingenommen hatte. Er hatte angesichts dieser Umstände keine Veranlassung, die rechtliche Richtigkeit der Mitteilung zu überprüfen, solange der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Abrede gestellt wurde. Jedenfalls hat der Kläger in keiner Weise zu irgendeinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten zu 1 oder 2 die Frage des Betriebsübergangs thematisiert oder zum Ausdruck gebracht, diese Frage nicht mehr gerichtlich klären lassen zu wollen.
bb) Soweit nach März 2011 andere Arbeitnehmer und auch der Betriebsrat vor allem mit der Beklagten zu 1 Rechtsstreitigkeiten führten, ist dies für die Beurteilung des Umstandsmoments bezogen auf den Kläger ohne Belang. Diese Rechtsstreitigkeiten wurden nicht vom Kläger geführt. Es können nicht Dritte zu Lasten des Klägers einen Vertrauenstatbestand schaffen, dass der Kläger die Beklagte zu 2 nicht mehr in Anspruch nehmen wolle. Dies gilt im Übrigen auch für etwaige Rechtsansichten, die im Rahmen von Einigungsstellenverfahren von den dortigen Beteiligten geäußert worden sein mögen.
cc) Solange aber der Kläger keinen eigenen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, ist es unerheblich, ob die Beklagte zu 2 weitere Dispositionen wie zB den Abschluss weiterer Fertigungs- und Dienstleistungsverträge getätigt hat.
dd) Eine Prozessverwirkung kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger erst ca. 4 Monate nach Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1 die Klage um die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2 erweitert hat. Zu Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1 war der Kläger durch die Kündigung der Beklagten zu 1 veranlasst worden. Gegen diese Kündigung musste er vorgehen, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Kündigung gemäß § 7 KSchG als wirksam gilt. Aus der Erhebung einer fristgebundenen Klage gegen die Beklagte zu 1 kann kein Umstandsmoment entnommen werden, dass der Kläger die Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 2 akzeptiere und die Beklagte zu 2 deshalb nicht mehr in Anspruch genommen werden solle. Zu beachten ist insbesondere, dass die Klageerweiterung unmittelbar nach der Klageerwiderung der Beklagten zu 1 erfolgte.
4. Der Feststellungsklage steht auch nicht die Rechtskraft des gegen die Beklagte zu 1 ergangenen Teilanerkenntnisurteils vom 18.11.2015 entgegen, mit welchem festgestellt wurde, dass ein Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1 nicht durch eine Kündigung der Beklagten zu 1 vom 28.10.2014 beendet wurde.
a) Die Rechtskraft eines Urteils wirkt grundsätzlich nur im Verhältnis der Parteien zueinander (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Auflage Vor § 322 Rn. 52; ders. § 325 Rn. 3). Insbesondere erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf bloße einfache Streitgenossen einer Partei (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Auflage Rn. 4).
b) Auch wenn den Klagen gegen die Beklagten zu 1 und 2 dieselbe Vorfrage zugrundeliegt, nämlich ob ein Betriebsübergang von der Beklagten zu 2 auf die Beklagte zu 1 stattgefunden hat, waren die Beklagten lediglich einfache und keine notwendigen Streitgenossen iSv. § 62 Abs. 1 ZPO (BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - AP BGB § 613a Nr. 444). Die gemeinsame Klage gegen mehrere einfache Streitgenossen erfolgte lediglich aus Gründen der prozessualen Zweckmäßigkeit. Dennoch kann eine Entscheidung gegen den einen oder anderen Streitgenossen anders lauten als für oder gegen einen anderen (BAG 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - AP ZPO § 59 Nr. 1), auch wenn dies nicht wünschenswert ist.
c) Vorliegend ist zusätzlich zu bedenken, dass die Feststellung gegenüber der Beklagten zu 1 nur aufgrund eines Anerkenntnisses erfolgte. Es mag dahinstehen, ob das Anerkenntnis aus taktischen Gründen erfolgte, wie der Kläger mutmaßt. Denn jedenfalls lag dem Teilanerkenntnisurteil keine materielle Prüfung der Rechtslage zugrunde. Dass in einem solchen Fall unter Umständen unterschiedliche sich widersprechende Urteile entstehen können, ist dann dem Prozessverhalten der Beklagtenseite geschuldet.
II.
Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Feststellungsklage ist auch begründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass zumindest bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zwischen der Beklagten zu 2 und dem Kläger ein Arbeitsverhältnis bestand. Dieses Arbeitsverhältnis ist nicht mit Wirkung zum 1.4.2011 oder später wegen eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1 übergegangen. Zur Meidung von Wiederholungen wird deshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollumfänglich auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I 2 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Die Kammer folgt diesen Gründen ausdrücklich. Lediglich in Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung sind noch nachfolgenden Ausführungen veranlasst.
1. Mit der Beklagten zu 2 und dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1 seit 1.4.2011 die die wirtschaftliche Einheit des Betriebes prägenden Betriebsmittel materieller und immaterieller Art und deren Funktionszusammenhang nutzt auf der Grundlage eines Rechtsgeschäfts, nämlich der €Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgung über Betriebsführung€ vom März 2011. Es kommt nicht auf die Eigentümerstellung an den genutzten Betriebsmittel an und auch nicht auf die eigenwirtschaftliche Nutzung durch den Erwerber. Jedoch nutzte die Beklagte zu 1 diese betriebliche Einheit nicht als für diesen Betrieb verantwortlicher €Inhaber€. Die €Verantwortlichkeit€ für den Betrieb ist bei der Beklagten zu 2 verblieben.
a) Maßgeblich für einen Betriebsübergang ist nicht nur die Nutzung der die wirtschaftliche Einheit des Betriebes prägenden Betriebsmittel. Vielmehr muss ein Wechsel in der €Inhaberschaft€ des Betriebes stattgefunden haben. Der neue €Inhaber€ muss den Betrieb auch €führen€. Diese neue Person muss also nunmehr für den Betrieb €verantwortlich€ sein (BAG 27. September 2012 - 8 AZR 826/11 - AP BGB § 613a Nr. 438; BAG 10. Mai 2012 8 AZR 434/11 - AP BGB § 613a Nr. 426; BAG 21. Februar 2008 - 8 AZR 77/07 - AP BGB § 613a Nr. 343; BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 2/07 - AP BGB § 613a Nr. 339; BAG 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - AP BGB § 613a Nr. 294; BAG 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - NZA 2003, 1338; BAG 25. Mai 2000 - 8 AZR 416/99 - AP BGB § 613a Nr. 209; EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - AP RL 2001/23/EG Nr. 8, CLECE; EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - AP RL 77/187/EWG Nr. 1, Celtec). Teilweise wird auch von €Zurechnung€ gesprochen (BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613a Nr. 299). Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt (BAG 27. September 2012 aaO; BAG 10. Mai 2012 aaO; BAG 21. Februar 2008 aaO; BAG 31. Januar 2008 aaO; BAG 15. Dezember 2005 aaO; BAG 20. März 2003 aaO). Nicht erforderlich ist, dass der neue Inhaber den Betrieb auf eigene Rechnung führt. Unschädlich ist es daher, wenn der Gewinn an einen anderen abgeführt wird (BAG 10. Mai 2012 aaO; BAG 15. Dezember 2005 aaO; BAG 20. März 2003 aaO). Es kommt aber jedenfalls allein auch nicht darauf an, wer im Verhältnis zur Belegschaft als Inhaber auftritt, sondern vielmehr auf die umfassende Nutzung des Betriebs nach außen (BAG 27. September 2012 aaO; BAG 10. Mai 2012 aaO; BAG 31. Januar 2008 aaO). Ob ein Inhaberwechsel und somit ein Betriebsübergang vorliegt, ist objektiv zu beurteilen und kann nicht durch einen Rechtsirrtum bestimmt werden. Der Rechtsirrtum über das Vorliegen eines Betriebsübergangs begründet einen solchen nicht (BAG 9. Februar 1989 - 2 AZR 40588 - juris; LAG Baden-Württemberg 17. Januar 2013 - 21 Sa 55/12 - LAGE KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 94).
b) Legt man diese Maßstäbe an, so lässt sich auch für die aus dem Aktienrecht entwickelten Vertragstypen klar bestimmen, bei welchen Unternehmensverträgen ein Betriebsübergang vorliegen kann und bei welchen nicht. Dies ungeachtet der von der Beklagten zu 2 reklamierten Selbstverständlichkeit, dass es nicht auf eine Vertragsbezeichnung ankommen kann, sondern nur auf die Subsumtion unter die oben genannten Kriterien für einen Betriebsübergang.
aa) Bei einem Betriebspachtvertrag iSv. § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG überlässt der Verpächter den Betrieb seines Unternehmens dem Pächter zu Besitz und Nutzung und eröffnet ihm die Möglichkeit, den Betrieb der verpachteten Gesellschaft im eigenen Namen und Interesse auf eigenes Risiko zu führen (MüArbR/Richardi 3. Auflage § 23 Rn. 11). Die bisherige operative Tätigkeit des Verpächters wird zugunsten des Pächters aufgegeben (Hüffer AktG 7. Auflage § 292 Rn. 18). Wegen der damit einhergehenden Änderung des Gesellschaftszwecks und dem Eingriff in das Gewinnrecht der Gesellschafter handelt es sich bei Personengesellschaften wie der Beklagten zu 2 um ein so genanntes Grundlagengeschäft (Staub/Habersack HGB 5. Auflage § 126 Rn. 17, 18; MüKo-HGB/Mülbert 3. Auflage KonzernR Rn. 318). Der Betriebspachtvertrag ist jedenfalls geprägt von einem Handeln des Pächters im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Daraus folgt, dass mit dem Betriebspachtvertrag ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB einhergeht (MüArbR/Richardi 3. Auflage § 23 Rn. 12).
bb) Bei einem Betriebsüberlassungsvertrag iSv. § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG übernimmt der Übernehmer den Betrieb zwar auf eigene Rechnung. Er handelt aber weiterhin im fremden Namen (MüArbR/Richardi 3. Auflage § 23 Rn. 13; Hüffer AktG 7. Auflage § 292 Rn. 19; Karsten Schmidt Handelsrecht 6. Auflage § 4 IV Rn. 64). Da der Betrieb weiter im fremden Namen geführt wird, verbleiben die Arbeitnehmer beim Überlasser. Ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB findet nicht statt (MüArbR/Richardi 3. Auflage § 23 Rn. 13).
cc) Umstritten ist, ob auch so genannte €Betriebsführungsverträge€ unter § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG fallen, bzw. ob diese Norm auf diese Verträge entsprechend anzuwenden ist (Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht 4. Auflage § 17 III d). Jedenfalls hinsichtlich der Typik besteht Einigkeit, dass Betriebsführungsverträge, anders als Betriebspachtverträge und Betriebsüberlassungsverträge, dadurch gekennzeichnet sind, dass der Betriebsführer nicht auf eigene Rechnung, sondern auf fremde Rechnung tätig ist (MüArbR/Richardi 3. Auflage § 23 Rn. 14; Hüffer AktG 7. Auflage § 292 Rn. 20; Grigoleit/Servatius AktG § 292 Rn. 36; Emmerich in Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 4. Auflage § 292 AktG Rn. 55; Karsten Schmidt Handelsrecht 6. Auflage § 4 IV Rn. 64).
(1) Von einem €echten Betriebsführungsvertrag€ wird gesprochen, wenn der Betriebsführer namens der Eigentümergesellschaft auftreten muss, somit die Betriebsführung nur aus abgeleiteten Recht durchgeführt werden kann (MüArbR/Richardi 3. Auflage § 23 Rn. 15; Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Auflage Kap. G Rn. 109; Langenbucher in K. Schmidt/Lutter AktG 3. Auflage § 292 Rn. 36). Da ein Handeln des Betriebsführers nur aus abgeleitetem Recht im fremden Namen und auf fremde Rechnung zulässig ist, wird der Abschluss einer solchen echten Betriebsführungsvereinbarung bei Personenhandelsgesellschaften nicht als Grundlagengeschäft angesehen, sondern lediglich als außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen iSv. § 116 Abs. 2 HGB (MüKo-HGB/Mülbert 3. Auflage KonzernR Rn. 322, 325; Staub/Habersack HGB 5. Auflage § 126 Rn. 18; noch offen lassend: BGH 5. Oktober 1981 - II ZR 203/80 - NJW 1982, 1817, Holiday Inn). Da aber die Leitungsmacht durch das Handeln im fremden Namen noch bei der Eigentümergesellschaft verbleibt, kann auch kein Betriebsübergang eintreten (MüArbR/Richardi 3. Auflage § 23 Rn. 15; Rieble NZA 2010, 1145). Bei echten Betriebsführungsvereinbarung ist wegen des Handelns im fremden Namen der Betriebsführer lediglich der €verlängerte Arm€ der Eigentümergesellschaft (Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Auflage Kap. G Rn. 109). Eine solche Betriebsführung im fremden Namen als verlängerter Arm der Eigentümergesellschaft begründet keinen Betriebsübergang (BAG 10. Mai 2012 aaO).
(2) Anders ist dies beim sogenannten €unechten Betriebsführungsvertrag€. Dort tritt der Betriebsführer nach außen im eigenen Namen auf und verfolgt mit den Betriebsmitteln und den Arbeitnehmern nach außen hin erkennbar eigene Zwecke (Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Auflage Kap. G Rn. 109; Langenbucher in K. Schmidt/Lutter AktG 3. Auflage Rn. 36; Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht 4. Auflage § 17 III d; Rieble NZA 2010, 1145). Das macht sich auch haftungsrechtlich bemerkbar. Beim unechten Betriebsführungsvertrag haftet nach außen die Betriebsführungsgesellschaft für die eingegangenen Rechtsgeschäfte mit Dritten und trägt das Insolvenzrisiko der Eigentümergesellschaft insofern als der Rückgriff scheitern kann. Externen Vertragspartnern haftet nur die Betriebsführungsgesellschaft ( Rieble NZA 2010, 1145). Wegen des Handelns im eigenen Namen tritt beim Abschluss von unechten Betriebsführungsvereinbarung ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB ein (Rieble NZA 2010, 1145; Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 3. Auflage Kap. G Rn. 110).
c) Legt man die unter a) und b) beschriebenen Grundsätze zugrunde, ist festzustellen, dass die Beklagte zu 1 mit der Beklagten zu 2 im März 2011 nur einen sogenannten echten Betriebsführungsvertrag geschlossen hat. Dieses Vertragsverhältnis wurde auch entsprechend der Vereinbarung tatsächlich abgewickelt. Die Beklagte zu 1 handelte als Betriebsführerin nach außen lediglich namens und in Vollmacht der Beklagten zu 2. Ein Betriebsübergang konnte über diese Vertragsgestaltung und -abwicklung nicht begründet werden. Wir oben bereits dargestellt, kommt es jedenfalls allein nicht darauf an, dass die Beklagte zu 1 gegenüber den Arbeitnehmern als Inhaberin und Arbeitgeberin aufgetreten ist. Andere die Betriebsinhaberschaft begründende Indizien sind nicht festzustellen.
aa) Wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, ergibt sich schon aus der Betriebsführungsvereinbarung selbst, dass die Beklagte zu 1 nach außen nicht als Betriebsinhaberin im eigenen Namen hat auftreten sollen.
(1) Die €Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung€ aus dem März 2011 hat im Wesentlichen 2 Teile. Teil A enthält vertragliche Regelungen zur Durchführung der Lohnfertigung. Die Beklagte zu 1 verpflichtete sich zur Herstellung und Bearbeitung von W.-Produkten. Teil B regelt dagegen die Betriebsführung bezogen auf den gesamten Geschäftsbetrieb, auch bezogen auf die Bereiche Einkauf, Vertrieb, Marketing, Finanzbuchhaltung, Forschung, Entwicklung und Instandhaltung.
(2) Schon die Übertragung der Lohnfertigung in Teil A dieser Vereinbarung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Handeln jedenfalls nach außen im eigenen Namen nicht vorgesehen war. So hatte gemäß § 3 der Vereinbarung die Bearbeitung gemäß Vorgaben der Beklagten zu 2 zu erfolgen, für welche diese allein verantwortlich sein sollte. Gemäß § 4 der Vereinbarung durfte selbst die Warenbeschaffung für die Lohnfertigung nicht im eigenen Namen der Beklagten zu 1 erfolgen, sondern ausschließlich im Namen und für Rechnung der Beklagten zu 2.
(3) Deutlicher wird der Verbleib der Betriebsinhaberschaft bei der Beklagten zu 2 aber aus Teil B dieser Vereinbarung. Gemäß § 6 der Vereinbarung wurde der Beklagten zu 1 zwar die Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebs übertragen, jedoch nur nach Vorgaben der Beklagten zu 2. Im Rahmen der Tätigkeit nach § 6, somit bei ihrer Betriebsführung, durfte die Beklagte zu 1 gemäß § 7 der Vereinbarung im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausschließlich für Rechnung und im Namen der Beklagten zu 2 handeln. Gemäß § 10 verblieben die gewerblichen Schutzrechte bei der Beklagten zu 2. Neue Entwicklungen und Erfindungen waren von der Beklagten zu 1 ausschließlich im Namen und für Rechnung der Beklagten anzumelden.
(4) Ausweislich der unter Teil C geregelten Allgemeinen Bestimmungen sicherte sich die Beklagte zu 2 das Recht zu, in Bezug auf die Betriebsführung gemäß Teil B der Vereinbarung Richtlinien und Weisungen erteilen zu dürfen. Die Beklagte zu 2 behielt sich das Recht vor, zu bestimmen, welche Art von Geschäften ihrer Zustimmung bedürfen.
(5) In der Vorbemerkung dieser Vereinbarung wurde der Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer lediglich als Rechtsfolge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB beschrieben. Die irrtümliche Rechtsansicht über einem Betriebsübergang kann aber einen solchen nicht begründen.
bb) Aber auch aus dem aus Anlass der beabsichtigten Lohnfertigungsübertragung abgeschlossenen Interessenausgleich vom 28.10.2010 ergibt sich nichts anderes.
(1) Auch im Interessenausgleich heißt es unter Nr. 1, dass das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen, die Lizenzrechte und sonstige Vermögensgegenstände bei der Beklagten zu 2 verbleiben würden. Im Namen der Beklagten zu 2 würde auch weiterhin der Einkauf und der Vertrieb sowie die Forschung und Entwicklung betrieben werden. Es sollten insbesondere Werkverträge für die gesamte Produktion und Dienstleistungsverträge für die Bereiche Forschung und Entwicklung, Einkauf, Vertrieb und Finanzen geschlossen werden. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte zu 2 insbesondere die Übertragung der Lohnfertigung als eine Aufgabenerfüllung im Rahmen eines bloßen Werkvertrages betrachtete, wobei der Werkerfolg an den eigenen Maschinen und Vermögensgegenständen der Beklagten zu 2 zu erbringen war, deren Nutzung sie der Beklagten zu 1 zwar einräumte, die Herrschaftsgewalt hierüber insbesondere in der arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebes aber nicht aufgeben wollte.
(2) Auch im Interessenausgleich ist unter Nr. 1 der Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer lediglich als Rechtsfolge eines angenommenen Betriebsübergangs beschrieben. Der Irrtum über den Betriebsübergang kann aber die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs nicht herbeiführen.
cc) Von entscheidender Bedeutung ist letztlich, dass entsprechend der vertraglichen Einschränkungen auch tatsächlich gehandelt wurde.
(1) Die Beklagte zu 1 ist nach außen gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber Kunden, ausschließlich namens und für Rechnung der Beklagten zu 2 aufgetreten. Sämtliche Verträge mit Kunden wurden namens der Beklagten zu 2 geschlossen. Auch die Produktauslieferungen erfolgten namens der Beklagten zu 2. Die Beklagte zu 1 trat nach außen überhaupt nicht in Erscheinung. Die gesamte Außenkommunikation erfolgte im elektronischen Verkehr unter Nutzung von Signaturen der Beklagten zu 2 und im herkömmlichen Rechtsverkehr unter Nutzung von Geschäftspapieren der Beklagten zu 2.
(2) Daraus folgt, dass die Beklagte zu 2 nach außen auch keinerlei Haftung gegenüber Kunden oder Lieferanten ausgesetzt war. Das volle Betriebsrisiko verblieb bei der Beklagten zu 2. Letztlich trug die Beklagte zu 1 lediglich das Risiko der Insolvenz der Beklagten zu 2 im Hinblick auf ihre Erstattungsansprüche gemäß §§ 1 und 9 der €Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Geschäftsführung€.
(3) Umgekehrt konnte die Beklagte zu 1 auch vom Erfolg ihrer Betriebsführung nicht profitieren. Die Beklagte zu 1 bezog entsprechend der Vertragsregelung lediglich eine Erstattung ihrer Lohnkosten zuzüglich eines dreiprozentigen Aufschlags. Eine wirtschaftliche, effiziente und kostensparende Betriebsführung der Beklagten zu 1 wäre somit allenfalls der Beklagten zu 2 zugute gekommen. Eine besondere unternehmerische Chance wurde der Beklagten zu 1 durch die Betriebsführung nicht eingeräumt.
dd) Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass außer der Inanspruchnahme der Arbeitgeberstellung durch die Beklagte zu 1 ein Auftreten der Beklagten zu 1 nach außen im eigenen Namen nicht erfolgt ist. Die Inanspruchnahme der Arbeitgeberstellung wiederum erfolgte im Wesentlichen in Umsetzung der (falschen) Rechtsansicht, dass ein Betriebsübergang vorgelegen habe. Diese Inanspruchnahme der Arbeitgeberstellung allein kann aber einen Betriebsübergang nicht begründen.
d) Die Beklagte zu 2 kann auch nicht mit ihrer Argumentation durchdringen, das gefundene Ergebnis stehe nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.
Zwar hat der EuGH in dem von der Beklagten zu 2 zur Unterstützung ihrer Rechtsauffassung zitierten Urteil vom 20.1.2011 (C-463/09 - AP RL 2001/23/EG Nr. 8, Clece, Rn. 30) ausgeführt, dass die durch die RL 2001/23/EG kodifizierte RL 77/187/EWG in allen Fällen anwendbar sei, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Dies besagt aber nicht, dass in der Übernahme der Arbeitgeberverpflichtung auch die Übernahme der Verantwortung für den Betrieb liege. Es ist vielmehr umgekehrt. Es bedarf zuerst des Wechsels in der Verantwortung für den Betrieb. Mit dem Wechsel der Verantwortung für den Betrieb geht auch ein Wechsel in der Arbeitgeberstellung einher.
2. Auch nach dem 1.4.2011 kam es zu keinen Betriebsübergang im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein solcher (weiterer) Betriebsübergang wurde von der Beklagten zu 2 weder behauptet, noch ist ein solcher ersichtlich. Vielmehr enthalten die Folgevereinbarungen über die Betriebsführung aus den Jahren 2013 und 2015 weitergehende Einschränkungen als die Vereinbarung vom März 2011.
3. Dem Kläger ist es nicht aufgrund materiell-rechtlicher Verfristung gemäß § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB verwehrt, sich auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2. zu berufen. Diese Vorschrift ist weder unmittelbar noch analog anwendbar.
a) Nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB schriftlich widersprechen. Nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB kann der Widerspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Erfolgt ein frist- und formgerechter Widerspruch verbleibt das Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber. Die einmonatige Widerspruchsfrist wird allerdings nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung in Lauf gesetzt, andernfalls kann der Arbeitnehmer noch nach Fristablauf in den Grenzen der Verwirkung dem Betriebsübergang widersprechen (BAG 14. November 2013 - 8 AZR 824/12 - AP BGB § 613a Nr. 449). Das Widerspruchsrecht des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB ist ein Gestaltungsrecht in Form eines Rechtsfolgenverweigerungsrechts (BAG 21. August 2014 - 8 AZR 619/13 - AP BGB § 613a Nr. 453; BAG 24. April 2014 - 8 AZR 369/13 - AP BGB § 613a Nr. 451)
b) § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB ist vorliegend nicht unmittelbar anwendbar. Die Bestimmung setzt nämlich zwingend voraus, dass ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Bereits dem Wortlaut des Satzes 1 ist zu entnehmen, dass ein €Übergang des Arbeitsverhältnisses€ Voraussetzung für die Entstehung des Widerspruchsrechts und damit auch für die Einhaltung des Fristerfordernisses ist. Findet kein Betriebsübergang statt, fehlt es auch an einem bisherigen Arbeitgeber und einem neuen Inhaber, die Satz 2 als Adressaten eines Widerspruchs benennt. Für ein Gestaltungsrecht, das fristgebunden auszuüben ist, ist von vornherein kein Raum, wenn das Arbeitsverhältnis mangels Betriebsübergang ohnehin beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt. Eine Gestaltung eines Rechtsverhältnisses ist in solch einem Falle nicht möglich.
c) Auch eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht.
aa) Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Eine analoge Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (vgl. BAG 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - AP AÜG § 1 Nr. 34).
bb) Diese Voraussetzungen liegen offenkundig nicht vor. Weder kann aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden, dass eine unbeabsichtigt gelassene Gesetzeslücke vorliegt, noch verlangt der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge. Im Gegenteil, es wäre widersprüchlich ein fristgebundenes Gestaltungsrecht analog anwenden zu wollen, wo ein Gestaltungsbedürfnis überhaupt nicht gegeben ist. Den Belangen des Arbeitgebers im Falle eines vermeintlichen Betriebsüberganges, der sich im Nachhinein nicht als solcher erweist, kann ggf. durch die Anwendung der Grundsätze der materiell-rechtlichen Verwirkung hinreichend Rechnung getragen werden, sofern deren Voraussetzungen vorliegen. Liegt kein Betriebsübergang vor, ist die Unterrichtung des Arbeitgebers, ein solcher finde statt, unrichtig. Weshalb gerade hier eine Widerspruchsfrist zu laufen beginnen soll, während sie in den übrigen Fällen einer fehlerhaften Unterrichtung bei Vorliegen eines Betriebsübergangs gerade nicht in Lauf gesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar. Eine Analogie vermiede hier keine Wertungswidersprüchen, sondern führte zu solchen.
cc) Auch mit dem Gesetzeszweck ließe sich eine analoge Anwendung kaum mehr vereinbaren. Liegt nämlich tatsächlich ein Betriebsübergang vor, führt die Ausübung des Widerspruchs zu einem Verbleib des Arbeitsverhältnisses beim Veräußerer, die Nichtausübung des Widerspruchs führt dagegen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses beim Erwerber. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt jedenfalls gesichert. Liegt dagegen - wie vorliegend - kein Betriebsübergang vor, würde die entsprechende Anwendung des § 613a Abs. 6 BGB unter Zugrundelegung der Rechtsansicht der Beklagten zu 2 zu folgendem Ergebnis führen: Durch die Nichtausübung des Widerspruchs könnte sich der Arbeitnehmer nicht mehr auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer berufen, obwohl dieses Arbeitsverhältnis zu keinem Zeitpunkt beendet wurde. Mit dem Erwerber hätte er aber kein Arbeitsverhältnis, weil es zur Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eines Betriebsübergangs bedurft hätte. Der Arbeitnehmer stünde entgegen der gesetzlichen Zwecksetzung plötzlich ohne ein Arbeitsverhältnis da. Dieses Ergebnis ließe sich allenfalls vermeiden, wenn man annehmen wollte, auch der Erwerber dürfe sich gegenüber dem Arbeitnehmer nicht darauf berufen, dass mit ihm kein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Dieses Risiko aber dem Arbeitnehmer aufzuerlegen, erscheint sachlich nicht gerechtfertigt.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2 hat der Kläger auch nicht sein Recht (materiell) verwirkt, sich auf ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2 zu berufen.
a) Die materiell-rechtliche Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und insoweit eine Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens (Staudinger/Looschelders/Olzen BGB (2015) § 242 Rn. 300). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient - wie die Verjährung - dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Begehrens nicht mehr zuzumuten ist (BAG 11. Dezember 2014 - 8 AZR 838/13 - AP BGB § 611 Mobbing Nr. 9).
b) Zu den nicht vorliegenden Umstandsmomenten wurden bereits im Rahmen der prozessualen Verwirkung Ausführungen gemacht unter I 3 b. Hierauf wird verwiesen.
B
Die Klage des Klägers gegen die Beklagte zu 2 auf Weiterbeschäftigung ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
I.
Die Weiterbeschäftigungsklage ist zulässig.
1. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Insoweit wird auf die Ausführungen des im Zwangsvollstreckungsverfahren zwischen den Parteien ergangenen Beschlusses vom 9.11.2015 (15 Ta 21/15) verwiesen.
2. Einer Entscheidung steht weder eine doppelte Rechtshängigkeit, noch die Rechtskraft des gegen die Beklagte zu 1 ergangenen Teilanerkenntnisurteils vom 18.11.2015 entgegen. Der Kläger machte gegen die Beklagte zu 1 zu keinem Zeitpunkt eine Weiterbeschäftigung geltend.
3. Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich oder widersprüchlich, dass sich der Kläger sowohl mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 1 zur Wehr setzt und daneben Weiterbeschäftigung von der Beklagten zu 2 begehrt. Dies ist schlicht der prozessualen Situation geschuldet. Auf obige Ausführungen hierzu wird verwiesen. Der Kläger wird sich nach Abschluss des Verfahrens lediglich entscheiden müssen, gegenüber wem er seine Beschäftigungspflicht erfüllen möchte.
II.
Die Klage auf Weiterbeschäftigung ist jedoch nicht (mehr) begründet.
1. Hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass ein bestimmter Beendigungstatbestand, wie hier ein Betriebsübergang, ein Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, und hat es deshalb den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung verurteilt, hängt die Beantwortung der Frage, ob eine danach ausgesprochene Kündigung den Weiterbeschäftigungsanspruch beendet, davon ab, ob sie zu einer Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt, die derjenigen entspricht, die vor Verkündung des Urteils bestanden hat, das die Unwirksamkeit des ersten Beendigungstatbestandes festgestellt hat. Stützt der Arbeitgeber die Kündigung auf einen Sachverhalt, der es nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, dass diese das Arbeitsverhältnis beendet hat, wird dadurch eine zusätzliche Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet, die das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung wieder überwiegen lässt. Eine offensichtlich unwirksame Kündigung lässt den Weiterbeschäftigungsanspruch hingegen nicht entfallen (BAG 19. Dezember 1985 -2 AZR 190/85 - BAGE 50, 319).
2. Gemessen daran ist durch die vorsorgliche Kündigung der Beklagten zu 2 nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils eine zusätzliche Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2 eingetreten, die aktuell den Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen lässt. Abgesehen davon, dass der Kläger die Kündigung in einem gesonderten Verfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - angegriffen und damit zum Ausdruck gebracht hat, deren Wirksamkeit dort und nicht vom Berufungsgericht überprüfen lassen zu wollen, könnte zwar die außerordentliche fristlose Kündigung offensichtlich unwirksam sein, da eine solche aus betriebsbedingten Gründen in aller Regel nicht möglich ist, jedenfalls aber kann nicht von einer offensichtlichen Unwirksamkeit der hilfsweisen ordentlichen Kündigung ausgegangen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass anders als in Fällen, in denen der Arbeitgeber nach einer Erstkündigung, die bereits erstinstanzlich überprüft wurde, eine Folgekündigung ausspricht, hier eine erstmalige Kündigung der Beklagten zu 2 vorliegt, deren Überprüfung umfassenden Vortrages der Parteien und einer umfassenden Würdigung der Sach- und Rechtslage bedarf. Da die Wirksamkeit der betriebsbedingt begründeten hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Beklagten zu 2 im vorliegenden Verfahren nur am Rande thematisiert wurde, sieht sich das Berufungsgericht außerstande anzunehmen, diese sei von vornherein unwirksam. Da die hilfsweise ordentliche Kündigung, wäre sie wirksam, das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2015 beendet hätte, besteht aktuell eine Ungewissheit über den Fortbestand desselben, die das schutzwürdige Interesse der Beklagten zu 2 an der Nichtbeschäftigung des Klägers aktuell überwiegen lässt, solange nicht die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt ist.
CNebenentscheidungen
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Hierbei mussten wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch die Kosten der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Berufung mit einbezogen werden.
2. Gründe für eine Revisionszulassung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Entgegen der mehrfach geäußerten Rechtsauffassung der Beklagten zu 2 ist eine grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht erkennbar. Insbesondere die Frage, auf welche Kriterien für die Bewertung eines Inhaberwechsels bei einem Betriebsübergang abzustellen ist, konnte unter Anwendung bereits bestehender Rechtssätze des BAG beantwortet werden.
LAG Baden-Württemberg:
Urteil v. 09.03.2016
Az: 4 Sa 19/15
Link zum Urteil:
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