Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. März 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 17/01
(BPatG: Beschluss v. 05.03.2003, Az.: 20 W (pat) 17/01)
Tenor
Der Beschluss des Patentamts vom 23. Oktober 2000 wird aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Verfahren zur Überwachung von Sendern ineinem Gleichwellennetz und Anordnung hierfür.
Anmeldetag: 7. August 1999 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1-7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 13 Seiten Beschreibung (Seiten 1, 1a, 2 bis 12), überreicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Blatt ursprüngliche Zeichnungen (Figuren 1-7).
Gründe
I.
Die Patentanmeldung wurde vom Patentamt mit der Begründung zurückgewiesen, die Anmeldung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Es sei unklar, wie die TFPR-Symbole den Sendern zugeordnet werden könnten, so dass auch die Impulsantworten für die einzelnen Sender nicht bestimmt werden könnten.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen und drei Blatt ursprünglichen Zeichnungen zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Überwachung von Sendern in einem Gleichwellennetz, wobei Funksignale Synchronisierungssignale und eine jeweilige Senderkennung aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass aus von den Sendern gesendeten Funksignalen die Impulsantwort für den jeweiligen Funkkanal zu dem jeweiligen Sender mittels der empfangenden Funkstation (13) ermittelt wird, wobei die Funkstation die Impulsantworten der Sender durch Laufzeitunterschiede anhand der jeweiligen Senderkennung voneinander trennt, dass durch einen Vergleich einer jeweiligen Referenzimpulsantwort und der jeweils für einen Sender ermittelten Impulsantwort jeder sendende Sender überwacht wird, dass der Standort der Funkstation (13) mit dem Vergleich der Referenzimpulsantwort und der gemessenen Impulsantwort und mit dem Vergleich der Synchronisierungssignale der unterschiedlichen Sender den Sendern und einer Zentrale (14) übermittelt wird und dass zusätzlich von den Sendern zugeordneten Meßstationen Informationen zu der Zentrale (14) übertragen werden, die in Abhängigkeit von diesen Informationen entscheidet, ob eine Senderfehlfunktion oder veränderte Ausbreitungseigenschaften vorliegen."
Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Akte verwiesen.
Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften berücksichtigt:
1) DE 197 57 814 A1
(2) DE 196 42 633 A1.
In der im Beschwerdeverfahren eingegangenen Beschreibungseinleitung ist außerdem noch folgende Druckschrift genannt:
(3) DE 197 17 013 A1.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und führt mit dem beschränkten Patentbegehren auch zum Erfolg.
1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 sind in den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 2, 3 und 5 sowie in der ursprünglichen Beschreibung (S 1 Abs 2; S 9 Abs 1; S 5 Abs 2) als zur Erfindung gehörend offenbart.
2. Die Erfindung ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann, ein Hochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in Entwicklung und Betrieb von Gleichwellennetzen, sie ausführen kann.
Nach § 34 Abs 4 PatG genügt für die Ausführbarkeit der Erfindung die deutliche und vollständige Offenbarung in der Anmeldung. Es ist daher nicht notwendig, dass der Patentanspruch alle Angaben enthält, die erforderlich sind, damit der Fachmann die Erfindung ausführen kann. Vielmehr reicht es aus, wenn im Patentanspruch die entscheidende Richtung angegeben ist, in die der Fachmann vorgehen muss, um die Lehre des Patents verwirklichen zu können.
Im vorliegenden Fall ist in der ursprünglichen Beschreibung (OS, Sp 2 Z 60 - 64) angegeben, dass das Nullsymbol in jedem zweiten abgestrahlten DAB-Rahmen durch ein TII-Symbol (Transmitteridentifikationsinformationssymbol) ersetzt ist, das eine individuelle Kennung jedes Senders enthält. Mit diesem Symbol ist es möglich, die Signale den einzelnen Sendern zuzuordnen. Damit kann auch die Impulsantwort, die aus dem im DAB-Rahmen direkt hinter dem TII-Symbol angeordneten Phasenreferenzsymbol (TPFR-Symbol) ermittelt wird, dem richtigen Sender zugeordnet werden. Sollten sich Signale von verschiedenen Sendern überlagern, ist es dem Fachmann auch ohne einen entsprechenden Hinweis in der Anmeldung möglich, das gewünschte Phasenreferenzsymbol auf Grund seiner bekannten zeitlichen Lage durch übliche Korrelationsmethoden zu ermitteln, denn diese Korrelationsmethoden gehören zu seinem Fachwissen.
Auch die Bestimmung der Referenzimpulsantwort ist für den Fachmann auf Grund der Angaben in der Anmeldung möglich. In der ursprünglichen Beschreibung (S 7 Abs 3) ist angegeben, dass die Referenzimpulsantwort bestimmt wird, wenn sich das Gleichwellennetz in einem eingeschwungenen Zustand und die Sender im Normalbetrieb befinden. Vor Bestimmung der Referenzimpulsantwort vergewissert sich der Fachmann selbstverständlich davon, dass diese Voraussetzungen gegeben sind und im übrigen auch geeignete Übertragungseigenschaften vorliegen, von denen ihm bekannt ist, dass sie durch Witterungsbedingungen beeinflusst werden können.
3. Stand der Technik Aus Druckschrift (1) ist ein Verfahren zur Überwachung von Sendern in einem Gleichwellennetz (Sp 1 Z 7) bekannt, bei dem die von den Sendern abgestrahlten Funksignale von einer Funkstation empfangen werden. Die zentral in einer Senderkette angeordnete Funkstation umfasst eine Richtantenne, die mittels eines Rotors auf den gewünschten DAB-Sender eingestellt wird. Der von dem DAB-Sender ausgesandte Datenstrom wird automatisch protokolliert. Danach kann die Richtantenne auf den nächsten zu überwachenden DAB-Sender eingestellt werden. Hierdurch ist es möglich, Fehlerquellen und Abweichungen einzelner Sender in Frequenzgang und Modulation durch Vergleiche zu ermitteln und abzustellen (Sp 3 Z 13 - 18).
Eine Senderkennung in den von den Sendern ausgesandten Funksignalen ist für die Überwachung der Sender gemäß (1) nicht erforderlich, weil die Richtantenne auf den ausgewählten Sender ausgerichtet wird (Sp 2 Z 39 - 43). Im Unterschied zum Verfahren nach Patentanspruch 1 und der Anordnung nach Patentanspruch 5 weisen die Funksignale daher keine Senderkennung auf. Außerdem werden aus den gesendeten Signalen nicht die Impulsantworten für die Funkkanäle zu jedem Sender ermittelt und mit einer Referenzimpulsantwort verglichen.
Die Druckschrift (2) betrifft ein Verfahren zur Bestimmung von Empfängerstandorten in einem Gleichwellennetz. Die von den Sendern abgestrahlten Funksignale weisen Synchronisierungssignale (Synchronisationskanal 1 mit Nullsignal 2 und Phasenreferenzsymbol TFPR 3) und eine jeweilige Senderkennung (Sp 2 Z 11 - 20) auf. Die die Senderkennung enthaltenden Nullsymbole werden ausgewertet, um die empfangenen Signale den einzelnen Sendern zuordnen zu können. Aus der Phasendifferenz der Signale der verschiedenen Sender wird die Laufzeitdifferenz der Signale bestimmt. Durch anschließende Berechnung der Impulsantwort und Bestimmung der Laufzeitdifferenz zwischen den Peaks der Impulsantwort wird die Genauigkeit der Bestimmung der Laufzeitdifferenz verbessert, so dass eine exaktere Positionsbestimmung des Empfängers möglich ist. Dabei werden die Impulsantworten der Sender durch Laufzeitunterschiede anhand der jeweiligen Senderkennung voneinander getrennt. Die ermittelte Impulsantwort enthält Informationen über empfangene Sendesignale und deren Reflexionen und charakterisiert den Übertragungskanal (Sp 2 Z 65 - 68). Eine Überwachung der Sender des Gleichwellennetzes ist nicht vorgesehen. Die ermittelte Impulsantwort wird daher auch nicht mit einer Referenzimpulsantwort verglichen.
Die Druckschrift (3) hat in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringt hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.
4. Neuheit Die zweifelsfrei gewerblich anwendbaren Gegenstände der Patentansprüche 1 und 5 sind neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle ihre Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.
5. Erfinderische Tätigkeit Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 5 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen der hohen Anforderungen an die Sender eines Gleichwellennetzes, die gleichzeitig Sendesignale mit absolut übereinstimmendem Modulationsinhalt auf derselben Sendefrequenz abstrahlen, besteht in Gleichwellennetzen die Notwendigkeit, die Sender zu überwachen. Die Druckschrift (2) betrifft die Durchführung von Messungen in einem Gleichwellennetz. Dabei werden zur Bestimmung von Empfängerstandorten Kanalimpulsantworten ermittelt, die Informationen über die empfangenen Sendesignale enthalten und daher auch Rückschlüsse auf die Sender zulassen.
Dem Fachmann ist aus Druckschrift (1) bereits ein Verfahren zur Überwachung der Sender eines Gleichwellennetzes bekannt, bei dem eine zentral angeordnete, mit einer Richtantenne versehene Überwachungs- und Kontrolleinrichtung die Funksignale der Gleichwellensender empfängt. Der Fachmann erhält hierdurch den Hinweis, dass die Überwachung der Sender eines Gleichwellennetzes durch eine zentral angeordnete Funkstation möglich ist. Da die Funkstation nach (2) zentral angeordnet ist und die von ihr bestimmten Kanalimpulsantworten Informationen über die Sender enthalten, bietet es sich ihm an, die Funkstation nach (2) auch zur Überwachung der Sender des Gleichwellennetzes einzusetzen.
In (1) ist außerdem angegeben, dass die Messergebnisse durch Vergleich ausgewertet werden (Sp 4 Z 21) und dass Abweichungen einzelner Sender ermittelt werden (Sp 3 Z 14). Möglicherweise entnimmt der Fachmann daraus auch noch den Hinweis, dass er zur Überwachung der Sender die Impulsantworten mit einer Bezugsgröße vergleichen muss. Auch wenn es sich bei der Impulsantwort um eine vergleichsweise komplexe Größe handelt, die Informationen über die Anzahl der Sender, ihre Sendeleistung und ihre Synchronisation enthält, mag es daher dennoch für ihn nahe liegen, für jeden Sender die Impulsantwort mit einer Referenzimpulsantwort zu vergleichen. Außerdem dürfte es noch im Rahmen des fachmännischen Könnens liegen, die gemessenen Informationen an die Sender und an eine Zentrale zu übertragen, zumal aus (1) schon entnehmbar ist, dass ermittelte Abweichungen der Sender abgestellt werden (Sp 3 Z 13 - 17), was eine Übertragung der Daten voraussetzt.
Der Fachmann erhält jedoch aus keiner der Druckschriften einen Hinweis darauf, zusätzlich noch den Sendern Messstationen zuzuordnen, von denen aus Informationen zu der Zentrale übertragen werden, wobei dann die Zentrale in Abhängigkeit von diesen Informationen entscheidet, ob eine Senderfehlfunktion oder veränderte Ausbreitungseigenschaften vorliegen. Denn bei dem Verfahren nach Druckschrift (1) geht es gerade darum, alle Messdaten durch eine einzige zentral in der Sendekette angeordnete Funkstation zu ermitteln. Die Druckschrift (2) betrifft dagegen ausschließlich die Bestimmung von Empfängerstandorten, bei der den Sendern zugeordnete Messstationen nicht erforderlich und daher auch nicht vorgesehen sind. Auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens gelangt der Fachmann somit nicht in naheliegender Weise zu einem Verfahren mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen.
Der nebengeordnete, auf eine Anordnung zur Überwachung von Sendern in einem Gleichwellennetz gerichtete Patentanspruch 5 enthält zu den Verfahrensmerkmalen des Patentanspruchs 1 die entsprechenden Vorrichtungsmerkmale. Für ihn gelten die vorstehend dargelegten Gründe in gleicher Weise.
6. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 und die auf den Patentanspruch 5 rückbezogenen Patentansprüche 6 und 7 betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 5 und sind daher ebenfalls gewährbar.
7. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
Dr. Anders Obermayer Martens Dr. Zehendner Pr
BPatG:
Beschluss v. 05.03.2003
Az: 20 W (pat) 17/01
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